Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 591/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 40/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Dezember 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht einen (möglichen) Unterhaltsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger übergeleitet hat.
Der 1958 geborene Kläger war mit der Beigeladenen verheiratet. Die Ehe wurde am 23.09.2004 geschieden. Die Beklagte gewährte der Beigeladenen ab 08.11.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von mo-natlich 759,40 EUR. Diese lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 2004 geborenen Sohn, dessen Vater nicht der Kläger ist. Mit Schreiben vom 25.07.2005 war der Beigeladenen von ihrem früheren Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2005 gekündigt worden. Diese Kündigung hat sie vor dem Arbeitsgericht A. mit der Begründung angefochten, die Beziehung zum Vater ihres Sohnes sei zerbrochen und dieser sei aus der gemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen. Deshalb habe sie die gesamte Elternzeit entgegen ihrer ursprünglichen Vereinbarung in Anspruch nehmen müssen. Der Vater des Kindes zahlt für seinen Sohn monatlich 200,00 EUR Unterhalt.
Mit Bescheid vom 08.11.2005 leitete die Beklagte den Unter-haltsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger auf sich über. Mit seinem Widerspruch vom 24.11.2005 machte der Kläger gel-tend, er hätte am 07.11.2003 mit seiner geschiedenen Frau eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen. In die-ser sei für den Fall der Scheidung ein gegenseitiger Verzicht auf jegliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Schei-dung auch für den Fall der Not vereinbart worden. Eine Rück-rechnung des Empfängniszeitraums ergebe eine massive Verletzung der ehelichen Treuepflicht durch die Beigeladene. Aufgrund die-ser Umstände sei ein Unterhaltsanspruch verwirkt. Der Wider-spruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, die Rechtmäßig-keit des Anspruchsübergangs hänge nicht davon ab, ob ein Unter-haltsanspruch bestehe, sondern nur davon, dass ein solcher An-spruch bestehen könne.
Mit seiner am 16.12.2005 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erho-benen Klage machte der Kläger geltend, die Beigeladene habe keinen Unterhaltsanspruch gegen ihn, weil ein solcher durch die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung ausgeschlossen worden sei. Die Beigeladene habe ihre Berufstätigkeit aufgegeben, um sich um ihr Kind zu kümmern, dessen Vater er nicht sei. Zwi-schen dem Auszug der Beigeladenen aus der gemeinsamen Wohnung im August 2003 und dem Bezug von Leistungen würden mehr als zwei Jahre liegen.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18.12.2006 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, nach stän-diger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Rechtmäßigkeit der Überleitung grundsätzlich nicht vom Bestehen und dem Umfang des übergeleiteten Anspruches abhängig. Rechtswidrigkeit liege nur dann vor, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruches nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitungsanzeige selbst erkennbar sinnlos sei (sog. Negativevidenz). Ein solcher Fall sei hier gegeben. Gemäß § 1570 BGB könne ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, wenn von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden könne. Bei dem Sohn handele es sich nicht um das Kind des Klägers. Alle anderen Vorschriften zum Geschiedenen-Unterhalt seien ganz offensichtlich nicht einschlägig. Darüber hinaus liege ein Unterhaltsverzicht vor. Dieser sei im November 2003 notariell vereinbart worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem nicht absehbar gewesen sei, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers jemals Leistungen nach dem SGB II beziehen müsste. Die Trennung vom Kindesvater, mit dem sie nicht verheiratet sei, mit dem sie aber in der Folge-zeit zusammengelebt habe, sei zu dieser Zeit nicht absehbar ge-wesen. Die Beigeladene sei unter Berücksichtigung des arbeits-gerichtlichen Verfahrens davon ausgegangen, dass sie mit diesem zusammenleben würde. Dies habe sie auch für eine gewisse Zeit getan. Ein Unterhaltsanspruch liege deshalb ganz offensichtlich nicht vor.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10.01.2007 zugestellte Urteil am 31.01.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, für die Rechtmäßigkeit der Überleitung sei das Bestehen eines Unterhaltsanspruches nicht Voraussetzung. Es sei nicht Sache der Sozialgerichtsbarkeit, das Bestehen und die Höhe eines übergeleiteten bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches nachzuprüfen. Es genüge, dass eine Unterhaltspflicht einer potentiell unterhaltspflichtigen Person in Betracht komme, weil als "Unterhaltspflichtige" alle Personen anzusehen seien, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kämen, d.h. nicht offensichtlich ausscheiden würden. Ein Anspruchsübergang dürfe nur dann nicht erfolgen, wenn er völlig und absolut eindeutig abwegig sei. Für die Rechtmäßigkeit der Überleitung genüge es, dass nach objektivem Recht abstrakt-begrifflich das Vorhandensein eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches in Betracht komme. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Unter-haltsverzicht wirksam oder etwa wegen einer möglichen Schädi-gungsabsicht zu Lasten der öffentlichen Hand wegen Sittenwid-rigkeit nichtig (§ 138 BGB) bzw. aufgrund der nach dem Verzicht eintretenden Entwicklung unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sei, bleibe der Ent-scheidung der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen seinen bisherigen Sachvortrag. Das SG habe überzeugend ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch der Beigeladenen gegen ihn offensichtlich nicht gegeben sei.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und die Ge-richtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; weil keine Geldleistungen streitig sind (§ 144 Abs. 1 Sozialge-richtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist auch begründet, weil die vom Kläger angegrif-fenen Bescheide rechtmäßig sind.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.07.2006 gel-tenden und hier noch anzuwendenden Fassung konnte ein Leis-tungsträger durch schriftliche Anzeige an einen anderen bewir-ken, dass ein Anspruch, den ein Empfänger von Leistungen gegen den anderen hat, bis zur Höhe der erbrachten Leistungen auf ihn übergeht.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die sog. Negativ-evidenz einer Überleitungsanzeige nach § 33 SGB II entgegenste-hen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts zum Sozialhilferecht, der sich der Senat anschließt, ist - ebenso wie die Überleitung des Unterhaltsan-spruchs nach § 33 SGB II - das Auskunftsverlangen erst dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht besteht (sog. Negativevidenz; vgl. BVerwGE 91, 375; BVerwGE 92, 330). Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt also nicht voraus, dass der übergeleitete oder zur Überleitung vor-gesehene Unterhaltsanspruch tatsächlich besteht. Vielmehr soll die Auskunft den Leistungsträger erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsan-spruchs möglich und sinnvoll ist. Übergeleitet wird hingegen lediglich ein vermuteter bzw. behauptete Anspruch (vgl. Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 33 RdNr. 19). Die Frage, ob der Unterhaltsanspruch tatsächlich besteht, ggf. in welcher Hö-he, ist also erst in einem sich ggf. anschließenden familienge-richtlichen Verfahren zu klären.
Im Hinblick auf den Leistungsbezug der Beigeladenen liegen kei-ne Anhaltspunkte dafür vor, dass sie in der Lage wäre, sich aus ihrem Einkommen oder Vermögen selbst zu unterhalten (§ 1577 Abs. 1 BGB).
Die Negativevidenz lässt sich nicht allein damit begründen, dass die Beigeladene auf die Zahlung nachehelichen Unterhaltes verzichtet hat. Es wäre nämlich zu klären, ob ein derartiger Verzicht sich nicht wegen seiner Wirkungen zu Lasten der Be-klagten als sittenwidrig (§ 138 BGB) bzw. die Berufung auf ihn als treuwidrig (§ 242 BGB) erweisen würde. Ob bei Abschluss des Unterhaltsverzichts tatsächlich keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, das die Beigeladene bedürftig werden würde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen; denn sie war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger, sodass es nicht völlig auszu-schließen war, dass sie wegen der Betreuung ihres Kindes ihren Arbeitsplatz verlieren würde. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 103, 89) - wenn auch zu einem ehelichen Kind - entschieden, dass es der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden Mutter gebiete, eine ehevertragliche Vereinbarung ei-ner besonderen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Zwar dürfte wohl mehr dagegen als dafür sprechen, dass der Bei-geladenen ein Unterhaltsanspruch zusteht, dass ein solcher mög-licherweise bestehen kann, lässt sich jedoch nicht vollständig ausschließen, sodass die Negativevidenz aufgrund des Unter-haltsverzichts nicht offensichtlich ist.
Als mögliche Anspruchsgrundlage für einen solchen Unterhaltsan-spruch kommt zumindest § 1576 BGB in Betracht. Von der Beigela-denen kann wegen ihres Kindes keine Erwerbstätigkeit verlangt werden. Nach Maurer (in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1576 RdNr 5 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1986, 364) kann die Betreuung eines eigenen, nicht gemeinschaftlichen Kindes - auch Ehebruchskindes - durch einen Ehegatten die Annahme eines "sonstigen schweren Grundes" im Sinne des § 1576 BGB rechtfertigen. Zwar lebte in dem vom BGH entschiedenen Fall das Kind mit Zustimmung des geschiedenen Ehegatten in dessen Haushalt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass auch bei der Beigeladenen ein sonstiger schwerer Grund vorliegen kann und die Versagung von Unterhalt grob unbillig wäre.
Eine mögliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers ist auch nicht evident durch § 1579 BGB ausgeschlossen. In Betracht käm-me ein "anderer Grund" im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB aufgrund einer anderweitigen nichtehelichen Beziehung der Beigeladenen. Dadurch, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung mit einem anderen Partner eine intime Beziehung eingeht, wird nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1989, 1083) ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Unterhaltsanspruch durch § 1579 Nr. 7 BGB selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Beziehung bereits längere Zeit andauerte. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Zuwendung zum neuen Partner bereits während der Ehe erfolgte. Dies setzt aber voraus, dass es sich um ein eindeutiges bei dem Unterhaltsberechtigten liegendes Fehlverhalten im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB handelte. Ob dies der Fall ist, steht nicht fest. Ob die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt sind, kann allein in einem familiengerichtlichen Verfahren geprüft werden. Zudem muss der Tatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB gegebenenfalls nicht zwingend zu einem Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen, sondern kann je nach Lage des Einzelfalles lediglich auch nur eine Minderung des Anspruchs rechtfertigen.
Obwohl mehr gegen als für einen Unterhaltsanspruch spricht, war das Urteil des SG daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG auf-zuheben.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht einen (möglichen) Unterhaltsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger übergeleitet hat.
Der 1958 geborene Kläger war mit der Beigeladenen verheiratet. Die Ehe wurde am 23.09.2004 geschieden. Die Beklagte gewährte der Beigeladenen ab 08.11.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von mo-natlich 759,40 EUR. Diese lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 2004 geborenen Sohn, dessen Vater nicht der Kläger ist. Mit Schreiben vom 25.07.2005 war der Beigeladenen von ihrem früheren Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2005 gekündigt worden. Diese Kündigung hat sie vor dem Arbeitsgericht A. mit der Begründung angefochten, die Beziehung zum Vater ihres Sohnes sei zerbrochen und dieser sei aus der gemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen. Deshalb habe sie die gesamte Elternzeit entgegen ihrer ursprünglichen Vereinbarung in Anspruch nehmen müssen. Der Vater des Kindes zahlt für seinen Sohn monatlich 200,00 EUR Unterhalt.
Mit Bescheid vom 08.11.2005 leitete die Beklagte den Unter-haltsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger auf sich über. Mit seinem Widerspruch vom 24.11.2005 machte der Kläger gel-tend, er hätte am 07.11.2003 mit seiner geschiedenen Frau eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen. In die-ser sei für den Fall der Scheidung ein gegenseitiger Verzicht auf jegliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Schei-dung auch für den Fall der Not vereinbart worden. Eine Rück-rechnung des Empfängniszeitraums ergebe eine massive Verletzung der ehelichen Treuepflicht durch die Beigeladene. Aufgrund die-ser Umstände sei ein Unterhaltsanspruch verwirkt. Der Wider-spruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, die Rechtmäßig-keit des Anspruchsübergangs hänge nicht davon ab, ob ein Unter-haltsanspruch bestehe, sondern nur davon, dass ein solcher An-spruch bestehen könne.
Mit seiner am 16.12.2005 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erho-benen Klage machte der Kläger geltend, die Beigeladene habe keinen Unterhaltsanspruch gegen ihn, weil ein solcher durch die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung ausgeschlossen worden sei. Die Beigeladene habe ihre Berufstätigkeit aufgegeben, um sich um ihr Kind zu kümmern, dessen Vater er nicht sei. Zwi-schen dem Auszug der Beigeladenen aus der gemeinsamen Wohnung im August 2003 und dem Bezug von Leistungen würden mehr als zwei Jahre liegen.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18.12.2006 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, nach stän-diger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Rechtmäßigkeit der Überleitung grundsätzlich nicht vom Bestehen und dem Umfang des übergeleiteten Anspruches abhängig. Rechtswidrigkeit liege nur dann vor, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruches nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitungsanzeige selbst erkennbar sinnlos sei (sog. Negativevidenz). Ein solcher Fall sei hier gegeben. Gemäß § 1570 BGB könne ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, wenn von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden könne. Bei dem Sohn handele es sich nicht um das Kind des Klägers. Alle anderen Vorschriften zum Geschiedenen-Unterhalt seien ganz offensichtlich nicht einschlägig. Darüber hinaus liege ein Unterhaltsverzicht vor. Dieser sei im November 2003 notariell vereinbart worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem nicht absehbar gewesen sei, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers jemals Leistungen nach dem SGB II beziehen müsste. Die Trennung vom Kindesvater, mit dem sie nicht verheiratet sei, mit dem sie aber in der Folge-zeit zusammengelebt habe, sei zu dieser Zeit nicht absehbar ge-wesen. Die Beigeladene sei unter Berücksichtigung des arbeits-gerichtlichen Verfahrens davon ausgegangen, dass sie mit diesem zusammenleben würde. Dies habe sie auch für eine gewisse Zeit getan. Ein Unterhaltsanspruch liege deshalb ganz offensichtlich nicht vor.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10.01.2007 zugestellte Urteil am 31.01.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, für die Rechtmäßigkeit der Überleitung sei das Bestehen eines Unterhaltsanspruches nicht Voraussetzung. Es sei nicht Sache der Sozialgerichtsbarkeit, das Bestehen und die Höhe eines übergeleiteten bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches nachzuprüfen. Es genüge, dass eine Unterhaltspflicht einer potentiell unterhaltspflichtigen Person in Betracht komme, weil als "Unterhaltspflichtige" alle Personen anzusehen seien, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kämen, d.h. nicht offensichtlich ausscheiden würden. Ein Anspruchsübergang dürfe nur dann nicht erfolgen, wenn er völlig und absolut eindeutig abwegig sei. Für die Rechtmäßigkeit der Überleitung genüge es, dass nach objektivem Recht abstrakt-begrifflich das Vorhandensein eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches in Betracht komme. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Unter-haltsverzicht wirksam oder etwa wegen einer möglichen Schädi-gungsabsicht zu Lasten der öffentlichen Hand wegen Sittenwid-rigkeit nichtig (§ 138 BGB) bzw. aufgrund der nach dem Verzicht eintretenden Entwicklung unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sei, bleibe der Ent-scheidung der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen seinen bisherigen Sachvortrag. Das SG habe überzeugend ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch der Beigeladenen gegen ihn offensichtlich nicht gegeben sei.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und die Ge-richtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; weil keine Geldleistungen streitig sind (§ 144 Abs. 1 Sozialge-richtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist auch begründet, weil die vom Kläger angegrif-fenen Bescheide rechtmäßig sind.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.07.2006 gel-tenden und hier noch anzuwendenden Fassung konnte ein Leis-tungsträger durch schriftliche Anzeige an einen anderen bewir-ken, dass ein Anspruch, den ein Empfänger von Leistungen gegen den anderen hat, bis zur Höhe der erbrachten Leistungen auf ihn übergeht.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die sog. Negativ-evidenz einer Überleitungsanzeige nach § 33 SGB II entgegenste-hen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts zum Sozialhilferecht, der sich der Senat anschließt, ist - ebenso wie die Überleitung des Unterhaltsan-spruchs nach § 33 SGB II - das Auskunftsverlangen erst dann rechtswidrig, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht besteht (sog. Negativevidenz; vgl. BVerwGE 91, 375; BVerwGE 92, 330). Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt also nicht voraus, dass der übergeleitete oder zur Überleitung vor-gesehene Unterhaltsanspruch tatsächlich besteht. Vielmehr soll die Auskunft den Leistungsträger erst in die Lage versetzen zu prüfen, ob eine gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsan-spruchs möglich und sinnvoll ist. Übergeleitet wird hingegen lediglich ein vermuteter bzw. behauptete Anspruch (vgl. Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 33 RdNr. 19). Die Frage, ob der Unterhaltsanspruch tatsächlich besteht, ggf. in welcher Hö-he, ist also erst in einem sich ggf. anschließenden familienge-richtlichen Verfahren zu klären.
Im Hinblick auf den Leistungsbezug der Beigeladenen liegen kei-ne Anhaltspunkte dafür vor, dass sie in der Lage wäre, sich aus ihrem Einkommen oder Vermögen selbst zu unterhalten (§ 1577 Abs. 1 BGB).
Die Negativevidenz lässt sich nicht allein damit begründen, dass die Beigeladene auf die Zahlung nachehelichen Unterhaltes verzichtet hat. Es wäre nämlich zu klären, ob ein derartiger Verzicht sich nicht wegen seiner Wirkungen zu Lasten der Be-klagten als sittenwidrig (§ 138 BGB) bzw. die Berufung auf ihn als treuwidrig (§ 242 BGB) erweisen würde. Ob bei Abschluss des Unterhaltsverzichts tatsächlich keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, das die Beigeladene bedürftig werden würde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen; denn sie war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger, sodass es nicht völlig auszu-schließen war, dass sie wegen der Betreuung ihres Kindes ihren Arbeitsplatz verlieren würde. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 103, 89) - wenn auch zu einem ehelichen Kind - entschieden, dass es der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden Mutter gebiete, eine ehevertragliche Vereinbarung ei-ner besonderen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Zwar dürfte wohl mehr dagegen als dafür sprechen, dass der Bei-geladenen ein Unterhaltsanspruch zusteht, dass ein solcher mög-licherweise bestehen kann, lässt sich jedoch nicht vollständig ausschließen, sodass die Negativevidenz aufgrund des Unter-haltsverzichts nicht offensichtlich ist.
Als mögliche Anspruchsgrundlage für einen solchen Unterhaltsan-spruch kommt zumindest § 1576 BGB in Betracht. Von der Beigela-denen kann wegen ihres Kindes keine Erwerbstätigkeit verlangt werden. Nach Maurer (in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1576 RdNr 5 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1986, 364) kann die Betreuung eines eigenen, nicht gemeinschaftlichen Kindes - auch Ehebruchskindes - durch einen Ehegatten die Annahme eines "sonstigen schweren Grundes" im Sinne des § 1576 BGB rechtfertigen. Zwar lebte in dem vom BGH entschiedenen Fall das Kind mit Zustimmung des geschiedenen Ehegatten in dessen Haushalt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass auch bei der Beigeladenen ein sonstiger schwerer Grund vorliegen kann und die Versagung von Unterhalt grob unbillig wäre.
Eine mögliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers ist auch nicht evident durch § 1579 BGB ausgeschlossen. In Betracht käm-me ein "anderer Grund" im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB aufgrund einer anderweitigen nichtehelichen Beziehung der Beigeladenen. Dadurch, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung mit einem anderen Partner eine intime Beziehung eingeht, wird nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1989, 1083) ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Unterhaltsanspruch durch § 1579 Nr. 7 BGB selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Beziehung bereits längere Zeit andauerte. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Zuwendung zum neuen Partner bereits während der Ehe erfolgte. Dies setzt aber voraus, dass es sich um ein eindeutiges bei dem Unterhaltsberechtigten liegendes Fehlverhalten im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB handelte. Ob dies der Fall ist, steht nicht fest. Ob die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt sind, kann allein in einem familiengerichtlichen Verfahren geprüft werden. Zudem muss der Tatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB gegebenenfalls nicht zwingend zu einem Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen, sondern kann je nach Lage des Einzelfalles lediglich auch nur eine Minderung des Anspruchs rechtfertigen.
Obwohl mehr gegen als für einen Unterhaltsanspruch spricht, war das Urteil des SG daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG auf-zuheben.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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