Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 45/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 37/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9b SO 35/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung der Kosten für eine Mittagsverpflegung während eines Aufenthalts des Klägers in einer teilstationären Einrichtung für den Zeitraum ab dem 01.01.2005.
Der 1976 geborene Kläger erfüllt - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weil er durch eine Behinderung wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gemeinschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist. Der Beklagte gewährte ihm seit dem 01.10.1996 Leistungen nach den früheren §§ 39 Abs 1, 40 Abs 1 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) iVm §§ 41, 43 SGB IX in Höhe der Kosten für die Beschäftigung in den U.werkstätten A ... Diese Hilfeleistungen umfassten auch die Kosten für das dort ausgegebene Mittagessen.
Mit Bescheid vom 13.12.2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger weiterhin die Kosten für eine Beschäftigung in einer Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM) für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 auf der Grundlage des ab dem 01.01.2005 in Kraft getretenen § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm §§ 41, 43 SGB IX. Gleichzeitig lehnte er jedoch ab dem 01.01.2005 die Übernahme der Kosten für das Mittagessen in den WfbM ab, weil nach den neuen Vorschriften der §§ 19, 35 und 42 SGB XII die Eingliederungshilfen nicht mehr den in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts umfasse. Dieser Lebensunterhalt werde seit dem 01.01.2005 gemäß § 19 Abs 2 Satz 1, § 42 SGB XII durch die vorrangigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgedeckt. Hierfür sei der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig.
Am 14.03.2005 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage und beantragte, unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 13.12.2004 diesen zur Übernahme der Kosten für das Mittagessen in der WfbM für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 zu verpflichten. Aus dem Wortlaut des § 35 Abs 1 SGB XII ergebe sich eindeutig, dass der Lebensunterhalt auch bei teilstationärer Unterbringung als Leistung der Einrichtung erbracht werde. § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII sehe dafür eine Refinanzierung durch die Grundpauschale der Vergütung vor. § 92 Abs 1 SGB XII habe die Vorleistungspflicht des Sozialhilfeträgers für den Lebensunterhalt in der Einrichtung aus § 43 Abs 1 BSHG wortgleich übernommen, so dass die Leistungen zunächst in vollem Umfang zu erbringen seien, auch wenn dem Leistungsberechtigten die Aufbringung für den Lebensunterhalt zuzumuten seien. Dafür spreche auch § 92 Abs 2 Satz 4 SGB XII, in dem geregelt sei, unter welchen Bedingungen ein Kostenbeitrag für das Mittagessen in der Werkstatt erhoben werden könne. Dem stehe auch nicht § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII entgegen, der nur eingefügt worden sei, um die Berechnung eines Kostenbeitrags infolge der Vorleistung auf eine gesicherte Rechtsgrundlage zu stellen, indem die Einbeziehung investiver Kosten des Lebensunterhaltes der Einrichtung ausgeschlossen bleiben sollte. Das Einkommen des Klägers liege bisher unter dem Zweifachen des Eckregelsatzes.
Das Verwaltungsgericht Augsburg verwies mit Beschluss vom 31.03.2005 den Rechtsstreit an das Sozialgericht Augsburg, das die Klageerhebung vom 14.03.2005 zugleich als Widerspruchseinlegung wertete und die Klage mit Urteil vom 23.03.2006 abwies.
Zur Begründung seiner dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, laut Lebenshilfevereinarung Marburg müsse nur in Bayern der Werkstattmitarbeiter seit Januar 2005 sein Mittagessen selbst bezahlen, während Strafgefangene in Bayern bei gleichem Lohn ihr Essen kostenlos erhielten. Den behinderten Heimbewohnern werde das Mittagessen nicht abgezogen. Obwohl die Devise "ambulant vor stationär" angestrebt werde, seien die Eltern der teilstationären und noch zu Hause wohnenden behinderten Menschen hier kontraproduktiv benachteiligt.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 23.03.2006 und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 13.12.2004 zu verpflichten, die Kosten für das Mittagessen in der Werkstatt für behinderte Menschen ab dem 01.01.2005 zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf seine bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sind mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 13.12.2004 ist rechtmäßig und verletzt Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG anstelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die Beteiligten haben zudem auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für das tägliche Mittagessen in der WfbM hat. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 27.06.2006 Az: L 11 SO 19/06). Demzufolge ist der überörtliche Träger (= Beklagter) gemäß § 97 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB nicht für die Übernahme der Verpflegungskosten in teilstationären Einrichtungen zuständig. Gemäß § 97 Abs 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt (§ 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII). Dabei soll berücksichtigt werden, dass soweit wie möglich für Leistungen im Sinne des § 8 Nr 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist (§ 97 Abs 4 SGB XII). Nach Art 11 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b AGSGB sind die überörtlichen Träger sachlich zuständig u.a. für alle Hilfen, die in Einrichtung den zur teilstationären Betreuung gewährt werden. Abweichend von Satz 1 sind die überörtlichen Träger nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nur dann zuständig, wenn der Leistungsberechtigte zugleich Hilfen einer stationären Einrichtung nach anderen Kapiteln des SGB XII erhält (Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB).
Der Kläger gehört zu dem Personenkreis, dem nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 41 ff SGB XII iVm § 19 Abs 2 SGB XII zustehen. Gleichzeitig erhält er Leistungen zur Eingliederung im Sinne des § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 ff SGB XII, § 55 SGB XI. Er befindet sich in einer teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs 1 SGB XII, nicht aber in einer vollstationären (§ 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII).
In dieser Einrichtung erhält er Mittagessen. Es wird damit in der Einrichtung gemäß § 35 Abs 1 Stz 1 SGB XII ein Teil des notwendigen Lebensunterhaltes erbracht, wobei dieser tatsächlich erbrachte Lebensunterhalt dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Abs 1 Nrn 1 bis 3 SGB XII entspricht (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich hauptsächlich daraus, dass sie die bisher in § 27 Abs 3 BSHG geregelte Verklammerung von Lebensunterhalt und Hilfen in besonderen Lebenslagen auflöst. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasst in den teilstationären oder stationären Einrichtungen nicht mehr den dort gewährten Lebensunterhalt, der vielmehr gesondert festgesetzt und geleistet werden muss. Ziel dieser Trennung ist die Herauslösung der Bestandteile der Komplexleistung im stationären Bereich, um so einerseits diese Leistungen zu denjenigen, die ambulant erbracht werden, vergleichbar zu machen. Andererseits kann auf diese Weise dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass der Nachrang der Sozialhilfe und die Selbsthilfemöglichkeiten im Bereich der Deckung des Lebensunterhaltes sich von denen deutlich unterscheiden, die hinsichtlich der Bedarfe bestehen, die durch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen gedeckt werden. Mit der Auflösung der Klammer zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen wird der Leistungsberechtigte grundsätzlich in die gleiche Lage versetzt, wie eine Person, die ambulante Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen bezieht. Als Resultat soll die leistungsberechtigte Person die Leistungen und deren Kosten im ambulanten sowie im stationären Bereich vergleichen und sich als "Marktkunde" die günstigsten Leistungen auswählen. Für das Verwaltungsverfahren tritt insoweit eine Vereinfachung ein, als der Träger der Sozialhilfe nicht insgesamt in Vorleistung tritt und dann durch komplizierte Ermittlung der zumutbaren Belastung den Nachrang über einen Kostenbeitragsbescheid wieder herstellen muss (sog. Nettoprinzip; so Armborst in LPK-SGB XII § 35 RdNr 1). Hiernach sollen also die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. der Grundsicherung von den Leistungen zur Eingliederungshilfe unterschieden werden. Nachdem die Kosten des Lebensunterhaltes zu dem durch die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgedeckten Bedarf gehören, die im Vierten Kapitel des SGB XII geregelt sind, ist gemäß § 97 Abs 1 HS 1 SGB XII der örtliche Träger, nicht aber der Beklagte als überörtlicher Träger zuständig. Eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 97 Abs 4 SGB XII, denn der Kläger befindet sich nicht in einer stationären Einrichtung. Aber auch auf Grund § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm Art 11 Abs 1 Satz 1 AGSGB ist eine solche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nicht anzunehmen, denn die überörtlichen Träger sind zwar sachlich zuständig für alle Hilfen in Einrichtungen zur teilstationären Betreuung, für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - ist der überörtliche Träger jedoch nur dann zuständig, wenn der Leistungsberechtigte zugleich Hilfen in einer (voll-)stationären Einrichtung nach anderen Kapiteln des SGB XII erhält. Letzteres liegt hier jedoch nicht vor. Der Gesetzgeber hat in diesem Regelungszusammenhang ausdrücklich nur für stationäre Einrichtungen die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers auch für Leistungen der Grundsicherung geregelt (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 97 RdNr 32).
Dies widerspricht auch nicht der Regelung des § 97 Abs 2 Satz 2 SGB XII, nach der das Landesrecht soweit wie möglich eine einheitliche Zuständigkeit bestimmen soll. Aus der Wortwahl des Gesetzgebers "soll berücksichtigt werden" ergibt sich nicht, dass auf eine solche einheitliche Zuständigkeit künftig nur in atypischen Fällen verzichtet werden darf, wie die Verwendung des Begriffes "soll" nahe legt. Die Regelung verlangt lediglich, dass dies berücksichtigt werden soll, nicht auch, dass die Zuständigkeit so geregelt werden muss. Sie ordnet damit nicht an, dass dies zu geschehen hat, sondern "regt an, bei künftigen Regelungen der sachlichen Zuständigkeit durch die Länder die genannten Zeile zu berücksichtigen" (Gesetzesbegründung BT-Drs 15/1514, S 67). Ob der Landesgesetzgeber dieser Anregung folgt, entscheidet er, ohne in irgendeiner Form an die Vorstellung des Bundesgesetzgebers gebunden zu sein (so Schoch in LPK-SGB XII, § 97 RdNr 9). Der Landesgesetzgeber hat dies bei Erlass des AGSGB berücksichtigt und bei stationären Einrichtungen eine einheitliche Zuständigkeit bestimmt. Bei teilstationären Einrichtungen ist diese einheitliche Zuständigkeit jedoch nicht - unbedingt - für erforderlich gehalten worden, wobei diese Entscheidung des Landesgesetzgebers bereits deswegen als nachvollziehbar erscheint, weil beim Aufenthalt in teilstationären Einrichtungen Leistungen der Grundsicherung auch außerhalb der Einrichtung anfallen. Eine andere Auslegung des Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB ist auf Grund des klaren Wortlautes dieser Regelung nicht möglich, zumal der Bundesgesetzgeber hinsichtlich der Zuständigkeit auch zwischen stationären und teilstationären Einrichtungen unterscheidet (vgl § 97 Abs 4 SGB XII).
Für die in teilstationären Einrichtungen erbrachte Verpflegung ist der überörtliche Träger zudem nicht gemäß § 92 Abs 1 SGB XII vorleistungspflichtig. Diese Verpflichtung gilt nämlich nicht mit Blick auf die Leistungen für den Lebensunterhalt. Der - zwar etwas unklare - Wortlaut der Regelung stellt erkennbar auf Leistungen ab, die infolge einer Behinderung erforderlich werden. Das sind die Leistungen der Eingliederungshilfe. Zusätzlich sind auch bei stationären Leistungen nach der neuen Systematik des Gesetzes die Leistungen für den Lebensunterhalt nicht Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, sondern in dem § 35 SGB XII gesondert geregelt. Schließlich verweist auch § 92 Abs 1 SGB XII nur auf § 19 Abs 3 SGB XII und damit auch nur auf die dort genannten Leistungen. Die Leistungsberechtigung zur Hilfe zum Lebensunterhalt ist hingegen Gegenstand des § 19 Abs 1 SGB XII, auf den § 92 Abs 1 SGB XII aber nicht verweist (vgl Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, § 92 RdNr 8, Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, § 92 RdNr 8). Dies gilt ebenso bei einer Leistungsberechtigung nach § 19 Abs 2 SGB XII. Auch auf diesen wird im § 92 Abs 1 SGB XII nicht verwiesen.
Ob der örtliche Träger an die Betroffene zunächst Leistungen zu erbringen hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Der vorliegende Fall bietet auch keinen Anhaltspunkt, von dieser ständigen Rechtsprechung des Senats im Einzelfall abzuweichen.
Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren veranlassen zu dem abschließenden Hinweis, dass dem Kläger die Leistungen in Form der Übernahme der Kosten für das Mittagessen nicht verwehrt werden, nur ist eben der Beklagte hierfür nicht (mehr) zuständig.
Nach alledem ist die Berufung unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelasen, weil im Wesentlichen landesrechtliche Normen inmitten stehen.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung der Kosten für eine Mittagsverpflegung während eines Aufenthalts des Klägers in einer teilstationären Einrichtung für den Zeitraum ab dem 01.01.2005.
Der 1976 geborene Kläger erfüllt - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weil er durch eine Behinderung wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gemeinschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist. Der Beklagte gewährte ihm seit dem 01.10.1996 Leistungen nach den früheren §§ 39 Abs 1, 40 Abs 1 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) iVm §§ 41, 43 SGB IX in Höhe der Kosten für die Beschäftigung in den U.werkstätten A ... Diese Hilfeleistungen umfassten auch die Kosten für das dort ausgegebene Mittagessen.
Mit Bescheid vom 13.12.2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger weiterhin die Kosten für eine Beschäftigung in einer Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM) für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 auf der Grundlage des ab dem 01.01.2005 in Kraft getretenen § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm §§ 41, 43 SGB IX. Gleichzeitig lehnte er jedoch ab dem 01.01.2005 die Übernahme der Kosten für das Mittagessen in den WfbM ab, weil nach den neuen Vorschriften der §§ 19, 35 und 42 SGB XII die Eingliederungshilfen nicht mehr den in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts umfasse. Dieser Lebensunterhalt werde seit dem 01.01.2005 gemäß § 19 Abs 2 Satz 1, § 42 SGB XII durch die vorrangigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgedeckt. Hierfür sei der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig.
Am 14.03.2005 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage und beantragte, unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 13.12.2004 diesen zur Übernahme der Kosten für das Mittagessen in der WfbM für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 zu verpflichten. Aus dem Wortlaut des § 35 Abs 1 SGB XII ergebe sich eindeutig, dass der Lebensunterhalt auch bei teilstationärer Unterbringung als Leistung der Einrichtung erbracht werde. § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII sehe dafür eine Refinanzierung durch die Grundpauschale der Vergütung vor. § 92 Abs 1 SGB XII habe die Vorleistungspflicht des Sozialhilfeträgers für den Lebensunterhalt in der Einrichtung aus § 43 Abs 1 BSHG wortgleich übernommen, so dass die Leistungen zunächst in vollem Umfang zu erbringen seien, auch wenn dem Leistungsberechtigten die Aufbringung für den Lebensunterhalt zuzumuten seien. Dafür spreche auch § 92 Abs 2 Satz 4 SGB XII, in dem geregelt sei, unter welchen Bedingungen ein Kostenbeitrag für das Mittagessen in der Werkstatt erhoben werden könne. Dem stehe auch nicht § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII entgegen, der nur eingefügt worden sei, um die Berechnung eines Kostenbeitrags infolge der Vorleistung auf eine gesicherte Rechtsgrundlage zu stellen, indem die Einbeziehung investiver Kosten des Lebensunterhaltes der Einrichtung ausgeschlossen bleiben sollte. Das Einkommen des Klägers liege bisher unter dem Zweifachen des Eckregelsatzes.
Das Verwaltungsgericht Augsburg verwies mit Beschluss vom 31.03.2005 den Rechtsstreit an das Sozialgericht Augsburg, das die Klageerhebung vom 14.03.2005 zugleich als Widerspruchseinlegung wertete und die Klage mit Urteil vom 23.03.2006 abwies.
Zur Begründung seiner dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, laut Lebenshilfevereinarung Marburg müsse nur in Bayern der Werkstattmitarbeiter seit Januar 2005 sein Mittagessen selbst bezahlen, während Strafgefangene in Bayern bei gleichem Lohn ihr Essen kostenlos erhielten. Den behinderten Heimbewohnern werde das Mittagessen nicht abgezogen. Obwohl die Devise "ambulant vor stationär" angestrebt werde, seien die Eltern der teilstationären und noch zu Hause wohnenden behinderten Menschen hier kontraproduktiv benachteiligt.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 23.03.2006 und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 13.12.2004 zu verpflichten, die Kosten für das Mittagessen in der Werkstatt für behinderte Menschen ab dem 01.01.2005 zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf seine bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sind mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 13.12.2004 ist rechtmäßig und verletzt Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG anstelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die Beteiligten haben zudem auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für das tägliche Mittagessen in der WfbM hat. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 27.06.2006 Az: L 11 SO 19/06). Demzufolge ist der überörtliche Träger (= Beklagter) gemäß § 97 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB nicht für die Übernahme der Verpflegungskosten in teilstationären Einrichtungen zuständig. Gemäß § 97 Abs 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt (§ 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII). Dabei soll berücksichtigt werden, dass soweit wie möglich für Leistungen im Sinne des § 8 Nr 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist (§ 97 Abs 4 SGB XII). Nach Art 11 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b AGSGB sind die überörtlichen Träger sachlich zuständig u.a. für alle Hilfen, die in Einrichtung den zur teilstationären Betreuung gewährt werden. Abweichend von Satz 1 sind die überörtlichen Träger nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nur dann zuständig, wenn der Leistungsberechtigte zugleich Hilfen einer stationären Einrichtung nach anderen Kapiteln des SGB XII erhält (Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB).
Der Kläger gehört zu dem Personenkreis, dem nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 41 ff SGB XII iVm § 19 Abs 2 SGB XII zustehen. Gleichzeitig erhält er Leistungen zur Eingliederung im Sinne des § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 ff SGB XII, § 55 SGB XI. Er befindet sich in einer teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs 1 SGB XII, nicht aber in einer vollstationären (§ 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII).
In dieser Einrichtung erhält er Mittagessen. Es wird damit in der Einrichtung gemäß § 35 Abs 1 Stz 1 SGB XII ein Teil des notwendigen Lebensunterhaltes erbracht, wobei dieser tatsächlich erbrachte Lebensunterhalt dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Abs 1 Nrn 1 bis 3 SGB XII entspricht (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich hauptsächlich daraus, dass sie die bisher in § 27 Abs 3 BSHG geregelte Verklammerung von Lebensunterhalt und Hilfen in besonderen Lebenslagen auflöst. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasst in den teilstationären oder stationären Einrichtungen nicht mehr den dort gewährten Lebensunterhalt, der vielmehr gesondert festgesetzt und geleistet werden muss. Ziel dieser Trennung ist die Herauslösung der Bestandteile der Komplexleistung im stationären Bereich, um so einerseits diese Leistungen zu denjenigen, die ambulant erbracht werden, vergleichbar zu machen. Andererseits kann auf diese Weise dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass der Nachrang der Sozialhilfe und die Selbsthilfemöglichkeiten im Bereich der Deckung des Lebensunterhaltes sich von denen deutlich unterscheiden, die hinsichtlich der Bedarfe bestehen, die durch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen gedeckt werden. Mit der Auflösung der Klammer zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen wird der Leistungsberechtigte grundsätzlich in die gleiche Lage versetzt, wie eine Person, die ambulante Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen bezieht. Als Resultat soll die leistungsberechtigte Person die Leistungen und deren Kosten im ambulanten sowie im stationären Bereich vergleichen und sich als "Marktkunde" die günstigsten Leistungen auswählen. Für das Verwaltungsverfahren tritt insoweit eine Vereinfachung ein, als der Träger der Sozialhilfe nicht insgesamt in Vorleistung tritt und dann durch komplizierte Ermittlung der zumutbaren Belastung den Nachrang über einen Kostenbeitragsbescheid wieder herstellen muss (sog. Nettoprinzip; so Armborst in LPK-SGB XII § 35 RdNr 1). Hiernach sollen also die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. der Grundsicherung von den Leistungen zur Eingliederungshilfe unterschieden werden. Nachdem die Kosten des Lebensunterhaltes zu dem durch die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgedeckten Bedarf gehören, die im Vierten Kapitel des SGB XII geregelt sind, ist gemäß § 97 Abs 1 HS 1 SGB XII der örtliche Träger, nicht aber der Beklagte als überörtlicher Träger zuständig. Eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 97 Abs 4 SGB XII, denn der Kläger befindet sich nicht in einer stationären Einrichtung. Aber auch auf Grund § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm Art 11 Abs 1 Satz 1 AGSGB ist eine solche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nicht anzunehmen, denn die überörtlichen Träger sind zwar sachlich zuständig für alle Hilfen in Einrichtungen zur teilstationären Betreuung, für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - ist der überörtliche Träger jedoch nur dann zuständig, wenn der Leistungsberechtigte zugleich Hilfen in einer (voll-)stationären Einrichtung nach anderen Kapiteln des SGB XII erhält. Letzteres liegt hier jedoch nicht vor. Der Gesetzgeber hat in diesem Regelungszusammenhang ausdrücklich nur für stationäre Einrichtungen die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers auch für Leistungen der Grundsicherung geregelt (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 97 RdNr 32).
Dies widerspricht auch nicht der Regelung des § 97 Abs 2 Satz 2 SGB XII, nach der das Landesrecht soweit wie möglich eine einheitliche Zuständigkeit bestimmen soll. Aus der Wortwahl des Gesetzgebers "soll berücksichtigt werden" ergibt sich nicht, dass auf eine solche einheitliche Zuständigkeit künftig nur in atypischen Fällen verzichtet werden darf, wie die Verwendung des Begriffes "soll" nahe legt. Die Regelung verlangt lediglich, dass dies berücksichtigt werden soll, nicht auch, dass die Zuständigkeit so geregelt werden muss. Sie ordnet damit nicht an, dass dies zu geschehen hat, sondern "regt an, bei künftigen Regelungen der sachlichen Zuständigkeit durch die Länder die genannten Zeile zu berücksichtigen" (Gesetzesbegründung BT-Drs 15/1514, S 67). Ob der Landesgesetzgeber dieser Anregung folgt, entscheidet er, ohne in irgendeiner Form an die Vorstellung des Bundesgesetzgebers gebunden zu sein (so Schoch in LPK-SGB XII, § 97 RdNr 9). Der Landesgesetzgeber hat dies bei Erlass des AGSGB berücksichtigt und bei stationären Einrichtungen eine einheitliche Zuständigkeit bestimmt. Bei teilstationären Einrichtungen ist diese einheitliche Zuständigkeit jedoch nicht - unbedingt - für erforderlich gehalten worden, wobei diese Entscheidung des Landesgesetzgebers bereits deswegen als nachvollziehbar erscheint, weil beim Aufenthalt in teilstationären Einrichtungen Leistungen der Grundsicherung auch außerhalb der Einrichtung anfallen. Eine andere Auslegung des Art 11 Abs 1 Satz 2 AGSGB ist auf Grund des klaren Wortlautes dieser Regelung nicht möglich, zumal der Bundesgesetzgeber hinsichtlich der Zuständigkeit auch zwischen stationären und teilstationären Einrichtungen unterscheidet (vgl § 97 Abs 4 SGB XII).
Für die in teilstationären Einrichtungen erbrachte Verpflegung ist der überörtliche Träger zudem nicht gemäß § 92 Abs 1 SGB XII vorleistungspflichtig. Diese Verpflichtung gilt nämlich nicht mit Blick auf die Leistungen für den Lebensunterhalt. Der - zwar etwas unklare - Wortlaut der Regelung stellt erkennbar auf Leistungen ab, die infolge einer Behinderung erforderlich werden. Das sind die Leistungen der Eingliederungshilfe. Zusätzlich sind auch bei stationären Leistungen nach der neuen Systematik des Gesetzes die Leistungen für den Lebensunterhalt nicht Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, sondern in dem § 35 SGB XII gesondert geregelt. Schließlich verweist auch § 92 Abs 1 SGB XII nur auf § 19 Abs 3 SGB XII und damit auch nur auf die dort genannten Leistungen. Die Leistungsberechtigung zur Hilfe zum Lebensunterhalt ist hingegen Gegenstand des § 19 Abs 1 SGB XII, auf den § 92 Abs 1 SGB XII aber nicht verweist (vgl Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, § 92 RdNr 8, Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, § 92 RdNr 8). Dies gilt ebenso bei einer Leistungsberechtigung nach § 19 Abs 2 SGB XII. Auch auf diesen wird im § 92 Abs 1 SGB XII nicht verwiesen.
Ob der örtliche Träger an die Betroffene zunächst Leistungen zu erbringen hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Der vorliegende Fall bietet auch keinen Anhaltspunkt, von dieser ständigen Rechtsprechung des Senats im Einzelfall abzuweichen.
Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren veranlassen zu dem abschließenden Hinweis, dass dem Kläger die Leistungen in Form der Übernahme der Kosten für das Mittagessen nicht verwehrt werden, nur ist eben der Beklagte hierfür nicht (mehr) zuständig.
Nach alledem ist die Berufung unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelasen, weil im Wesentlichen landesrechtliche Normen inmitten stehen.
Rechtskraft
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