L 5 KR 23/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 1028/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 23/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattungshöhe für Fahrtkosten zu einer Strahlentherapie.

Die 1959 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin wurde am 23.05.2002 wegen einer bösartigen Neubildung der Brustdrüse rechts im Klinikum G. operiert. Die daran anschließende ärztlich verordnete Strahlenbehandlung wollte die Klägerin nicht an ihrem Wohnort, sondern in der Praxis für Strahlentherapie und Radioonkologie der Dr.P. in W. durchführen lassen.

Die entsprechenden radiologischen Behandlungen wurden von der Beklagten übernommen und vom 24.06. bis 16.08.2002 in der Praxis Dr.P. durchgeführt. Einen Antrag auf Fahrtkostenerstattung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2002 ab, da nur die Fahrtkosten zur nächsterreichbaren Behandlungsmöglichkeit übernommen werden könnten. Diese bestehe in G. (Praxis Dr.K.).

Auf einen erneuten Fahrtkostenantrag der Klägerin vom 03.07.2002, welchem die Begründung der Dr.P. beigefügt war, dass diese einen 120-Lamellen-Kollimator einsetze, welcher eine noch feinere Feldformung und eine maximale Lungenschonung ermögliche, holte die Beklagte zwei Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes (23.07.2002, 21.08.2002) ein. Danach seien keine wissenschaftlichen Nachweise der besseren Lungenschonung vorhanden bei Verwendung eines 120- anstelle eines 80-Lamellen-Kollimators. Mit Bescheid vom 26.08.2002 lehnte die Beklagte erneut die Erstattung von Fahrtkosten ab, die über die Fahrstrecke zur Strahlenbehandlung in G. hinaus gingen. Es seien keine wissenschaftlichen Beweise für eine bessere Lungenschonung durch das Gerät der Dr.P. vorhanden. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und nahm dabei Bezug auf den Radiologietherapiebericht der Dr.P. vom 16.08.2002, welcher von Ausbildung panikartiger, kaum kontrollierbarer Angstzustände und Albträumen der Klägerin bei der Behandlung berichtet. Auf Beruhigungsmittel habe die Patientin aber verzichtet.

Mit Erläuterungsschreiben vom 24.09.2002 wies die Beklagte darauf hin, dass es bei der Ablehnungsentscheidung verbleiben müsse, weil seit dem 01.04.2002 auf dem Gelände des Klinikums G. die Strahlentherapiepraxis Dr.K. vorhanden sei, welche eine fachgerechte Behandlungsbestrahlung garantiere.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2002 lehnte die Beklagte die Fahrtkostenerstattung über den bereits gewährten Betrag von 46,20 EUR hinaus ab, weil die Strahlentherapie in W. nicht die nächstgelegene Behandlungsmöglichkeit gewesen sei.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München hat die Klägerin beantragt, ihr Fahrtkosten in Höhe von 732,60 EUR zu erstatten. Sie sei als Sportlehrerin und Leistungssportlerin auf eine lungenschonende Behandlung angewiesen, welche nur Frau Dr.P. habe garantieren können. Ergänzend hat sie auf ihr Schreiben vom 08.10.2002 Bezug genommen, wonach Frau Dr.K. am 04.06.2002 auf ihre Fragen nicht geantwortet und nur erklärt habe, sie sei Strahlenärztin und bereits seit 25 Jahren mit dieser Arbeit vertraut. Dr.K. habe sie - die Klägerin - ihren Körper nicht anvertrauen wollen. Entsprechend einer Studie der University of California von 1999 sei nachgewiesen, dass das Gerät der Dr.P. gewebeschonender sei. Zudem habe Herr L. von der Beklagten - Geschäftsstelle G. - angegeben, bereits mehrere Versicherte seien mit der dortigen Behandlung unzufrieden gewesen, es sei sogar die Rede von massiven Verbrennungen gewesen.

In einer Stellungnahme des MdK vom 21.05.2004 ist hierzu angegeben, die Studie aus dem Jahr 1999 habe nur zwölf Patienten umfasst mit Gehirntumoren bzw. Gehirnmetastasen. Dort könne tatsächlich die Verwendung des 120-Lamellen-Geräts äußerste Präzision gewährleisten. Bei der Klägerin habe ein damit nicht vergleichbarer Fall vorgelegen, es hätten wesentlich größere Bestrahlungsfelder behandelt werden müssen. Eine optimale Gewebeschonung der umliegenden Organe wie der Lunge sei durch Isotopenberechnung, Beschränkung der Bestrahlungsfelder und Lagerung des Patienten ohne weiteres sicherzustellen. Die Geräte mit 80-Lamellen seien Stand der medizinischen Wissenschaft.

In einer Stellungnahme hat der Gebietsleiter L. die von der Klägerin angegebenen Äußerungen nicht bestätigt, sondern erklärt, Aussagen wie behauptet, habe er nicht getroffen.

Mit Urteil vom 20.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne nur Fahrtkostenerstattung zum nächstgelegenen Behandlungsort verlangen. Medizinische Gründe für die Behandlung in W. anstelle in G. hätten nicht vorgelegen, da die optimale Gewebeschonung entsprechend der Stellungnahme des MDK durch den in G. vorhandenen Strahlenapparat gewährleistet gewesen sei.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 und des Bescheides vom 26.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2002 zu verurteilen, ihr Fahrtkosten in Höhe von 732,60 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2006 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet.

Streitgegenstand sind die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten vom 07.06.2002 (mündlich), 12.07.2002, 26.08.2002 sowie 24.09.2002, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2002. Es handelt sich um Verwaltungsakte, weil es die Beklagte jeweils unzweideutig abgelehnt hatte, der Klägerin die Kosten für die Fahrten über die Strecke am Wohnort hinaus zu erstatten. Es handelt sich jeweils nicht um wiederholende Verfügungen, weil die Beklagte neue Ermittlungen und Nachfragen zur Begründung ihrer Entscheidung angestellt und herangezogen hatte. Der Widerspruchsbescheid hatte jeweils über die sinngemäßen Widersprüche der Klägerin entschieden, die auch nicht verfristet waren, weil die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen keine Rechtsmittelbelehrung beinhaltet hatten.

Die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten sind ebenso wie das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.10.2004 zu Recht ergangen. Die Klägerin hat Anspruch auf Fahrtkostenerstattung zur Strahlentherapie gemäß § 60 Abs.2 Nr.4 SGB V. Nach dem im Krankenversicherungsrecht geltenden Grundsatz der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs.1 SGB V) können dabei nur die Fahrtkosten zum nächstgelegenen Behandlungsort erstattet werden, wie es die Beklagte getan hat. Darüber hinausgehende Kosten sind gemäß § 76 Abs.2 SGB V vom Versicherten zu tragen, wenn kein zwingender Grund im Sinne dieser Vorschrift besteht. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend die Rechtsgrundlagen und die tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt, so dass der Senat Bezug auf diese Ausführungen nimmt, § 153 Abs.2 SGG.

Ergänzend ist auszuführen, dass die bei der Klägerin vorhandene und von Dr.P. sowie im Operationsbericht des Klinikums G. dokumentierte psychische Besonderheit in Form der Fehlverarbeitung von Krankenhausaufenthalten kein anderes Ergebnis rechtfertigt. Denn dem Bericht der Dr.P. ist zu entnehmen, dass auch dort panikartige, kaum kontrollierbare Angstzustände aufgetreten sind. Gleichwohl wurde die Strahlenbehandlung komplett durchgeführt, ohne dass die Klägerin eine besondere psychologische oder psychiatrische Betreuung oder Behandlung erhalten hätte. Im Gegenteil hat sie auch auf Beruhigungsmittel verzichtet. Eine Notwendigkeit einer psychoonkologischen Behandlung hat auch Frau Dr.P. nicht begründet, sie hat lediglich einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet, falls ein Behandlungswunsch bestehen sollte. Hieraus ist ersichtlich, dass die Klägerin durchaus in der Lage war, sich einer Strahlenbehandlung zu unterziehen.

Einer Einvernahme des Gebietsleiters L. der Beklagten bedurfte es nicht, weil die Klägerin ihr Vorbringen aus der ersten Instanz, dieser habe sich negativ zum radioonkologischen Zentrum G. geäußert, nach Vorlage dessen anders lautender Stellungnahme nicht mehr wiederholt hat.

Berufliche Betroffenheit oder die Ausübung von Sport begründeten entgegen der Auffassung der Klägerin keine Leistungserweiterung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Berufung musste deshalb in vollem Umfange ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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