Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 SF 5019/01 P
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2003 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2000 in vollem Umfang aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 4) bis 8) die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Beitragsnachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist eine Firma im Altmühltal, die sich mit dem Bruch, der Verarbeitung und Verlegung von Natursteinplatten, Solnhofener Platten sowie Granitplatten befasst. Am 15.08.1995 schloss sie mit der Firma M. in W. , Zweigniederlassung D. , einen Werkvertrag ab zur Verlegung von Bodenplatten und Stufen sowie Werkstattarbeiten im Betrieb der Klägerin im Wert von 351.550,00 bzw DM 305.000,00 DM. Zum Einsatz kamen dabei die Beigeladenen zu 4) bis 8), welche über vom polnischen Träger ausgestellte Entsende-Bescheinigungen D/PL 101 verfügten. Für diesen Werkvertrag bestand eine Arbeitserlaubnis des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 20.03.1995.
Aufgrund einer Durchsuchung am 22.10.1996 sowie in Auswertung von Einvernahmen vom 16.12.1996 stellte die Beigeladene zu 3) fest, dass die Beigeladenen zu 4) bis 8) im Betrieb der Klägerin wie eigene Arbeitnehmer weisungsgebunden eingesetzt wurden. Sie verwendeten Stempelkarten der Klägerin zur Erfassung der Arbeitszeit, wobei teilweise Arbeitsbeginn 5.00 Uhr morgens und Arbeitsende 19.00 Uhr dokumentiert war. Der Inhaber der Klägerin sowie sein Produktionsleiter gaben dabei an, sie stellten die Arbeitsleistung der beigeladenen Arbeitnehmer fest, ebenso erteilten sie Urlaub/Arbeitsbefreiung, stellten Werkzeug und Material und gäben bei Fehlern an, was auszubessern sei. Der Produktionsleiter beschrieb, die polnischen Arbeitnehmer arbeiteten zusammen mit den deutschen Hand in Hand. Ihre Tätigkeit wurde dabei in Wochenplänen erfasst, sie wurden auch auf Baustellen eingesetzt, die in der Arbeitserlaubnis nicht genannt waren. Beschäftigte der Klägerin bestätigten ebenfalls, die polnischen Arbeitnehmer würden vom Produktionsleiter oder vom Firmeninhaber der Klägerin eingeteilt und erhielten von diesen Weisungen.
Nach Verhandlungen setzte die Beigeladene zu 3) mit rechtskräftigem Bescheid vom 26.01.1998 eine Geldbuße iHv 52.000,00 DM fest, weil der Inhaber der Klägerin verantwortlich sei für den Einsatz von polnischen Arbeitnehmern ohne Arbeitnehmerüberlassungs-Erlaubnis.
In Auswertung dieses Bescheides sowie der Untersuchungsunterlagen forderte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1999/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv DM 99.424,90 zuzüglich Säumniszuschlägen von DM 34.686,00 nach. Die Klägerin habe die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer nicht im Rahmen des genehmigten Werkvertrages für abgrenzbare Gewerke, sondern wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Somit habe die Beigeladene zu 1) der Klägerin Arbeitnehmer überlassen, ohne dass hierfür eine behördliche Erlaubnis bestanden hätte. Als gesetzliche Folge werde deshalb die Klägerin als Arbeitgeberin behandelt und müsse die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Die Forderungshöhe ergebe sich in Auswertung der dokumentierten geleisteten Stunden unter Ansatz des tariflichen Stundenlohnes. Die Beklagte folgte dabei dem Vorbringen der Klägerin nicht, wonach die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer nur im Rahmen der genehmigten Werkverträge und anders als die eigenen Arbeitnehmer eingesetzt worden seien sowie dass die Beklagte, wenn überhaupt, Forderungen an die Beigeladene zu 1) zu richten habe.
2.
In den anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat der Inhaber der Klägerin angegeben, er arbeite nach wie vor mit der Beigeladenen zu 1) auf der Basis von Werkverträgen zusammen, habe aber mittlerweile eine gewisse räumliche Trennung zwischen den deutschen eigenen Beschäftigten und den polnischen Arbeitnehmern durchgeführt. Die Beigeladene zu 1) hat zur Wirkung der Entsendebescheinigung D-PL 101 vorgetragen, die beigeladenen Arbeitnehmer seien im Besitz dieser Bescheinigungen gewesen, welchen konstitutive Wirkung zukomme. Es sei damit verbindlich festgestellt, dass die beigeladenen Arbeitnehmer ausschließlich der polnischen Sozialversicherung unterlägen.
Mit Gerichtsbescheiden vom 17.12.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Bescheid/Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge bis Ende Februar aufzuheben und im übrigen die Klagen abgewiesen. Die Klägerin habe die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer wie eigene eingesetzt, sodass sie Arbeitnehmer entliehen habe. Als Entleiherin sei sie zur Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. In Auswertung der Ermittlungs- und Verwaltungsakten ergebe sich nämlich, dass die Klägerin die beigeladenen Arbeitnehmer wie eigene weisungsgebunden unter Eingliederung in den Betriebsablauf beschäftigt habe. Es liege damit keine Werkvertragsleistung, sondern eine Dienstleistung vor. Die Regelungen der Einstrahlung bei der Entsendung von Arbeitnehmern aus dem Ausland fänden keine Anwendung. Aufgrund des Territorialprinzips sei das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Gültigkeit der Entsendebescheinigungen aufgrund des rechtskräftigen Bußgeldbescheides gegenüber der Klägerin. Zudem seien die Entsendebescheinigungen nicht vorgelegt worden.
3.
Dagegen hat die Klägerin jeweils Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Protokolle der Außenprüfung seien nicht aussagekräftig, vielmehr seien die beigeladenen Arbeitnehmer im sozialgerichtlichen Verfahren ebenso zu vernehmen, wie die Betriebsleiter und der Inhaber der Klägerin. Die Entsendebescheinigungen D/PL 101 seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verbindlich, übergeordnetes zwischenstaatliches Recht regele, dass nur polnisches Recht auf die beigeladenen Arbeitnehmer anwendbar sei. Im Übrigen habe keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Der Bußgeldbescheid sei aus eigenen Gründen akzeptiert worden und binde keinesfalls die sozialgerichtliche Beurteilung. Zudem habe die Beigeladene zu 1) die polnischen Beiträge in das dortige Sozialversicherungssystem abgeführt.
Die Beigeladene zu 1) hat die vom 29.01.1996 bis 31.05.1997 befristeten Entsendebescheinigungen D/PL 101 für alle beigeladenen Arbeitnehmer vorgelegt.
Mit Beschluss vom 14.12.2004 hat der Senat die fünf Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin beantragt, die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut vom 17.12.2003 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 22.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2000 in vollem Umfang aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und in vollem Umfang begründet. Der Nachforderungsbescheid vom 22.07.1999/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2000 verstößt gegen zwischenstaatliches Recht, ist deshalb rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist deshalb in vollem Umfange aufzuheben.
1.
Die Beklagte ist gemäß § 28p SGB IV berechtigt, aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der gesamten Sozialversicherung zu erlassen. Die dafür geltend gemachte Rechtsgrundlage, wonach infolge nicht erlaubter Arbeitnehmerüberlassung gemäß §§ 9 Nr.1 AÜG in Verbindung mit § 10 Abs.1 AÜG ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und den beigeladenen polnischen Arbeitnehmern im fraglichen Zeitraum gemäß § 7 Abs.1 SGB IV entstanden sei und die Klägerin somit als Arbeitgeberin die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe gemäß § 28e SGB IV ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Nichtanwendbarkeit ergibt sich aus gem. § 6 SGB IV dem nationalen Recht übergeordnetem zwischenstaatlichem Recht, dem deutsch-polnischen Abkommen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 25.04.1973 (BGBl.1974/II S.926).
2.
In Würdigung der Ermittlungsakten der Beigeladenen zu 3), der Beklagten sowie des Vorbringens der Beteiligten im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum wie eigene beschäftigt hat. Diese waren arbeitsteilig in den Betriebsablauf der Klägerin integriert und mussten Arbeitnehmerdienste erbringen, wie ihre deutschen Kollegen auch, wobei sie hinsichtlich Ort, Zeit, Art der Tätigkeit den Weisungen des Inhabers und des Produktionsleiters der Klägerin unterworfen waren. Dies ergibt sich insbesondere aus den Niederschriften derer Angaben gegenüber der Beigeladenen zu 3), wonach sie den Arbeitnehmern ohne Unterschied zwischen deutschen und polnischen Anweisungen hinsichtlich der zu erbringenden Arbeiten erteilt und ihnen bei Fehlern sofort Anweisungen zur Korrektur gegeben hatten sowie zuständig für Urlaubserteilung oder Genehmigung von Abwesenheiten waren. Die Beigeladenen zu 4) bis 8) waren in den Betriebsablauf so integriert, dass sie sogar das Zeiterfassungssystem der Klägerin zu benutzen hatten. Sie wurden dabei nicht nur auf den durch genehmigten Werkvertrag festgelegten Arbeitsstellen eingesetzt, sondern je nach Bedarf der Klägerin auch bei anderen Bauvorhaben und auf ihrem Betriebsgelände. Dies deckt sich auch mit den Angaben der beigeladenen Arbeitnehmer vor Ort. In diese Wertung fügt sich die eigene Angabe des Inhabers der Klägerin vor dem SG ein, er habe inzwischen umorganisiert und eine gewisse räumliche Trennung zwischen den deutschen eigenen Beschäftigten und den polnischen Arbeitnehmern eingeführt. In einer Gesamtauswertung der dokumentierten zeitnahen Zeugenaussagen sowie der Unterlagen zur Arbeitserbringung der Beigeladenen zu 4) bis 8) ergibt sich zweifelsfrei die Erfüllung sämtlicher Tatbestände eines Arbeits- und damit eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 SGB IV. Die von der Klägerin angebotene nochmalige Einvernahme der betroffenen Personen ist somit nicht veranlasst, der Senat wertet die zeitnahen Aussagen als entscheidend, weil diese in Kongruenz mit den Aktenunterlagen stehen und die Klägerin im Übrigen den darauf basierenden Bußgeldbescheid akzeptiert hat.
Die Rechtsfolge der Beitragspflicht der Klägerin für die Beigeladenen zu 4) bis 8) ergäbe sich aus den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Dessen Voraussetzungen wären erfüllt, es hatte tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung bestanden, die aber gemäß § 1 AÜG ohne Erlaubnis gewesen war, sodass gemäß § 10 Abs.1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den beigeladenen Arbeitnehmern und der Klägerin zustande gekommen wäre. In der Folge ergäbe sich die Beitragspflicht der Klägerin aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs.1 SGB IV i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V, § 20 Abs.1 Nr.1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI und § 25 Abs.1 SGB III (bis 31.12.1997: § 168 Abs.1 AFG). Die Beitragspflicht der Klägerin nach § 28e Abs.2 Abs.4 SGB IV resultierte aus Beschäftigungsverhältnissen zwischen ihr und den gemäß § 75 Abs.2a SGG beigeladenen Arbeitnehmern. Die Zuständigkeit der Beklagten für den streitigen Beitragsbescheid beruhte auf § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV.
3.
Die Anwendung dieser Normen deutschen Rechts ist aber durch höherrangiges zwischenstaatliches Recht verdrängt, § 6 SGB IV.
Mit Abkommen vom 25.04.1973 (BGBl.1974 II S.926) haben die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen im dortigen Art. 4 bestimmt, dass entsandte Arbeitnehmer für die Dauer von 24 Monaten den Rechtsvorschriften des Entsendestaates und nicht des Beschäftigungsstaates unterliegen. Hierzu wurde in Art. 12 bestimmt, dass die Verbindungsstellen unmittelbar miteinander verkehren und unter Beteiligung der zuständigen Behörden die Verwaltungsmaßnahmen zur Anwendung dieses Abkommens vereinbaren. In Ausführung hierzu haben die Verbindungsstellen am 30.12.1996 verabredet, dass im Falle der Entsendung von Polen nach Deutschland die polnische Zweigstelle der ZUS die Entsendebescheinigung ausstellt. Der entsprechende Vordruck PL-D 101 ist gemäß Ziffer 35 Bestandteil dieser Vereinbarung.
Um die Rechtswirkung dieses Abkommens und der Vereinbarung sicher zu stellen, ist der Entsendebescheinigung die Bindungswirkung zuzuordnen, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesgerichtshofes (Rechtssache C 2/05 Urteil des EuGH vom 26.01.2006 - Urteil des BGH 1-StR 44/06 vom 24.10.2006) zu den europäischen Regelungen bei Arbeitnehmerentsendungen (vgl Art 81 der EWG-Verordnung 1408/71 iVm VO 574/72) entspricht. Danach bindet eine Entsendebescheinigung E 101, solange sie existiert, die Behörden und sogar die Gerichte der Vertragsstaaten gerade auch im Tätigkeitsland.
Das Deutsch-Polnische Entsendeabkommen vom 25.04.1973 sollte - während seiner Geltung bis zum Eintritt Polens in die EU nach dem hier strittigen Zeitraum - dazu dienen, die Beziehungen der Vertragsstaaten im Geiste von Nachbarschaft und Freundschaft zu gestalten, die Republik Polen an die Bundesrepublik heranzuführen und eine gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung zu erreichen. Dazu sollte verhindert werden, dass bei Auseinanderfallen von Arbeitsvertragsstaat und Tätigkeitsstaat doppelt Sozialversicherungsbeiträge zu leisten wären und auch doppelte Sozialleistungsansprüche entstehen könnten. Insoweit decken sich die Ziele des deutsch-polnischen Abkommens mit den Übereinkünften der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in den Verordnungen 1408/71 und 558/72. Um diesen Zielen Geltung zu verschaffen ist es notwendig, den ausgestellten Entsendebescheinigungen PL-D 101 im gegenständlichen Falle die gleiche Rechtswirkung zuzusprechen wie den nach europäischem Recht erstellten Entsendeentscheidungen E 101. In beiden Fällen ist es notwendig, zur Erreichung der zwischenstaatlich vereinbarten Ziele das Verwaltungsverfahren handhabbar und für die beteiligten Arbeitgeber wie Arbeitnehmer mit in Verhältnis stehendem Aufwand auszugestalten. Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass Behörden eines Vertragsstaates nicht ohne Beteiligung der Behörden des anderen Staates von diesem ausgestellte Urkunden und Bescheinigungen in der Wirksamkeit beschränken oder diesen die Wirksamkeit gänzlich absprechen. Infolge hiervon sind die deutschen Sozialleistungsträger und auch die deutschen Sozialgerichte grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Versicherungsträgers über die nach dessen Recht erfüllten Voraussetzungen der Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Dementsprechend obliegt die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Arbeitnehmerentsendung vorliegen, ausschließlich dem Träger des Entsendestaates, der die Bescheinigung ausgestellt hat.
Dies bedeutet nicht, dass die deutschen Behörden in jedem Falle an die Entsendebescheinigung gebunden sind. Vielmehr steht ihnen ein vertraglich ausgestaltetes Verfahren zur Verfügung, bei Zweifeln an der Richtigkeit der Bescheinigung diese beseitigen zu lassen. Insoweit wäre die deutsch-polnische Verbindungsstelle anzugehen.
Diesem Verständnis entspricht auch das in den Gesprächen vom 21. bis 24.11.2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch Herrn E. K. für das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung) und der Republik Polen (vertreten durch C. G. für das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik der Republik Polen) Vereinbarte entsprechend der dortigen Anlage 4. Nach deren Ziffer 3 hat der zuständige Träger im Entsendestaat vor Ausstellung einer Entsendebescheinigung den Sachverhalt unter der Berücksichtigung der besprochenen Kriterien einer Entsendung zu prüfen und zu beurteilen. Sofern im Beschäftigungsstaat Zweifel an der Richtigkeit der Entsendebescheinigung bestehen, hat die Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, auf Verlangen diese zu überprüfen. Damit ist folgende gestufte Verfahrensweise zwischen den Vertragsstaaten und damit gem. § 6 SGB IV auch für die Beklagte bindend verabredet:
1. Der Entsendestaat prüft, ob eine Arbeitnehmerentsendung vor liegt; dabei wird entsprechend Ziffer 2.3 der Absprache vom 24. November 2000 beurteilt, ob nach dem Recht des Tätig keitsstaates unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Ist dies der Fall, wird die Entsendebescheinigung nicht aus gestellt.
2. Wenn im Tätigkeitsstaat Zweifel an der Richtigkeit der Ent- sendebescheinigung auftreten, sind die dortigen Behörden verpflichtet, die ausstellende Bescheinigungsbehörde um Überprüfung zu ersuchen.
3. Die Bescheinigungsbehörde hat bei der Beurteilung dieses Er suchens die verabredeten Kriterien zu beachten, insbesonde re, ob nach dem Recht des Tätigkeitsstaates unerlaubte Ar- beitnehmerüberlassung vorliegt.
In Anwendung dieser Grundsätze war die Beklagte an die von der zuständigen polnischen Behörde ZUS für alle beigeladenen Arbeitnehmer ausgestellten Bescheinigungen PL-D 101 gebunden, welche auch den gesamten streitigen Zeitraum umfassen. Sofern in der Folgezeit insbesondere aus Anlass der Betriebsprüfung Zweifel an einer echten Entsendung bestanden hatten, wäre die Beklagte veranlasst gewesen, dies der ZUS in Polen anzuzeigen und eine entsprechende Aufhebung zu verlangen. Dabei hätte sie auch auf den verabredeten Maßstab der Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht hinweisen können und müssen. Da dies aber nicht geschehen ist, bleiben die Entsendebescheinigungen im hier zu entscheidenden Falle wirksam und bindend. Die Beklagte muss sich deshalb entsprechend auch ihrer eigenen Verwaltungspraxis (Besprechung der Arbeitsgruppe für zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht am 31.08./01.09.2000 in Düsseldorf - TOP 2) an die Entsendebescheinigungen halten lassen.
4.
Ausnahmsweise könnte von diesen Grundsätzen entsprechend dem Urteil des BSG vom 16.12.1999 (B 14 KG 1/99 R) abgewichen werden, falls die Entsendebescheinigungen offensichtlich unzutreffend gewesen wären. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen echten Werkvertrag abgeschlossen hatten, für welchen die Beigeladenen zu 4) bis 8) eingesetzt werden sollten. Es handelte sich dabei nicht um einen Dienstvertrag, bei welchem Arbeitnehmer auf Zeit in Anspruch genommen werden sollten, sondern es waren einzelne Gewerke abgrenzbarer Art bezeichnet, deren Umfang und Vergütung detailliert festgelegt wurden. Darüber hinaus hatte die Beigeladene zu 3) die erforderlichen Arbeitserlaubnisse erteilt. Im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigungen PL-D 101 gab es somit keinen Anhaltspunkt, deren Richtigkeit zu bezweifeln; für offensichtliches Nichtzutreffen fehlt es an Anhaltspunkten.
Die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber der Klägerin nach deutschem Recht ist somit gem § 6 SGB IV nicht möglich.
Auf die Berufung der Klägerin waren deshalb die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut aufzuheben ebenso wie der streitige Bescheid/Widerspruchsbescheid.
Die Kostenentscheidung für das seit 14.03.2001 rechtshängige Verfahren folgt § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 4) bis 8) die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Beitragsnachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist eine Firma im Altmühltal, die sich mit dem Bruch, der Verarbeitung und Verlegung von Natursteinplatten, Solnhofener Platten sowie Granitplatten befasst. Am 15.08.1995 schloss sie mit der Firma M. in W. , Zweigniederlassung D. , einen Werkvertrag ab zur Verlegung von Bodenplatten und Stufen sowie Werkstattarbeiten im Betrieb der Klägerin im Wert von 351.550,00 bzw DM 305.000,00 DM. Zum Einsatz kamen dabei die Beigeladenen zu 4) bis 8), welche über vom polnischen Träger ausgestellte Entsende-Bescheinigungen D/PL 101 verfügten. Für diesen Werkvertrag bestand eine Arbeitserlaubnis des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 20.03.1995.
Aufgrund einer Durchsuchung am 22.10.1996 sowie in Auswertung von Einvernahmen vom 16.12.1996 stellte die Beigeladene zu 3) fest, dass die Beigeladenen zu 4) bis 8) im Betrieb der Klägerin wie eigene Arbeitnehmer weisungsgebunden eingesetzt wurden. Sie verwendeten Stempelkarten der Klägerin zur Erfassung der Arbeitszeit, wobei teilweise Arbeitsbeginn 5.00 Uhr morgens und Arbeitsende 19.00 Uhr dokumentiert war. Der Inhaber der Klägerin sowie sein Produktionsleiter gaben dabei an, sie stellten die Arbeitsleistung der beigeladenen Arbeitnehmer fest, ebenso erteilten sie Urlaub/Arbeitsbefreiung, stellten Werkzeug und Material und gäben bei Fehlern an, was auszubessern sei. Der Produktionsleiter beschrieb, die polnischen Arbeitnehmer arbeiteten zusammen mit den deutschen Hand in Hand. Ihre Tätigkeit wurde dabei in Wochenplänen erfasst, sie wurden auch auf Baustellen eingesetzt, die in der Arbeitserlaubnis nicht genannt waren. Beschäftigte der Klägerin bestätigten ebenfalls, die polnischen Arbeitnehmer würden vom Produktionsleiter oder vom Firmeninhaber der Klägerin eingeteilt und erhielten von diesen Weisungen.
Nach Verhandlungen setzte die Beigeladene zu 3) mit rechtskräftigem Bescheid vom 26.01.1998 eine Geldbuße iHv 52.000,00 DM fest, weil der Inhaber der Klägerin verantwortlich sei für den Einsatz von polnischen Arbeitnehmern ohne Arbeitnehmerüberlassungs-Erlaubnis.
In Auswertung dieses Bescheides sowie der Untersuchungsunterlagen forderte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1999/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv DM 99.424,90 zuzüglich Säumniszuschlägen von DM 34.686,00 nach. Die Klägerin habe die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer nicht im Rahmen des genehmigten Werkvertrages für abgrenzbare Gewerke, sondern wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Somit habe die Beigeladene zu 1) der Klägerin Arbeitnehmer überlassen, ohne dass hierfür eine behördliche Erlaubnis bestanden hätte. Als gesetzliche Folge werde deshalb die Klägerin als Arbeitgeberin behandelt und müsse die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Die Forderungshöhe ergebe sich in Auswertung der dokumentierten geleisteten Stunden unter Ansatz des tariflichen Stundenlohnes. Die Beklagte folgte dabei dem Vorbringen der Klägerin nicht, wonach die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer nur im Rahmen der genehmigten Werkverträge und anders als die eigenen Arbeitnehmer eingesetzt worden seien sowie dass die Beklagte, wenn überhaupt, Forderungen an die Beigeladene zu 1) zu richten habe.
2.
In den anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat der Inhaber der Klägerin angegeben, er arbeite nach wie vor mit der Beigeladenen zu 1) auf der Basis von Werkverträgen zusammen, habe aber mittlerweile eine gewisse räumliche Trennung zwischen den deutschen eigenen Beschäftigten und den polnischen Arbeitnehmern durchgeführt. Die Beigeladene zu 1) hat zur Wirkung der Entsendebescheinigung D-PL 101 vorgetragen, die beigeladenen Arbeitnehmer seien im Besitz dieser Bescheinigungen gewesen, welchen konstitutive Wirkung zukomme. Es sei damit verbindlich festgestellt, dass die beigeladenen Arbeitnehmer ausschließlich der polnischen Sozialversicherung unterlägen.
Mit Gerichtsbescheiden vom 17.12.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Bescheid/Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge bis Ende Februar aufzuheben und im übrigen die Klagen abgewiesen. Die Klägerin habe die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer wie eigene eingesetzt, sodass sie Arbeitnehmer entliehen habe. Als Entleiherin sei sie zur Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. In Auswertung der Ermittlungs- und Verwaltungsakten ergebe sich nämlich, dass die Klägerin die beigeladenen Arbeitnehmer wie eigene weisungsgebunden unter Eingliederung in den Betriebsablauf beschäftigt habe. Es liege damit keine Werkvertragsleistung, sondern eine Dienstleistung vor. Die Regelungen der Einstrahlung bei der Entsendung von Arbeitnehmern aus dem Ausland fänden keine Anwendung. Aufgrund des Territorialprinzips sei das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Gültigkeit der Entsendebescheinigungen aufgrund des rechtskräftigen Bußgeldbescheides gegenüber der Klägerin. Zudem seien die Entsendebescheinigungen nicht vorgelegt worden.
3.
Dagegen hat die Klägerin jeweils Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Protokolle der Außenprüfung seien nicht aussagekräftig, vielmehr seien die beigeladenen Arbeitnehmer im sozialgerichtlichen Verfahren ebenso zu vernehmen, wie die Betriebsleiter und der Inhaber der Klägerin. Die Entsendebescheinigungen D/PL 101 seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verbindlich, übergeordnetes zwischenstaatliches Recht regele, dass nur polnisches Recht auf die beigeladenen Arbeitnehmer anwendbar sei. Im Übrigen habe keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Der Bußgeldbescheid sei aus eigenen Gründen akzeptiert worden und binde keinesfalls die sozialgerichtliche Beurteilung. Zudem habe die Beigeladene zu 1) die polnischen Beiträge in das dortige Sozialversicherungssystem abgeführt.
Die Beigeladene zu 1) hat die vom 29.01.1996 bis 31.05.1997 befristeten Entsendebescheinigungen D/PL 101 für alle beigeladenen Arbeitnehmer vorgelegt.
Mit Beschluss vom 14.12.2004 hat der Senat die fünf Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin beantragt, die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut vom 17.12.2003 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 22.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2000 in vollem Umfang aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und in vollem Umfang begründet. Der Nachforderungsbescheid vom 22.07.1999/Widerspruchsbescheid vom 07.04.2000 verstößt gegen zwischenstaatliches Recht, ist deshalb rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist deshalb in vollem Umfange aufzuheben.
1.
Die Beklagte ist gemäß § 28p SGB IV berechtigt, aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der gesamten Sozialversicherung zu erlassen. Die dafür geltend gemachte Rechtsgrundlage, wonach infolge nicht erlaubter Arbeitnehmerüberlassung gemäß §§ 9 Nr.1 AÜG in Verbindung mit § 10 Abs.1 AÜG ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und den beigeladenen polnischen Arbeitnehmern im fraglichen Zeitraum gemäß § 7 Abs.1 SGB IV entstanden sei und die Klägerin somit als Arbeitgeberin die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe gemäß § 28e SGB IV ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Nichtanwendbarkeit ergibt sich aus gem. § 6 SGB IV dem nationalen Recht übergeordnetem zwischenstaatlichem Recht, dem deutsch-polnischen Abkommen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 25.04.1973 (BGBl.1974/II S.926).
2.
In Würdigung der Ermittlungsakten der Beigeladenen zu 3), der Beklagten sowie des Vorbringens der Beteiligten im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum wie eigene beschäftigt hat. Diese waren arbeitsteilig in den Betriebsablauf der Klägerin integriert und mussten Arbeitnehmerdienste erbringen, wie ihre deutschen Kollegen auch, wobei sie hinsichtlich Ort, Zeit, Art der Tätigkeit den Weisungen des Inhabers und des Produktionsleiters der Klägerin unterworfen waren. Dies ergibt sich insbesondere aus den Niederschriften derer Angaben gegenüber der Beigeladenen zu 3), wonach sie den Arbeitnehmern ohne Unterschied zwischen deutschen und polnischen Anweisungen hinsichtlich der zu erbringenden Arbeiten erteilt und ihnen bei Fehlern sofort Anweisungen zur Korrektur gegeben hatten sowie zuständig für Urlaubserteilung oder Genehmigung von Abwesenheiten waren. Die Beigeladenen zu 4) bis 8) waren in den Betriebsablauf so integriert, dass sie sogar das Zeiterfassungssystem der Klägerin zu benutzen hatten. Sie wurden dabei nicht nur auf den durch genehmigten Werkvertrag festgelegten Arbeitsstellen eingesetzt, sondern je nach Bedarf der Klägerin auch bei anderen Bauvorhaben und auf ihrem Betriebsgelände. Dies deckt sich auch mit den Angaben der beigeladenen Arbeitnehmer vor Ort. In diese Wertung fügt sich die eigene Angabe des Inhabers der Klägerin vor dem SG ein, er habe inzwischen umorganisiert und eine gewisse räumliche Trennung zwischen den deutschen eigenen Beschäftigten und den polnischen Arbeitnehmern eingeführt. In einer Gesamtauswertung der dokumentierten zeitnahen Zeugenaussagen sowie der Unterlagen zur Arbeitserbringung der Beigeladenen zu 4) bis 8) ergibt sich zweifelsfrei die Erfüllung sämtlicher Tatbestände eines Arbeits- und damit eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 SGB IV. Die von der Klägerin angebotene nochmalige Einvernahme der betroffenen Personen ist somit nicht veranlasst, der Senat wertet die zeitnahen Aussagen als entscheidend, weil diese in Kongruenz mit den Aktenunterlagen stehen und die Klägerin im Übrigen den darauf basierenden Bußgeldbescheid akzeptiert hat.
Die Rechtsfolge der Beitragspflicht der Klägerin für die Beigeladenen zu 4) bis 8) ergäbe sich aus den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Dessen Voraussetzungen wären erfüllt, es hatte tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung bestanden, die aber gemäß § 1 AÜG ohne Erlaubnis gewesen war, sodass gemäß § 10 Abs.1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den beigeladenen Arbeitnehmern und der Klägerin zustande gekommen wäre. In der Folge ergäbe sich die Beitragspflicht der Klägerin aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs.1 SGB IV i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V, § 20 Abs.1 Nr.1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI und § 25 Abs.1 SGB III (bis 31.12.1997: § 168 Abs.1 AFG). Die Beitragspflicht der Klägerin nach § 28e Abs.2 Abs.4 SGB IV resultierte aus Beschäftigungsverhältnissen zwischen ihr und den gemäß § 75 Abs.2a SGG beigeladenen Arbeitnehmern. Die Zuständigkeit der Beklagten für den streitigen Beitragsbescheid beruhte auf § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV.
3.
Die Anwendung dieser Normen deutschen Rechts ist aber durch höherrangiges zwischenstaatliches Recht verdrängt, § 6 SGB IV.
Mit Abkommen vom 25.04.1973 (BGBl.1974 II S.926) haben die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen im dortigen Art. 4 bestimmt, dass entsandte Arbeitnehmer für die Dauer von 24 Monaten den Rechtsvorschriften des Entsendestaates und nicht des Beschäftigungsstaates unterliegen. Hierzu wurde in Art. 12 bestimmt, dass die Verbindungsstellen unmittelbar miteinander verkehren und unter Beteiligung der zuständigen Behörden die Verwaltungsmaßnahmen zur Anwendung dieses Abkommens vereinbaren. In Ausführung hierzu haben die Verbindungsstellen am 30.12.1996 verabredet, dass im Falle der Entsendung von Polen nach Deutschland die polnische Zweigstelle der ZUS die Entsendebescheinigung ausstellt. Der entsprechende Vordruck PL-D 101 ist gemäß Ziffer 35 Bestandteil dieser Vereinbarung.
Um die Rechtswirkung dieses Abkommens und der Vereinbarung sicher zu stellen, ist der Entsendebescheinigung die Bindungswirkung zuzuordnen, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesgerichtshofes (Rechtssache C 2/05 Urteil des EuGH vom 26.01.2006 - Urteil des BGH 1-StR 44/06 vom 24.10.2006) zu den europäischen Regelungen bei Arbeitnehmerentsendungen (vgl Art 81 der EWG-Verordnung 1408/71 iVm VO 574/72) entspricht. Danach bindet eine Entsendebescheinigung E 101, solange sie existiert, die Behörden und sogar die Gerichte der Vertragsstaaten gerade auch im Tätigkeitsland.
Das Deutsch-Polnische Entsendeabkommen vom 25.04.1973 sollte - während seiner Geltung bis zum Eintritt Polens in die EU nach dem hier strittigen Zeitraum - dazu dienen, die Beziehungen der Vertragsstaaten im Geiste von Nachbarschaft und Freundschaft zu gestalten, die Republik Polen an die Bundesrepublik heranzuführen und eine gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung zu erreichen. Dazu sollte verhindert werden, dass bei Auseinanderfallen von Arbeitsvertragsstaat und Tätigkeitsstaat doppelt Sozialversicherungsbeiträge zu leisten wären und auch doppelte Sozialleistungsansprüche entstehen könnten. Insoweit decken sich die Ziele des deutsch-polnischen Abkommens mit den Übereinkünften der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in den Verordnungen 1408/71 und 558/72. Um diesen Zielen Geltung zu verschaffen ist es notwendig, den ausgestellten Entsendebescheinigungen PL-D 101 im gegenständlichen Falle die gleiche Rechtswirkung zuzusprechen wie den nach europäischem Recht erstellten Entsendeentscheidungen E 101. In beiden Fällen ist es notwendig, zur Erreichung der zwischenstaatlich vereinbarten Ziele das Verwaltungsverfahren handhabbar und für die beteiligten Arbeitgeber wie Arbeitnehmer mit in Verhältnis stehendem Aufwand auszugestalten. Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass Behörden eines Vertragsstaates nicht ohne Beteiligung der Behörden des anderen Staates von diesem ausgestellte Urkunden und Bescheinigungen in der Wirksamkeit beschränken oder diesen die Wirksamkeit gänzlich absprechen. Infolge hiervon sind die deutschen Sozialleistungsträger und auch die deutschen Sozialgerichte grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Versicherungsträgers über die nach dessen Recht erfüllten Voraussetzungen der Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Dementsprechend obliegt die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Arbeitnehmerentsendung vorliegen, ausschließlich dem Träger des Entsendestaates, der die Bescheinigung ausgestellt hat.
Dies bedeutet nicht, dass die deutschen Behörden in jedem Falle an die Entsendebescheinigung gebunden sind. Vielmehr steht ihnen ein vertraglich ausgestaltetes Verfahren zur Verfügung, bei Zweifeln an der Richtigkeit der Bescheinigung diese beseitigen zu lassen. Insoweit wäre die deutsch-polnische Verbindungsstelle anzugehen.
Diesem Verständnis entspricht auch das in den Gesprächen vom 21. bis 24.11.2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch Herrn E. K. für das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung) und der Republik Polen (vertreten durch C. G. für das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik der Republik Polen) Vereinbarte entsprechend der dortigen Anlage 4. Nach deren Ziffer 3 hat der zuständige Träger im Entsendestaat vor Ausstellung einer Entsendebescheinigung den Sachverhalt unter der Berücksichtigung der besprochenen Kriterien einer Entsendung zu prüfen und zu beurteilen. Sofern im Beschäftigungsstaat Zweifel an der Richtigkeit der Entsendebescheinigung bestehen, hat die Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, auf Verlangen diese zu überprüfen. Damit ist folgende gestufte Verfahrensweise zwischen den Vertragsstaaten und damit gem. § 6 SGB IV auch für die Beklagte bindend verabredet:
1. Der Entsendestaat prüft, ob eine Arbeitnehmerentsendung vor liegt; dabei wird entsprechend Ziffer 2.3 der Absprache vom 24. November 2000 beurteilt, ob nach dem Recht des Tätig keitsstaates unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Ist dies der Fall, wird die Entsendebescheinigung nicht aus gestellt.
2. Wenn im Tätigkeitsstaat Zweifel an der Richtigkeit der Ent- sendebescheinigung auftreten, sind die dortigen Behörden verpflichtet, die ausstellende Bescheinigungsbehörde um Überprüfung zu ersuchen.
3. Die Bescheinigungsbehörde hat bei der Beurteilung dieses Er suchens die verabredeten Kriterien zu beachten, insbesonde re, ob nach dem Recht des Tätigkeitsstaates unerlaubte Ar- beitnehmerüberlassung vorliegt.
In Anwendung dieser Grundsätze war die Beklagte an die von der zuständigen polnischen Behörde ZUS für alle beigeladenen Arbeitnehmer ausgestellten Bescheinigungen PL-D 101 gebunden, welche auch den gesamten streitigen Zeitraum umfassen. Sofern in der Folgezeit insbesondere aus Anlass der Betriebsprüfung Zweifel an einer echten Entsendung bestanden hatten, wäre die Beklagte veranlasst gewesen, dies der ZUS in Polen anzuzeigen und eine entsprechende Aufhebung zu verlangen. Dabei hätte sie auch auf den verabredeten Maßstab der Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht hinweisen können und müssen. Da dies aber nicht geschehen ist, bleiben die Entsendebescheinigungen im hier zu entscheidenden Falle wirksam und bindend. Die Beklagte muss sich deshalb entsprechend auch ihrer eigenen Verwaltungspraxis (Besprechung der Arbeitsgruppe für zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht am 31.08./01.09.2000 in Düsseldorf - TOP 2) an die Entsendebescheinigungen halten lassen.
4.
Ausnahmsweise könnte von diesen Grundsätzen entsprechend dem Urteil des BSG vom 16.12.1999 (B 14 KG 1/99 R) abgewichen werden, falls die Entsendebescheinigungen offensichtlich unzutreffend gewesen wären. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen echten Werkvertrag abgeschlossen hatten, für welchen die Beigeladenen zu 4) bis 8) eingesetzt werden sollten. Es handelte sich dabei nicht um einen Dienstvertrag, bei welchem Arbeitnehmer auf Zeit in Anspruch genommen werden sollten, sondern es waren einzelne Gewerke abgrenzbarer Art bezeichnet, deren Umfang und Vergütung detailliert festgelegt wurden. Darüber hinaus hatte die Beigeladene zu 3) die erforderlichen Arbeitserlaubnisse erteilt. Im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigungen PL-D 101 gab es somit keinen Anhaltspunkt, deren Richtigkeit zu bezweifeln; für offensichtliches Nichtzutreffen fehlt es an Anhaltspunkten.
Die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber der Klägerin nach deutschem Recht ist somit gem § 6 SGB IV nicht möglich.
Auf die Berufung der Klägerin waren deshalb die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut aufzuheben ebenso wie der streitige Bescheid/Widerspruchsbescheid.
Die Kostenentscheidung für das seit 14.03.2001 rechtshängige Verfahren folgt § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
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