L 7 B 841/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 551/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 841/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob den Beschwerdeführern (Bf) Arbeitslosengeld II (Alg II) zusteht.

Die Bf haben bereits vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2006 Alg II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen. Im Rahmen dieses Leistungsbezuges stellte die Beschwerdegegnerin (Bg) bei einem automatisierten Datenabgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern am 12.12.2005 fest, dass den Bf bei ihrer Bank für das Jahr 2004 ein Kapitalertrag von 2.842,00 Euro gutgeschrieben worden war. Auf die Nachfrage der Bg, um welche Kapitalerträge es sich handele, erklärte der Bf zu 1), es handele sich bei dem Freistellungsauftrag um ein Sparbuch, das er bereits 2004 aufgrund aktueller Geldnot aufgelöst habe. Er legte die Kopie eines Sparbuches vor, aus der hervorgeht, dass das Sparbuch 2004 bis zum 08.06.2004 (Datum der Auflösung) einen Positivsaldo von 2.688,16 Euro aufwies. Mit Ausnahme einer Zinsgutschrift in Höhe von 8,79 Euro fand auf diesem Konto im Jahr 2004 keine weitere Einzahlung bzw. Gutschrift statt.

Vom 01.04.2006 bis zum 16.05.2006 war der Bf zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am 16.05.2006 beantragten die Bf wieder Alg II. Der Besitz eines relevanten Geldvermögens wurde dabei ebenso wie bei dem Antrag vom Dezember 2004 verneint. Der Bf zu 1) wurde von der Bg mit Schreiben vom 12.07., 25.07., 08.08. sowie 25.08.2006 unter Hinweis auf §§ 60, 66 SGB I u.a. zur Vorlage des Originalsparbuches bzw. eines Nachweises für die Kapitalerträge für das Jahr 2004 aufgefordert. Nachdem er der Aufforderung nicht nachgekommen war, wurden die beantragten Leistungen mit Bescheid vom 11.09.2006 ab dem 16.05.2006 versagt.

Die Bf stellten am 06.09.2006 beim Sozialgericht Regensburg (SG) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung wurde geltend gemacht, es sei auf den Zeitpunkt der Vermögensverhältnisse bei Antragstellung abzustellen, nicht auf die der vergangenen Jahre. Zum Beleg der Hilfebedürftigkeit wurde ein aktueller Kontoauszug mit einem Negativsaldo von etwas über 3.200 EUR vorgelegt. Der Kapitalertrag aus dem Jahr 2004 hätte keinerlei Relevanz für die Gewährung von Alg II im Mai 2006. Die Einreichung eines Nachweises für die Herkunft des Kapitalertrages aus dem Jahr 2004 verstoße zudem gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Daten beim Bundeszentralamt für Steuern seien zu Unrecht nach § 52 SGB II mittels automatisiertem Datenabgleich erhoben worden, weil er derzeit keine Leistungen nach dem SGB II beziehe. Zur Vorlage weiterer Unterlagen sei er rechtlich nicht verpflichtet, das Ansinnen der Bg sei schikanös und rechtsmißbräuchlich.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 20.09.2006 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Bf hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Maßgebliche Voraussetzung des Anspruchs sei die Hilfebedürftigkeit. Deren Prüfung erfordere u.a. die Kenntnis vom Vermögen der Bedarfsgemeinschaft. Diesbezüglich verlange die Bg zu Recht Aufklärung über den Verbleib der Geldanlagen, für die im Jahr 2004 ein Kapitalertrag in Höhe von 2842,00 EUR steuerlich freigestellt worden sei. Die Angabe der Bf im Schreiben vom 27.03.2006, der Freistellungsauftrag habe sich ausschließlich auf das im Juni 2004 aufgelöste Sparbuch bezogen, könne nur als dreist bezeichnet werden. Nachdem die Bf keine Erläuterungen und Nachweise zum Verbleib des Kapitalvermögens vorgelegt hätten, sei die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass sie nach wie vor hierüber verfügen könnten. Sollte das Vermögen übertragen worden sein, um sich für den Bezug von Sozialleistungen "arm zu machen", wäre dieses Rechtsgeschäft wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

Die Bf haben gegen den am 25.09.2006 zugestellten Beschluss am 24.10.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung machen sie geltend, sie seien nicht verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen. Die Hochrechnung der Kapitalerträge sei nicht richtig, es dürfte sich nur um einen Betrag handeln, der halb so groß sei.

Die Bf beantragen sinngemäß, die Bg unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 20.09.2006 zu verpflichten, ihnen auf den Antrag vom 16.05.2006 vorläufig 80 vom Hundert der nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, bereits während des ersten Leistungsbezugs sei ein anonymer Hinweis eingegangen, nach dem der Bf zu 1) herumerzähle, er habe das Vermögen rechtzeitig beiseite geschafft. Es habe mittlerweile ermittelt werden können, dass die Bf 2004 Geldanlagen von über 116.000 EUR aufgelöst hätten. Beträge von 120.000 EUR seien auf ein Konto der Tochter überwiesen worden.

Die Bf machen demgegenüber geltend, die Kenntnisse, die sich die Bg verschafft habe, unterlägen dem Beweisverbot.

II.

Die eingelegte Beschwerde ist zulässig, das Rechtsmittel ist aber sachlich nicht begründet.

Der Senat geht davon aus, dass nicht nur der Bf zu 1), sondern auch die Ehefrau, die Bf zu 2), Beschwerdeführerin ist, weil der Sachvortrag im Verfahren dahingehend auszulegen ist, dass der Bf zu 1) nicht nur seinen anteiligen Anspruch auf Alg II geltend machen will.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint und sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materieller Rechtsanspruch, glaubhaft gemacht wurden.

Die Bf haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf Alg II setzt gemäß § 9 Abs.1 SGB II voraus, dass Hilfebedürftigkeit vorliegt, der Lebensunterhalt also nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, insbesondere aus einem zu berücksichtigenden Vermögen gesichert werden kann.

Die Bg hat das Alg II zu Recht nicht gewährt, da eine abschließende Prüfung der Bedürftigkeit nicht vorgenommen werden konnte. Sie hat die ihr zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen der Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) sachgerecht zur Aufklärung des Sachverhaltes eingesetzt.

Durch den automatisierten Abgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern steht fest, dass die Bf im Jahr 2004 Kapitalerträge in Höhe von 2.842,00 Euro erhielten. Wofür, ist bislang nicht geklärt. Die Behauptung der Bf, der Freistellungsauftrag habe sich auf ein im Jahr 2004 aufgelöstes Sparbuch bezogen, ist nach den vorgelegten Unterlagen offensichtlich falsch und in der Tat dreist.

Aufgrund der Höhe der Einnahme der Kapitalerträge ist bei Zugrundelegung eines derzeit üblichen Zinssatzes durchaus die Annahme eines Vermögens wahrscheinlich, das die in § 12 SGB II festgesetzten Freigrenzen deutlich überschreitet. Insoweit war die Bg gehalten, von den Bf eine Mitwirkung im Sinne des § 60 SGB I zu fordern und aufzuklären, wo dieses Vermögen geblieben ist. Die Aufforderung zur Vorlage des Originalsparbuches bzw. eines Nachweises über die vereinnahmten Kapitalerträge im Jahr 2004 ist deshalb nicht nur nicht zu beanstanden, sondern geboten. Es besteht nämlich aus der Gesamtsituation Grund zur Annahme, dass ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen ggf. nach Umschichtungen oder (unwirksame) Scheinübertragungen weiterhin den Bf zur Verfügung steht.

Der Datenabgleich war nicht rechtswidrig; denn § 52 Abs.1 SGB II erlaubt eine routinemäßige, anlassunabhängige Überprüfung der Leistungsbezieher. Die Bf bezogen zum Zeitpunkt der Abfrage Alg II.

Ob die von der Bg eingeholten Bankauskünfte dem Beweisverbot unterliegen, kann - unabhängig von der Frage, ob es ein solches im Sozialrecht gibt - dahingestellt bleiben, weil die Bg ihre Entscheidung in erster Linie darauf gestützt hat, dass die Bf die geforderten Auskünfte nicht erteilt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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