L 4 KR 160/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 238/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 160/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 12/07 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21. April 2005 und der zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 8. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 28.02.2000 hinaus bis einschließlich 19.06.2000 Krankengeld zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Weiterzahlung von Krankengeld über den 28.02.2000 hinaus bis einschließlich 19.06.2000.

Der 1949 geborene Kläger war als Arbeitslosengeldbezieher seit 01.11.1999 bei der Beklagten versichert. Er erkrankte am 14.02.2000. Die damit einhergehende und von Dr.S. festgestellte Arbeitsunfähigkeit dauerte bis 19.06.2000 an. Zunächst zahlte die Beigeladene das Arbeitslosengeld weiter und zwar bis einschließlich 28.02.2000. Danach war der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft. Das Arbeitsamt weigerte sich, im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe zu bezahlen. Das begründete es zunächst mit der fehlenden wirtschaftlichen Bedürftigkeit beim Kläger, letztlich mit der krankheitsbedingt fehlenden Verfügbarkeit. Eine Argumentation, der sich das Sozialgericht Regensburg in der mündlichen Verhandlung am 19.02.2002 (S 8 AL 101/01) anschloss, so dass die Arbeitslosenhilfezahlung erst nach Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. einer Reha-Maßnahme einsetzte.

Das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit ist von der Beklagten, an die sich der Kläger gleichfalls Anfang März 2000 gewandt hatte (Antrag fehlt in den Akten), nicht in Zweifel gezogen worden. Gleichwohl lehnte sie im Bescheid vom 08.03.2000 die Bezahlung von Krankengeld ab. Da Krankengeld als Lohnersatzleistung gewährt werde, der Kläger nach dem 28.02.2000 aber keinerlei Einkommen, also weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe bezogen hätte, sei auch kein Lohnausfall entstanden und somit keine Ersatzleistung zu bezahlen.

Hausärztlich bescheinigt ist das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 19.06.2000. Daran schloss sich bis 18.07.2000 ein Heilverfahren wegen Rückenbeschwerden zu Lasten der LVA Niederbayern-Oberpfalz, die auch für die Zahlung von Übergangsgeld sorgte. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000 hielt die Beklagte an ihren Überlegungen fest.

Seine Klage vom 20.11.2000 begründete der Kläger mit den Feststellungen im Rechtsstreit mit dem Arbeitsamt, wo gerade die Arbeitsunfähigkeit als Versagungsgrund für die Arbeitslosenhilfe angesehen worden war. Die Beklagte verwies weiterhin auf das Fehlen eines Arbeitslosenhilfeanspruchs, so dass ein krankheitsbedingter Lohnersatz ohne Grundlage sei. Nach mündlicher Verhandlung am 21.04.2005 hat das Sozialgericht Regensburg die Klage mit Urteil vom gleichen Tage abgewiesen. Dazu ist in den Urteilsgründen ausgeführt, dass nach Überzeugung des Gerichts die ursprüngliche Feststellung von der fehlenden Bedürftigkeit durch das Arbeitsamt T. zuträfe und daher kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestanden habe, so dass der Auffassung der Beklagten zu folgen sei. Das Krankengeld bei Beschäftigten diene als Entgeltersatzleistung des krankheitsbedingten Ausfalls bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. In der Krankenversicherung der Arbeitslosen gehe es nicht um den Ersatz von Lohnausfall, sondern um Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit, so BSG vom 30.12.2004, B 1 KR 27/03 R. Da Krankengeld für einen Arbeitslosen auch nur in Höhe der Leistungen des Arbeitsamtes gezahlt werde, sei auch aus diesem Gesichtspunkt ein Krankengeldanspruch auszuschließen.

Gegen das am 10.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und mit Schreiben vom 25.01.2006 vortragen lassen, er werde ungleich gegenüber einem wirtschaftlich bedürftigen Arbeitslosen behandelt. Auch komme es nicht konkret darauf an, ob ein Versicherter ohne die Arbeitsunfähigkeit Lohneinkünfte erzielen würde.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgericht Regensburg vom 21.04.2005 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 08.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Krankengeld über den 28.02.2000 hinaus bis einschließlich 19.06.2000 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zrückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert die Beschwerdegrenze von 500 EUR übersteigt, ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Krankengeld in der streitigen Zeit. Er erfüllt die dazu notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen.

Diese sind niedergelegt in den §§ 44 ff. SGB V. Unzweifelhaft war der Kläger in der besagten Zeit arbeitsunfähig, das heißt, er war mit seinen multiplen Beschwerden, insbesondere im Rückenbereich, nicht mehr in der Lage, die für ihn in Betracht kommenden vermittelbaren Tätigkeiten zu bewältigen (zum Maßstab der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit bei Leistungsbeziehern von Arbeitslosengeld vgl. BSG vom 04.04.2000 - SozR 4-2500 § 44 Nr.3 m.w.N.).

Der Kläger stand auch am 29.02.2000 bei der Beklagten in einem Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 Abs.1 Satz 2 SGB V, denn nach dieser Vorschrift sind die in § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V Versicherten von dieser Leistung gerade nicht ausgeschlossen. Das galt auch schon am 14.02.2000, als die Arbeitsunfähigkeit eintrat. Sie löste ab 15.02.2002 den Anspruch auf Krankengeld aus, der latent vorhanden, zunächst jedoch nicht zur Regelleistung führte, denn er ruhte gemäß § 49 Abs.1 Nr.3a SGB V, weil die Beigeladene auf der Grundlage des § 126 Abs.1 SGB III das Arbeitslosengeld weiter bezahlte.

Die Zahlungseinstellung durch das Arbeitsamt erfolgte nicht wegen Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, sondern weil der Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld mit dem 28.02.2000 erschöpft war. Damit war auch der Ruhenstatbestand des § 49 Abs.1 Nr.3a SGB V nicht mehr gegeben mit der Folge, dass der eigentliche, fortbestehende Krankengeldanspruch aus § 44 i.V.m. § 48 Abs.1 SGB V wieder auflebte und damit auch die bisherige Mitgliedschaft nach § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V erhalten geblieben ist (vgl. Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 192 SGB V Rz.12 oder Peters in Kasseler Kommentar, § 192 SGB V Rz.11). Aus dieser Mitgliedschaft leitet sich der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld ab. Die aufgeworfene Frage, ob hier eine Lohnersatzleistung mangels zu ersetzender Einkünfte (abgelehnte Arbeitslosenhilfeleistung) nicht zu bezahlen ist, stellt sich nicht, denn die nach § 192 SGB V erhalten gebliebene Mitgliedschaft auf der Grundlage des § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V schließt die Fortzahlung des Krankengeldes, für das alle weiteren Voraussetzungen vorliegen, ein. § 47b Abs.1 SGB V regelt dessen Höhe.

Der Kläger ist nicht anders zu behandeln als ein Arbeitnehmer, dem während bestehender Arbeitsunfähigkeit seine Stelle gekündigt wird und bei dem die Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber (unter Umständen zu Unrecht) eingestellt wird. Auch in solch einem Fall ersetzt das Krankengeld nicht mehr einen AU-bedingten Lohnausfall, wird aber gleichwohl geschuldet und von den Krankenkassen in der Praxis anstandslos gezahlt.

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte durch § 126 Abs.1 SGB III bereits "geschont" worden. Dass aus dieser Vorschrift dem Kläger kein Anspruch mehr erwächst, kann der Beklagten nicht zu einer noch vorteilhafteren Stellung verhelfen, berechtigt sie insbesondere nicht, ihrem Versicherten die Rechte aus § 44 SGB V vorzuenthalten. § 126 SGB III bringt nämlich den Krankengeldanspruch nicht zum Erlöschen, sondern nur zum Ruhen mit der Folge des Wiederauflebens bei Fortfall des Ruhensgrundes. Nachdem der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft war, entstand keiner auf Arbeitslosenhilfe, sondern kam der weiterbestehende Krankengeldanspruch in Frage (vgl. BSG vom 21.09.1995 - SozR 3-4100 § 105b AFG S.7). Vor diesem Hintergrund ist dann auch die Leistungsverweigerung der Beigeladenen in der Streitsache S 8 AL 101/01 zutreffend.

Angesichts des Verfahrensausgangs ist die Beklagte gehalten, den Kläger von sämtlichen notwendigen außergerichtlichen Kosten freizustellen (§ 193 SGG). Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

In Hinblick auf die von der Beklagten zitierte anhängige Revision ist diese hier ebenfalls zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved