Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KR 138/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 25/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KS 1/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 31. Oktober 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Abgabepflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) seit 1983.
Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, der im Jahr 1979 gegründet wurde und dessen Ziel die Hebung und Förderung des gesamten Musiklebens der Stadt R. und ihrer Umgebung ist. Nach seiner Internetseite absolvierte der Verein bereits 1979 52 Proben und Auftritte; er hatte sich in kurzer Zeit einen festen Platz im kulturellen Jahresablauf der Stadt erarbeitet. Mittlerweile hat er 76 aktive sowie über 100 passive Mitglieder. Das vielseitige Repertoire des Orchesters erstreckt sich von Bearbeitungen alter Meister, traditionellen Märschen und volkstümlicher Blasmusik bis hin zur Operette, Oper, Musical und modernen Stücken zeitgenössischer Komponisten. Das Orchester probt jeden Freitagabend; es ist außerdem die Möglichkeit gegeben, beim Musikverein Instrumentalunterrichtet zu nehmen. Für das Jahr 2007 hat das Orchester mindestens 26 öffentliche Auftritte geplant. Bis 1990 produzierte der Verein auch Tonträger. Nach seinen Angaben nimmt er Mitgliedsbeiträge, Unterrichtsgebühren, Honorare für Einspielungen, Eintrittsgelder, Spenden und Zuschüsse entgegen, hat aber auch Ausgaben für Musikaushilfen und Unterrichtsgebühren für das Jugendblasorchester. Im Fragebogen vom 02.08.1992 gab er als Branche Ausbildungseinrichtung für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten an sowie die Erteilung von Aufträgen an selbständige Künstler.
Im ersten Streitverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 01.12.1998 mitteilen, dass regelmäßig jeden Freitag, außer in den Schulferien, Orchesterproben veranstaltet werden (43 Probenabende) und zusätzlich vor den Konzerten weitere Proben (40 Gesamtproben). Im Jahr 1997 hatte er zum Beispiel zusätzliche Auftritte an kirchlichen und staatlichen Feiertagen sowie örtlichen Festlichkeiten.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.01.1993 die Zugehörigkeit des Klägers seit 01.01.1983 zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen fest.
Im Streit über Abgabebescheide aus der Zeit seit 1993 über die Künstlersozialabgabe ab 1988 erklärte sich die Beklagte im Erörterungstermin des SG vom 26.10.2000 bereit, den Widerspruch des Klägers vom 18.12.1996 als Antrag auf Neuüberprüfung des Erfassungsbescheides vom 29.01.1993 zu werten und diesbezüglich eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung zu erlassen, auch hinsichtlich der jeweiligen Abgabehöhe. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.01.2001 eine Rücknahme des bindend gewordenen Erfassungsbescheides vom 29.01.1993 ab. Der Kläger sei nach den jeweils einschlägigen Fassungen des KSVG seit 1983 abgabepflichtig nach dem KSVG. Er vermarkte unter Leitung eines Dirigenten und auch mit orchesterfremden Instrumentalkünstlern regelmäßig mehrmals im Jahr in öffentlichen Konzertveranstaltungen gegen Entgelt das Blasorchester. Außerdem erteile er nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler, nämlich an Übungsleiter sowie Aushilfsmusiker. Im Zusammenhang mit der Nutzung der musikalischen Tätigkeiten erziele er zudem Einnahmen (Unterrichtsgebühren) in erheblicher Größenordnung. Dies gelte auch für die Zeit nach 1997; der Hauptzweck des Orchesters sei darauf gerichtet, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen und darzubieten. Der Schwerpunkt der Interessen des Klägers liege nicht mehr in der musikalischen Hobbypflege, sondern im öffentlichen Auftreten eines dafür musikalisch besonders geschulten Blasorchesters zum Zwecke der Einnahmeerzielung.
Die Beklagte erließ am 06.01.2001 einen Vorauszahlungsbescheid und wies den Widerspruch des Klägers u.a. gegen den Bescheid von 24.01.2001 mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.05.2001 zurück.
Der Kläger hat mit der Klage vom 21.06.2001 beim SG geltend gemacht, er unterliege nicht der Abgabepflicht, Geselligkeitspflege und Probearbeit stünden im Vordergrund. Der Vereinszweck sei nicht die Ausgestaltung von Konzerten.
Das SG hat mit Urteil vom 31.10.2003 den Bescheid vom 24.01.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 29.01.1993 zurückzunehmen. Streitig sei allein die grundsätzliche Abgabepflicht, nicht die Höhe der Künstlersozialabgabe. Der Kläger sei nicht abgabepflichtig, er habe Aushilfen für das Orchester nicht vermarktet. Es gehe bei dem Orchester um Pflege der Hobbys der Mitglieder; selbst wenn Einnahmen erzielt wurden, verbleibe es bei der Natur der Auftritte als Freizeitveranstaltungen. Die entgeltliche Zusammenarbeit des Klägers mit den Dirigenten bzw. Übungsleitern begründe nicht die Abgabepflicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 29.01.2004. Auf eine Fremdvermarktung komme es nicht an, die vom SG herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Theater-, Konzert- und Gastspieldirektion seien auf die Abgabepflicht eines Orchesters nicht anzuwenden. Der Kläger solle vielmehr seine Auftrittskalender für die Zeit seit 1983 vorlegen. Außerdem betreibe er eine Musikschule, nähere Ausführungen hierzu habe der Senat mit Urteil vom 26.10.2000 für den Bereich eines Liebhaber-Orchesters gemacht (L 4 KR 147/98). Schließlich ergebe sich eine Abgabepflicht auch aus der Generalklausel der Nutzung künstlerischer Werke und der damit in Zusammenhang stehenden Einnahmeerzielung. Entgegen dem SG liege der Schwerpunkt der Interessen des Klägers nach seiner Satzung oder tatsächlichen Praxis in der öffentlichen Aufführung und Darbietung künstlerischer Werke. Der Kläger erziele in diesem Zusammenhang Eintrittsgelder in nicht unerheblicher Höhe. Das SG hätte hierzu eingehendere Ermittlungen machen müssen.
Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Beklagte sei wegen der fehlenden Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem SG mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgeschlossen. Er habe zu keinem Zeitpunkt der Künstlersozialabgabepflicht unterlegen. Abgabepflichtig sei ein Orchester erst, wenn jährlich zwei bis drei Veranstaltungen ausgerichtet würden. Die Veranstaltungen dienten der Pflege der Hobbys der Mitglieder des Klägers. Im Vordergrund stehe das gemeinschaftliche Musizieren.
Die Beteiligten haben sich vor der mündlichen Verhandlung zu den Auftritten des Orchesters schriftsätzlich geäußert; der Kläger hat den von der Beklagten angebotenen Vergleich abgelehnt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Sie ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 29.01.1993 zurückzunehmen bzw. aufzuheben (§§ 44, 48 Sozialgesetzbuch X - SGB X). Weder ergibt sich hier, dass dieser Erfassungsbescheid auf einer unzutreffenden Rechtsanwendung beruht oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch haben sich nach diesem Bescheid die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Dabei ist die Beklagte mit neuem Vorbringen im Berufungsverfahren nicht ausgeschlossen (§ 103 SGG).
Streitig ist im vorliegenden Fall nur die Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dem Grunde nach; die einzelnen Abgabebescheide sind nicht streitig, da die Beteiligten im Erörterungstermin vor dem SG am 26.10.2000 sich darüber geeinigt haben, dass die Überprüfung der Abrechnungsbescheide über die Künstlersozialabgabe von 1995 bis 1999 zurückgestellt werden soll und im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17) zu trennen ist zwischen den Erfassungs- und den Abrechnungsbescheiden. Bescheide, die während eines gerichtlichen Verfahrens über die Künstlersozialabgabepflicht eines Unternehmens ergehen und die Abgabeschuld des Unternehmens für bestimmte Abrechnungszeiträume regeln, werden nicht in das Verfahren einbezogen. Gleiches gilt, wenn während eines laufenden Abgabestreitverfahrens weitere Bescheide zu späteren Abrechnungszeiträumen erteilt werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch das SG entsprechend dem Antrag des Klägers nur über die Frage der Rücknahme des bindend gewordenen Erfassungsbescheides entschieden hat.
Der Kläger unterliegt der Künstlersozialabgabe gemäß § 24 KSVG seit 1983 nach den jeweils gültigen Fassungen dieser Vorschrift. Gemäß § 24 Abs. 2 KSVG in der Fassung vom 27.07.1981, die vom 01.01. 1983 bis 31.12.1987 gegolten hat, ist zur Künstlersozialabgabe u.a. ein Unternehmer verpflichtet, der ein Orchester betreibt. § 24 Abs. 2 Nr. 2 KSVG in der Fassung vom 18.12.1987, die vom 01.01.1988 bis 31.12.1988 gültig war, verpflichtet Unternehmer, die u.a. ein Orchester oder eine Musikschule betreiben, gleichfalls zur Künstlersozialabgabe. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2, 9 KSVG in der Fassung vom 20.12.1988, die vom 01.01.1989 bis 31.12.1996 gegolten hat, waren Unternehmen abgabepflichtig, die ein Orchester oder eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten betreiben. Ferner waren gemäß § 24 Abs. 2 KSVG Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. § 24 Abs. 1 Nr. 2 KSVG in der Fassung vom 25.09.1996, die vom 01.01.1997 bis 30.06.2001 geltendes Recht war, regelte die Abgabepflicht für Unternehmer, die ein Orchester betreiben unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. § 24 Abs. 1 Nr. 9 KSVG enthielt wiederum die Abgabepflicht für Ausbildungseinrichtungen für künstlerische Tätigkeiten. § 24 Abs. 2 KSVG verpflichtete ferner Unternehmen zur Künstlersozialabgabe, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des vorhergehenden Satzes liegt nicht bereits dann vor, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und 9 KSVG in der Fassung vom 13.06.2001, die ab 01.07.2001 gilt, sind Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die ein Orchester betreiben unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, § 24 Abs. 2 KSVG bleibt hiervon unberührt; außerdem unterliegen Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische Tätigkeiten der Abgabepflicht. § 24 Abs. 2 KSVG enthält die Abgabepflicht für Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden. Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in denen künstlerische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des vorgenannten Satzes vor. Dies gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.
Der Kläger ist als eingetragener Verein Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften. Die Künstlersozialabgabe beruht auf dem Gedanken, denjenigen zur Abgabe heranzuziehen, der sich durch unmittelbaren Kontakt zum Künstler Eigentums- oder Nutzungsrechte an dessen Werk oder Leistung verschafft und diese Werke regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Die Künstlersozialabgabe ist also eine Umlage, die von allen Unternehmern und Einrichtungen erhoben wird, die am Markt für Kunst und Publizistik tätig sind. Es handelt sich dabei um einen "Quasi-Arbeitgeberbeitrag", den Verwerter und Vermarkter von künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen an die Künstlersozialkasse entrichten müssen.
Das KSVG geht hier von einem sozialversicherungsrechtlichen Unternehmerbegriff aus. Es sollen Personen erfasst werden, die eine nachhaltige und nicht nur gelegentliche Tätigkeit ausüben, die einem der in § 24 KSVG genannten Zwecke dient, ohne dass es auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankommt. Es muss sich bei der Tätigkeit, die zur Abgabepflicht führt, auch nicht um den Hauptzweck des Unternehmens handeln. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.12.1988, SozSich 1989, 351) genügt für die Eigenschaft eines Unternehmers im Sinne des § 24 KSVG jede nachhaltige, d.h. nicht nur gelegentliche Tätigkeit, mit der Einnahmen erzielt werden sollen, ohne dass darüber hinaus auch ein Gewinn erstrebt zu werden braucht. Es wird also eine regelmäßige und nachhaltige Tätigkeit vorausgesetzt, die Abgabepflicht trifft auch Einrichtungen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen (BSG vom 20.03.1997, BSGE 80,141). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine Erzielung von Einnahmen auch dann vor, wenn die Institution durch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder sonstige Zuwendungen finanziert wird. Es reicht eine mittelbare Verbindung zwischen Kunstverwertung und Einnahmen aus. Es genügt, dass die Kunstverwertung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, aus Beiträgen oder aus anderen Einnahmen finanziert wird (BSG vom 20.04.1994 SozR 3-5425 § 24 Nr. 6). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor, da er seit der Gründung an Pfingsten 1979 bis jetzt jährlich jeweils zahlreiche öffentliche Konzerte aufführt und Einnahmen erzielt in Form von Beiträgen, Eintrittsgeldern, Spenden und Zuschüssen. Sein Unternehmenszweck ist nach der Satzung die Förderung des gesamten Musiklebens der Stadt R. und ihrer Umgebung.
Der Kläger betreibt auch ein Orchester im Sinne des § 24 KSVG gemäß den einzelnen og. Fassungen. Ein Orchester ist grundsätzlich anzunehmen, wenn innerhalb eines Instrumentalensembles mehrere Stimmen chorisch, das heißt mindestens doppelt besetzt sind und wenn wegen einer größeren Anzahl von Spielern ein Dirigent erforderlich ist (Finke/Bachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Auflage, § 24, Rndnr 84 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da die aktenkundigen Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben des Klägers, die Anzahl der aktiven Mitglieder des Orchesters sowie die Art der aufgeführten Stücke darauf schließen lassen. Abgabepflicht besteht auch für ein Jugendorchester, das gemeinsames Musizieren in einem größeren Ensemble probt, auch wenn hierbei Berufsmusiker mitwirken (Finke u.a., a.a.O., Rndnr 87 m.w.N.). Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Kläger um eine Konzertdirektion im Sinne des § 24 Abs. 1 KSVG handelt. Denn hierunter fällt nach der Rechtsprechung des BSG ein Unternehmen, das dafür sorgt, dass ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger eines Orchesters zu sein (Urteil vom 16.09.1999,3 KR 7/98 R).
Durch die ab 01.01.1997 eingetretene Gesetzesänderung des § 24 KSVG hat der Gesetzgeber die Abgabepflicht für die Zeit ab 01.01.1997 insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, eingeschränkt. Unter § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG sollen nur die typischen Verwerter künstlerischer Werke oder Leistungen fallen, d.h. ihr Hauptzweck muss die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein bzw. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören. Damit sollen Gesangs-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester in der Regel nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs. 1 KSVG fallen.
Diese Rechtsänderung jedoch führt nicht zu einer Befreiung des Klägers von der Abgabepflicht. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anzunehmen, dass der Hauptzweck des Vereins auf die öffentliche Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen gerichtet ist, wenn der Schwerpunkt der Interessen nach Vereinbarung (Vereinssatzung) und Praxis auf dem öffentlichen Auftreten liegt und demgemäß andere - nichtkommerzielle - Zwecke wie z. B. die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbies, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens nur untergeordneten Charakter haben (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Bei gemeinnützigen, eingetragenen Vereinen, wird für die Zeit ab 01.01.1997 nur noch von einer Abgabepflicht ausgegangen, wenn regelmäßig zwei bis drei oder mehr öffentliche Konzerte im Kalenderjahr organisiert und dazu entweder fremde Musiker, Dirigenten, Solisten usw. oder Mitglieder des Vereins gegen entsprechende Bezahlung engagiert werden.
Nach den Angaben des Vereins auf der Internetseite und dessen Auskünften in den Schriftsätzen vom 01.12.1996 und 20.11.1999 ist es erwiesen, dass der Hauptzweck des Orchesters überwiegend in der öffentlichen Aufführung von Musik besteht und das Orchester jährlich weit mehr als drei Auftritte absolviert.
Außerdem unterliegt der Kläger als Musikschule bzw. Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten der Abgabepflicht (§ 24 Abs.1 Nr.9 KSVG). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Unterricht berufsbezogen, d.h. auf die Ausbildung von Berufskünstlern gerichtet ist. Es genügt vielmehr, dass in der Ausbildungseinrichtung eine Grundausbildung, unter Umständen auch nur zur freizeitmäßigen Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit, angeboten wird (BSG vom 01.10.1991 SozR 3-5425 § 24 Nr. 1). Den aktenkundigen Aufzeichnungen des Klägers (z.B. Auskunft vom 02.08.1992) ist zu entnehmen, dass er neben dem Orchester auch eine Musikschule bzw. Ausbildungseinrichtung für Musik betreibt. Aus den vorgelegten Kassenberichten und Rechnungsunterlagen ergibt sich, dass er Unterrichtsgebühren einnimmt und Zahlungen für Unterricht geleistet hat. Schließlich ist auch der Internetseite zu entnehmen, dass der Verein Instrumentalunterricht anbietet.
Der Kläger fällt ab 01.07.2001 auch unter § 24 Abs. 2 KSVG, da er nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilt, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke des Unternehmens zu nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt wurden. War eine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 nach dem ab 1997 geltenden Recht zu verneinen, konnten bis zum 01.07.2001 auch die Auffangtatbestände des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 (sonstige Veranstalter) und § 24 Abs. 2 (Generalklausel) nicht herangezogen werden, weil die Nr. 2 als Spezialvorschrift für Orchester vorrangig anzuwenden war, insofern abschließenden Charakter hatte (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Dieser Rechtszustand wurde ab 01.07.2001 durch die Einfügung des Halbsatzes in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 "Abs. 2 bleibt unberührt" geändert. Gleichzeitig wurde die Schwelle für die Anwendung der Generalklausel insofern heraufgesetzt, als mehr als 3 Veranstaltungen pro Jahr vorliegen müssen. Ebenso wurde bestimmt, dass die Generalklausel keine Anwendung findet für Musikvereine, soweit für diese vereinseigene Chorleiter und Dirigenten regelmäßig tätig sind. Musik- und Gesangvereine, die grundsätzlich nur mit eigenen Mitgliedern an Festen usw. auftreten und den Mitwirkenden keine Entgelte zahlen, gehören somit nicht zu den abgabepflichtigen Unternehmen (Finke u.a., a.a.O., Rndnr 203). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass der Kläger in der Anmeldung bereits angegeben hat, dass er laufend Aufträge an selbstständige Künstler erteilt. Den Rechnungsunterlagen ist außerdem zu entnehmen, dass der Kläger Vergütungen für aktive Musiker und Musikaushilfen gezahlt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Abgabepflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) seit 1983.
Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, der im Jahr 1979 gegründet wurde und dessen Ziel die Hebung und Förderung des gesamten Musiklebens der Stadt R. und ihrer Umgebung ist. Nach seiner Internetseite absolvierte der Verein bereits 1979 52 Proben und Auftritte; er hatte sich in kurzer Zeit einen festen Platz im kulturellen Jahresablauf der Stadt erarbeitet. Mittlerweile hat er 76 aktive sowie über 100 passive Mitglieder. Das vielseitige Repertoire des Orchesters erstreckt sich von Bearbeitungen alter Meister, traditionellen Märschen und volkstümlicher Blasmusik bis hin zur Operette, Oper, Musical und modernen Stücken zeitgenössischer Komponisten. Das Orchester probt jeden Freitagabend; es ist außerdem die Möglichkeit gegeben, beim Musikverein Instrumentalunterrichtet zu nehmen. Für das Jahr 2007 hat das Orchester mindestens 26 öffentliche Auftritte geplant. Bis 1990 produzierte der Verein auch Tonträger. Nach seinen Angaben nimmt er Mitgliedsbeiträge, Unterrichtsgebühren, Honorare für Einspielungen, Eintrittsgelder, Spenden und Zuschüsse entgegen, hat aber auch Ausgaben für Musikaushilfen und Unterrichtsgebühren für das Jugendblasorchester. Im Fragebogen vom 02.08.1992 gab er als Branche Ausbildungseinrichtung für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten an sowie die Erteilung von Aufträgen an selbständige Künstler.
Im ersten Streitverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 01.12.1998 mitteilen, dass regelmäßig jeden Freitag, außer in den Schulferien, Orchesterproben veranstaltet werden (43 Probenabende) und zusätzlich vor den Konzerten weitere Proben (40 Gesamtproben). Im Jahr 1997 hatte er zum Beispiel zusätzliche Auftritte an kirchlichen und staatlichen Feiertagen sowie örtlichen Festlichkeiten.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.01.1993 die Zugehörigkeit des Klägers seit 01.01.1983 zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen fest.
Im Streit über Abgabebescheide aus der Zeit seit 1993 über die Künstlersozialabgabe ab 1988 erklärte sich die Beklagte im Erörterungstermin des SG vom 26.10.2000 bereit, den Widerspruch des Klägers vom 18.12.1996 als Antrag auf Neuüberprüfung des Erfassungsbescheides vom 29.01.1993 zu werten und diesbezüglich eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung zu erlassen, auch hinsichtlich der jeweiligen Abgabehöhe. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.01.2001 eine Rücknahme des bindend gewordenen Erfassungsbescheides vom 29.01.1993 ab. Der Kläger sei nach den jeweils einschlägigen Fassungen des KSVG seit 1983 abgabepflichtig nach dem KSVG. Er vermarkte unter Leitung eines Dirigenten und auch mit orchesterfremden Instrumentalkünstlern regelmäßig mehrmals im Jahr in öffentlichen Konzertveranstaltungen gegen Entgelt das Blasorchester. Außerdem erteile er nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler, nämlich an Übungsleiter sowie Aushilfsmusiker. Im Zusammenhang mit der Nutzung der musikalischen Tätigkeiten erziele er zudem Einnahmen (Unterrichtsgebühren) in erheblicher Größenordnung. Dies gelte auch für die Zeit nach 1997; der Hauptzweck des Orchesters sei darauf gerichtet, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen und darzubieten. Der Schwerpunkt der Interessen des Klägers liege nicht mehr in der musikalischen Hobbypflege, sondern im öffentlichen Auftreten eines dafür musikalisch besonders geschulten Blasorchesters zum Zwecke der Einnahmeerzielung.
Die Beklagte erließ am 06.01.2001 einen Vorauszahlungsbescheid und wies den Widerspruch des Klägers u.a. gegen den Bescheid von 24.01.2001 mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.05.2001 zurück.
Der Kläger hat mit der Klage vom 21.06.2001 beim SG geltend gemacht, er unterliege nicht der Abgabepflicht, Geselligkeitspflege und Probearbeit stünden im Vordergrund. Der Vereinszweck sei nicht die Ausgestaltung von Konzerten.
Das SG hat mit Urteil vom 31.10.2003 den Bescheid vom 24.01.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 29.01.1993 zurückzunehmen. Streitig sei allein die grundsätzliche Abgabepflicht, nicht die Höhe der Künstlersozialabgabe. Der Kläger sei nicht abgabepflichtig, er habe Aushilfen für das Orchester nicht vermarktet. Es gehe bei dem Orchester um Pflege der Hobbys der Mitglieder; selbst wenn Einnahmen erzielt wurden, verbleibe es bei der Natur der Auftritte als Freizeitveranstaltungen. Die entgeltliche Zusammenarbeit des Klägers mit den Dirigenten bzw. Übungsleitern begründe nicht die Abgabepflicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 29.01.2004. Auf eine Fremdvermarktung komme es nicht an, die vom SG herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Theater-, Konzert- und Gastspieldirektion seien auf die Abgabepflicht eines Orchesters nicht anzuwenden. Der Kläger solle vielmehr seine Auftrittskalender für die Zeit seit 1983 vorlegen. Außerdem betreibe er eine Musikschule, nähere Ausführungen hierzu habe der Senat mit Urteil vom 26.10.2000 für den Bereich eines Liebhaber-Orchesters gemacht (L 4 KR 147/98). Schließlich ergebe sich eine Abgabepflicht auch aus der Generalklausel der Nutzung künstlerischer Werke und der damit in Zusammenhang stehenden Einnahmeerzielung. Entgegen dem SG liege der Schwerpunkt der Interessen des Klägers nach seiner Satzung oder tatsächlichen Praxis in der öffentlichen Aufführung und Darbietung künstlerischer Werke. Der Kläger erziele in diesem Zusammenhang Eintrittsgelder in nicht unerheblicher Höhe. Das SG hätte hierzu eingehendere Ermittlungen machen müssen.
Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Beklagte sei wegen der fehlenden Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem SG mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgeschlossen. Er habe zu keinem Zeitpunkt der Künstlersozialabgabepflicht unterlegen. Abgabepflichtig sei ein Orchester erst, wenn jährlich zwei bis drei Veranstaltungen ausgerichtet würden. Die Veranstaltungen dienten der Pflege der Hobbys der Mitglieder des Klägers. Im Vordergrund stehe das gemeinschaftliche Musizieren.
Die Beteiligten haben sich vor der mündlichen Verhandlung zu den Auftritten des Orchesters schriftsätzlich geäußert; der Kläger hat den von der Beklagten angebotenen Vergleich abgelehnt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Sie ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 29.01.1993 zurückzunehmen bzw. aufzuheben (§§ 44, 48 Sozialgesetzbuch X - SGB X). Weder ergibt sich hier, dass dieser Erfassungsbescheid auf einer unzutreffenden Rechtsanwendung beruht oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch haben sich nach diesem Bescheid die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Dabei ist die Beklagte mit neuem Vorbringen im Berufungsverfahren nicht ausgeschlossen (§ 103 SGG).
Streitig ist im vorliegenden Fall nur die Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dem Grunde nach; die einzelnen Abgabebescheide sind nicht streitig, da die Beteiligten im Erörterungstermin vor dem SG am 26.10.2000 sich darüber geeinigt haben, dass die Überprüfung der Abrechnungsbescheide über die Künstlersozialabgabe von 1995 bis 1999 zurückgestellt werden soll und im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17) zu trennen ist zwischen den Erfassungs- und den Abrechnungsbescheiden. Bescheide, die während eines gerichtlichen Verfahrens über die Künstlersozialabgabepflicht eines Unternehmens ergehen und die Abgabeschuld des Unternehmens für bestimmte Abrechnungszeiträume regeln, werden nicht in das Verfahren einbezogen. Gleiches gilt, wenn während eines laufenden Abgabestreitverfahrens weitere Bescheide zu späteren Abrechnungszeiträumen erteilt werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch das SG entsprechend dem Antrag des Klägers nur über die Frage der Rücknahme des bindend gewordenen Erfassungsbescheides entschieden hat.
Der Kläger unterliegt der Künstlersozialabgabe gemäß § 24 KSVG seit 1983 nach den jeweils gültigen Fassungen dieser Vorschrift. Gemäß § 24 Abs. 2 KSVG in der Fassung vom 27.07.1981, die vom 01.01. 1983 bis 31.12.1987 gegolten hat, ist zur Künstlersozialabgabe u.a. ein Unternehmer verpflichtet, der ein Orchester betreibt. § 24 Abs. 2 Nr. 2 KSVG in der Fassung vom 18.12.1987, die vom 01.01.1988 bis 31.12.1988 gültig war, verpflichtet Unternehmer, die u.a. ein Orchester oder eine Musikschule betreiben, gleichfalls zur Künstlersozialabgabe. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2, 9 KSVG in der Fassung vom 20.12.1988, die vom 01.01.1989 bis 31.12.1996 gegolten hat, waren Unternehmen abgabepflichtig, die ein Orchester oder eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten betreiben. Ferner waren gemäß § 24 Abs. 2 KSVG Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. § 24 Abs. 1 Nr. 2 KSVG in der Fassung vom 25.09.1996, die vom 01.01.1997 bis 30.06.2001 geltendes Recht war, regelte die Abgabepflicht für Unternehmer, die ein Orchester betreiben unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. § 24 Abs. 1 Nr. 9 KSVG enthielt wiederum die Abgabepflicht für Ausbildungseinrichtungen für künstlerische Tätigkeiten. § 24 Abs. 2 KSVG verpflichtete ferner Unternehmen zur Künstlersozialabgabe, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des vorhergehenden Satzes liegt nicht bereits dann vor, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und 9 KSVG in der Fassung vom 13.06.2001, die ab 01.07.2001 gilt, sind Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die ein Orchester betreiben unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, § 24 Abs. 2 KSVG bleibt hiervon unberührt; außerdem unterliegen Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische Tätigkeiten der Abgabepflicht. § 24 Abs. 2 KSVG enthält die Abgabepflicht für Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden. Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in denen künstlerische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des vorgenannten Satzes vor. Dies gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.
Der Kläger ist als eingetragener Verein Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften. Die Künstlersozialabgabe beruht auf dem Gedanken, denjenigen zur Abgabe heranzuziehen, der sich durch unmittelbaren Kontakt zum Künstler Eigentums- oder Nutzungsrechte an dessen Werk oder Leistung verschafft und diese Werke regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Die Künstlersozialabgabe ist also eine Umlage, die von allen Unternehmern und Einrichtungen erhoben wird, die am Markt für Kunst und Publizistik tätig sind. Es handelt sich dabei um einen "Quasi-Arbeitgeberbeitrag", den Verwerter und Vermarkter von künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen an die Künstlersozialkasse entrichten müssen.
Das KSVG geht hier von einem sozialversicherungsrechtlichen Unternehmerbegriff aus. Es sollen Personen erfasst werden, die eine nachhaltige und nicht nur gelegentliche Tätigkeit ausüben, die einem der in § 24 KSVG genannten Zwecke dient, ohne dass es auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankommt. Es muss sich bei der Tätigkeit, die zur Abgabepflicht führt, auch nicht um den Hauptzweck des Unternehmens handeln. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.12.1988, SozSich 1989, 351) genügt für die Eigenschaft eines Unternehmers im Sinne des § 24 KSVG jede nachhaltige, d.h. nicht nur gelegentliche Tätigkeit, mit der Einnahmen erzielt werden sollen, ohne dass darüber hinaus auch ein Gewinn erstrebt zu werden braucht. Es wird also eine regelmäßige und nachhaltige Tätigkeit vorausgesetzt, die Abgabepflicht trifft auch Einrichtungen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen (BSG vom 20.03.1997, BSGE 80,141). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine Erzielung von Einnahmen auch dann vor, wenn die Institution durch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder sonstige Zuwendungen finanziert wird. Es reicht eine mittelbare Verbindung zwischen Kunstverwertung und Einnahmen aus. Es genügt, dass die Kunstverwertung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, aus Beiträgen oder aus anderen Einnahmen finanziert wird (BSG vom 20.04.1994 SozR 3-5425 § 24 Nr. 6). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor, da er seit der Gründung an Pfingsten 1979 bis jetzt jährlich jeweils zahlreiche öffentliche Konzerte aufführt und Einnahmen erzielt in Form von Beiträgen, Eintrittsgeldern, Spenden und Zuschüssen. Sein Unternehmenszweck ist nach der Satzung die Förderung des gesamten Musiklebens der Stadt R. und ihrer Umgebung.
Der Kläger betreibt auch ein Orchester im Sinne des § 24 KSVG gemäß den einzelnen og. Fassungen. Ein Orchester ist grundsätzlich anzunehmen, wenn innerhalb eines Instrumentalensembles mehrere Stimmen chorisch, das heißt mindestens doppelt besetzt sind und wenn wegen einer größeren Anzahl von Spielern ein Dirigent erforderlich ist (Finke/Bachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Auflage, § 24, Rndnr 84 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da die aktenkundigen Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben des Klägers, die Anzahl der aktiven Mitglieder des Orchesters sowie die Art der aufgeführten Stücke darauf schließen lassen. Abgabepflicht besteht auch für ein Jugendorchester, das gemeinsames Musizieren in einem größeren Ensemble probt, auch wenn hierbei Berufsmusiker mitwirken (Finke u.a., a.a.O., Rndnr 87 m.w.N.). Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Kläger um eine Konzertdirektion im Sinne des § 24 Abs. 1 KSVG handelt. Denn hierunter fällt nach der Rechtsprechung des BSG ein Unternehmen, das dafür sorgt, dass ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger eines Orchesters zu sein (Urteil vom 16.09.1999,3 KR 7/98 R).
Durch die ab 01.01.1997 eingetretene Gesetzesänderung des § 24 KSVG hat der Gesetzgeber die Abgabepflicht für die Zeit ab 01.01.1997 insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, eingeschränkt. Unter § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG sollen nur die typischen Verwerter künstlerischer Werke oder Leistungen fallen, d.h. ihr Hauptzweck muss die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein bzw. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören. Damit sollen Gesangs-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester in der Regel nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs. 1 KSVG fallen.
Diese Rechtsänderung jedoch führt nicht zu einer Befreiung des Klägers von der Abgabepflicht. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anzunehmen, dass der Hauptzweck des Vereins auf die öffentliche Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen gerichtet ist, wenn der Schwerpunkt der Interessen nach Vereinbarung (Vereinssatzung) und Praxis auf dem öffentlichen Auftreten liegt und demgemäß andere - nichtkommerzielle - Zwecke wie z. B. die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbies, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens nur untergeordneten Charakter haben (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Bei gemeinnützigen, eingetragenen Vereinen, wird für die Zeit ab 01.01.1997 nur noch von einer Abgabepflicht ausgegangen, wenn regelmäßig zwei bis drei oder mehr öffentliche Konzerte im Kalenderjahr organisiert und dazu entweder fremde Musiker, Dirigenten, Solisten usw. oder Mitglieder des Vereins gegen entsprechende Bezahlung engagiert werden.
Nach den Angaben des Vereins auf der Internetseite und dessen Auskünften in den Schriftsätzen vom 01.12.1996 und 20.11.1999 ist es erwiesen, dass der Hauptzweck des Orchesters überwiegend in der öffentlichen Aufführung von Musik besteht und das Orchester jährlich weit mehr als drei Auftritte absolviert.
Außerdem unterliegt der Kläger als Musikschule bzw. Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten der Abgabepflicht (§ 24 Abs.1 Nr.9 KSVG). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Unterricht berufsbezogen, d.h. auf die Ausbildung von Berufskünstlern gerichtet ist. Es genügt vielmehr, dass in der Ausbildungseinrichtung eine Grundausbildung, unter Umständen auch nur zur freizeitmäßigen Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit, angeboten wird (BSG vom 01.10.1991 SozR 3-5425 § 24 Nr. 1). Den aktenkundigen Aufzeichnungen des Klägers (z.B. Auskunft vom 02.08.1992) ist zu entnehmen, dass er neben dem Orchester auch eine Musikschule bzw. Ausbildungseinrichtung für Musik betreibt. Aus den vorgelegten Kassenberichten und Rechnungsunterlagen ergibt sich, dass er Unterrichtsgebühren einnimmt und Zahlungen für Unterricht geleistet hat. Schließlich ist auch der Internetseite zu entnehmen, dass der Verein Instrumentalunterricht anbietet.
Der Kläger fällt ab 01.07.2001 auch unter § 24 Abs. 2 KSVG, da er nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilt, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke des Unternehmens zu nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt wurden. War eine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 nach dem ab 1997 geltenden Recht zu verneinen, konnten bis zum 01.07.2001 auch die Auffangtatbestände des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 (sonstige Veranstalter) und § 24 Abs. 2 (Generalklausel) nicht herangezogen werden, weil die Nr. 2 als Spezialvorschrift für Orchester vorrangig anzuwenden war, insofern abschließenden Charakter hatte (BSG vom 16.04.1998 SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Dieser Rechtszustand wurde ab 01.07.2001 durch die Einfügung des Halbsatzes in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 "Abs. 2 bleibt unberührt" geändert. Gleichzeitig wurde die Schwelle für die Anwendung der Generalklausel insofern heraufgesetzt, als mehr als 3 Veranstaltungen pro Jahr vorliegen müssen. Ebenso wurde bestimmt, dass die Generalklausel keine Anwendung findet für Musikvereine, soweit für diese vereinseigene Chorleiter und Dirigenten regelmäßig tätig sind. Musik- und Gesangvereine, die grundsätzlich nur mit eigenen Mitgliedern an Festen usw. auftreten und den Mitwirkenden keine Entgelte zahlen, gehören somit nicht zu den abgabepflichtigen Unternehmen (Finke u.a., a.a.O., Rndnr 203). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass der Kläger in der Anmeldung bereits angegeben hat, dass er laufend Aufträge an selbstständige Künstler erteilt. Den Rechnungsunterlagen ist außerdem zu entnehmen, dass der Kläger Vergütungen für aktive Musiker und Musikaushilfen gezahlt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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