L 11 B 959/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 932/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 959/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.11.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides vom 17.08.2006.

Die Antragstellerin (ASt) bekam im Oktober 2005 ein Kfz Opel Astra GTC, Baujahr 2005, von ihren Eltern geschenkt. Nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bezog sie ab 16.12.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt aufgrund des Bescheides vom 18.05.2006 für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006.

Nachdem die Antragsgegnerin (Ag) Kenntnis vom Vorhandensein des Kfz erlangt und einen Verkaufserlös von ca. 11.000,00 EUR ermittelt hatte, hob sie unter Berücksichtigung eines Bausparvermögens in Höhe von 2.000,00 EUR den Bewilligungsbescheid vom 18.05.2006 für die Zeit ab 01.09.2006 auf und wies den hiergegen verspätet eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2006 als unzulässig zurück.

Den als Überprüfungsantrag ausgelegten Widerspruch lehnte die Ag mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006 ab. Hiergegen hat die ASt Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Nach Bekanntgabe des Bescheides vom 09.11.2006 hat die ASt beim SG Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren gestellt, Alg II ab 01.09.2006 ohne Berücksichtigung des Kfz als Vermögen zu gewähren.

Das SG hat mit Beschluss vom 16.11.2006 den Antrag abgewiesen. Für bereits vergangene Zeiträume fehle es an einem Anordnungsgrund, im Übrigen aber liege kein Anordnungsanspruch vor. Es handle sich nicht um ein angemessenes Kfz, zumal im Großraum N. ein solches wegen der guten Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zwingend zur Arbeitsaufnahme erforderlich sei. Unter Berücksichtigung des Wertes des Kfz als Vermögen aber sei die ASt nicht hilfebedürftig.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Beschwerde hat die ASt auf die uneinheitliche Rechtsprechung bezüglich der Berücksichtigung eines Kfz als Vermögen und die Reparaturanfälligkeit älterer Kfz sowie die fehlenden öffentlichen Verkehrsverbindungen in ganz frühen Morgenstunden hingewiesen. Sie werde derzeit von ihren Eltern unterstützt. Für das Beschwerdeverfahren hat die ASt Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Vorliegend begehrt die ASt einstweiligen Rechtsschutz, nämlich eine vorläufige Leistungsgewährung. Die Herstellung der aufschiebenden Wirkung allein des Widerspruches bzw. der Klage gegen den Bescheid vom 09.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006 entspricht nicht ihrem Leistungsbegehren. Streitgegenstand ist dabei allein die mit Bescheid vom 18.05.2006 für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 bewilligte und mit Bescheid vom 17.08.2006 ab 01.09.2006 eingestellte Leistung.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 und vom 22.11.2002 aaO).

Vorläufige Leistungen sind jedoch nicht zu erbringen, denn es fehlt am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der streitige Zeitraum bezieht sich auf die von der Ag bislang nicht gewährten Leistungen vom 01.09.2006 bis 30.11.2006 (vgl § 41 SGB II). Es handelt sich somit um Leistungen für die Vergangenheit. Bezüglich solcher Leistungen ist jedoch der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erforderlich. Es ist den Beteiligten zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anhaltspunkte dafür, dass ein Abwarten in der Hauptsacheentscheidung dennoch für die ASt nicht zumutbar sei, sind nicht ersichtlich, insbesondere nachdem die ASt angegeben hat, sie werde zurzeit von ihren Eltern unterstützt.

Mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes ist somit die Beschwerde zurückzuweisen. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird jedoch u.a. zu klären sein, ob der Bescheid vom 17.08.2006 den Anforderungen an eine Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Zukunft entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Mangels Erfolgsaussicht des Beschwerdeverfahrens ist PKH für dieses nicht zu bewilligen (§§ 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung).

Dieser Beschluss ist unfanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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