L 12 KA 112/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 9167/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 112/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. März 2003 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000 abgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um den Widerruf einer Genehmi- gung zur Ultraschall-Untersuchung der Säuglingshüfte.

Der Kläger nimmt als Orthopäde an der vertragsärztlichen Ver- sorgung teil. Mit Bescheid vom 12.07.1985 wurde ihm die Geneh- migung zur Ultraschall-Diagnostik der Säuglingshüfte auf dem Gebiet der Orthopädie erteilt. Mit Schreiben vom 22.10.1999 forderte die Beklagte den Kläger unter dem Betreff "Qualitäts- sicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen - Quartal 2/99" auf, zu zwölf namentlich be- nannten Behandlungsfällen die Dokumentationen über die sonogra- phische Untersuchung der Hüftgelenke vorzulegen. Der Kläger leistete dieser Aufforderung mit Schreiben vom 30.11.1999 folge und legte zu den genannten Fällen die Aufnahmen vor, nahm zu den einzelnen Fällen medizinisch Stellung und führte aus, es seien auch Bilder angefordert worden von Kindern, die nicht mehr den Status "Säugling" erfüllten. Die Vorstandskommission Qualitätssicherung der Beklagten kam in ihrer Sitzung vom 22. März 2000 zu dem Ergebnis, dass vier der zwölf Aufnahmen mangelhaft seien. Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2000 die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Ultraschall-Untersuchungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach Anwendungsklasse X mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung führte sie aus, die Vorstandskommission habe in vier Fällen die sonographischen Befunddokumentationen aus dem Quar- tal 2/99 mit mangelhaft beurteilt. Bereits im Quartal 1/97 sei- en drei Fällen nach Stufe II beurteilt worden. Deshalb sei die Genehmigung zu widerrufen gewesen. Sodann werden die Beanstan- dungen im Einzelnen patientenbezogen dargelegt. Bei zwei Pati- enten liege von jeder Hüftseite nur eine Einstellung vor. Bei zwei weiteren Patienten liege jeweils von der linken Hüftseite und bei einem von der rechten Seite nur eine Einstellung vor. Grundsätzlich seien von jeder Hüftseite zwei nicht identische Einstellungen zu dokumentieren. Bei mehreren Patienten seien die Angaben zur Patientenidentifikation per Hand nachgetragen worden. Um Verwechslungen zu vermeiden und Manipulationen aus- zuschließen, müssten diese grundsätzlich mit dem Computer in das Sonogramm eingegeben werden. Die Bildqualität sei insbesondere in einem Fall ungenügend. Allgemein sei festzustellen, dass die anatomischen Strukturen zum Teil nicht ausreichend dargestellt seien.

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es seien Bilder zur Auswertung gekommen, die nicht hätten verwertet werden dürfen. Damit entfalle der Sofortvoll- zug. Die Kommission habe ihre Entscheidung auch auf Bilder ge- stützt, die aus ganz anderem Anlass als zum Hüftsonographie- Screening nach EBM-Nr. 152 und bei einem anderen Patientenkol- lektiv aufgenommen worden seien. Die Untersuchungen seien des- halb auch nicht nach EBM-Nr. 152, sondern nach EBM-Nr. 384 ab- gerechnet worden.

Daraufhin wurde die Sache erneut der Vorstandskommission Quali- tätssicherung der Beklagten vorgelegt, die feststellte, dass in einem Fall die Säuglingshüfte von einem 13 Monate alten Kind angefordert worden sei und nach Stufe II bewertet worden sei. Bei Herausnahme dieses Falles blieben jedoch nach wie vor drei Fälle mit Stufe II, so dass der Widerruf der Genehmigung zu bestätigen sei. Außerdem lägen auch in weiteren Fällen Bean- standungen vor. Die Beklagte lehnte daraufhin die Abhilfe des Widerspruches ab und leitete den Vorgang an den Widerspruchs- ausschuss weiter.

Dieser wies, nachdem der Kläger die Durchführung eines Kollo- quiums abgelehnt hatte, mit Bescheid vom 28. November 2000 den Widerspruch zurück. Er schloss sich im Wesentlichen der Beur- teilung der Vorstandskommission Qualitätssicherung an und stellte fest, dass auch bei erneuter Durchsicht der Bilder sich beim besten Willen keine Verbesserung der Beurteilung ergebe. Die Beklagte sei deshalb gemäß den Bestimmungen nach § 136 Abs.1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) berechtigt, die Ge- nehmigung zur Durchführung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen unverzüglich zu widerrufen, bis der Kläger seine Qualifikation durch ein Kolloquium nachgewiesen habe.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) wurde von Klägerseite vorgetragen, bei den vier als man- gelhaft dokumentiert beurteilten Befunden habe es sich um son- stige Untersuchungen gehandelt, die nicht dem Genehmigungsvor- behalt für sonographische Screening-Untersuchungen der Hüftge- lenke bei Säuglingen unterfielen. Nr. 152 des Einheitlichen Be- wertungsmaßstabes (EBM) umfasse sonographische Screening-Unter- suchungen der Säuglingshüfte innerhalb des durch die Früherken- nungsuntersuchung U 3 (Nr. 143 EBM) vorgegebenen Zeitraumes (4. bis 6. Lebenswoche) einschließlich Dokumentation. Die vier beanstandeten Fälle seien mindestens drei Monate alt gewesen, einer davon über ein Jahr. Es habe sich nicht um Früherken- nungsuntersuchungen, sondern um Kontrolluntersuchungen zu ande- ren Zwecken gehandelt. Die Leistungen seien auch nicht nach EBM-Nr. 152 sondern nach Nr. 384 abgerechnet worden. Die bei der Qualitätskontrolle angelegten Qualitätsstandards seien bei Leistungen nach EBM-Nr. 384 nicht zu beachten. Das könne schon deswegen nicht anders sein, weil die Nr. 384 ohne entsprechende Genehmigung durchgeführt werden könne. Maßstab für die Beurtei- lung der Dokumentation seien daher lediglich Ultraschallverein- barungen und die Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung (KBV) für Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 135 Abs.3 SGB V. Diese Regelungen enthielten die bemängelten Quali- tätsstandards nicht. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28.03.2001 der Auffassung widersprochen, wonach Leistungen nach EBM-Nr. 384 nicht der Qualitätskontrolle unterlägen. Die Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V enthielten keine Einschränkung dahingehend, dass nur sonographische Dokumentationen von Hüftgelenken bei Säuglingen bis zur sechsten Lebenswoche anzufordern wären. Unter Säuglingen verstehe man Kinder bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres. Dazu hat wiederum der Klägerbevollmächtigte u.a. die Meinung vertreten, nur Leistungen nach EBM-Nr. 152 könnten Gegenstand der Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V sein. Andernfalls liefen die Qualitätssicherungsrichtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemäß § 135 Abs.3 SGB V weitgehend ins Leere.

Das SG hat mit Urteil vom 18. März 2003 dem Kläger Recht gege- ben und den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2000 in der Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2000 aufgehoben. Die Voraussetzung für den Widerruf der Genehmigung nach den Quali- tätssicherungsrichtlinien der KBV gemäß § 75 Abs.7 SGB V schie- nen nicht erfüllt zu sein. Der Beklagten fehle die normative Regelungskompetenz zur Setzung von Qualitätsstandards. Aus der Gegenüberstellung von § 136 Abs.1 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 SGB V schließe die Kammer, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bundeseinheitliche Standards gesetzt werden sollten (auch wenn der Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie bisher nicht erlassen habe). Ob im vorliegenden Fall aus fachlicher Sicht die von der Beklagten geforderten Standards nach "Graf" verlangt werden könnten, könne dahingestellt bleiben, denn die Beklagte könne sich nur auf die Widerrufsvorschriften der Qualitätsbeurteilungsrichtlinien der KBV gemäß § 75 Abs.7 SGB V und nicht auf die Regelungen der Beklagten über den Genehmigungswiderruf in ihrer Festlegung gemäß § 136 Abs.1 SGB V stützen. Diesen Festlegungen fehle es bereits an der demokrati- schen Legitimation, da sie nicht durch die für die Rechtsetzung zuständige Vertreterversammlung erlassen worden seien, sondern durch den Vorstand. Gestützt werden könne die Entziehung nur auf die Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV. Abschnitt 6.10 ff. der KBV-Richtlinien sehe den Widerruf der Genehmigung als Ermessensentscheidung erst vor, wenn Mängel festgestellt worden seien, die mit einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung nicht zu vereinbaren seien und der Arzt aufgefordert worden sei, diese unter Gewährung einer angemessenen Frist zu beseitigen, und wenn er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei. Daran fehle es. Zudem handle es sich bei den genannten Bestimmungen um eine Ermessensentscheidung. Die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt.

Gegen das ihr am 21. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Be- klagte am 14. August 2003 Berufung eingelegt. Gegenstand des Rechtsstreit sei die Ergebnisqualitätsprüfung im Einzelfall auf der Grundlage der in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 2003 geltenden Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V über Auswahl, Umfang, Verfahren und Beurteilung der Stichprobenprüfung zur Qualitätssicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen. Diese Bestimmun- gen seien im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen nicht nur vom Vorstand, sondern auch von der Vertreterversammlung der Beklagten be- schlossen worden. § 136 Abs.1 SGB V a.F., auf den sich diese Regelung stütze, sei die maßgebliche lex specialis für Ergebnisqualitätsprüfungen und deren Folgen. Die Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV gemäß § 75 Abs.7 SGB V gälten demgegenüber lediglich ergänzend, denn sie hätten nur allgemeine Richtlinien zum Verfahren der Qualitätssicherung zum Inhalt. Zwar sei es grundsätzlich Aufgabe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in Richtlinien zu entwickeln, was bisher nicht geschehen sei. Solange könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen auf der Grundlage von § 136 Abs.1 Satz 1 SGB V a.F. im Einzelfall durch Stichproben Qualitätsprüfungen nach selbst festgelegten Kriterien durchführen, zumal die Sicherung der Qualität andernfalls weitgehend unmöglich wäre. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung sonographischer Untersuchungen sei § 48 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit Ziffer 4.6.2 Satz 2 der oben genannten Bestimmungen. Seit dem Genehmigungsbescheid vom 12.07.1985 sei hinsichtlich der Qualifikation des Klägers eine Änderung der Verhältnisse insofern eingetreten, als bei den Qualitätsprüfungen wiederholt mangelhafte Leistungen festgestellt worden seien. Die Genehmigung sei deshalb zu widerrufen gewesen.

Die Beklagte beantragt, das Ersturteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wie das SG zu Recht feststelle, habe die Beklagte keine Regelungskompetenz zur Festlegung der im Streit befindlichen Qualitätsstandards. Dies gelte zumindest insoweit, als in den betreffenden Bestimmungen auch Regelungen für den Widerruf von Genehmigungen einzelner vertragsärztlicher Tätigkeiten enthalten waren. Denn nach dem Wortlaut des damals einschlägigen § 136 Abs.1 SGB V habe es allein dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen oblegen, Richtlinien zur Qualitätsbeurteilung von vertragsärztlichen Leistungen festzulegen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten im Benehmen mit den Krankenkassen im Wesentlichen nur Verfahrensaspekte der Stichprobendurchführung regeln dürfen, jedoch nicht, wie dies in den streitgegenständlichen Bestimmungen der Fall sei, die Voraussetzungen und die rechtlichen Konsequenzen eines Genehmigungswiderrufs. Dabei sei es unerheblich, ob die fraglichen Bestimmungen von der Vertreterversammlung erlassen wurden. Der Genehmigungswiderruf beruhe mithin auf einer fehlerhaften Rechtsgrundlage und sei damit rechtswidrig.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte des SG mit dem Az.: S 42 KA 9167/00 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 112/03 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet.

Entgegen der Auffassung des SG hat die Beklagte die Genehmigung des Klägers zur Erbringung ultraschalldiagnostischer Leistungen auf dem Gebiet der Orthopädie - Ultraschall-Diagnostik der Säuglingshüfte - vom 12.07.1985 zu Recht widerrufen. Sie kann sich dabei auf Ziffer 4.6.2 der Bestimmungen gemäß § 136 Abs.1 SGB V über Auswahl, Umfang, Verfahren und Beurteilung der Stichprobenprüfung zur Qualitätssicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke beim Säugling vom 12. November 1994 stützen. Nach § 136 Abs.1 SGB V in der im Dezember 1994 gültigen Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992 (BGBl.I S.2266) oblag es den Kassenärztlichen Vereinigungen, die Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen ein- schließlich der belegärztlichen Leistungen im Einzelfall durch Stichproben, deren Auswahl, Umfang und Verfahren im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen festgelegt wird, zu prüfen. Eine inhaltsglei- che Bestimmung findet sich nunmehr in § 136 Abs.2 SGB V. Auf dieser Grundlage hat die Vertreterversammlung der Beklagten am 12. November 1994 die oben genannten Richtlinien beschlossen. Diese gingen zwar auf einen entsprechenden Vorschlag des Vorstandes zurück, doch wurden sie nicht, wie das SG aufgrund einer missverständlichen Formulierung in einer den Vertragsärzten zur Verfügung gestellten Textausgabe irrtümlich annahm, vom Vorstand, sondern von der Vertreterversammlung erlassen.

Diese Bestimmungen finden im vorliegenden Fall Anwendung. Zwar hat die Beklagte zum 01.07.2003 neue "Festlegungen gemäß § 136 Abs.1 SGB V zur Prüfung der Qualität in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachter Leistungen einschließlich der belegärzt- lichen Leistungen im Einzelfall durch Stichproben (Qualitätssi- cherungs-Richtlinien der KVB)" erlassen, in deren Anlage 1 u.a. auch die Stichprobenprüfung bei der Qualitätssicherung von so- nographischen Untersuchungen der Hüftgelenke beim Säugling ge- regelt ist, und die unter Ziffer 6.4 das Verfahren zum Widerruf der Genehmigung neu regeln. Diese finden indessen im vorliegen- den Fall keine Anwendung, denn in der Übergangsregelung Zif- fer 8.2 ist festgelegt, dass Qualitätsprüfungen, die nach den bislang geltenden Bestimmungen begonnen, bis zum In-Kraft-Tre- ten dieser Festlegungen jedoch nicht durch Erlass eines Be- scheides beendet wurden, eingestellt werden. An deren Stelle tritt dann die erste Regelanforderung gemäß Ziffer 4.1 der neu- en Richtlinien, d.h. es beginnt ein neues Prüfungsverfahren. Im vorliegenden Fall waren jedoch Bescheid und Widerspruchsbescheid (lange) vor In-Kraft-Treten der Neuregelung am 01.07.2003 erlassen, so dass es hier bei der Anwendung des alten Rechts bleibt.

Auch die Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Verfahren zur Qualitätssicherung (Qualitätssicherungs-Richtli- nien der KBV) gemäß § 135 Abs.3 SGB V bzw. ab 20.01.2000 § 75 Abs.7 SGB V finden im vorliegenden Fall keine Anwendung. § 136 Abs.1 SGB V a.F. bzw. § 136 Abs.2 SGB V n.F. weisen den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen im Einzelfall zu. Zwar muss nach § 136 Abs.2 Satz 2 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung sowie Auswahl, Umfang und Verfahren der Stichprobenprüfung regeln. Eine entsprechende Richtlinie des Bundesausschusses liegt jedoch bis heute nicht vor. Solange diese Richtlinien nicht vorhanden sind, muss es bei den von der Beklagten als für die Prüfung zuständige Behörde erlassenen Bestimmungen bleiben. In diesem Sinne hat sich auch der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 91 SGB V selber in seinem Schreiben vom 14. Oktober 2003 (Bl.53 LSG-Akte) geäußert. Eine gewissermaßen ersatzweise Zuständigkeit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für den Erlass derartiger Richtlinien lässt sich dem Gesetz nach der Auffassung des Senats zumindest seit dem 01.01.2000 nicht (mehr) entnehmen. Zwar hatte nach § 135 Abs.3 SGB V a.F. die KBV durch Richtlinien Verfahren zur Qualitätssicherung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu bestimmen. Die Qualitätssicherung im Einzelfall oblag aber auch damals der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (§ 136 Abs.1 Satz 1 SGB V a.F.). Die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen hatten in Richtlinien nach § 92 SGB V Kriterien zur Qualitätsbeurteilung zu entwickeln (§ 136 Abs.1 Satz 2 SGB V a.F.). Auf dieser Grundlage beruhten die Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV vom 3. Mai 1993. § 135 Abs.3 SGB V ist jedoch durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I S.2626) entfallen. Seitdem stützt die KBV die Richtlinien auf § 75 Abs.7 SGB V, der indessen nur allgemein der KBV die Zuständigkeit zuweist, Richtlinien über die Durchführung der von ihr im Rahmen ihrer Zuständigkeit geschlossenen Verträge aufzustellen. Dies gilt sowohl für § 75 Abs.7 SGB V in der im Jahr 2000 geltenden als auch in der aktuellen Fassung. Eine ausdrückliche Zuständigkeit der KBV zur Regelung des Verfahrens bei der Qualitätsprüfung ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht. Selbst wenn man die sich aus diesem Defizit ergebenden Bedenken hintanstellt, sind die Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn zum Einen enthalten diese Richtlinien keine speziellen Regelungen für die Qualitätsprüfung bei der Sonographie der Säuglingshüfte. Zudem ist die den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen obliegende Qualitätsprüfung im Einzelfall unter Ziffer 6 der genannten Richtlinie nur unvollständig geregelt, sodass für diese Gestaltungsraum und Regelungsbedarf für eigene Richtlinien besteht. In Ziffer 6.1 der Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV ist eine Stichprobenprüfung insbesondere bei Leistungen vorgesehen, für deren Durchführung und Abrechnung gemäß § 135 Abs.2 SGB V spezielle Anforderungen an die fachliche Befähigung vereinbart wurden. Bestehen auf Grund der Angaben des Arztes Zweifel, ob die jeweilige(n) Leistung(en) den gesetzlichen Regelungen, vertraglichen Vereinbarungen oder den Richtlinien der KBV bzw. der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend erbracht werden, so ist die Kassenärztliche Vereinigung auf der Grundlage von § 75 Abs.1 und 2 SGB V berechtigt, nach von ihr aufzustellenden Regelungen eine Überprüfung am Ort der Leistungserbringung durchzuführen (Ziffer 6.4). Die weiteren Punkte (6.5 - 6.11) betreffen die Praxisbegehung bzw. deren Ergebnis, die ggf. erforderliche Beseitigung festgestellter Mängel und bei Verweigerung der Mängelbeseitigung die Versagung bzw. den Widerruf der Genehmigung. Um ein Verfahren dieser Art (Praxisbegehung, Prüfung vor Ort) geht es im vorliegenden Fall nicht.

Zusammenfassend kommt der Senat damit zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V über Auswahl, Umfang, Verfahren und Beurteilung der Stichprobenprüfung zur Qualitätssicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen, in Kraft getreten am 01.01.1995, die anzuwendenden Rechtsnormen enthalten. Nach Ziffer 1.1 der Bestimmungen gemäß § 136 Abs.1 SGB V der Beklagten prüft diese die Qualität der in der vertragsärztli- chen Versorgung durchgeführten sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen im Einzelfall durch Stichproben. Die Durchführung der Prüfung obliegt gemäß Ziffer 2. der Vorstandskommission Sonographie. Zur Durchführung der Prüfung fordert die Bezirksstelle der Beklagten von jedem Arzt, der sonographische Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchführt und abrech- net, die Dokumentation der sonographischen Untersuchungen von mindestens zwölf Patienten an (Ziffer 3.1, a.a.O.). Die Vor- standskommission beurteilt die vorgelegten Dokumentationen nach folgenden Kriterien (a.a.O. 4.1):

a) Von jeder Hüfte sind zwei Einstellungen mit einem Mindest- maßstab 1:1 anzufertigen;

b) die Bilder müssen alle in der nach Graf definierten Ebene angefertigt sein;

c) die Identifikation der anatomischen Strukturen muss eindeu- tig möglich sein;

d) die Identifikation der Patienten (Name, Alter, Untersu- chungsdatum) muss eindeutig sein;

e) die Typisierung nach Graf muss dokumentiert sein.

Anhand dieser Kriterien, die sich im Übrigen im Wesentlichen übereinstimmend auch unter Ziffer 3. der Anlage 1 der Festle- gungen der KVB gemäß § 136 Abs.1 SGB V zur Prüfung der Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen einschließlich der belegärztlichen Leistungen im Einzelfall durch Stichproben vom 28. Juni 2003 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 26) wiederfinden, wird je Einzelfall die Qualität der Dokumentation beurteilt und nach (damals) drei Stufen beurteilt,

I. auswertbar (die von Graf geforderten anatomischen Struktu- ren sind einwandfrei zu definieren, Beurteilung ist rich- tig);

II. mangelhaft (die geforderten anatomischen Strukturen sind nur schwer zu definieren und/oder die Bildqualität insge- samt ist mangelhaft);

III. nicht auswertbar und/oder falsch beurteilt (die nach Graf definierte Schnittebene ist nicht getroffen, die geforder- ten anatomischen Strukturen sind nicht dargestellt bzw. die Befundung der Bilder ist falsch).

Im vorliegenden Fall kam die Beklagte bei der Prüfung der vom Kläger gefertigten Sonographien zu dem Ergebnis, dass bei vier von zwölf geprüften Fällen die Aufnahmen mit Stufe II (mangelhaft) zu beurteilen waren. Einer davon musste allerdings später zurückgezogen werden, weil das Kind zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits 13 Monate alt war, also nicht mehr den Säuglingsstatus hatte, sodass drei Fälle mit Stufe II (mangelhaft) verblieben. Diese Beurteilung kann von dem mit zwei Ärzten als ehrenamtlichen Richtern fachkundig besetzten Senat nach eigener Einsichtnahme in die beigezogenen bzw. bei den Akten befindlichen Unterlagen nur bestätigt werden. So lag in einem Fall (S.) von jeder Hüfte nur ein Sonogramm vor; die Patientendaten waren von Hand eingetragen, sodass eine sichere Identifikation nicht gegeben ist (vgl. 4.1 d.). Bei zwei Fällen (F., V.) fehlte ein Bild von der linken Hüfte. Außerdem war das vorhandene Bild im Fall V. nicht exakt in der richtigen Ebene (nach Graf) positioniert. Entsprechendes gilt im Fall F. für die Aufnahmen der rechten Seite. Auch im Fall S. ist die Standardebene nicht eingehalten und die Bildqualität insgesamt sehr schlecht. Zwar war dieser Fall im Ausgangsbescheid noch nicht beanstandet worden, doch rückt er an die Stelle des im Widerspruchsverfahrens herausgenommenen Falles (S.), wo das Kind bei der Untersuchung bereits 13 Monate alt war, so dass es im Ergebnis bei der Bewertung von 4 Fällen mit mangelhaft bleibt. Selbst wenn man den Fall S. im Hinblick auf das Verböserungsverbot für nicht verwertbar hält, verbleiben drei Fälle, in denen die Vorstandskommission und ihr folgend die Beklagte zu Recht die geprüften Aufnahmen als mangelhaft beurteilt und mit Stufe II bewertet haben.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es bei den beanstandeten Fällen nicht um das sonographische Screening der Säuglingshüften nach Nr. 152 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes aus dem Jahre 1996 (EBM 96) innerhalb des durch die Früherkennungsuntersuchung U 3 vorgegebenen Zeitraums gehandelt habe, sondern um Aufnahmen, die mit der allgemeinen Sonographie-Nr. 384 EBM abgerechnet wurden. Die Bestimmungen nach § 136 Abs.1 SGB V der Beklagten beschränken sich vom Wortlaut her nicht auf die Gebührenordnungs-Nummer 152. In der Neufassung des Jahres 2003 ist in der Anlage 1.1 unter Ziffer 2.2 dies ausdrücklich festgehalten. Entscheidend ist lediglich, ob es um die Sonographie von Säuglingshüften geht, d.h. um das Untersuchungsgebiet der Hüfte einerseits und andererseits um die Untersuchung von Kindern unter einem Jahr. Diese Voraussetzungen liegen bei den vier bzw. drei beanstandeten Fällen vor. Dies ist auch von der Sache her gerechtfertigt, denn auch nach der sechsten Lebenswoche ist es im Interesse der Gesundheit der Kinder von höchster Bedeutung, dass etwaige Fehlentwicklungen frühzeitig und zuverlässig erkannt werden und ggf. einer geeigneten Behandlung zugeführt werden können. Um dies sicherzustellen, wurden die Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V über Auswahl, Umfang, Verfahren und Beurteilung der Stichprobenprüfung zur Qualitätssicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen geschaffen (vgl. Protokoll der Vertreterversammlung der Beklagten vom 12. November 1994, Bl.42 ff. LSG-Akte).

In Konsequenz der oben dargelegten Beanstandungen hat die Beklagte zu Recht mit sofortiger Wirkung die Genehmigung des Klägers zur Durchführung sonographischer Untersuchungen der Hüfte bei Säuglingen widerrufen. Dies ergibt sich aus Ziffer 4.6.1 der Bestimmungen gemäß § 136 Abs.1 SGB V vom 12.11.1994. Danach ist folgendes procedere vorgeschrieben: Werden drei Fälle nach Stufe II beurteilt, so wird der Arzt auf die Mängel hingewiesen und muss sich nach einem halben Jahr erneut einer Qualitätskontrolle unterziehen. Fällt die erneute Beurteilung entsprechend der ersten oder schlechter aus, ist die Genehmigung zur Durchführung von sonographischen Untersuchungen der Hüfte bei Säuglingen durch die Beklagte unverzüglich zu widerrufen, bis der Arzt seine Qualifikation durch ein Kolloquium nachgewiesen hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn bereits mit Bescheid vom 06.02.1997 hatte die Beklagte im Rahmen der Stichprobenprüfung drei Fälle als mangelhaft (Stufe II) beurteilt, weil dort (wie auch in den vorliegenden Fällen) die Standardschnittebene nach Graf nicht getroffen war. Der Kläger hat damals dagegen Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.1997 zurückgewiesen wurde. Entsprechend der vorgenannten Richtlinie fand unmittelbar danach eine erneute Prüfung statt. Dabei wurden mit Bescheid vom 22.12.1997 zunächst sechs Untersuchungen mit Stufe II und eine mit Stufe III beurteilt. Mit Teilabhilfebescheid vom 28.12.1998 wurde dies auf viermal Stufe II reduziert. Am 22. Oktober 1999, also nachdem der Kläger sogar noch mehr als ein halbes Jahr Zeit gehabt hatte, die beanstandeten Mängel abzustellen, wurde das nunmehr streitgegenständliche Prüfungsverfahren eingeleitet, das wiederum zu der Beurteilung von (mindestens) drei Fällen mit Stufe II führte, so dass gemäß Nr. 4.6.1 der Bestimmungen der Beklagten gemäß § 136 Abs.1 SGB V über Auswahl, Umfang, Verfahren und Beurteilung der Stichprobenprüfung zur Qualitätssicherung von sonographischen Untersuchungen der Hüftgelenke bei Säuglingen die Genehmigung zu widerrufen war. Es ist nicht ersichtlich, warum es dem Kläger nicht zuzumuten sein sollte, sich dem in Ziffer 4.6.1 vorgesehenen Kolloquium zu unterziehen, und damit wieder in den Genuss der Genehmigung zu kommen.

Nach allem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG München aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2000 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Abs.1 und 4 SGG in der vor dem 2. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr.24, S.116 f).

Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Streitsache vermochte der Senat nicht zu erkennen, so dass die Revision nicht zuzulassen war.
Rechtskraft
Aus
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