L 5 KR 183/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 145/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 183/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17. März 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).

Die 1969 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, beantragte am 16.05.2003 die Kostenübernahme für insgesamt vier ICSI-Maßnahmen. Bei der Klägerin und ihrem Ehemann bestehe eine schwere Gameteninteraktionsstörung, weshalb die ICSI die einzige therapeutische Möglichkeit zur Erreichung einer Schwangerschaft darstelle. Bei einer Invitrofertilisationsmaßnahme vom 02.05.2003 habe sich trotz ausreichend guter andrologischer Parameter ein partielles Fertilisationsversagen ergeben. Mit Bescheid vom 26.05.2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab mit der Begründung, seit 01.07. 2002 bestimmten die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass ICSI-Maßnahmen nur bei einer nachgewiesenen männlichen Fertilisationsstörung übernommen werden dürften.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Schreiben der BFD R. an ihren Ehemann vor, wonach von dort Kosten der künstlichen Befruchtung nicht übernommen werden könnten, da vorrangig die gesetzliche Krankenversicherung der nicht verbeamteten Klägerin in Anspruch zu nehmen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die relevante Indikation einer ICSI, welche durch den Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt sei, nämlich eine männliche Fertilisationsstörung, nicht bestehe.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Sie hat vorgetragen, die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses hätten die Maßnahme der ICSI zunächst vollständig ausgeschlossen. Dies habe das Bundessozialgericht mit Urteil vom 03.04.2001 bemängelt. Infolge dieser Entscheidung seien mit Wirkung zum 01.07.2002 die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Beschränkung der ICSI auf die männliche Fertilisationsstörung ergangen. Diese Beschränkung widerspreche der Bundesärztekammer, welche nicht nur schwere männliche Infertilität als Grund für eine ICSI anführe, sondern auch andere Gründe für die Unwahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft, z.B. erfolglose Befruchtungsversuche. Zu folgen sei dem Gynäkologen Dr.B. , welcher unter dem 16.05.2003 die ICSI als einzige therapeutische Möglichkeit zur Erzielung der Schwangerschaft bezeichnet habe.

Die Beklagte hat erwidert, die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses seien weder von den Krankenkassen noch von den Gerichten zu überprüfen. Die Klägerin hat repliziert, die Beschränkung der ICSI ausschließlich auf männliche Fertilitätsstörungen bedeute einen faktischen Ausschluss für alle anderen Indikationen. Zu einem so weitreichenden Ausschluss sei der Bundesausschuss nicht befugt.

Mit Urteil vom 17.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass die ICSI nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht im Falle der Gametenstörung - wie bei der Klägerin und ihrem Ehegatten - zugelassen sei. Insoweit sei diese Maßnahme nicht faktisch vollständig ausgeschlossen worden. Vielmehr seien die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahme zur künstlichen Befruchtung festgelegt worden.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und erneut dargelegt, dass die bestehende Gameteninteraktionsstörung nur durch ICSI zu beseitigen sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.03.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2003 aufzuheben und diese zu verurteilen, die Kosten für insgesamt vier Maßnahmen der ICSI zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2003, mit welchem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin entsprechend Antrag vom 16.05.2003 die Kosten für bis zu vier Maßnahmen der ICSI zu übernehmen. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, ebenso wie das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.03.2005. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme gemäß § 27 a SGB V, weil die bestehende Gameteninteraktionsstörung nicht die Voraussetzungen einer durch die gesetzliche Krankenversicherung zu tragenden ICSI-Maßnahme erfüllt.

Nach § 27 a Abs.1 SGB V umfassen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maßnahmen 1. nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, 2. eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, 3. die Personen, die die Maßnahmen beanspruchen wollen, miteinander verheiratet sind, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und 5. sich die Ehegatten zur Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen zugelassenen Arzt/eine zugelassene Einrichtung überwiesen hat.

Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahme nach § 27 a Abs.1 SGB V werden durch die vom Bundesausschuss aufgrund von § 27 a Abs.4 SGB V zu erlassenden Richtlinien nach § 92 SGB V bestimmt. Diese Richtlinien hat der Gemeinsame Bundesausschuss erstmals am 14.08.1990 erlassen, sie sind seither mehrfach geändert worden.

Zu den Leistungen im Sinne von § 27 a Abs.1 SGB V gehören nicht nur Maßnahmen der Invitrofertilisation (IVF), sondern im Grundsatz auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung der Schwangerschaft im Wege der - wesentlich kostenintensiveren - ICSI. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.04.2001 (SozR 3-2500 § 27 a Nr.3 S.27 f) war der damalige gänzliche Ausschluss der ICSI aus dem Leistungskatalog rechtswidrig. Hierauf hatte der Gemeinsame Bundesausschuss reagiert und die ICSI durch Richtlinien über künstliche Befruchtung vom 26.02.2002 (Bundesanzeiger Nr.92 vom 22.05.2002, 10.941) geregelt; diese Regelung ist zum 01.07.2002 und somit vor dem Antrag der Klägerin in Kraft getreten.

Wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 21.02.2006 - B 1 KR 29/04 R - zu Recht herausgestrichen hat, richten sich auch Leistungen gemäß § 27 a SGB V nach den allgemeinen Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in § 12 Abs.2 SGB V und § 2 Abs.1 Satz 3 SGB V. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist deshalb ermächtigt, auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die ICSI nur bei strenger Indikationsstellung zuzulassen. Dem dabei anzuwendenden Maßstab werden die ab 01.07.2002 geltenden Richtlinien gerecht. Sie sind entsprechend dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ergangen, berücksichtigen die Ungewissheit von Fehlbildungsrisiken, Kriterien des Wirksamkeitsnachweises und der Risikobewertung. Zu beachten ist dabei, dass die ICSI durch das mechanische Eindringen der mit dem männlichen Samen beschickten Injektionsnadel in die Eizelle nicht nur eine Möglichkeit der Überwindung von Fertilisationsstörungen eröffnet, sondern zugleich neue gesundheitliche Risiken schafft. Wie das Bundessozialgericht in der Entscheidung B 1 KR 29/04 R ausgeführt hat (dort Abs.19), müsse sich wegen des wesentlich höheren Kostenaufwandes für die ICSI-Methode gegenüber der IVF-Methode anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellen lassen, dass diese wesentliche Vorteile gegenüber der grundsätzlich indizierten IVF-Methode biete. Daran fehle es jedoch, wie auch die Auskunft des Bundesausschusses im dortigen Verfahren ergebe. Dem schließt sich der Senat an. Die Versagung der begehrten Leistung bei Gameteninteraktionsstörung war somit rechtsmäßig.

Die Berufung der Klägerin bleibt deshalb in vollem Umfange ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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