L 16 R 783/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 154/06 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 783/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1970 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Kroatien und dort wohnhaft. In Deutschland wurden für ihn von September 1992 bis Juli 1998 laufend Pflichtbeiträge an die Beklagte (ab Oktober 1997 aufgrund eines Leistungsbezugs wegen Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit) entrichtet. Er war in Deutschland als Bauarbeiter tätig. Im Januar 1998 erfolgte eine Bandscheibenoperation mit anschließender Arbeitsunfähigkeit bis 24.05.1998. In seinem Heimatland war er zunächst vom 14.08.1998 bis 01.11.1998 arbeitslos gemeldet (ohne Leistungen), anschließend von November 1998 bis Dezember 2000 versicherungspflichtig beschäftigt, danach nach seinen Angaben arbeitsunfähig erkrankt und zuletzt bezog er von Januar 2001 bis September 2002 Arbeitslosengeld vom der Kroatischen Anstalt für Arbeit. Seit März 2004 bezieht er in seiner Heimat Invalidenrente wegen Berufsunfähigkeit.

Am 12.02.2004 beantragte er in seinem Heimatland bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung aus der deutschen Rentenversicherung. Dem Antrag wurde ein ärztliches Gutachten der Invalidenkommission in Zagreb nach einer Untersuchung des Klägers am 04.11.2004 nebst zahlreichen ärztlichen Unterlagen beigefügt. Auf Grund der Beschwerden und Schmerzen im lumbalen Bereich der Wirbelsäule könne der Kläger ab Antragstellung nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten mindestens 6 h täglich verrichten. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.07.2005 ab, weil der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung vom 12.02.1999 bis 11.02.2004 statt der erforderlichen drei Jahre nur ein Jahr und 11 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet habe und daher nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle. Es lägen keine Hinweise für das Vorliegen von Verlängerungstatbeständen gemäß § 43 Abs. 4, § 241 Abs. 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) vor. Auch sei die Zeit ab 01.01.1984 bis 31.01.2004 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Ferner bestehe weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage entsprechender Bescheinigungen geltend, dass er von August bis November 1998 in Kroatien arbeitslos gemeldet gewesen sei und in der Zeit von Januar 2001 bis September 2002 Leistungen vom kroatischen Arbeitsamt bezogen habe. Der maßgebliche 5-Jahres-Zeitraum sei daher wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Arbeitslosigkeit zu verlängern. Die Beklagte wies den Widerspruch nach Auswertung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen aus dem Jahr 2005 durch ihren sozialärztlichen Dienst mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2005 als unbegründet zurück. Denn der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten unter gewissen Einsatzbeschränkungen mindestens 6 h täglich verrichten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut verfolgte der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr.D., der auf Grund der permanenten, intensiven Schmerzen des Klägers im Bereich des lumbosakralen Abschnitts alle eine physiologische Belastung der Wirbelsäule verlangenden Arbeiten für kontraindiziert hält, sein Ziel der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung weiter.
Das Sozialgericht holte zur Ermittlung des Sachverhalts ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.K. auf Grund einer Untersuchung des Klägers ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 18.06.2006 folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Funktionelles HWS-Syndrom bei Muskeltonusstörungen
2. Chronische LWS-Beschwerden bei Aufbraucherscheinungen nach Bandscheibenoperation mit Rückenmarkkanaleinengung
3. Beinachsenfehlstellung bds., Hohl-Spreizfuß beidseits, beginnender Sprunggelenksverschleiß links.
Im Vordergrund ständen die Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule nach der Bandscheibenoperation im Jahr 1998, die sich in den letzten sieben Jahren kontinuierlich intensiviert hätten. Es sei trotz des athletischen Habitus des Klägers von einer merklichen Minderbelastbarkeit des Achsenorgans auszugehen. Die Halswirbelsäule weise eine Fehlstatik mit kyphotischer Knickbildung auf; höhergradige Aufbraucherscheinungen seien jedoch nicht nachweisbar. Die weiteren an der unteren Extremität festzustellenden Gesundheitsstörungen schränkten die körperliche und berufliche Leistungsbreite des Klägers nicht zusätzlich ein. Auf Grund der vergleichsweise weit fortgeschrittenen Aufbraucherscheinungen an der Lendenwirbelsäule könne der Kläger nur noch leichte Arbeiten in wechselnder oder überwiegend sitzender Ausgangslage etwa 8 h täglich verrichten. Auszuschließen seien Arbeiten mit Kälte- und Nässeexposition, Lasten über 7 kg, in Rumpfbeugehaltung, in Haltungskonstanz (bei Fließbandarbeit), in Zwangshaltungen des Kopfes und Überkopfarbeiten. Eine Tätigkeit als Bauarbeiter sei nicht mehr möglich. Besondere Beschränkungen hinsichtlich des Wegs zur Arbeit seien nicht erkennbar. Weitere ärztliche Begutachtungen werden als nicht notwendig erachtet.

Die Klage wurde vom Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2006 abgewiesen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Kläger nach dem Ergebnis des Gutachtens von Dr.K. nicht erwerbsgemindert sei. Er könne noch mindestens 6 h täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Arbeitshaltung ohne Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten verrichten. Bei der Untersuchung durch Dr.K. sei eine gewisse Diskrepanz zwischen den demonstrierten Funktionseinschränkungen und den unbeobachtet gezeigten Funktionsabläufen erkennbar gewesen. Ein Anspruch gemäß § 240 SGB VI bestehe nicht, weil der Kläger nicht zu dem Personenkreis der vor dem 2. Januar 1961 geborenen Versicherten gehöre.

Mit der dagegen eingelegten Berufung trägt der Kläger unter Hinweis auf das Gutachten von Dr.K., wonach er berufsunfähig sei, und auf den Bezug einer kroatischen Berufsunfähigkeitsrente vor, dass er berufsunfähig sei. Bei der von ihm angestrebten Berufsunfähigkeitsrente müsse nach dem Abkommen über die Soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kroatien verfahren werden. Dies bedeute, dass der allgemeine Arbeitsmarkt in seiner Heimat berücksichtigt werden müsse, obwohl ihm auch auf dem deutschen allgemeinen Arbeitsmarkt wegen seiner großen gesundheitlichen Beschwerden keine Beschäftigung mehr möglich sei. Das Gutachten von Dr.K., der bei der Untersuchung alle seine Beschwerden richtig und korrekt festgestellt habe, diese aber im Hinblick auf die Feststellung eines täglichen Leistungsvermögens von 6 h für leichte Arbeiten in "geminderter" Form zur Ausführung gebracht habe, sei ihm unerklärlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 11. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2005 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach seien die in Kroatien vorgesehenen Versicherungsfälle bei Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht mit den Begriffen der Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit im deutschen Recht identisch. Die Bewilligung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den Versicherungsträger in Kroatien habe daher keinerlei Einfluss auf die Entscheidung über einen Rentenanspruch nach den deutschen Rechtsvorschriften. Damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, müsse der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2002 eingetreten sein.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit seinem Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2006 hat das Sozialgericht zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2005 abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung, weil der Kläger den Rentenantrag nach dem 31.03.2001 gestellt hat und Rente für Zeiten nach dem 01.01.2001 begehrt (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Nach § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger erfüllt zwar die allgemeine Wartezeit der § 50 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 SGB VI und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, weil nach Art. 26 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (BGBl 1998 II S. 2034) die Zahlung einer Invaliditätsrente (der Kläger bezieht ab 16.03.2004 eine kroatische Invalidenrente) sowie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (der Kläger bezog von Januar 2001 bis September 2002 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit) in Kroatien als Verlängerungstatbestand im Sinn des § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI zu berücksichtigen sind. Er ist aber nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI).

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits dahingehend eingeschränkt, dass er ab Eingang des Rentenantrags am 12.02.2004 nur noch leichte Tätigkeiten aus wechselnder oder überwiegend sitzender Ausgangsposition ohne Heben und Tragen von Lasten über 7 kg, ohne Arbeiten in Rumpfbeugehaltung und in Haltungskonstanz sowie ohne Zwangshaltungen des Kopfes mindestens 6 h täglich verrichten kann. Dieses Leistungsvermögen ergibt sich aus dem vom Sozialgericht erholten Gutachten von Dr.K. vom 18.06.2006 unter Berücksichtigung aller vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Die von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr.K. abgegebene Beurteilung ist überzeugend, weil sie sich folgerichtig aus den nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft auf Grund der anamnestischen Angaben des Klägers sowie der vorliegenden klinischen und röntgenologischen Befunde unter Berücksichtigung aller vorliegenden ärztlichen Unterlagen erfolgten Feststellungen über den Gesundheitszustand des Klägers ergibt; der Senat schließt sich daher dieser Beurteilung an. Dieses Gutachten hat auch das Sozialgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, so dass insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird. Bestätigt wird dieses Beweisergebnis von dem Gutachten der Invalidenkommission Zagreb vom 17.01.2005, in dem ebenfalls nur ein qualitativ, nicht aber quantitativ reduziertes Leistungsvermögen des Klägers festgestellt werden konnte. Auch der den Kläger behandelnde Allgemeinarzt Dr.D. bescheinigte dem Kläger lediglich, dass er alle eine physiologische Belastung der Wirbelsäule verlangenden Arbeiten nicht mehr verrichten könne; alle übrigen Tätigkeiten erachtete er somit als zumutbar. Dem steht auch nicht der Bezug einer kroatischen Invalidenrente, die auf einem anderen Beurteilungs- und Entscheidungsmaßstab als die deutsche Rente wegen Erwerbsminderung beruht, entgegen, zumal es sich nur um eine Rente wegen Berufsunfähigkeit handelt.

Der Senat sah sich nicht veranlasst, ein weiteres Gutachten einzuholen. Denn nach dem Vortrag des Klägers habe Dr.K. bei seiner Untersuchung alle seine Beschwerden richtig und korrekt festgestellt, so dass von einer umfassenden Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen des Klägers auszugehen ist. Er hat im Berufungsverfahren auch weder ärztliche Unterlagen vorgelegt noch eine Verschlimmerung seiner im Vordergrund stehenden Rückenschmerzen geltend gemacht, sondern sich nur gegen die Beurteilung seines Leistungsvermögens durch Dr.K. mit 6 h täglich für leichte Arbeiten gewendet. Schließlich ist das Gutachten von Dr.K. auf Grund einer zeitnahen Untersuchung des Klägers am 07.06.2006 erstellt worden mit dem Ergebnis, dass der Kläger - von athletischem Habitus - trotz der Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule nach Bandscheibenoperation noch etwa 8 h - also weit mehr als die geforderten 6 h - täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann.

Auch wenn dem Kläger seine zuletzt in Deutschland verrichtete Tätigkeit als Bauarbeiter nicht mehr möglich und zumutbar ist, so hat er noch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Denn nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie
1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig sind.
Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Da der Kläger erst im Jahr 1970 geboren ist, erfüllt er schon deswegen nicht die Voraussetzungen der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Die Berufung erwies sich deshalb im Ergebnis als erfolglos und war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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