L 8 AL 351/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 348/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 351/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 12/07 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger zu Recht für den Zeitraum vom 06.12.2003 bis 02.03.2004 Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Mitwirkung bei der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung entzogen worden ist.

Der 1953 geborene Kläger bezog nach einer bislang letzten Beschäftigung vom 01.10.2001 bis 30.11.2001 auf eine erneute Arbeitslosmeldung ab 01.12.2001 Arbeitslosenhilfe. Zuvor erhielt er zwischen diversen Beschäftigungen seit Mai 1998 Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Für den Zeitraum nach dem 02.03.2004 ist eine eigene Regelung der Beklagten (Bescheid vom 05.04.2004) ergangen, die vom Kläger ebenfalls gesondert angefochten wurde.

Am 19.05.2003 war dem Kläger die Teilnahme an einer Eignungsfeststellung (IHK-Akademie A.) bewilligt worden. Diese Maßnahme wurde wegen Arbeitsunfähigkeit abgebrochen. Eine weitere Trainingsmaßnahme wurde krankheitsbedingt erst am 01.09.2003 begonnen und am 14.10.2003 wegen häufiger Fehlzeiten abgebrochen.

Am 25.11.2003 erläuterte die Beklagte dem Kläger durch den zuständigen Teamleiter (S.) unter Beiziehung des ersten Arztes des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes (Dr. B.) die Notwendigkeit einer arbeitsamtsärztlichen Untersuchung. Am 26.11.2003 wurde der Kläger dann mit einer Rechtsfolgenbelehrung zur Untersuchung durch Dr. B. für den 05.12.2003 vorgeladen. Dabei erfolgte ein deutlicher Hinweis auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung bei der Untersuchung. Danach stellte Dr. B. am 08.12.2003 fest, dass aufgrund fehlender detaillierter Angaben zum Vorliegen aktueller oder früherer Gesundheitsstörungen und aufgrund der Weigerung des Klägers, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden und eine körperliche Untersuchung im Rahmen der Vorstellung durchführen zu lassen, kein sozialmedizinisches Leistungsbild erstellt werden konnte.

Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.12.2003 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe ab 06.12.2003 wegen Verweigerung der Mitwirkung bei der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung ein.

Nach Einlegung seines Widerspruchs äußerte der Kläger die Absicht, jetzt bei einer arbeitsamtsärztlichen Untersuchung mit- zuwirken. In einem weiteren Termin beim medizinalärztlichen Dienst stellte der Amtsarzt L. am 23.03.2004 fest, dass wiederum ein konkretes Leistungsbild nicht habe erstellt werden können. Eine regelrechte Begutachtung sei aufgrund der fehlenden Kooperation des Klägers nicht zu Stande gekommen.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2004 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.04.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und zur Begründung angeführt, dass er bereits bei seinen früheren Arbeitgebern schwer gemobbt worden sei. In diesem Zusammenhang und mit den zahlreichen früheren Verweigerungen der Zahlungen seitens der Beklagten sehe er die ärztliche Untersuchung nur als weitere Schikane an. Der Arzt habe nicht im Voraus sagen können, welche Untersuchungen er machen wolle und warum er diese machen wolle und habe sich auch sonst sehr komisch benommen. Der Leiter des Medizinaldienstes Dr. B. hat am 26.05.2004 eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt und ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.07.2004 als sachverständiger Zeuge einvernommen worden. Dabei hat er im Wesentlichen bekundet, dass der Kläger nicht an einer sinnvollen Untersuchung mitgewirkt und auch nicht ausreichend Auskunft über seinen Gesundheitszustand gegeben habe.

Durch Urteil vom 13.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die Beklagte die Leistung zu Recht entzogen haben. Wer seinen Mitwirkungsverpflichtung nicht nachkommen und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwere, wozu auch Untersuchungsmaßnahmen auf Verlangen des zuständigen Leistungsträger gehörten, dem werde die Leistung zu Recht entzogen. Hier sei die Untersuchung erforderlich, weil der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe Arbeitslosigkeit voraussetze, die wiederum nur gegeben sei, wenn der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehe, was auch eine entsprechende gesundheitliche Verfügbarkeit erfordere. Der Kläger habe weder bei der Untersuchung bei dem Leiter des Medizinaldienstes Dr. B. noch beim Amtsarzt L. in gehöriger Weise mitgewirkt.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgebracht, dass das Urteil von falschen Tatsachen ausgegangen sei. Er sei zum Zeitpunkt des Verhandlungstermins inhaftiert gewesen und habe deswegen den Sachverhalt nicht richtig stellen können. Zum Beispiel sei behauptet worden, dass er über seinen Gesundheitszustand keine Auskunft habe geben wollen. Richtig sei, dass er ein Attest der Kassenärztlichen Vereinigung angeboten habe. Schließlich sei er bereit gewesen, die behandelnden Ärzte teilweise von der Schweigepflicht zu entbinden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger diesen Vortrag wiederholt und behauptet, dass ihm schmerzhafte Untersuchungsvorgänge, wie die Prüfung des Lasègue (Dehnungsschmerz zur Ermittlung von Wirbelsäulenbeschwerden) nicht hätten abverlangt werden dürfen. Er wäre auch bereit gewesen, von der kassenärztlichen Vereinigung ein Attest beizubringen, wonach er einen völlig intakten Gesundheitszustand habe. Am 07.11.2006 (Eingang beim LSG) hat der Kläger erneut Stellung genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.2004 sowie den Bescheid vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 4, 33, 12 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Voraussetzungen eines Gerichtsbeschlusses gegeben sind und dessen Erlass mit Kundgabe des voraussichtlichen Verfahrensergebnisses angekündigt worden ist.

Gegenstand des Verfahrens ist eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2004, mit welchem die Beklagte ihre Leistungen der Arbeitslosenhilfe ab dem 06.12.2003 eingestellt hat.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 05.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 24.05.2004. Für den Zeitraum nach dem 02.03.2004 ist damit eine eigene Regelung der Beklagten erfolgt, die vom Kläger ebenfalls, gesondert mit Widerspruch vom 28.04.2004 angefochten wurde. Eine Einbeziehung in das Klageverfahren im Sinne von § 96 SGG lag damit nicht vor. Es handelte sich dabei - wie das SG unter Bezug auf Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, S. 234 zu Recht ausführt - um eine Entscheidung auf einen späteren Antrag zu einem neuen, anderen Zeitraum. Schließlich hat der Kläger in seinem Klageantrag laut Niederschrift vom 28.04.2004 den Bescheid vom 05.04.2004 nicht angefochten. Über die Notwendigkeit einer eigenständigen Anfechtung ist der Kläger schließlich auch vom SG am 27.04.2004 unter dem Az.: S 1 AL 287/04 ER unterrichtet worden.

Wegen des rechtlich zutreffenden Entzugs der Leistung durch die Beklagte verweist der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG und die Bescheide der Beklagten und sieht bis auf das Folgende von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG in der Fassung der Vereinfachungsnovelle vom 11.01.1993, BGBl. I, 50).

Gemäß § 66 Abs. 2 SGB X kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung unter anderem wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nachkommt. Weiter ist dazu Voraussetzung, dass unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass deshalb unter anderem die Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird. Schließlich dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Die Mitwirkungsverpflichtung enthält nach den Vorschriften der §§ 60 ff. SGB I die Verpflichtung zur Angabe aller Tatsachen, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers die Zustimmung zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Schließlich soll sich auch derjenige, der Sozialleistungen erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind (§ 60 SGB I).

Der Kläger hat lediglich seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen (§ 61 SGB I) genügt. Denn er ist den Einladungen zu den ärztlichen Untersuchung bei Dr. B. und dem Amtsarzt L. gefolgt. Er hat aber ausweislich der Aussage des Amtsarztes Dr. B. in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2004 nicht an einer sinngerechten Untersuchung mitgewirkt. Diese Feststellung des SG macht sich der Senat voll zu Eigen. An der Richtigkeit der Zeugenaussagen bestehen keine Zweifel. Schließlich gesteht der Kläger selbst auch ein, dass er nicht in vollem Umfange bereit war, der oben angeführten Verpflichtung aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I zu entsprechen. Er war nach der unzweifelhaften Aussage von Dr. B. nicht bereit, seine behandelnden Ärzte zu benennen und ohne Bedingungen von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Nach der Aussage des Zeugen Dr. B. antwortete der Kläger auf gezielte Nachfragen immer nur: nichts Arbeitsrelevantes, nichts was meine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Nach den in den Akten der Beklagten festgehaltenen Gesprächsnotiz mit dem Amtsarzt L. hat sich der Kläger, nachdem er verspätet zur angesetzten Untersuchung erschienen ist, nicht geweigert, sich untersuchen zu lassen. Er hat aber jedes Wort und jede Aufforderung so lange hinterfragt, dass die Untersuchung nach 75 Minuten ergebnislos abgebrochen werden musste. Auch an diesem Geschehenshergang hat der Senat keine Zweifel. Das hierbei geschilderte Verhalten des Klägers passt in das Gesamtbild seines Verhaltens, wie es sich insbesondere aus den Akten der Beklagten (wie z.B. der Begründung seines Widerspruches gegen den Bescheid vom 15.04.2004 laut Niederschrift vom 28.04.2004 auf Seiten 452 ff. der Akten der Beklagten), der Akte des SG (Niederschrift der Klagebegründung vom 31.05.2004), der Zeugenaussage von Dr. B. und der schriftlichen Ausführung des Klägers vom 07.11.2006 ergibt.

Die Beklagte hat auch zutreffend dargelegt, dass diese Ermittlungsmaßnahmen und die Untersuchungen zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen zwingend erforderlich sind. Dies ergibt sich ebenso aus den schlüssigen Ausführungen des insoweit als Sachverständigen befragten Zeugen Dr. B ... Im Übrigen obliegt es, innerhalb der Grenzen von §§ 60 ff. SGB I der Behörde, zu bestimmen, welche Maßnahmen im Rahmen der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 23 SGB X) erforderlich sind.

Schließlich hat die Beklagte auch ohne Rechtsfehler das ihr nach § 66 SGB I eingeräumte Ermessen ausgeübt. Ebenso sind die förmlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolgen vom § 66 Abs. 2 SGB I (Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung) erfüllt.

Damit ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung ist zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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