Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 99/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 64/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtsmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe I ab April 2003.
Die 1981 geborene und unter Betreuung stehende Klägerin leidet an einem Prader-Labhart-Willi-Syndrom (PWS), einer komplexen Störung, die körperliche, stoffwechselbezogene und geistige Symptome beinhaltet. Insbesondere geht eine Störung der Hunger/Sättigungsrelation einher. Im Oktober 1996 wurde die Verdachtsdiagnose labormedizinisch bestätigt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein bescheinigte mit Stellungnahme nach Hausbesuch vom 17. Dezember 1997 das Vorliegen der Pflegestufe I ab 1. Oktober 1997. Der Grundpflegebedarf betrage 53 Minuten täglich (Körperpflege: Waschen 10 Minuten, Zahnpflege 2 Minuten, Kämmen 4 Minuten, Darm- und Blasenentleerung 2 Minuten; Ernährung: mundgerechte Zubereitung 18 Minuten; Mobilität: Aufstehen/Zu-Bett-Gehen: 2 Minuten; An-/Auskleiden 15 Minuten). Im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung sei ein Mehrbedarf beim Einkaufen und Kochen aufgrund einer notwendigen Diät und beim Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche wegen bestehender Inkontinenz zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 6. Februar 1998 bewilligte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe I und mit Bescheid vom 26. Februar 1999 Leistungen der Pflegeversicherung in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe (Eingliederungshilfe) ab 15. März 1999. Die Klägerin wohnte seitdem im Wohnheim O.heim A. (Einrichtung der R.-Stiftung).
Im Rahmen einer Nachuntersuchung gelangte der MDK in Bayern mit Stellungnahme vom 14. Januar 2003 zu dem Ergebnis, dass keine Pflegestufe mehr vorliege. Im Bereich der Grundpflege falle lediglich noch ein Hilfebedarf von 17 Minuten an (Körperpflege - Teilwäsche Oberkörper: 2 Minuten; Ernährung - Nahrungsaufnahme: 15 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten, insgesamt somit 62 Minuten pro Tag. Das erforderliche Maß an psychosozialer Betreuung sowie der pädagogische Aspekt seien nach den gültigen Richtlinien nicht zu erfassen. Seit der Heimaufnahme habe eine gewisse Selbstständigkeit vor allem im Bereich der Körperpflege erzielt werden können.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2003 teilte die Beklagte der Betreuerin die Einstellung der Pflegeleistungen ab 1. April 2003 mit. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK nach Heimbesuch vom 10. Juli 2003 ein, in dem der Hilfebedarf gemäß dem Vorgutachten bestätigt wurde. Es habe erneut keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung festgestellt werden können. Das hohe Maß an psycho-sozialer Betreuung könne nach den derzeit gültigen Richtlinien nicht erfasst werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 1998 sei nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) aufzuheben, da sich eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ergeben habe.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 27. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003. Das Sozialgericht zog u.a. Unterlagen der A. Werkstätten bei. Ferner beauftragte es den Internisten und Sozialmediziner Dr. H. G. mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach dem Gutachten vom 15. April 2004 besteht bei der Klägerin ein PWS, eine hochgradige Adipositas, eine cerebrale Retardierung, eine eingeschränkte psychische Belastbarkeit sowie ein reizloser Zustand nach Cholezystektomie. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 23 Minuten. Hiervon entfielen auf Körperpflege 21 Minuten (Waschen: 5 Minuten; Duschen: 8 Minuten; Zahnpflege: 2 Minuten; Kämmen: 2 Minuten; Darm-/Blasenentleerung: 4 Minuten) und auf Mobilität 2 Minuten (An- und Auskleiden). Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage der Zeitaufwand 34 Minuten, der Gesamthilfebedarf somit 57 Minuten. Der Hilfebedarf habe sich im Vergleich zum November 1997 bzw. zum 9. Februar 1998 mit Wahrscheinlichkeit wesentlich gebessert, wobei hierfür die derzeitige Betreuungssituation ursächlich sei. Bei der Begutachtung im Dezember 1997 sei ein etwas stärkerer Hilfebedarf beim Ankleiden im Sinne einer teilweisen Übernahme angenommen worden, ebenso ein Hilfebedarf beim Entkleiden. Hier sei im Rahmen der Betreuung in der jetzigen Einrichtung eine Besserung eingetreten. Entsprechendes gelte für den damals noch angenommenen Hilfebedarf für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung. Seine Einschätzung stehe in Übereinstimmung mit den Angaben der A. Werkstätten hinsichtlich des Hilfebedarfs bzw. der (eingeschränkten) Selbstständigkeit der Klägerin.
Mit Urteil vom 26. Juli 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei insbesondere dem Gutachten des Dr. G ... Es sei eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten. Gegenüber der Stellungnahme des MDK Schleswig-Holstein seien Änderungen im Bereich der Körperpflege, der Mobilität und insbesondere im Bereich der Ernährung eingetreten. Durch die geänderten Versorgungsstrukturen seit März 1999, insbesondere durch das Bewohnen eines Einzelzimmers sowie die Betreuung in der Gruppe mit anderen PWS-Patienten, sei eine wesentliche Änderung im Hilfebedarf eingetreten. Einem klägerischen Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen gemäß §§ 118 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) gab das Sozialgericht nicht statt.
Mit der Berufung machte die Klägerin geltend, sie sei dauerhaft nicht in der Lage, ein Leben in Selbstständigkeit zu führen. Es gebe bei PWS keine positiven Entwicklungsmöglichkeiten, auf die auch nur andeutungsweise dauerhafter Verlass sei. Die Bewilligung einer Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe durch die Landeshauptstadt K. (Sozialamt), die Einsetzung der Mutter als Betreuerin durch das Amtsgericht W. (Betreuerausweis vom 11. Juni 1999) sowie der Bescheid des Amtes für Familienförderung in N. vom 3. Dezember 1999 (GdB 100 %, Merkzeichen "B" und "G"; Merkzeichen "H" ab 25. August 1999) seien eindeutige Indizien dafür, dass sie durchgehend hilfebedürftig sei. Aus den ausführlichen Beschreibungen der Werkstatttätigkeit gehe hervor, dass sie alleine ihr Leben und ihre Umgebung nicht meistern könne. Es seien ständige Anleitung und Kontrolle nötig, so dass z.B. beim Waschen, Kämmen, Zähneputzen latent eine Pflegeperson anwesend sein müsse, weil sie sonst nicht tätig werde. Das Essen müsse portioniert werden, da sie ansonsten ohne Einschränkung alles, was sich ihr biete, zu sich nehmen würde. Die Sauberkeitsführung beim Toilettengang müsse ebenfalls ständig kontrolliert werden. Nicht einmal das regelmäßige Händewaschen könne ohne Hilfestellung bzw. Anleitung und Aufforderung geleistet werden. Die ermittelten Zeitwerte hinsichtlich Teilwäsche, Duschen, Zahnpflege, Kämmen und Föhnen seien in jedem Fall zu niedrig angesetzt; aus den vorherigen Gutachten und Stellungnahmen gehe deutlich hervor, dass sie in keiner Weise ohne eigenes Verschulden bereit und in der Lage sei, "reibungslos zu funktionieren". Diese Tätigkeiten seien vor allem deswegen zeitintensiv, da sie auf jeden Druck von außen mit Bockigkeit, Widerstand und Zornausbrüchen reagiere. Im Übrigen liege eine Verletzung der Aufklärungsmaxime im sozialgerichtlichen Verfahren vor, da der Gutachter nicht im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung befragt werden konnte. Ferner hätte die Mutter und Betreuerin vom Sozialgericht als Zeugin gehört werden müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2004 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Überzeugung des Senats kam es nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 6. Februar 1998, dem die Stellungnahme des MDK Schleswig-Holstein vom 17. Dezember 1997 zugrunde lag, zu einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, so dass die Aufhebung des Bescheides durch die Beklagte formell und materiell rechtmäßig war.
Die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X notwendige Anhörung, die einem Aufhebungsbescheid voranzugehen hat, wurde durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nachgeholt (BSG, SozR 1300 § 24 Nrn. 6 und 9; BSGE 69, 247, 251).
Eine Einstellung der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I zum 1. April 2003 ist auch materiell rechtmäßig. Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt. Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Zur Grundpflege zählen: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenent leerung; 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung; 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppen steigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Zutreffend ging das Sozialgericht davon aus, dass der Klägerin ab 1. April 2003 keine Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I mehr zustehen und insoweit eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die dem Verwaltungsakt vom 6. Februar 1998 zugrunde lagen, eingetreten ist. Das Sozialgericht bezog sich dabei vor allem auf die gutachterlichen Äußerungen des Dr. G ... Dieser gelangt zu einem täglich anzusetzenden Zeitbedarf für die Grundpflege in Höhe von 23 Minuten; im Bereich der Mobilität setzte der medizinische Sachverständige nur mehr 2 Minuten für die Anleitung beim Ankleiden an. Im Bereich der Ernährung gelangte er zu keinem Bedarf an Fremdhilfe. Das Portionieren der Nahrung wurde der hauswirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet. Der Schwerpunkt des Zeitbedarfs für die Grundpflege liegt somit bei der Körperpflege mit der Notwendigkeit unterstützender Hilfe bei der Teilwäsche des Oberkörpers und beim Duschen, der Anleitung bei der Zahnpflege, teilweiser Hilfestellungen beim Kämmen sowie für hygienische Maßnahmen nach der Darmentleerung. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung beträgt der Zeitaufwand 34 Minuten, der Gesamthilfebedarf somit lediglich 57 Minuten. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen lagen dieser Einschätzung insbesondere ein PWS mit der Folge einer hochgradigen Adipositas, eine Hypotonie der Muskulatur, eine geistige Retardierung leichten bis mäßigen Grades sowie eine eingeschränkte psychische Belastbarkeit zugrunde. Die Einschätzung des medizinischen Sachverständigen deckt sich im Wesentlichen mit der des MDK vom 10. Juli 2003, wonach ein Grundpflegebedarf von 17 Minuten besteht.
Der Hilfebedarf hat sich demnach im Vergleich zum November 1997 bzw. zum 9. Februar 1998 wesentlich gebessert. Nach der Stellungnahme des MDK vom 17. Dezember 1997 lag bei einem Grundpflegebedarf von 53 Minuten noch die Pflegestufe I vor. Dabei entfielen auf den Bereich der Körperpflege 18 Minuten (Waschen 10 Minuten, Zahnpflege 2 Minuten, Kämmen 4 Minuten, Darm- und Blasenentleerung 2 Minuten), auf den Bereich der Ernährung 18 Minuten (mundgerechte Zubereitung der Nahrung) sowie auf den Bereich der Mobilität 17 Minuten (Aufstehen/Zu-Bett-Gehen: 2 Minuten; An-/Auskleiden 15 Minuten). Die wesentlichen Änderungen betreffen damit vor allem den Bereich Ernährung und Mobilität. Bei der Begutachtung im Dezember 1997 war ein um 13 Minuten stärkerer Hilfebedarf beim An-/Auskleiden im Sinne einer teilweisen Übernahme angenommen worden. Der Hilfebedarf von ehemals 18 Minuten für die Zubereitung der Nahrung ist entfallen.
Ursächlich hierfür ist die derzeitige Betreuungssituation der Klägerin in dem Wohnheim O.heim bzw. in den A. Werkstätten. Dabei ist die gegenwärtige Versorgungssituation der Klägerin in dem Wohnheim für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit maßgebend. §§ 14, 15 SGB XI legt nicht fest, wo der Hilfebedarf anfallen muss. Abzustellen ist auf den Ort, an dem sich der Betroffene tatsächlich aufhält. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführte, haben sich die Versorgungsstrukturen im Heim (Einzelzimmer der Klägerin, Betreuung in der Gruppe mit anderen PWS-Patienten) seit März 1999 und damit auch ab dem streitigen Zeitraum ab 1. April 2003 gegenüber der früheren Versorgung im Familienverbund wesentlich geändert. Die Klägerin ist in Vollzeit in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Die Versorgungssituation der Klägerin im O.heim bzw. in den Werkstätten sieht bereits vorportioniertes Essen für die Klägerin vor, so dass eine mundgerechte Zubereitung und Portionierung am Esstisch keine Rolle mehr spielt. Demgegenüber war im Zeitpunkt der Begutachtung vom Dezember 1997 eine Ernährung in der Familie gegeben, wobei die mundgerechte Zubereitung einen Zeitaufwand von 18 Minuten pro Tag erforderlich machte. Ein derartiger Hilfebedarf ist durch die Versorgung in dem spezialisierten Wohnheim tatsächlich weggefallen. Die Portionierung der Nahrung ist der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen.
Ein eventueller allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf beim Essen und Trinken, wie er nach Angaben der A. Werkstätten tatsächlich erfolgt, stellt keinen berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf dar (so ebenfalls in einem Fall eines PWS: BSG v. 01. September 2005, Az.: B 3 P 5/04 R). Das Bundesssozialgericht (hier zitierte aus: BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001, Az.: B 3 P 4/01 B) hat bereits mehrfach entschieden, dass eine allgemeine Aufsicht, die darin besteht zu überwachen, ob die erforderlichen Verrichtungen des täglichen Lebens von dem Pflegebedürftigen ordnungsgemäß ausgeführt werden, und dazu führt, dass dieser gelegentlich - auch wiederholt - zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden muss, nicht ausreicht, weil eine nennenswerte Beanspruchung der Pflegeperson damit nicht verbunden ist. Ein Beaufsichtigungsbedarf ist nur zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson dabei nicht nur verfügbar und einsatzbereit, sondern durch die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen - wie bei der Übernahme von Verrichtungen - auch zeitlich und örtlich in der Weise gebunden ist, dass sie vorübergehend an der Erledigung anderer Dinge gehindert ist, denen sie sich widmen würde bzw. könnte (z.B. Arbeiten aller Art im Haushalt oder Freizeitgestaltung), wenn die Notwendigkeit der Hilfeleistung nicht bestünde (Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Dementsprechend wurde eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme als berücksichtigungsfähige Hilfe eingestuft, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (Urteil des 10. Senats vom 27. August 1998 - B 10 KR 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 7). Bereits in der Stellungnahme vom 17. Dezember 1997 ging der MDK jedoch davon aus, dass die Klägerin zwar rund um die Uhr beaufsichtigt werden muss, damit sie nicht zwischendurch isst, was sie nicht essen soll, sondern nur ihre Diät zu sich nimmt. Dies ist aber auch vom MDK nicht als Hilfebedarf im Sinne des SGB XI berücksichtigt worden. Der zeitliche Bedarf wurde deshalb bereits damals - zutreffend - nicht angesetzt und ist auch vorliegend vom Senat nicht zu berücksichtigen.
Damit ist bereits durch den Wegfall des Hilfebedarfs von 18 Minuten im Rahmen der Ernährung der Grundpflegebedarf auf unter 45 Minuten gesunken bzw. wird nach Gutachtenslage kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten erreicht, so dass sich weitere Erörterungen zu Änderungen in einzelnen Lebensbereichen, vor allem im Bereich der Mobilität, erübrigen.
Unstreitig ist, dass die Klägerin einer erheblichen psychosozialen und pädagogischen Betreuung bedarf. Dies kommt durch den Aufenthalt im O.heim in A. und den A. Werkstätten, durch die Bestellung der Mutter als gerichtliche Betreuerin sowie durch den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familie zum Ausdruck. Die Klägerin verkennt jedoch, dass nicht jeder Betreuungsbedarf im Rahmen von Leistungsansprüchen nach der Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Abstellen ist allein auf den Grundpflegebedarf bzw. den Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung. Nach Feststellungen des Gutachters Dr. G. ist die Alltagskompetenz der Klägerin in ihrem engen sozialen Umfeld nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Es besteht eine gewisse Selbstständigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, wie sich dies auch aus den Angaben der A. Werkstätten ergibt. Sie bewohnt ein eigenes Zimmer, das sie selbst aufräumt. Die hygienischen Maßnahmen, An- und Auskleiden, Einnahme der Mahlzeiten sowie die beruflichen Tätigkeiten werden - unter gewisser Anleitung und Kontrolle - einigermaßen selbstständig verrichtet. An anderer Stelle wurde bereits hingewiesen, dass der allgemeine Aufsichts- und Betreuungsbedarf grundsätzlich nicht in Ansatz zu bringen ist, soweit es sich lediglich um ein "Im-Auge-Behalten" handelt.
Der Frage, ob eine Besserung des Gesundheitszustandes bei PWS-Patienten wissenschaftlich möglich ist, braucht der Senat nicht nachzugehen. Im Rahmen der Pflegeversicherung ist allein auf den Gesamthilfebedarf für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung, also auf elementare Lebensbereiche, abzustellen (s.a. Udsching, SGB XI, 2. Aufl. § 14 Rdnrn. 3 u. 8). Dieser ist anhand des konkreten Einzelfalls und der konkreten häuslichen Situation zu beurteilen. Aus dem Vorliegen bestimmter Krankheiten oder Behinderungen kann nicht auf Pflegebedürftigkeit geschlossen werden.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war nicht angezeigt, insbesondere war auch der medizinische Sachverständige nicht persönlich zu hören. Die Ladung des Sachverständigen muss erfolgen, wenn das Gutachten unklar und eine schriftliche Ergänzung unzweckmäßig ist (BGH NJW 1982, 2874). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ist das Gutachten sowohl in der Befunderhebung und Diagnosestellung wie in der Bewertung gründlich und überzeugend, zumal es sich auch weitgehend mit der Stellungnahme des MDK deckt. Zutreffend lehnte das Sozialgericht einen Antrag der Klägerin auf Ladung des Sachverständigen ab. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtsmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe I ab April 2003.
Die 1981 geborene und unter Betreuung stehende Klägerin leidet an einem Prader-Labhart-Willi-Syndrom (PWS), einer komplexen Störung, die körperliche, stoffwechselbezogene und geistige Symptome beinhaltet. Insbesondere geht eine Störung der Hunger/Sättigungsrelation einher. Im Oktober 1996 wurde die Verdachtsdiagnose labormedizinisch bestätigt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein bescheinigte mit Stellungnahme nach Hausbesuch vom 17. Dezember 1997 das Vorliegen der Pflegestufe I ab 1. Oktober 1997. Der Grundpflegebedarf betrage 53 Minuten täglich (Körperpflege: Waschen 10 Minuten, Zahnpflege 2 Minuten, Kämmen 4 Minuten, Darm- und Blasenentleerung 2 Minuten; Ernährung: mundgerechte Zubereitung 18 Minuten; Mobilität: Aufstehen/Zu-Bett-Gehen: 2 Minuten; An-/Auskleiden 15 Minuten). Im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung sei ein Mehrbedarf beim Einkaufen und Kochen aufgrund einer notwendigen Diät und beim Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche wegen bestehender Inkontinenz zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 6. Februar 1998 bewilligte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe I und mit Bescheid vom 26. Februar 1999 Leistungen der Pflegeversicherung in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe (Eingliederungshilfe) ab 15. März 1999. Die Klägerin wohnte seitdem im Wohnheim O.heim A. (Einrichtung der R.-Stiftung).
Im Rahmen einer Nachuntersuchung gelangte der MDK in Bayern mit Stellungnahme vom 14. Januar 2003 zu dem Ergebnis, dass keine Pflegestufe mehr vorliege. Im Bereich der Grundpflege falle lediglich noch ein Hilfebedarf von 17 Minuten an (Körperpflege - Teilwäsche Oberkörper: 2 Minuten; Ernährung - Nahrungsaufnahme: 15 Minuten), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten, insgesamt somit 62 Minuten pro Tag. Das erforderliche Maß an psychosozialer Betreuung sowie der pädagogische Aspekt seien nach den gültigen Richtlinien nicht zu erfassen. Seit der Heimaufnahme habe eine gewisse Selbstständigkeit vor allem im Bereich der Körperpflege erzielt werden können.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2003 teilte die Beklagte der Betreuerin die Einstellung der Pflegeleistungen ab 1. April 2003 mit. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK nach Heimbesuch vom 10. Juli 2003 ein, in dem der Hilfebedarf gemäß dem Vorgutachten bestätigt wurde. Es habe erneut keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung festgestellt werden können. Das hohe Maß an psycho-sozialer Betreuung könne nach den derzeit gültigen Richtlinien nicht erfasst werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 1998 sei nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) aufzuheben, da sich eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ergeben habe.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 27. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003. Das Sozialgericht zog u.a. Unterlagen der A. Werkstätten bei. Ferner beauftragte es den Internisten und Sozialmediziner Dr. H. G. mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach dem Gutachten vom 15. April 2004 besteht bei der Klägerin ein PWS, eine hochgradige Adipositas, eine cerebrale Retardierung, eine eingeschränkte psychische Belastbarkeit sowie ein reizloser Zustand nach Cholezystektomie. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 23 Minuten. Hiervon entfielen auf Körperpflege 21 Minuten (Waschen: 5 Minuten; Duschen: 8 Minuten; Zahnpflege: 2 Minuten; Kämmen: 2 Minuten; Darm-/Blasenentleerung: 4 Minuten) und auf Mobilität 2 Minuten (An- und Auskleiden). Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage der Zeitaufwand 34 Minuten, der Gesamthilfebedarf somit 57 Minuten. Der Hilfebedarf habe sich im Vergleich zum November 1997 bzw. zum 9. Februar 1998 mit Wahrscheinlichkeit wesentlich gebessert, wobei hierfür die derzeitige Betreuungssituation ursächlich sei. Bei der Begutachtung im Dezember 1997 sei ein etwas stärkerer Hilfebedarf beim Ankleiden im Sinne einer teilweisen Übernahme angenommen worden, ebenso ein Hilfebedarf beim Entkleiden. Hier sei im Rahmen der Betreuung in der jetzigen Einrichtung eine Besserung eingetreten. Entsprechendes gelte für den damals noch angenommenen Hilfebedarf für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung. Seine Einschätzung stehe in Übereinstimmung mit den Angaben der A. Werkstätten hinsichtlich des Hilfebedarfs bzw. der (eingeschränkten) Selbstständigkeit der Klägerin.
Mit Urteil vom 26. Juli 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei insbesondere dem Gutachten des Dr. G ... Es sei eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten. Gegenüber der Stellungnahme des MDK Schleswig-Holstein seien Änderungen im Bereich der Körperpflege, der Mobilität und insbesondere im Bereich der Ernährung eingetreten. Durch die geänderten Versorgungsstrukturen seit März 1999, insbesondere durch das Bewohnen eines Einzelzimmers sowie die Betreuung in der Gruppe mit anderen PWS-Patienten, sei eine wesentliche Änderung im Hilfebedarf eingetreten. Einem klägerischen Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen gemäß §§ 118 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) gab das Sozialgericht nicht statt.
Mit der Berufung machte die Klägerin geltend, sie sei dauerhaft nicht in der Lage, ein Leben in Selbstständigkeit zu führen. Es gebe bei PWS keine positiven Entwicklungsmöglichkeiten, auf die auch nur andeutungsweise dauerhafter Verlass sei. Die Bewilligung einer Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe durch die Landeshauptstadt K. (Sozialamt), die Einsetzung der Mutter als Betreuerin durch das Amtsgericht W. (Betreuerausweis vom 11. Juni 1999) sowie der Bescheid des Amtes für Familienförderung in N. vom 3. Dezember 1999 (GdB 100 %, Merkzeichen "B" und "G"; Merkzeichen "H" ab 25. August 1999) seien eindeutige Indizien dafür, dass sie durchgehend hilfebedürftig sei. Aus den ausführlichen Beschreibungen der Werkstatttätigkeit gehe hervor, dass sie alleine ihr Leben und ihre Umgebung nicht meistern könne. Es seien ständige Anleitung und Kontrolle nötig, so dass z.B. beim Waschen, Kämmen, Zähneputzen latent eine Pflegeperson anwesend sein müsse, weil sie sonst nicht tätig werde. Das Essen müsse portioniert werden, da sie ansonsten ohne Einschränkung alles, was sich ihr biete, zu sich nehmen würde. Die Sauberkeitsführung beim Toilettengang müsse ebenfalls ständig kontrolliert werden. Nicht einmal das regelmäßige Händewaschen könne ohne Hilfestellung bzw. Anleitung und Aufforderung geleistet werden. Die ermittelten Zeitwerte hinsichtlich Teilwäsche, Duschen, Zahnpflege, Kämmen und Föhnen seien in jedem Fall zu niedrig angesetzt; aus den vorherigen Gutachten und Stellungnahmen gehe deutlich hervor, dass sie in keiner Weise ohne eigenes Verschulden bereit und in der Lage sei, "reibungslos zu funktionieren". Diese Tätigkeiten seien vor allem deswegen zeitintensiv, da sie auf jeden Druck von außen mit Bockigkeit, Widerstand und Zornausbrüchen reagiere. Im Übrigen liege eine Verletzung der Aufklärungsmaxime im sozialgerichtlichen Verfahren vor, da der Gutachter nicht im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung befragt werden konnte. Ferner hätte die Mutter und Betreuerin vom Sozialgericht als Zeugin gehört werden müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2004 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Überzeugung des Senats kam es nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 6. Februar 1998, dem die Stellungnahme des MDK Schleswig-Holstein vom 17. Dezember 1997 zugrunde lag, zu einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, so dass die Aufhebung des Bescheides durch die Beklagte formell und materiell rechtmäßig war.
Die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X notwendige Anhörung, die einem Aufhebungsbescheid voranzugehen hat, wurde durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nachgeholt (BSG, SozR 1300 § 24 Nrn. 6 und 9; BSGE 69, 247, 251).
Eine Einstellung der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I zum 1. April 2003 ist auch materiell rechtmäßig. Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt. Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Zur Grundpflege zählen: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenent leerung; 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung; 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppen steigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Zutreffend ging das Sozialgericht davon aus, dass der Klägerin ab 1. April 2003 keine Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I mehr zustehen und insoweit eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die dem Verwaltungsakt vom 6. Februar 1998 zugrunde lagen, eingetreten ist. Das Sozialgericht bezog sich dabei vor allem auf die gutachterlichen Äußerungen des Dr. G ... Dieser gelangt zu einem täglich anzusetzenden Zeitbedarf für die Grundpflege in Höhe von 23 Minuten; im Bereich der Mobilität setzte der medizinische Sachverständige nur mehr 2 Minuten für die Anleitung beim Ankleiden an. Im Bereich der Ernährung gelangte er zu keinem Bedarf an Fremdhilfe. Das Portionieren der Nahrung wurde der hauswirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet. Der Schwerpunkt des Zeitbedarfs für die Grundpflege liegt somit bei der Körperpflege mit der Notwendigkeit unterstützender Hilfe bei der Teilwäsche des Oberkörpers und beim Duschen, der Anleitung bei der Zahnpflege, teilweiser Hilfestellungen beim Kämmen sowie für hygienische Maßnahmen nach der Darmentleerung. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung beträgt der Zeitaufwand 34 Minuten, der Gesamthilfebedarf somit lediglich 57 Minuten. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen lagen dieser Einschätzung insbesondere ein PWS mit der Folge einer hochgradigen Adipositas, eine Hypotonie der Muskulatur, eine geistige Retardierung leichten bis mäßigen Grades sowie eine eingeschränkte psychische Belastbarkeit zugrunde. Die Einschätzung des medizinischen Sachverständigen deckt sich im Wesentlichen mit der des MDK vom 10. Juli 2003, wonach ein Grundpflegebedarf von 17 Minuten besteht.
Der Hilfebedarf hat sich demnach im Vergleich zum November 1997 bzw. zum 9. Februar 1998 wesentlich gebessert. Nach der Stellungnahme des MDK vom 17. Dezember 1997 lag bei einem Grundpflegebedarf von 53 Minuten noch die Pflegestufe I vor. Dabei entfielen auf den Bereich der Körperpflege 18 Minuten (Waschen 10 Minuten, Zahnpflege 2 Minuten, Kämmen 4 Minuten, Darm- und Blasenentleerung 2 Minuten), auf den Bereich der Ernährung 18 Minuten (mundgerechte Zubereitung der Nahrung) sowie auf den Bereich der Mobilität 17 Minuten (Aufstehen/Zu-Bett-Gehen: 2 Minuten; An-/Auskleiden 15 Minuten). Die wesentlichen Änderungen betreffen damit vor allem den Bereich Ernährung und Mobilität. Bei der Begutachtung im Dezember 1997 war ein um 13 Minuten stärkerer Hilfebedarf beim An-/Auskleiden im Sinne einer teilweisen Übernahme angenommen worden. Der Hilfebedarf von ehemals 18 Minuten für die Zubereitung der Nahrung ist entfallen.
Ursächlich hierfür ist die derzeitige Betreuungssituation der Klägerin in dem Wohnheim O.heim bzw. in den A. Werkstätten. Dabei ist die gegenwärtige Versorgungssituation der Klägerin in dem Wohnheim für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit maßgebend. §§ 14, 15 SGB XI legt nicht fest, wo der Hilfebedarf anfallen muss. Abzustellen ist auf den Ort, an dem sich der Betroffene tatsächlich aufhält. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführte, haben sich die Versorgungsstrukturen im Heim (Einzelzimmer der Klägerin, Betreuung in der Gruppe mit anderen PWS-Patienten) seit März 1999 und damit auch ab dem streitigen Zeitraum ab 1. April 2003 gegenüber der früheren Versorgung im Familienverbund wesentlich geändert. Die Klägerin ist in Vollzeit in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Die Versorgungssituation der Klägerin im O.heim bzw. in den Werkstätten sieht bereits vorportioniertes Essen für die Klägerin vor, so dass eine mundgerechte Zubereitung und Portionierung am Esstisch keine Rolle mehr spielt. Demgegenüber war im Zeitpunkt der Begutachtung vom Dezember 1997 eine Ernährung in der Familie gegeben, wobei die mundgerechte Zubereitung einen Zeitaufwand von 18 Minuten pro Tag erforderlich machte. Ein derartiger Hilfebedarf ist durch die Versorgung in dem spezialisierten Wohnheim tatsächlich weggefallen. Die Portionierung der Nahrung ist der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen.
Ein eventueller allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf beim Essen und Trinken, wie er nach Angaben der A. Werkstätten tatsächlich erfolgt, stellt keinen berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf dar (so ebenfalls in einem Fall eines PWS: BSG v. 01. September 2005, Az.: B 3 P 5/04 R). Das Bundesssozialgericht (hier zitierte aus: BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001, Az.: B 3 P 4/01 B) hat bereits mehrfach entschieden, dass eine allgemeine Aufsicht, die darin besteht zu überwachen, ob die erforderlichen Verrichtungen des täglichen Lebens von dem Pflegebedürftigen ordnungsgemäß ausgeführt werden, und dazu führt, dass dieser gelegentlich - auch wiederholt - zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden muss, nicht ausreicht, weil eine nennenswerte Beanspruchung der Pflegeperson damit nicht verbunden ist. Ein Beaufsichtigungsbedarf ist nur zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson dabei nicht nur verfügbar und einsatzbereit, sondern durch die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen - wie bei der Übernahme von Verrichtungen - auch zeitlich und örtlich in der Weise gebunden ist, dass sie vorübergehend an der Erledigung anderer Dinge gehindert ist, denen sie sich widmen würde bzw. könnte (z.B. Arbeiten aller Art im Haushalt oder Freizeitgestaltung), wenn die Notwendigkeit der Hilfeleistung nicht bestünde (Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Dementsprechend wurde eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme als berücksichtigungsfähige Hilfe eingestuft, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (Urteil des 10. Senats vom 27. August 1998 - B 10 KR 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 7). Bereits in der Stellungnahme vom 17. Dezember 1997 ging der MDK jedoch davon aus, dass die Klägerin zwar rund um die Uhr beaufsichtigt werden muss, damit sie nicht zwischendurch isst, was sie nicht essen soll, sondern nur ihre Diät zu sich nimmt. Dies ist aber auch vom MDK nicht als Hilfebedarf im Sinne des SGB XI berücksichtigt worden. Der zeitliche Bedarf wurde deshalb bereits damals - zutreffend - nicht angesetzt und ist auch vorliegend vom Senat nicht zu berücksichtigen.
Damit ist bereits durch den Wegfall des Hilfebedarfs von 18 Minuten im Rahmen der Ernährung der Grundpflegebedarf auf unter 45 Minuten gesunken bzw. wird nach Gutachtenslage kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten erreicht, so dass sich weitere Erörterungen zu Änderungen in einzelnen Lebensbereichen, vor allem im Bereich der Mobilität, erübrigen.
Unstreitig ist, dass die Klägerin einer erheblichen psychosozialen und pädagogischen Betreuung bedarf. Dies kommt durch den Aufenthalt im O.heim in A. und den A. Werkstätten, durch die Bestellung der Mutter als gerichtliche Betreuerin sowie durch den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familie zum Ausdruck. Die Klägerin verkennt jedoch, dass nicht jeder Betreuungsbedarf im Rahmen von Leistungsansprüchen nach der Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Abstellen ist allein auf den Grundpflegebedarf bzw. den Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung. Nach Feststellungen des Gutachters Dr. G. ist die Alltagskompetenz der Klägerin in ihrem engen sozialen Umfeld nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Es besteht eine gewisse Selbstständigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, wie sich dies auch aus den Angaben der A. Werkstätten ergibt. Sie bewohnt ein eigenes Zimmer, das sie selbst aufräumt. Die hygienischen Maßnahmen, An- und Auskleiden, Einnahme der Mahlzeiten sowie die beruflichen Tätigkeiten werden - unter gewisser Anleitung und Kontrolle - einigermaßen selbstständig verrichtet. An anderer Stelle wurde bereits hingewiesen, dass der allgemeine Aufsichts- und Betreuungsbedarf grundsätzlich nicht in Ansatz zu bringen ist, soweit es sich lediglich um ein "Im-Auge-Behalten" handelt.
Der Frage, ob eine Besserung des Gesundheitszustandes bei PWS-Patienten wissenschaftlich möglich ist, braucht der Senat nicht nachzugehen. Im Rahmen der Pflegeversicherung ist allein auf den Gesamthilfebedarf für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung, also auf elementare Lebensbereiche, abzustellen (s.a. Udsching, SGB XI, 2. Aufl. § 14 Rdnrn. 3 u. 8). Dieser ist anhand des konkreten Einzelfalls und der konkreten häuslichen Situation zu beurteilen. Aus dem Vorliegen bestimmter Krankheiten oder Behinderungen kann nicht auf Pflegebedürftigkeit geschlossen werden.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war nicht angezeigt, insbesondere war auch der medizinische Sachverständige nicht persönlich zu hören. Die Ladung des Sachverständigen muss erfolgen, wenn das Gutachten unklar und eine schriftliche Ergänzung unzweckmäßig ist (BGH NJW 1982, 2874). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ist das Gutachten sowohl in der Befunderhebung und Diagnosestellung wie in der Bewertung gründlich und überzeugend, zumal es sich auch weitgehend mit der Stellungnahme des MDK deckt. Zutreffend lehnte das Sozialgericht einen Antrag der Klägerin auf Ladung des Sachverständigen ab. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved