L 8 B 1012/06 AL ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 809/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 1012/06 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Eilverfahren ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 Sozialgesetzbuch - SGB - III für die Zeit vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006, hilfsweise für die Zeit vom 01.11.2005 bis 31.01.2006 streitig.

Die 1969 geborene Antragstellerin (Ast) war vom 01.10.2003 bis 31.10.2005 sozialversicherungspflichtig bei der Firma Y. GmbH in M. als Ressortleiterin be-schäftigt. Dabei war sie zuständig für die sogenannten Beauty-Produktionen der von diesem Verlag verlegten Zeitschrift J ... Das zuletzt bezogene beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt belief sich auf 4.021,96 EUR. Mit eigener Kündigung vom 28.07.2005 beendete die Ast das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2005. Am 05.10.2005 meldete sie sich arbeitslos mit Wirkung zum 01.11.2005. Ab 01.11.2005 machte sie sich als Freelance Fotoproduzentin selbständig und stellte am 10.10.2005 einen Antrag auf Überbrückungsgeld.

Mit Bescheid vom 10.11.2005 lehnte die AG diesen Antrag ab, da Überbrückungsgeld zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit gewährt werden könne, die Ast durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Gründung einer selbständigen Existenz das Risiko der Arbeitslosigkeit jedoch selbst herbeigeführt habe. Mit Widerspruch vom 27.12.2005 machte die Ast geltend, dass sie aufgrund der Überlastung in ihrer Tätigkeit diverse Magen-Darmprobleme und psychosomatisch bedingte Hautausschläge im Gesicht sowie eine akute Gastritis im Juli 2005 erlitten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2006 wies die AG den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Ast am 20.07.2006 Klage zum Sozialgericht München - SG -. Gleichzeitig hat sie eine einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt und darauf hingewiesen, dass eine freiberufliche, selbständige Tätigkeit mit weit mehr Stress verbunden sei als dieselbe Tätigkeit in einem versicherungspflichtigen Verhältnis, gerade weil man keine geregelten Arbeitszeiten, Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und ähnliches habe. Es könne nicht angehen, dass dem Trend in der "Verlagsbranche", versicherungspflichtige Beschäftigungen in freiberufliche Tätigkeiten umzuwandeln, durch die Gewährung von Überbrückungsgeld Vorschub geleistet würde. Im Übrigen diene das Überbrückungsgeld der Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht der Sicherung von Investitionen von Produktionskosten.

Das SG hat daraufhin Befundberichte von Dr. W. und Dr. H. eingeholt. Dr. H. führte aus, dass die Ast seit Dezember 2005 nicht mehr in seiner Behandlung gewesen sei. Entsprechend dem Attest vom 22.12.2005 habe ein dringender Verdacht auf einen psychosomatischen Hintergrund als Ursache der Krankheit bestanden, so dass ein Arbeitsplatzwechsel hilfreich sein könne, aber nicht müsse. Dieses Attest habe sich auf den konkreten Arbeitsplatz bezogen. Es sei jedoch nicht bekannt, ob sich die Beschwerden im Laufe des letzten Jahres wesentlich gebessert hätten. Dr. W. berichtete, dass sich die Schübe der Dermatitis seit 2003 verschlechtert hätten. Sie habe nicht zur Arbeitsplatzaufgabe geraten, sondern die Ast habe selbst auf den Zusammenhang der Erkrankung mit der Situation auf den Arbeitsplatz hingewiesen. Die Beschwerden hätten sich im Laufe des letzten Jahres auch nicht wesentlich gebessert.

Mit Beschluss vom 26.10.2006 hat das SG den Eilantrag abgelehnt und ausgeführt, es bestehe kein Anordnungsanspruch. Das Gericht sei der Auffassung, dass ein Anspruch auf Überbrückungsgeld ausscheide, wenn ein Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eine Kündigung Arbeitslosigkeit erst begründe oder eine Situation herbeiführe, die ohne die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hätte begründen können. Des Weiteren sei die Ast, da sie übergangslos ihre selbständige Tätigkeit aufnahm, nicht arbeitslos gewesen. Sie sei auch nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen. Sie habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden. Nach eigenen Angaben in der Klageschrift habe die Ast höchste Ansprüche an sich selbst und ihre Arbeit gestellt und aufgrund der von der Chefredaktion vorgegebenen Arbeitsorganisation und feststehender Fristen permanent Überstunden geleistet. Laut Arbeitsbescheinigung habe sie 35 Stunden pro Woche zu arbeiten gehabt. Es sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die Ast, wenn sie ihre gesundheitlichen Probleme auf eine Arbeitsüberlastung zurückführte, diese Arbeitsüberlastung im Rahmen ihres Arbeitsvertrages in Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin zu verringern versuchte, insbesondere da laut Arbeitsbescheinigung monatlich ein gleichbleibendes Bruttogehalt ausgezahlt und die Ast somit nicht für ihre Überstunden zusätzlich entlohnt worden sei. Aus ihrem Vortrag ergebe sich auch, dass der geltend gemachte Stress im Wesentlichen aus ihrer Persönlichkeitsstruktur (Stellung höchster Ansprüche) resultiere. Durch die Befundberichte der behandelnden Ärzte sei nicht nachgewiesen, dass eine Arbeitsplatzaufgabe, verbunden mit dem Wechsel in eine selbständige Tätigkeit mit im Wesentlichen dem gleichen Arbeitstempo, ohne jedoch die Vorteile der sozialen Sicherung zu haben, die Lösung der gesundheitlichen Probleme der Klägerin gewesen sei. Dementsprechend habe sich auch die Dermatitis nicht gebessert. Auch die geltend gemachte Falschberatung durch ihren Steuerberater ändere an der Sach- und Rechtslage nichts, da eine Falschberatung durch einen Steuerberater nicht zu einer Verpflichtung der AG führen könne. Es bleibe der Ast unbenommen, gegen diesen selbst gerichtlich vorzugehen. Da kein Anordnungsanspruch gegeben sei, könne dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund bestehe.

Dagegen hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsgeld lägen vor. Sie habe Nachweise insbesondere zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt. Es genüge nach der neuen Fassung des § 57 SGB III nunmehr, wenn ohne die Existenzgründung ein Anspruch auf Lohnersatzleistung nach dem SGB III bestehen würde. Eine Eigenkündigung lasse den Anspruch auf Überbrückungsgeld dem Grunde nach unberührt. Auch die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs bei Sperrzeit nach § 144 SGB III lägen nicht vor. Auch ein Anordnungsgrund läge vor. Durch das bereits lange anhängige Widerspruchsverfahren sei sie nunmehr in eine Situation unter finanzieller Bedrohung geraten. Ohne einstweilige Anordnung sei sie nicht mehr in der Lage, die derzeit noch aufrecht erhaltene selbständige Tätigkeit weiter auszuüben. Durch eine weitere Verzögerung werde sie also gezwungen sein, anderweitig Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie hätte Produktionskosten in beträchtlicher Höhe für Produktionen investieren müssen, mit welchen sie Geld verdienen könne. Tatsächlich wäre ihre Existenzgründung nach wie vor auf Dauer tragfähig, wenn sie diese Projektfinanzierungen schultern könne. Da ihre eigenen finanziellen Reserven aufgebraucht seien und sie auch Darlehensmöglichkeiten, insbesondere auch im Kreis der Familie ausgeschöpft habe, hänge die weitere Existenzgründung nunmehr dringlich von der Gewährung des Überbrückungsgeldes ab. Die Existenzgründung sei erfolgversprechend und in den ersten Monaten, als sie noch Geldmittel genug gehabt habe, gut gelaufen. Sie wäre daher weiter tragfähig, wenn das beantragte Überbrückungsgeld investiert werden könne. Sie habe konkrete Aufträge ablehnen müssen, mit denen sie Geld verdient gehabt habe. Sie habe im April eine Produktionsreise absagen müssen, da sie die Flugkosten nicht habe aufbringen können. Hierdurch sei ihr ein Honorar in Höhe von 4.000 EUR entgangen. Sie habe ihre Wohnung untervermieten müssen, habe ihre beruflichen und privaten Kosten auf ein Minimum reduziert und halte sich mit einem Familiendarlehen sowie Gelegenheitsjobs über Wasser. Ergehe die beantragte einstweilige Anordnung nicht, sei die Existenzgründung und damit ihre Möglichkeit auf eigenen Beinen zu stehen und der Versichertengemeinschaft nicht länger auf der Tasche zu liegen, endgültig gescheitert. Mit Schreiben vom 09.08.2006 hat die Ast ergänzend ausgeführt, ihr stehe das Wasser bis zum Hals. Auch wenn der Bezugszeitraum bereits abgelaufen sei, sei die Eilbedürftigkeit nicht entfallen. Im Gegenteil habe sie sich während des eigentlichen Bezugszeitraums mit eigenen Ersparnissen und Familiendarlehen über Wasser halten können. Nunmehr seien die finanziellen Ressourcen erschöpft und sie sei in die Situation einer akuten wirtschaftlichen Bedrohung geraten, die ihre wirtschaftliche Existenz zu vernichten drohe. Mit Schreiben vom 14.09.2006 hat die Ast weiter ausgeführt, selbstverständlich diene das Überbrückungsgeld zunächst der Sicherung des Lebensunterhalts und nicht der Sicherung von Investitionen von Produktionskosten. Gleichwohl sei das Argument der AG hämisch. Sie sei doch nur deshalb in die Lage geraten, weil ihre finanziellen Ressourcen, die sie zum Zeitpunkt der Existenzgründung noch gehabt habe, deshalb hätten aufgebraucht werden müssen, weil die AG das Überbrückungsgeld nicht gewährt habe. Sie habe daher die eigenen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts verbrauchen müssen, statt sie in die Existenzgründung zu investieren. Sie habe nunmehr sogar Privatdarlehen aufnehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Im Beschwerdeverfahren hat die Ast zum Anordnungsgrund geltend gemacht, da ihr das Überbrückungsgeld bislang vollständig versagt worden und jegliche soziale Unterstützung seitens der AG entfallen sei, habe sie Privatdarlehen bei ihrem Vater und ihrer Tante aufnehmen müssen, damit sie überhaupt ihre Miete bezahlen könne. Sie habe außerdem selbst geringwertige Güter ihres Freizeitbedarfs zur Abwendung der akuten finanziellen Bedrohungslage verkauft. Sie sei gezwungen gewesen, die Wohnung und das für die Berufsausübung angemietete Atelier unterzuvermieten. Nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis zum Anordnungsgrund hat die Ast ergänzend ausgeführt, eine Recherche der Rechtssprechung zu dem vom Gericht angesprochenen Sonderfall des sogenannten Nachholbedarfs habe ergeben, dass hier rechts- und sozialstaatswidrige überzogene Anforderungen gestellt würden. Die von der Rechtsprechung angesprochenen Ausnahmefälle einer drohenden Wohnungslosigkeit wegen Mietschulden oder der Notwendigkeit unverzüglicher Begleichung eingegangener Schulden und zur Vermeidung sonst anstehender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen könnten von ihr nicht glaubhaft gemacht werden. An ihrer wirtschaftlichen Situation gegenüber der Darstellung im Schriftsatz vom 09.08.2006 habe sich bis heute nichts Wesentliches verändert. Nach wie vor versuche sie sich mit letztlich berufsfremden Gelegenheitsjobs irgendwie über Wasser zu halten. Nach wie vor habe sie auch die dort dargelegten Schulden. Sie schulde ihrem Vater nach wie vor 10.000 EUR, die er ihr in der Zeit des beantragten Leistungszeitraums geliehen habe. Die Tatsache, dass der Vater seiner Tochter natürlich keine Zwangsvollstreckung androhe und sie durch Untervermietung ihrer privaten und geschäftlichen Räume erreichen könne, dass sie wegen Mietschulden nicht auf die Straße gesetzt würde, könne nicht der AG zum Vorteil verhelfen. Es sei die AG gewesen, die das Antrags- und Widerspruchsverfahren so lange hinaus gezögert habe, bis der Leistungszeitraum abgelaufen gewesen sei. Die Antragstellung sei am 10.10.2005 erfolgt. Erstmals mit dem Ablehnungsbescheid der AG vom 23.11.2005 sei sie auf die Problematik der Eigenkündigung hingewiesen worden. Über ihren Widerspruch vom 27.12.2005 habe die AG erst mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006, also ein halbes Jahr später entschieden, ohne dass hierfür Gründe in ihrer Person ausschlaggebend gewesen seien. Es werde nicht verkannt, dass ihre Schuldensituation und die Tatsache, dass sie ausbildungs- und berufsfremde Aushilfsjobs und Gelegenheitsarbeiten ausführen müsse, um wenigstens einen bescheidenen Lebensunterhalt zu sichern, den strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne der zitierten sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht gerecht werde. Im vorliegenden Fall halte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls im Umfang des Hilfsantrags gleichwohl für zulässig und begründet.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 SGB III für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006, hilfsweise vom 01.11.2005 bis zum 31.01.2006 zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die ebenfalls beigezogenen Akten der AG Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Eilantrag der Ast abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Eilentscheidung liegen nicht vor.

Der vorliegenden Eilentscheidung waren folgende Grundsätze bzw. Maßgaben zugrunde zu legen: Die Maßstabsbildung in Eilverfahren der Fachgerichte hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG) vom Rechtsschutzziel ab (vgl. z.B. für den Bereich der Existenzsicherung Beschluss des BVerfG v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn 25; Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06 zu Leistungen nach dem SGB V). Droht dem Betroffenen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine schwere Verletzung in seinen Rechten, etwa in Bezug auf Leistungen der Existenzsicherung nach dem SGB II oder auf existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung, ist entweder eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen oder eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Droht dem Betroffenen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, darf die Eilentscheidung auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache wie auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden (BVerfG vom 12.05.2005 - BvR 569/05 Juris Rn 23). Insofern ist die herkömmliche Vorgehensweise der Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich (vgl. dazu BverfG, NJW, 827).

Bei Nichtgewährung von einstweiligem Rechtsschutz im Sinne des oben bezeichneten Antragsinhalts würden der Ast. jedenfalls keine schweren Rechtsverletzungen im Sinne der zur Existenzsicherung nach dem SGB II (BVerfG v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn 25 - 28) bzw. im Sinne der zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der Krankenversicherung entwickelten Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06) drohen. Dies ergibt sich schon aus dem eigenen Vorbringen der Ast., wonach jedenfalls ihr soziokulturelles Existenzminimum anderweitig gesichert ist. Vorliegend bestehen gegen die Zugrundlegung der einfachgesetzlichen Maßgaben im Sinne eines Anordnungsanspruches, eines Anspruchsgrundes und ggf. einer zusätzlichen Interessenabwägung daher keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Ast mit durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage 2005, Rdnr. 293, 300, jeweils m.w.N.).

Vorliegend scheitert der Erfolg des Eilantrags bereits am Fehlen eines Anordnungsgrundes im Sinne der vorbezeichneten Maßgaben.

Statthaft ist vorliegend die sogenannte Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei gilt auch im Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad bzw. auf den Beweismaßstab verweist § 86b Abs.2 Satz 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung - ZPO -, wonach Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen sind. Aus den genannten Vorschriften ist der Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlich abzuleiten (vgl. Burkholz, Der Untersuchungsgrundsatz im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren, S.67 ff.).

Eine Rechtsverletzung im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung droht insbesondere nur dann, wenn die Beeinträchtigung noch nicht eingetreten ist, sondern zukünftig noch bevorsteht. Im Hinblick auf in der Vergangenheit liegende Rechtsbeeinträchtigungen ist - worauf das erkennende Gericht die Ast hingewiesen hat - eine Leistungsanordnung damit grundsätzlich ausgeschlossen. Vergangenheit im vorgenannten Sinne ist grundsätzlich die Zeit vor der Stellung des Eilantrags beim Sozialgericht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 05.04.2006, L 23 B 19/06 SO ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.04.2005, L 8 AS 57/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.01.2007, L 28 B 53/07 AS ER; LSG Hessen, Breithaupt 2006, 56, 63; LSG Baden-Württemberg vom 17.08.2005, L 7 SO 21/05 ER B; LSG Hamburg vom 02.03.2005, L 3 B 43/05 ER SO). Vorliegend begehrt die Ast Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006, hilfsweise bis 31.01.2006. Der Eilantrag ist am 20.07.2006 beim Sozialgericht eingegangen. Es ist daher für den Senat nicht nachvollziehbar, unter welchen Gesichtspunkten eine Beeinträchtigung von Rechten der Ast für den hier maßgeblichen Zeitraum von der Eilantragstellung bei Gericht bis zur Entscheidung in der Hauptsache drohen soll. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum der Eilantrag nicht sofort gestellt wurde, als für die Ast ersichtlich war, dass ihr beantragtes Überbrückungsgeld nicht gewährt werden würde. Die Antragstellung bezüglich des Überbrückungsgeldes erfolgte am 10.10.2005. Bereits mit Ablehnungsbescheid der AG vom 30.11.2005 musste für die Ast klar geworden sein, dass das Überbrückungsgeld nicht gewährt wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte sie spätestens einen Eilantrag bei Gericht stellen können. Gründe, aus denen eine Eilantragsstellung bei Gericht nicht möglich war, sind für den Senat nicht erkennbar. Nicht nachvollziehbar ist das Unterlassen der Eilantragstellung bei Gericht insbesondere im Hinblick auf den nunmehr geltend gemachten Zeitraum der begehrten vorläufigen Verpflichtung zu vorläufiger Leistung ab 01.11.2005. Vor dem dargestellten Hintergrund spielt es für den vorläufigen Eilantrag auch keine Rolle, dass der Widerspruchsbescheid erst circa ein halbes Jahr nach dem Erstbescheid ergangen ist. Gerade unter dem von der Ast vorgebrachten Gesichtspunkt, dass sie "immer wieder vertröstet oder durch späte Anforderung ergänzender Unterlagen hingehalten" worden sei, ist es nicht verständlich, dass die Ast sich nicht erheblich früher an das Gericht gewendet hat.

Auch der Ausnahmefall des sogenannten Nachholbedarfs liegt nicht vor. Ein Nachholbedarf ist - worauf die Ast vom Gericht hingewiesen wurde - dann zu bejahen, wenn bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung, also bei Nichtnachholung der in der Vergangenheit (vor dem Zeitpunkt der Eilantragstellung) liegenden Leistungen für die Zukunft Rechtsbeeinträchtigungen drohen, wenn also die im abgelaufenen Zeitraum liegenden Rechtsbeeinträchtigungen in die Gegenwart und Zukunft, d.h. in den Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung, hineinwirken. Umstände, die auf einen Nachholbedarf im vorgenannten Sinne schließen lassen könnten, wurden von der Ast nicht vorgetragen. Vielmehr führt die Ast selbst aus, dass sie die eingetretenen finanziellen Engpässe durch Darlehensgewährungen überbrückt habe und dass sie sich derzeit mit Gelegenheitsjobs "über Wasser halte". Jedenfalls liegt keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine im hier maßgeblichen Zeitraum drohende Rechtsbeeinträchtigung durch Nichtnachholung der für den Zeitraum vor Eilantragstellung begehrten Leistungen vor. Vielmehr sprechen die dargestellten Umstände gegen eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit. Das gefundene Ergebnis trägt im Übrigen auch dem Zweck des Überbrückungsgeldes Rechnung, das der Sicherung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum dient, für den es gewährt wird.

Wegen des Anordnungsanspruchs wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug benommen.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Ast zur Wechselbeziehung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist darauf hinzuweisen, dass sich für beide Voraussetzungen für eine statt-gebende Eilentscheidung aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 86b Abs.2 Satz 2 i.V.m. Satz 4 und § 920 Abs.2 ZPO jeweils das Beweismaß bzw. der Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ableiten lässt. Insofern ist eine wechselbezügliche Beeinflussung zwischen den genannten Voraussetzungen nur bis zu dem jeweiligen Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da vorliegend weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sind.

Im Hinblick auf das Unterliegen der Ast in beiden Rechtszügen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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