L 2 U 6/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 424/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 6/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 339/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.11.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Laut Unfallanzeige vom 17.11.1998 erlitt der Kläger am 16.11.1998 Verletzungen, als die Tür eines Bauwagens durch einen Windstoß gegen seinen Kopf schlug.

Der Arzt für Neurologie Dr. R. untersuchte den Kläger am 08.12.1998. Der Kläger gab an, die Tür sei gegen die rechte Kopfseite geschlagen, die Türklinke gegen die Nase und den Oberkiefer. Der erste Schneidezahn am Oberkiefer rechts habe gewackelt. Er klagte über Ohrgeräusche, Gleichgewichtstörungen, Drehschwindel, Dauerkopfschmerzen, Verschwommensehen auf dem rechten Auge und Übelkeit.

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F. gab am 13.01.1999 an, der Kläger habe im Sprach- und Tonaudiogramm wechselnde Befunde angegeben. Daher habe er ihn an die Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität U. zur weiteren Diagnostik verwiesen. Von dort sei mitgeteilt worden, dass eine vernünftige Diagnostik im audiologischen Bereich nicht möglich gewesen sei, da der Kläger die Untersuchung abgebrochen habe. Die Angaben des Klägers seien unklar.

Der Radiologe Dr. T. diagnostizierte eine leichtgradige chronische Pansinusitis. Ein MRT vom 08.01.1999 beurteilte er dahin, dass eine zentrale Hirnathrophie mit Erweiterung der Seitenventrikel vorliege, außerdem eine vasculäre Enzephalopathie. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. bestätigte am 05.03.1999, Hinweise für akute Traumafolgen hätten sich im MRT nicht sichern lassen, statt dessen hätten sich eine zentrale Hirnathrophie und eine vasculäre Enzephalopathie gezeigt.

Nach stationärer Behandlung des Klägers vom 27.11. bis 08.12.1998 berichtete der Hals-Nasen-Ohrenarzt Prof. Dr. R. , eine neurologische Untersuchung habe den Verdacht auf eine Contusio labyrinthi erbracht. Zusätzlich sei zum Ausschluss einer Somatisierungstendenz eine psychiatrische Untersuchung zu erwägen. Eine Aggravationstendenz müsse auch bedacht werden. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ende mit der Entlassung aus der stationären Behandlung.

Der Neurologe Dr. H. führte im nervenfachärztlichen Gutachten vom 22.4.1999 aus, der Kläger habe am 16.11.1998 eine Schädelprellung erlitten. Auffallend sei, dass die Störung des Geruchsvermögens, die der Kläger jetzt angebe, von Dr. R. nicht erwähnt worden sei. Auch die Minderung des Hörvermögens habe bisher nicht objektiviert werden können. Kopfschmerzen im Zusammenhang mit einer Schädelprellung seien üblich, die lange Dauer sei aber ungewöhnlich. Der Unfall habe sehr wahrscheinlich lediglich eine verschlimmernde Wirkung gehabt, bei einer unfallunabhängig vorher bestehenden nachgewiesenen Innenatrophie bzw. Enzephalopathie. Eine richtungweisende Verschlimmerung einer vorher kompensierten cerebralen Leistungsminderung sei durchaus möglich. Die MdE sei auf 20 v.H. einzuschätzen.

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. R. kam im Gutachten vom 23.06.1999 zu dem Ergebnis, der Kläger habe eine Schädelprellung rechts erlitten. Weder in der Universitätsklinik U., noch bei der Untersuchung durch Dr. F., noch bei der jetzigen Untersuchung sei es möglich gewesen, ein verwertbares Audiogramm zu erstellen. Dies sei sehr ungewöhnlich, so dass sich der Verdacht auf Aggravation oder Simulation ergebe. Es sei nicht möglich, eine abschließende Beurteilung über die Unfallfolgen abzugeben. Es werde empfohlen, Frau Prof. Dr. S. einen Gutachtensauftrag zu erteilen.

Die Beklagte hat die Unterlagen der AOK Bayern über die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers beigezogen. Daraus ergibt sich eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 15.02.1988 bis 08.05.1988 wegen Commotio cerebri, Schädelprellung, Cephalgie, Schwindelzustand.

Prof. Dr. S. und Prof. Dr. B. führten im Gutachten vom 22.10.1999 aus, aus neurologischer Sicht bestehe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der neurologische Befund sei völlig unauffällig. Eine das Altersmaß deutlich übersteigende Störung der höheren Hirnleistung im Sinne einer beginnenden Demenz habe sich nicht nachweisen lassen. Insbesondere fände sich keine Störung des vestibulären Systems. Für die subjektiv geklagten Beschwerden zeigten sich keine erklärenden Befunde. Anhaltende posttraumatische Kopfschmerzen seien äußerst selten und entsprächen in der Regel einem cervikogenen Kopfschmerz mit entsprechenden Triggerpunkten, die sich beim Kläger nicht hätten nachweisen lassen. Auch für Tinnitus und Geräuschempfindlichkeit bestünden aus neurologischer Sicht keine erklärenden Befunde.

Die Hals-Nasen-Ohrenärztin Prof. Dr. S. erklärte im Gutachten vom 10.03.2000, das Ausmaß der Schwerhörigkeit habe nicht exakt objektiviert werden können. Der prozentuale Hörverlust habe nach verschiedenen Hörtests und Berechnungsmethoden geschwankt. Auffallend sei, dass auf dem rechten Ohr das Tongehör in etwa identisch sei mit dem auf dem linken Ohr und sich die Kurve durch eine Senke bei 6000 Hz auszeichne. Eine solche Senke finde man bei einer Lärmschwerhörigkeit. Die vom Kläger angegebene Schwerhörigkeit könne nicht auf den Unfall zurückgeführt werden, da kein Anhalt für eine Contusio labyrinthi bestehe. Die unsicheren Angaben insbesondere bei der Sprachaudiometrie seien entweder aggraviert oder als psychogene Schwerhörigkeit bzw. zentrale Schwerhörigkeit als Folge der Hirnathrophie anzusehen. Ein traumatisch entstandener Tinnitus nach einem stumpfen Schädeltrauma zeichne sich durch einen permanenten Ton aus, der im 4 bis 6 kHz Frequenzbereich liege. Der Tinnitus habe keiner Frequenz zugeordnet werden können. Es handle sich entweder um einen psychogenen oder um einen zentralen Tinnitus als Folge der Hirnathrophie. Die Hyperakusis sei so ausgeprägt, dass sie keinesfalls als Unfallfolge angesehen werden könne. Nach einem stumpfen Schädeltrauma könne eine Innenohrschwerhörigkeit mit Rekruitment entstehen. Dann liege jedoch die Unbehaglichkeitsschwelle nicht unter 90 bis 100 dB, während der Kläger selbst Töne von 40 dB und Sprache in der Lautstärke von 70 dB nicht ertragen habe. Die Kopfschmerzen seien im Rahmen einer chronischen Pansinusitis bei hochgradig behinderter Nasenatmung zu sehen. Da der Kläger nachweislich keine Nasenbeinfraktur gehabt habe, sei die behinderte Nasenatmung nicht Unfallfolge. Bereits vier Tage nach dem Unfall sei ein Nasennebenhöhlen-CT angefertigt und ein bereits damals chronischer Prozess festgestellt worden, somit kein akutes Geschehen wie z.B. eine Einblutung als Unfallfolge. Die Riechstörung, die als gering- bis mittelgradig einzuschätzen sei, sei nicht Unfallfolge. Denn nur Schädeltraumata in sagittaler Richtung führten zu einer Zerreißung der Fila olfactoria. Es sei anzunehmen, dass die Störung der Geruchswahrnehmung durch Verlegung der Riechspalte infolge der behinderten Nasenatmung oder durch die Pansinusitis entstanden sei. Zentrale Riechstörungen entstünden auch bei Hirnathrophie und Enzephalopathie, wie sie beim Kläger festgestellt worden seien. Eine hochgradige Geschmacksstörung habe der Kläger subjektiv nicht bemerkt. Die Kombination von Riechstörung und Geschmacksstörung gebe es bei zentralen Schädigungen, auch bei Hirnathrophie und Enzephalopathie. Der Unfall komme als Ursache nicht in Betracht, da er nicht mit längerer Bewusstlosigkeit einher gegangen sei. Insgesamt sei die Erwerbsfähigkeit unfallbedingt nicht beeinträchtigt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.03.2001 die Gewährung einer Rente ab, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 26. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalls hinaus nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Der Kläger habe sich bei dem Unfall ein Schädeltrauma zugezogen, das ohne Folgen nach Ablauf einer Woche ausgeheilt sei.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2001 zurück.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage übersandte der Kläger ein Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Prof. Dr. A. vom 06.05.2002. Dr. A. führte aus, der Kläger berichte, er habe am 16.11.1998 die Metalltüre eines Bauwagens durch einen kräftigen Windstoß gegen die rechte Gesichtsseite bekommen. Aufgrund der schwankenden Angaben des Klägers sei eine Interpretation der Befunde nicht ganz einfach. Eindeutig sei die fast pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit auf beiden Seiten mit Hochtonbetonung. Die Hochtonbetonung selbst könne auf Lärm zurückgeführt werden. Bei der pancochleären Innenohrschwerhörigkeit, die nach Aussage des Klägers seit dem Unfall bestehe, handle es sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um eine Contusio labyrinthi beidseits, wobei der intermittierende, crescendoartige Tinnitus nicht typisch sei. Sowohl die eigenartige Schilderung der Hyperakusis wie auch des intermittierenden Tinnitus, aber auch die unterschiedlichen sprachaudiometrischen Resultate ließen eine psychogene Komponente nicht sicher ausschließen. Gegen eine Contusio labyrinthi spreche der seitenbetonte Aufschlag während des Unfalls, der eine gewisse Asymmetrie erwarten lasse. Andererseits seien Ausnahmen möglich. Allerdings spreche das Ergebnis des Sprachaudiogramms wiederum gegen eine Contusio labyrinthi und lasse vielmehr zentrale, nicht unfallbedingte zusätzliche Einwirkungen vermuten. Das gleiche gelte für den sonderbaren Tinnitus, der ungewöhnlich für eine Contusio labyrinthi sei. Er deute wiederum auf eine zentrale Komponente, für die es keinen Unfallzusammenhang gebe. Auch die Hyperakusis sei nur bei Nachweis eines enorm starken Rekruitments verständlich, die hierfür notwendigen Untersuchungen habe der Kläger aber abgelehnt. Darüberhinaus sprächen die Befunde gegen das Vorliegen eines starken Rekruitments. Unter Abzug einer durch beruflichen Lärm hervorgerufenen Hörminderung ergebe sich maximal eine MdE von 20 v.H ... Jegliche andere Interpretation würde einem Gegengutachten nicht standhalten.

Die Beklagte übersandte ein Gutachten von Prof. Dr. S. vom 19.09.2002: Prof. Dr. A. habe offenbar nicht gewusst, dass eine Hirnathrophie und eine Enzephalopathie diagnostiziert worden seien, was seine Vermutung zentraler, nicht unfallbedingter Ursachen untermauere. Bei solch divergierenden Angaben, wie sie beim Kläger gegeben seien, sei die häufigste Ursache eine Pseudohypakusis, wobei offen sei, ob es sich um eine bewusste Aggravation oder Simulation handle oder um eine psychogene Innenschwerhörigkeit.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurootologe Dr. S. führte im Gutachten vom 02.02.2004 aus, bei einem beidseitigen Hörverlust von weniger als 20% ergebe sich eine MdE unter 10 v.H. Die Hörstörungen und der zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht vorhandene Tinnitus ließen sich aber nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückführen. Es bestehe eine posttraumatische zentrale Störung des Gleichgewichtssystems, die Schwindelbeschwerden seien somit glaubhaft und objektiv gesichert. Auch die Störung des Geschmacks- und Geruchssinns sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Unfallfolge. Prof. Dr. S. stelle richtig fest, dass hauptsächlich Schädeltraumata in sagittaler Richtung zu einer Abscherung der Riechfäden führten. Ihre Annahme, dass das Trauma nur die rechte Schädelseite getroffen habe, sei nicht richtig. Es sei aktenkundig, dass eine Wurzelfraktur des rechten ersten Schneidezahns vorgelegen habe. Damit sei auch klar, dass ein Schlag in sagittaler Richtung erfolgt sein müsse und somit eine Abscherung der Riechfasern erfolgt sei. Der einzige objektive Befund für eine Hirnathrophie und Enzephalopathie sei das am 08.01.1999 durchgeführte Kernspintomogramm des Schädels. Die Diagnose, die nur auf einer leichten Erweiterung der Seitenventrikel und einer kleinen fraglichen Marklagerischämie beruhe, werde von Prof. Dr. S. unkritisch übernommen. Die komplette Anosmie sowie die stark gestörte Geschmacksempfindung bedingten eine MdE von 15 v.H ... Insgesamt müsse die MdE aufgrund der neurootologischen Befunde mit 30 v.H. bewertet werden.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 12.04.2004. Trotz der relativ geringen, schlecht definierten Beschwerden sei eine zentrale Gleichgewichtstörung nachgewiesen, deren Ursache aber vom Neurologen zu beurteilen sei. Dr. S. habe sich auf eine subjektive Riechprüfung verlassen, anstatt eine objektive Olfaktometrie durchzuführen. Er habe auch nicht diskutiert, wie er sich die Zunahme der Riechstörung zwischen 2000 und 2004 erkläre, die nach einem Unfall äußerst fragwürdig sei.

Der Neurologe Dr. B. hat im Gutachten vom 08.06.2004 ausgeführt, das einzige logische Bindeglied zwischen dem Unfall und der Symptomentstehung sei die Aussage des Klägers, dass er derartige Symptome erst seit dem Unfall habe. Es seien keinerlei neurologische Befunde oder Auffälligkeiten festgestellt, die eine Zuordnung der geklagten Symptome zu unfallabhängigen Befunden ermöglichten. Die Symptomatik lasse auch aufgrund ihrer Ausprägung keinerlei eindeutige Zuordnung zu. Bei der jetzigen neurologischen und elektrophysiologischen Untersuchung seien einige pathologische Befunde erhoben worden. Es bestehe ein generalisierter obstruktiver Gefäßprozess in hirnversorgenden Hals- und Hirngefäßen. Es handle sich um Phänomene, die Folge eines komplexen multifaktoriellen pathoanatomischen Prozesses seien, aber keinerlei Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen hätten. Die Koordinationsstörung sei mit größerer Wahrscheinlichkeit zentral als peripher zuzuordnen. Die Angabe des Klägers, dass die geklagte Symptomatik erst mit dem Unfall aufgetreten sei, könne daher nicht ohne weiteres nachvollzogen oder bewiesen werden. Bezüglich der Anosmie und Geschmacksstörung sei den Argumenten von Prof. Dr. S. nichts hinzuzufügen. Die subjektive Riechprüfung von Dr. S. reiche in ihrer diagnostischen Trefferrate im Hinblick auf die im Gutachten erforderliche Aussagesicherheit nicht aus. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche auch die subjektiv geltend gemachte Verschlechterung zwischen 2000 und 2004. Unfallfolge sei eine Contusio labyrinthi beiderseits mit Hypakusis. Die MdE sei mit 15 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K ... Dr. B. begründe die MdE von 15 v.H. ausschließlich mit Gesundheitsstörungen, die der hals-nasen-ohren-ärztlichen Beurteilung unterlägen. Dabei sei von Bedeutung, dass sowohl Prof. S. als auch Prof. Dr. S. keine unfallbedingte MdE vorgeschlagen hätten. Dr. B. habe bei der Untersuchung keine Gesundheitsstörungen gefunden, die aus neurologischer Sicht eindeutig unfallabhängig seien. Eine fachbezogene nervenärztliche MdE sei nicht zu begründen.

Weiter übersandte die Beklagte eine Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 12.10.2004. Die Innenohrhochtonschwerhörigkeit, soweit vorhanden, die gering- bis mittelgradige Hyposmie, die hochgradige Geschmacksstörung, die hochgradige behinderte Nasenatmung und die chronische Pansinusitis mit Kopfschmerzen seien unfallunabhängige Krankheitserscheinungen.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2005 erklärte Dr. S. , Prof. Dr. S. habe bei einer objektiven Riechprüfung eine komplette Anosmie festgestellt. Hierbei handle es sich um einen Dauerschaden. Es treffe nicht zu, wenn Dr. B. vom Fehlen zeitnaher neurologischer Befunde spreche. Dr. R. , der Neurologe P. , Dr. H. und Dr. R. hätten auf Schwindelbeschwerden und Störungen des Geruchssinns hingewiesen.

Die Beklagte übersandte eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 20.08.2005. Bei der Diagnose einer zentralen Störung, ganz egal, ob diese das Gleichgewichtssystem oder das Hörssystem betreffe, sei die Frage der Kausalität von einem Neurologen zu klären. Bei der objektiven Olfaktrometrie vom 22.07.1999 und 01.02.2002 sei keine Anosmie festgestellt worden, sondern nur eine Hyposmie, die auf gering- bis mittelgradig geschätzt worden sei. Die Riechprüfung habe sich äußerst schwierig gestaltet und habe mehrfach wiederholt werden müssen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2005 abgewiesen. Mit Ausnahme von Prof. Dr. A. seien sämtliche Sachverständigen zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass eine Minderung des Hörvermögens nicht auf den Unfall zurückgeführt werden könne. Sofern Dr. B. Hörstörungen als Unfallfolge angebe, habe er nur die Angaben von Prof. Dr. A. übernommen. Auch bezüglich des Tinnitus seien die Sachverständigen übereinstimmend der Ansicht, dass ein unfallbedingter Tinnitus nicht wahrscheinlich sei. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Unfallzusammenhang der Störung des Geruchs- und Geschmacksempfindens bestehe nicht. Die nach dem Unfall eintretende laufende Verschlechterung spreche dagegen. Auch seien keine neurologischen Befunde festgehalten, die einen Zusammenhang belegten. Im Übrigen liege ein Schädeltrauma, das geeignet gewesen sei, die Riechfäden abzuscheren, nicht vor. Denn der Aufprall der Tür sei nach den Angaben des Klägers auf die rechte Schädelseite erfolgt. Die Wurzelfraktur des rechten ersten Schneidezahns belege keinen Schlag in sagittaler Richtung. Diese Verletzung könne durch die Türklinke erfolgt sein. Eine Begründung, warum Dr. S. die zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung als unfallbedingt betrachte, gebe er nicht in nachvollziehbarer Weise. Alle neurologischen Gutachter hätten darauf hingewiesen, dass sie eine unfallbedingte Ursache der Gleichgewichtstörungen nicht erkennen könnten. Für eine Kausalität spreche allein der zeitliche Zusammenhang, dies sei aber nicht ausreichend. Zu berücksichtigen seien die nachgewiesenen Gefäßveränderungen, auch, dass der Kläger bereits 1988 fast drei Monate lang mit Schwindelsymptomatik arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Sämtliche sich dazu äußernden Gutachter hätten auch darauf hingewiesen, dass eine derart langdauernde Kopfschmerz-Symptomatik, wie sie beim Kläger vorliege, völlig untypisch für das stattgehabte Trauma sei. Bezüglich der Lärmempfindlichkeit habe keiner der Sachverständigen einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der nach den Angaben des Klägers extrem ausgeprägten Lärmempfindlichkeit angenommen.

Zur Begründung der Berufung hat sich der Kläger auf Prof. Dr. A. und Dr. B. berufen. Bezüglich des Tinnitus seien die richterlichen Feststellungen zutreffend. Ursache der Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksempfindens sei die Abscherung der Riechfasern durch den Unfall. Der Kläger sei von keinem der erstbehandelnden Ärzte genau nach dem Unfallhergang befragt worden. Am Unfalltag habe ihm eine Windböe die Türe aus der Hand gerissen, die ihn zunächst von vorne getroffen habe und mit der Klinke gegen seinen Oberkiefer, die Zähne und die Schläfe geschlagen sei, dann habe sie offensichtlich den Kopf seitlich getroffen, so dass der Schlag auch in erster Linie rechts zu spüren gewesen sei. Der Neurologe P. habe erklärt, dass der Kläger einen massiven rechts-frontalbetonten Kopfschmerz angebe. Gleichgewichtstörungen bestünden erst seit dem Unfall und seien daher auf den Unfall zurückzuführen, ebenso wie die seit dem Unfall vorhandenen Kopfschmerzen.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 04.08.2006 die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG zum Beweis dafür, dass sich aus der Bescheinigung des Zahnarztes Dr. L. vom 19.01.2006 ergebe, dass die Verletzung des Zahnes 11 mit der Folge einer Wurzelfraktur im zentralen Wurzeldrittel nur durch einen frontalen Schlag der Bauwagentür auf den Kopf des Klägers zu erklären sei. Der Antrag wurde abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2006 wurde darauf hingewiesen, dass die zu beweisende Tatsache in dieser Form durch ein ärztliches Gutachten nicht zu beweisen sei. Zu beweisen wäre nur, dass die Verletzung des Zahnes durch einen Schlag auf den Kopf im Bereich des Zahnes erfolgt sei. Dies werde als bewiesen unterstellt.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG einverstanden.

Der Kläger stellt den Antrag

aus dem Schriftsatz vom 20.12.2005.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen , da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Prof. Dr. A. im Gutachten vom 06.05.2002 betont hat, aufgrund der schwankenden Angaben des Klägers sei eine Interpretation der Befunde nicht ganz einfach. Auch Prof. Dr. A. hat ausdrücklich die erheblichen Differenzen bei der sprachaudiometrischen Beurteilung erwähnt. Auch hat er erklärt, dass sowohl die eigenartige Schilderung der Hypakusis wie auch des Tinnitus sowie die unterschiedlichen sprachaudiometrischen Resultate eine psychogene Komponente nicht sicher ausschließen ließen. Das Ergebnis des Sprachaudiogramms spricht, so Prof. Dr. A. , gegen eine Contusio labyrinthi und lässt eine nicht unfallbedingte Einwirkung vermuten. Der Tinnitus ist völlig ungewöhnlich für eine Contusio labyrinthi und deutet auf eine zentrale Komponente. Im Hinblick auf diese Ausführungen überzeugt, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, die Beurteilung durch Prof. Dr. S ...

Auch die Ausführungen von Dr. S. können, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht überzeugen. Bezüglich der Gleichgewichtsfunktionsstörung ist zu berücksichtigen, dass alle neurologischen Sachverständigen eine unfallbedingte Ursache nicht erkennen konnten. Bereits 1988 war eine langdauernde Arbeitsunfähigkeitszeit wegen Commotio cerebri, Schwindel und Cephalgie gegeben. Auch trifft es nicht zu, wie Dr. S. erklärt, dass vier Neurologen in den ersten sieben Monaten nach dem Unfall Schwindelbeschwerden und Störungen des Geruchssinnes dokumentiert hätten. In den Ausführungen des Dr. R. vom 08.12.1998 werden keine objektivierten Schwindelbeschwerden, sondern lediglich die Angaben des Klägers wiedergegeben. Zum Geruchssinn machte Dr. R. keine Angaben. Der Neurologe P. hat keine Unfallfolgen festgestellt, sondern eine zentrale Atrophie des Gehirns erwähnt. Dr. H. führte aus, es sei auffallend, dass die Störung des Geruchsvermögens in den Ausführungen des Dr. R. nicht erwähnt sei, auch die Minderung des Hörvermögens habe nicht objektiviert werden können. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. R. verwies darauf, dass kein verwertbares Audiogramm vorliege.

Was die Störung der Geruchs- und Geschmacksempfindung betrifft, so wäre Voraussetzung ein Schädeltrauma mit Krafteinwirkung auf den Hinterkopf oder auf die Frontobasis. Ein derartiges Schädeltrauma hat nicht vorgelegen. Die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG ist nicht veranlasst, da der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist und die vom Kläger als klärungsbedürftig angesehene Tatsache als bewiesen unterstellt wird. Die Verletzung des Schneidezahns durch einen Schlag im Bereich des Zahns kann als bewiesen unterstellt werden. Ein Schlag auf den Stirnhirnbreich ist damit aber nicht bewiesen, da eine derartige Verletzung auch, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, durch die Türklinke erfolgt sein kann. Die zeitnahen Angaben des Klägers nach dem Unfall haben einen Schlag gegen den Hinterkopf oder gegen die Stirn jedenfalls nicht enthalten. Bei Dr. R. hat der Kläger ausdrücklich angegeben, die Tür sei gegen die rechte Kopfseite geschlagen, die Klinke gegen Nase und Oberkiefer, so dass der erste Schneidezahn rechts gewackelt habe.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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