L 7 B 264/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 AS 221/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 264/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers (Bf.) gegen den Bescheid der Beschwerdegegnerin (Bg.) vom 17.01.2006 streitig.

Dem 1967 geborenen Bf., der vom 01.01. bis 31.12.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 783,39 EUR monatlich bezog, bot die Bg. mit Bescheid vom 16.11.2005 eine Qualifizierungsmaßnahme beim bfz M. hen, "Praxisorientierte Integration von Kontingentflüchtlingen PIK plus" in der Zeit vom 10.10. bis 30.12.2005 an. Dies fand seine Grundlage auf der bereits am 05.10.2005 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung, der eine ausführliche Belehrung über die Rechtsfolgen des § 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beigefügt war. Als Pflichten des Bf. waren u.a. pünktliche und regelmäßige Teilnahme an PIK plus, Einhaltung der Kursregeln und Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag festgelegt.

Mit Bescheid vom 30.11.2005 bewilligte die Bg. dem Bf. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 Alg II in Höhe von monatlich 788,61 EUR.

Mit E-Mail vom 17.01.2006 meldete das bfz (Frau T.) die Anwesenheitszeiten des Bf. Darin werden nicht bzw. zu spät entschuldigte Fehlzeiten u.a. für den 26.10.2005, 02.11.2005, 23.11.2005, 14.12.2005 und 04.01.2006 angegeben. Der Bf. sei am 12.12.2005 ohne Termin im Haus gewesen und habe Privatkorres-pondenz erledigt; die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 12.12. bis 14.12.2005 habe er erst am 15.12.2005 abgegeben; am 13.01.2006 habe er ein Vorstellungsgespräch bei einer Sicherheitsfirma nicht wahrgenommen.

Mit Änderungsbescheid vom 17.01.2006 bewilligte die Bg. für die Zeit vom 01.12. bis 30.04.2006 Alg II in Höhe von 684,61 EUR, vom 01.05. bis 30.06.2006 dagegen wie bisher 788,61 EUR. Zur Begründung führte die Bg. aus, die Regelleistung sei um 30 v.H. gekürzt worden, da der Bf. gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten verstoßen habe. Die in der Mail von 17.01.2006 enthaltenen Fehlzeiten und Probleme seien aufgelistet. Diese würden mehrere Verstöße gegen die Eingliederungsvereinbarung darstellen.

Mit seinem am 08.02.2006 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenen Schreiben hat der Bf. beantragt, die Bg. zu verpflichten, ihm die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in ungekürzter Höhe weiter zu gewähren, sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er am 26.10.2005 frühzeitig die Kursleiterin von seiner Krankheit informiert und eine Anwesenheitsbescheinigung des Arztes vorgelegt habe. Am 02.11.2005 habe er nicht den Unterricht ohne Erlaubnis des Kursleiters verlassen, sondern der Seminarleiterin mitgeteilt, dass er fertig sei. Am 23.11.2005 sei er zwar 25 Minuten zu spät gekommen, sei aber auch mindestens 30 Minuten später gegangen. Über die Dauer des Unterrichtens entscheide er selbst. Er sei vom 12.12. bis 14.12.2005 krank gewesen und habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am ersten Tage auf den Tisch der Kursleiterin gelegt. Am 04.01.2006 sei er nicht erschienen, da er nicht gewusst habe, dass PIK plus für ihn weiter geführt werde. Der Vorwurf, er habe sich nicht bei der vorgeschlagenen Sicherheitsfirma gemeldet, sei absurd, weil der Name der Firma fehle. Zudem sei die Kürzung ohne vorherige Anhörung erfolgt.

Die Bg. hat ausgeführt, es stehe zweifelsfrei fest, dass der Bf. gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten verstoßen habe. Zudem bestehe kein Anordnungsgrund, da die Absenkung um 30 v.H. eine vom Gesetzgeber für bestimmte Lebenssachverhalte vorgesehene Sanktion darstelle. Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 10.03.2006 hat das SG sowohl den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung als auch den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. G. abgelehnt. Der zulässige Antrag sei sachlich unbegründet. Bei der gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stattzufindenden Interessenabwägung überwiege das Vollzugsinteresse, da die Hauptsache zumindest offen sei. Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides vom 17.01.2006 bestünden nicht. Nachdem der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vom 08.02.2006 als Widerspruch gewertet werde, werde der gerügte Anhörungsmangel, sobald der Widerspruchsbescheid erlassen sei, geheilt. Der Absenkungsbescheid vom 17.01.2006 sei auf zahlreiche Verletzungen der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehenen Eingliederungsvereinbarung vom 05.10.2005 gestützt. Davon läge jedenfalls der Pflichtverstoß vom 26.01.2005 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Denn an diesem Tag habe sich der Bf. - wie er selbst vortrage - krank gemeldet, jedoch nur eine Anwesenheitsbescheinigung des Arztes vorgelegt. Diese genüge aber nicht den Pflichten der Eingliederungsvereinbarung, da dort ausdrücklich ab dem ersten Krankheitstag die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt werde. Bezüglich der weiteren geltend gemachten Pflichtverletzungen bestreite der Bf. die Vorwürfe. Seine Angaben stünden also gegen die Aussage der Frau T. vom bfz laut Mail vom 17.01.2006. Eine Klärung, ob insoweit eine Pflichtverletzung vorgelegen habe, könne erst im Hauptsacheverfahren erfolgen. Im Übrigen habe der Bf. keine Gründe dafür vorgetragen, warum hier ausnahmsweise dem Individualinteresse höhere Bedeutung zukommen könnte. Aufgrund der Ablehnung des Antrags sei auch der Antrag auf Gewährung von PKH durch Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt G. mangels Erfolgsaussichten des Verfahrens für den einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen gewesen.

Gegen den Beschluss vom 10.03.2006 richtet sich die Beschwerde. Zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass in materieller Hinsicht keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides bestehen. In den Gründen des Beschlusses werde vorgetragen, dass jedenfalls der Pflichtverstoß am 26.10.2005 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliege, denn an diesem Tag hätte er sich krank gemeldet, jedoch nur eine Anwesenheitsbescheinigung des Arztes vorgelegt, die nichts darüber aussage, ob der Kurs krankheitsbedingt nicht habe besucht werden können. Tatsächlich habe er zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass er sich krank gemeldet hätte. In seinem Widerspruch vom 24.01.2006 gegen den Bescheid der Bg. vom 17.01.2006 habe er erklärt, dass er am 26.10.2005 aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit der Seminarleiterin in seinem wöchentlich freigewählten Unterrichtstag beim Arzt gewesen sei und eine Anwesenheitsbescheinigung des Arztes bekommen habe. Somit handle es sich nicht um eine Krankheit, bei der ab dem ersten Tag der Krankheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe werden müssen, sondern um eine entschuldigte Fehlzeit, die nach der Eingliederungsvereinbarung zulässig sei. Dies gelte umso mehr, als er die Kursleiterin darüber frühzeitig informiert und keine Aufforderung zum Besuch des Kurses an diesem Tag von ihr erhalten habe. Somit würden diese Umstände selbst gemäß § 31 Abs.2 SGB II einen wichtigen Grund für sein entschuldigtes Fernbleiben darstellen.

Die Bg. vertritt die Auffassung, insbesondere sei es unzutreffend, der Bf. habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, er habe sich krank gemeldet. Genau dies sei in seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 08.02.2006 gegenüber dem SG der Fall gewesen. Im Übrigen schließe man sich der Auffassung des SG in den Gründen des angefochtenen Bescheides an.

Der Bf. beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10.03.2006 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in ungekürzter Höhe weiter zu gewähren.

Die Bg. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (vgl. Beschluss vom 28.04.2006).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Bg. sowie die Verfahrensakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die eingelegte Beschwerde ist zulässig, das Rechtsmittel ist sachlich aber nicht begründet, weil das SG zu Recht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (hier gemäß § 86a Abs.2 Nr.4 SGG i.V.m. § 39 Nr.1 SGB II), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, sind bei einer Entscheidung nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Entscheidung gegeneinander abzuwägen. Da nach Lage der Akten zumindest fraglich ist, ob der Bf. in der Hauptsache obsiegen wird, war es sachgerecht, dem Interesse der Bg. am Vollzug des Absenkungsbescheides den Vorzug zu geben. Insoweit wird, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 142 Abs.2 Satz 2 SGG auf den ausführlich begründeten Beschluss des SG verwiesen. Nicht zu beanstanden ist auch die Ablehnung der Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. G ... Dies folgt aus der zutreffenden Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs.1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved