L 17 U 293/06 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 406/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 293/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.07.2006 - Az: S 5 U 406/01 - wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Sozialgericht (SG) Würzburg hat die Beklagte mit Urteil vom 27.07.2006 verpflichtet, Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 50 vH über den 30.04.2001 hinaus zu gewähren. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 08.09.2006 Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 27.07.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner hat sie beantragt, die sofortige Vollziehbarkeit des Urteils aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die erstinstanzliche Entscheidung stelle ein offenkundiges Fehlurteil dar. Die hohe MdE-Bewertung sei nicht nachvollziehbar. Im Falle des Obsiegens in der zweiten Instanz gestalte sich die Rückforderung der ab dem Urteilstag gewährten Verletztenrente schwierig. Der Kläger hat dem Antrag der Beklagten mit Schreiben vom 29.09.2006 widersprochen. Dass die Beklagte ihre Berufung auf eine andere medizinische Einschätzung stütze, mache es noch nicht überwiegend wahrscheinlich oder offenkundig, dass das Rechtsmittel Erfolg haben werde.

II.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet.

Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen (§ 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Entscheidung gemäß § 199 Abs 2 SGG ergeht nach Ermessen. Dabei sind die schutzwürdigen Sicherungs- und Erhaltungsinteressen beider Beteiligter abzuwägen, insbesondere auf den voraussichtlichen Erfolg der Berufung Rücksicht zu nehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Auflage, § 199 RdNr 8). Eine derartige Abwägung hat auch im Falle der Berufung stattzufinden, so dass die Aussetzung der Vollstreckung nicht nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Die Regelung des § 154 Abs 2 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde für bestimmte Fälle (zwingend) angeordnet ist, zwingt nicht zu der Schlussfolgerung, dass sonst im Einzelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Ein Regel-/Ausnahmeverhältnis kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl Zeihe in SGb 94, 505; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer aaO RdNr 8a unter Verweisung auf BSG Beschluss vom 06.05.1960 - BSGE 12, 138). Der Richter muss unerwünschte Folgen einer etwaigen Überzahlung verhindern, soweit ihm das Gesetz dies erlaubt. Das ist durch die klare Ermessensreglung in § 199 Abs 2 SGG der Fall (Zeihe aaO Seite 506). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist auch in anderen Fällen als der offensichtlichen Erfolgsaussicht der Berufung die Aussetzung zulässig. Eine Bindung an eine feste Regel existiert nicht (ebenso Thüringer Landessozialgericht, 6. Senat, Beschluss vom 14.09.2004, Az: L 6 Kr 621/04 ER, juris Recherche). Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Ausspruchs an. Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG Baden-Württemberg, 8. Senat, Beschluss vom 26.01.2006, Az: L 8 AS 403/06 ER mwN, juris Recherche).

Vorliegend überwiegt das Interesse der Beklagten, dass nicht vor endgültiger Klarstellung der Sach- und Rechtslage Leistungen erbracht werden müssen, die dann nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen im Falle des Erfolgs der Berufung zurückgefordert werden können, das Interesse des Klägers an der Vollziehung des Urteils. Zum einen ist vorliegend der Erfolg des Rechtsmittels offen. Zum anderen besteht für den Leistungsträger vielfach die Gefahr, dass die Rückerstattung faktisch nicht realisierbar ist. So kann der Leistungsträger keine Erstattung von Beträgen verlangen, die er in Ausführung eines später aufgehobenen Urteils erbracht hat (sog. Urteilsleistungen), wenn die Rückzahlung für den Leistungsempfänger eine besondere Härte bedeuten würde (BSG SozR 1300 § 50 Nr 6 und SozR 3-1300 § 45 Nr 10). Der Kläger hingegen erleidet durch die Aussetzung der Vollstreckung keinen dauerhaften Nachteil, da er im Falle der Bestätigung des Ersturteils Leistungen rückwirkend erhält.

Diese Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG in entsprechender Anwendung (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO § 199 RdNr 7 c).
Rechtskraft
Aus
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