L 20 R 300/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1168/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 300/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a/4 R 39/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 04.05.1999 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1949 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige und wohnt wieder in ihrem Heimatland. Nach ihren Angaben hat sie in Deutschland von 1968 bis 1994 als Stanzerin und Prüferin in der Metallbranche gearbeitet.

Ein erster Rentenantrag der Klägerin vom November 1995 ist mit Bescheid der Beklagten vom 10.01.1996 abgewiesen worden, weil weder Berufunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe.

Am 27.06.1996 beantragte die Klägerin aus Griechenland erneut die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Es wurde mitgeteilt, dass die Klägerin in Griechenland keine Versicherungszeiten zurückgelegt habe. Nach Auswertung eines Gutachtens des griechischen Versicherungsträgers vom 17.03.1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27.11.1997 ab, weil die Klägerin weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig sei. Sie sei vielmehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten. Der Bescheid war an die Adresse der Klägerin in N. gerichtet und wurde lt. Aktenvermerk am 28.11.1997 zur Post gegeben. Am 14.04.1998 wandte sich die Klägerin mit einer Anfrage an die LVA Württemberg. Sie habe im Juni 1996 einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente beim zuständigen griechischen Versicherungsträger gestellt und bis dahin in dieser Angelegenheit nichts mehr gehört; sie bitte um Mitteilung, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Die LVA Württemberg gab die Anfrage an die Beklagte weiter. Von dort wurde der Klägerin am 14.05.1998 mitgeteilt, dass der Antrag auf Erwerbsunfähigkeit-Rente mit Bescheid vom 27.11.1997 abgelehnt worden sei. Mit Schreiben vom 01.06.1998, gerichtet an die LVA Württemberg und dort eingegangen am 05.06.1998, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.11.1997. Auf Anfrage der Beklagten erklärte sie, dass sie erst durch das Schreiben vom 14.05.1998 (der Beklagten) von der Ablehnung ihres Rentenantrags erfahren habe. Das Einwohnermeldeamt der Stadt N. teilte der Beklagten am 25.08.1998 mit, dass die Klägerin im Melderegister nicht zu ermitteln sei. Mit Bescheid vom 16.11.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei wegen Fristversäumnis unzulässig. Der angefochtene Bescheid sei am 28.11.1997 zum Postauslauf gegeben worden und gelte als am 01.12.1997 bekanntgegeben. Die Frist für die Erhebung des Widerspruchs habe am 02.01.1998 geendet. Die Widerspruchsschrift sei jedoch erst am 05.06.1998 bei der LVA Württemberg eingegangen. Damit sei die Widerspruchsfrist versäumt und der Widerspruch unzulässig. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erkennbar.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 29.12.1998 Klage beim SG Bayreuth erhoben. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 04.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, wonach der Widerspruch verfristet und unzulässig war.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 23.06.1999 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Diese verlangt weiterhin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Antragsstellung. Sie hat mitgeteilt, dass sie mit ihrem Ehemann ab 1996 in P./Griechenland gewohnt habe (mit Aufenthalten in Deutschland für ein bis drei Monate jährlich). In Deutschland sei sie ab 1997 nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen. Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Psychiaters P. von 19.05.2004 vorgelegt. Die ihr übersandten Formblätter wegen Bewilligung von PKH hat die Klägerin nicht zurückgegeben.

Auf Veranlassung des Senats hat der Internist und Arbeitsmediziner Dr.M. das Gutachten vom 26.03.2006 nach Aktenlage erstattet. Danach ist das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin durch eine depressive Erkrankung und verschleißbedingte Wirbelsäulenbeschwerden eingeschränkt. Die Klägerin sei zwar gehindert, körperlich schwere und anhaltend mittelschwere Arbeiten zu verrichten, sowie solche in körperlichen Zwangshaltungen und verbunden mit besonderen nervlichen Belastungen. Es bestand und bestehe nach gutachterlicher Auffassung jedoch keine Veranlassung, das quantitative Arbeitspensum der Klägerin zu beschränken. Die Verrichtung einer körperlich leichten Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die die vorgenannten nervlichen Belastungen meidet, überlaste die Klägerin weder in körperlicher noch in psychischer Hinsicht. Eine zeitliche Begrenzung der täglichen Arbeit auf ein unter vollschichtiges Maß sei demnach nicht erforderlich. Dies gelte für den gesamten Zeitraum ab Juli 1996. Die Beteiligten haben sich zum Gutachten nicht geäußert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Bayreuth vom 04.05.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 27.11.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Antrags vom 27.06.1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Bayreuth sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes N. (GdB = 50) und die Leistungsakte des Arbeitsamtes N. vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin erweist sich im Ergebnis als nicht begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts war der Widerspruch nicht wegen Verfristung als unzulässig anzusehen. Die Beklagte und auch das SG hätten nicht davon ausgehen dürfen, dass der angefochtene Verwaltungsakt der Klägerin am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, dem 01.12.1997, zugegangen ist oder bekanntgegeben wurde im Sinne des § 37 Abs 2 SGB X. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist diese Annahme nicht gerechtfertigt, wenn der Verwaltunsgakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Einen solchen Nachweis hat die Beklagte nicht geführt. Der angefochtene Bescheid vom 27.11.1997 ist als einfacher Brief zur Post gegeben worden. Die Klägerin hat glaubhaft vorgebracht, dass sie sich ab 1996 mit ihrem Ehemann dauernd in Griechenland aufgehalten hat und nur für ein bis drei Monate jährlich in Deutschland. Aus der Leistungsakte des Arbeitsamtes ergibt sich, dass im Mai 1997 zwei Bescheide, adressiert an die Anschrift der Klägerin: G.straße in N. , mit dem Postvermerk "unbekannt" an den Absender zurückgelaufen sind. Es erscheint deshalb glaubhaft, dass auch der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27.11.1997 die Klägerin nicht erreicht hat und dass diese erst auf ihre Anfrage an die LVA Württemberg mit Schreiben der Beklagten vom 14.05.1998 von der Rentenablehnung erfahren hat. Sie hat dann unverzüglich am 05.06.1998 Widerspruch erhoben, so dass der Widerspruch nicht als verfristet angesehen werden kann.

In materieller Hinsicht erweist sich die Berufung der Klägerin jedoch als unbegründet. In Auswertung aller vorhandenen und zuletzt von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist der ärztliche Sachverständige Dr.M. im Gutachten vom 26.03.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin seit Rentenantragsstellung im Juni 1996 nicht gehindert war, einer vollschichtigen Berufstätigkeit unter üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nachzugehen. Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen bei der Klägerin eine depressive Entwicklung und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule. Bei der festgestellten Intensität der Beschwerden war und ist die Klägerin aber nicht gehindert, zumindest körperlich leichte Arbeiten in Vollschicht zu verrichten. Lediglich schwere und anhaltend mittelschwere Arbeiten und solche unter besonderer nervlicher Belastung soll sie nicht mehr leisten. Diesen Ausführungen und Erkenntnissen des sozialmedizinisch erfahrenen Sachverständigen schließt sich der Senat vorbehaltlos an. Die Klägerin war in Deutschland als ungelernte Metallarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt und ist auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen, und zwar ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf.

Bei der Klägerin liegt deshalb Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit iS der §§ 43, 44 SGB VI in der bis 2000 geltenden Fassung nicht vor. Die Entscheidung der Beklagten über die Rentenablehnung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Da die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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