L 12 KA 570/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 176/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 570/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 41/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Befreiung von der Begründungspflicht im Gutachterverfahren für Anträge auf psychotherapeutische Kurzzeittherapie.

Der Kläger ist als Nervenarzt in A. seit 1988 vertragsärztlich tätig.

Nach den seit dem 1. Januar 1999 geltenden Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinien - PsychthRL - ) in der Fassung vom 11. Dezember 1998 (BAnz 1999 Nr. 6) , zuletzt geändert durch Bek. vom 20. April 2004 (BAnz 2004 Nr. 130) erfolgt die Feststellung der Leistungspflicht für die vertragsärztlich anerkannten psychotherapeutischen Behand-lungsverfahren durch die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten. Zu diesem Antrag hat der Psychotherapeut vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mitzuteilen, die Indikation zu begründen und Art und Umfang der geplanten Therapie zu beschreiben (F II Nr. 1.PsychthRL). Zusätzlich ist bei Kurz- und Langzeittherapien nach den Abschnitten B I Nr. 1.1 (psychoanalytisch begründete Verfahren) und B I Nr. 1.2 (Verhaltenstherapie) der Antrag zu begründen und durch einen Gutachter zu prüfen (F III. Nr. 1). Von dieser Begründungspflicht können Therapeuten für Kurzzeittherapie befreit werden, wenn sie für das jeweilige Verfahren 35 Therapiegenehmigungen im Gutachterverfahren gemäß diesen bzw. den bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Richtlinien aufgrund von Erstanträgen von Patienten ihrer KÄV vorlegen und die persönliche Durchführung der Therapie nachweisen (F III Nr. 2 S. 1 u. 2 PsychthRL).

Während diese Richtlinien zum 1. Januar 1999 in Kraft traten, trat der Abschnitt F III, soweit er sich auf die Gutachterpflicht von Kurzzeittherapie bezieht, erst zum 1. Januar 2000 in Kraft (I. Nr. 1 PsychthRL).

Bereits nach den bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Richtlinien - PsychthRL a.F. - (Neufassung vom 3. Juli 1987) stand die psychotherapeutische Behandlung grundsätzlich unter Genehmigungsvorbehalt, dem ein Antrag vorauszugehen hatte, der die Diagnosen zu nennen, sowie die Indikation nebst Art und Umfang der geplanten Behandlung zu beschreiben hatte (F I PsychthRL a.F.). Ein Gutachterverfahren war jedoch nicht für Kurzzeittherapien (bis 25 Stunden; E. Nr. 1.1.2), sondern nur für Langzeittherapien vorgesehen, wobei eine weitere Begründungspflicht nicht ausdrücklich auferlegt war. Jedoch hatte sich auch hier der Gutachter zur Frage der Erfüllung der Therapievoraussetzungen nach den Richtlinien zu äußern (F. II Nr. 1 Sätze 1 und 2 PyschthRL a.F.).

Der Kläger beantragte am 17. Mai/7. Juni 2000 die Befreiung von der Begründungspflicht bei Anträgen im Gutachterverfahren für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie jeweils als Einzelbehandlung bei Erwachsenen (Kurzzeittherapie). Er teilte mit, dass er die Voraussetzungen der neuen Psychotherapierichtlinien für die Befreiung nicht erfüllen könne, weil er in der Vergangenheit zwar regelmäßig Kurzzeitthera-pien, jedoch aus Wirtschaftlichkeitsgründen keine einzige Langzeittherapie erbracht habe, so dass er die geforderte Zahl an 35 Langzeittherapiegenehmigungen nicht nachweisen könne.

Der Antrag des Klägers wurde mit Bescheid vom 20. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2000 abgelehnt.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er hat vorgetragen, dass der Bundesausschuss keine Befugnis habe, einen derartig schweren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vorzunehmen. Daneben liege ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Patienten und Ärzte vor. Das Gutachterverfahren sei ohne Begehung von Straftaten nicht durchzuführen. Der Kläger hat einen von ihm verfassten Artikel im Deutschen Ärzteblatt (Sonderdruck 2002/99: PP 345 - 348 Heft 8) vorgelegt. Nach der (ebenfalls vorgelegten) Praxisstudie von Dr. K. erfasse das Gutachterverfahren primär das Formulierungsgeschick, nicht jedoch die Therapiequalität. Im Übrigen müsse er aus Besitzstandsgründen befreit werden.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, festzustellen, dass das Gutachterverfahren nach F III der Psychotherapie-Richtlinien sowohl für Kurz- als auch für Langzeittherapien gegen Artikel 1, Artikel 3 und 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz verstoße sowie festzustellen, dass das Gutachterverfahren für Psychotherapien rechtswidrig sei, sowie festzustellen, dass weder die Verfasser der Psychotherapie-Richtlinien in der Fassung vom 11. Dezember 1998 noch die Verfasser der Psychotherapie-Vereinbarung legitimiert seien, das Recht eines Patienten auf persönliche Begutachtung auszuschließen und zwingend eine ausschließliche Begutachtung nach Aktenlage einzuführen.

Mit Urteil vom 18. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Richtlinie beantragt habe, fehle es an einem Interesse an einer baldigen Feststellung. Dem Kläger sei zumutbar, im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage den Ablehnungsbescheid überprüfen zu lassen. Der Aufhebungsantrag betreffe nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, sondern die Aufhebung einer untergesetzlichen Norm. Eine allgemeine Leistungsklage sei nicht statthaft. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Aufhebungsantrag im Feststel-lungsantrag enthalten sei. Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorschriften über das Gutachterverfahren in den Psychotherapierichtlinien beantrage, fehle es ebenso an einem berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung. Zum dritten Antrag sei vorab zu prüfen, ob sich die Feststellungsklage nicht gegen den Bundesausschuss richten müsse. Da der Kläger jedoch die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage in Gestalt einer Befugnis- und Kompetenzabgrenzung zum Streit stelle, sei diese als unzulässig anzusehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Die nunmehr beauftragte Prozessbevollmächtigte trägt vor, dass der Kläger gegen die Versagung der Bescheide mit Schreiben vom 16. November 2000 Klage zum Sozialgericht München erhoben habe und dabei sinngemäß Feststellungsanträge hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Gutachterverfahrens für Psychotherapie formuliert habe. Mit der Klage habe er aber ausdrücklich auch seinen Anspruch auf Befreiung von der Gutachterpflicht für Kurzzeitpsychotherapien weiterverfolgt. Hier wäre der Kläger auf eine zutreffende Formulierung seiner Anträge hinzuweisen gewesen. Die umfangreiche Begründungspflicht mache für einen voll ausgelasteten Vertragsarzt die Erbringung von Kurzzeittherapien faktisch unmöglich. Ein derartig schwerer Eingriff in Art. 12 GG sei unverhältnismäßig. Es würden gleichheitswidrig psychotherapeutisch Tätige belastet, während die ärztliche Behandlung keiner Genehmigung bedürfe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2000 aufzuheben sowie festzustellen, dass das Gutachterverfahren nach F III der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung in der Fassung vom 23. Oktober 1998 rechtswidrig ist, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Gutachterpflicht für die Kurzzeittherapie, für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen sowie für die Verhaltenstherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozialgerichts München Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

In seiner Klageschrift vom 167. November hat der Kläger ausdrücklich Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten zum 24. Oktober 2000 betreffend die Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Gutachterpflicht für Kurzzeittherapien erhoben. Er hat in der Folgezeit Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der entsprechenden Abschnitte der Psychotherapie-Richtlinien, jedoch keinen Anfechtungsantrag hinsichtlich des Versagungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides gestellt. Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat er auch keinen Verpflichtungsantrag auf Befreiung gestellt, weil er die Begründungspflicht für rechtswidrig hält, so dass er - seiner Auffassung nach - einer Befreiung nicht bedarf.

Nach § 153 Abs.1 i.V.m. § 123 SGG entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Entsprechend seinem Vortrag, der auf die Rechtswidrigkeit der Psychotherapie-Richtlinien in Abschnitt F III abstellt und angesichts der Bezeichnung des Widerspruchsbescheides, der über den erhobenen Anspruch auf Befreiung von der Begründungspflicht im Gutachterverfahren entscheidet, ist der erhobenen Anspruch dahin auszulegen, dass sowohl die Anfechtung der bezeichneten Bescheide als auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Gutachterverfahrens in Abschnitt F III der Psychotherapie-Richtlinien n.F. zur Disposition des Sozial-gerichts gestellt worden ist. Daneben ist anzunehmen, dass der Kläger für den Fall der Nichtstattgabe des Begehrens auch einen Verpflichtungsanspruch auf Befreiung von der Gutachterpflicht erhoben hat. Die Berufung ist nicht deshalb unzulässig, weil das Sozialgericht in rechtsirrtümlicher Auslegung des Klagebegehrens den Anfechtungsantrag und den hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag ausgeklammert hat. Hat das Gericht einen gestellten Antrag unrichtig ausgelegt, so stellt seine Entscheidung ein Vollendurteil dar, welches mit dem jeweils gegebenen Rechtsmittel angefochten werden kann (Mayer-Ladewig, SGG, § 140 Rdnr. 2 c, unter Hinweis auf BSGE 9, 80, BVerwG SGB 93, 421 und BVerwG vom 25. August 1992, 7 B 58/92, Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 7).

Die Berufung erweist sich jedoch hinsichtlich der gestellten Hauptanträge als unbegründet.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags ergibt sich die Unbegründetheit jedoch nicht daraus, dass es an der Statthaftigkeit oder einem Feststellungsinteresse fehlt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von untergesetzlichen Rechtssätzen mit Hilfe der Feststellungsklage statthaft (BVerwG 111, 276, 278; BSG Urteil vom 13. Januar 1993, 14a/6 RKa 67/91 = SozR 3-2500 § 88 Nr. 2), soweit die Anknüpfung an ein zugrundeliegendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien erhalten bleibt. Die Anerkennung einer solchen Feststellungsklage mit einem derartigen Klageziel stellt keinen Bruch mit dem System fachgerichtlichen Rechtsschutzes dar und führt insbesondere nicht zur Einführung einer im Sozialgerichtsgesetz bisher nicht bekannten Klageart. Sie rechtfertigt sich im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG daraus, dass Streitgegenstand die Anwendung der Rechtsnorm auf einen bestimmten Sachverhalt ist, so dass die Frage nach der Rechtsmäßigkeit der Norm lediglich als streitentscheidende Vorfrage aufgeworfen wird.

Ein Feststellungsinteresse besteht dann, wenn etwa der Kläger durch einen Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag keinen wirksameren oder gleich wirksamen Schutz erlangen kann, weil etwa im Zusammenhang mit einer vom Kläger behaupteten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Artikel 3 GG nicht zwingend eine Erstreckung der Begünstigung auf den Kläger ausgesprochen werden muss. Daneben ist erforderlich, dass der Kläger bereits durch die normative Regelung und nicht erst infolge eines gesonderten Vollzugsaktes der öffentlichen Gewalt beschwert ist.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Vorbringen des Klägers nicht durch einen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag, gerichtet auf Befreiung von der Gutachterpflicht, Rechnung getragen werden kann. Wenn seinem Vor-bringen gefolgt werden könnte, wäre die Begründungspflicht im Gutachterverfahren selbst unwirksam mit der Folge, dass ein Anspruch auf Befreiung ins Leere liefe.

Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Denn Abschnitt F.III. Nr. 1. der Psychotherapie-Richtlinien in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung verstößt nicht gegen höher-rangiges Recht.

Insbesondere erscheint Art. 12 GG ist nicht verletzt.

Dabei kann der Senat offen lassen, ob überhaupt der Schutzbereich des Grundrechts tangiert ist, weil es sich um eine Regelung mit objektiv berufsregelnder Tendenz handelt. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz des Grundrechts ist zwar umfassend angelegt, schützt andererseits aber nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es genügt nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfaltet, was bei vielen Normen der Fall ist. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt erst dann vor, wenn die Norm selbst oder darauf gestützte Maßnahme berufsregelnde Tendenz hat (BVerfGE 70, 191, 214; 95, 267, 302). Dabei muss die Berufstätigkeit nicht unmittelbar betroffen sein. Vielfach lassen Regelungen diese selbst unmittelbar unberührt, verändern aber deren Rahmenbedingungen. Der Berufsbezug erscheint nur dann gegeben, wenn die Norm oder darauf gestützte Maßnahmen in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und so eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (BVerfGE 95, 267, 302).

Aber selbst dann, wenn man den Schutzbereich des Grundrechts als berührt ansieht, stellt das Gutachterverfahren, in dessen Zusammenhang die Begründungspflicht besteht, keinen Eingriff in die Berufswahl im Sinne von Artikel 12 Abs. 1 GG dar, sondern betrifft lediglich die Berufsausübung.

Der Grundsatz des Vorbehalts der Grundrechtsbeschränkung durch ein Gesetz bzw. aufgrund eines Gesetzes ist nicht verletzt. Die Regelung ist durch die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 6a SGB V gedeckt. Danach hat der Bundesausschuss/GBA in Richtlinien die Einzelheiten über die ärztliche Behandlung und das Nähere über das psychotherapeutische Antrags- und Gutachterverfahren zu regeln.

Bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Berufsausübungsregelungen im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt ist die Wesentlichkeitstheorie zu beachten. Geht es um Berufsausübungspflichten, die sich wesentlich und intensiv auf die Rechte Dritter auswirken, müssen auch sie vom Gesetzgeber geregelt werden (BVerfGE 101, 312, 323). Das Bundessozialgericht hat zur Abgrenzung wesentlicher Berufsausübungseingriffe darauf abgestellt, ob mit den Berufsausübungsregelungen in den Zulassungsstatus eingegriffen wird (statusrelevante Berufsausübungsregelungen). Der Gesetzgeber ist bei solchen Eingriffen verpflichtet, die für Grundrechtsausübung wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und die Schrankenbestimmungen nicht anderen Stellen zu überlassen. Soweit zum Erlass berufsregelnder Vorschriften in untergesetzlichen Normen ermächtigt wird, muss die gesetzliche Regelung so gefasst sein, dass sie Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt (BSG vom 20. März 1996 6 R KA 21/95 SozR 3-5540 § 25 Nr. 2).

Der angegriffene Abschnitt F.III. Nr. 1. der Psychotherapie-Richtlinien normiert aber - im Rahmen des durch die Feststellungsklage nicht angegriffenen Genehmigungsvorbehalts - nichts anders als ein Gutachterverfahren und eine Begründungspflicht hierzu, von der nach Maßgabe der Nr. 2 befreit werden kann. Genehmigungsvorbehalt und Antragsverfahren werden durch die Norm nicht geregelt. Abschnitt F.III. PsychthRL greift nicht in den Teilnahmestatus, mithin in das Erbringendürfen von Leistungen im Sinne eines Abrechnungsausschlusses ein, sondern verpflichtet im Rahmen des anderweitig geregelten Genehmigungsvorbehaltes zu einer Begründung des Genehmigungsantrages. Sie bezweckt eine Überprüfung des Antrages auf Richtlinienkonformität im Rahmen eines vereinbarten Gutachterverfahrens. Damit werden nicht die Erlaubnis zum Erbringen psychotherapeutischer Leistungen beschnitten, sondern nur zusätzliche Formalerfordernisse im Rahmen des Genehmigungsverfahrens aufgestellt.

Für eine nicht statusrelevante Berufsausübungsregelung genügt jedoch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs.6a SGB V, wonach der Bundesausschuss/ Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien die Einzelheiten über die psychotherapeutische Versorgung, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren und das Antrags- und Gutachterverfahren zu regeln hat.

Auch erscheint die Norm vor Art. 12 GG durch einen legitimen Zweck sachlich gerechtfertigt. Berufsausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (BVerfGE 68, 193, 218; 77, 308, 332). Grundsätzlich lässt die Verfassung dem Gesetzgeber bei Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an Freiheit. Die Gestaltungsfreiheit ist noch weiter, wenn die beanstandete Regelung nicht - wie hier - auf die Berufsregelung zielt, sondern anderen Zwecken dient (BVerfGE 46, 120, 145; 77, 308, 332).

Dem Begründungserfordernis einschließlich den Voraussetzungen für eine Befreiung liegen genügende ausreichende Gründe des Gemeinwohls zugrunde. Die Regelungen zum Gutachterverfahren bzw. zur Begründungspflicht in Verbindung mit der Befreiungsmög-lichkeit dienen der Qualitätssicherung bei der Durchführung psychotherapeutischer Richtlinienverfahren. Der Bundesausschuss geht erkennbar davon aus, dass diejenigen Therapeuten, die sich bereits mit einer entsprechenden Zahl von Gutachterberichten im jeweiligen Verfahren auseinandergesetzt haben, solche Therapieverfahren besser planen können als diejenigen, die über entsprechendes Erfahrungen noch nicht verfügen. Dabei ist er von der Notwendigkeit ausgegangen, nunmehr auch die Kurzzeittherapien in die Qualitätssicherung einzubeziehen. Nach seinen Erwägungen erscheinen nur diejenigen Psychotherapeuten, die entsprechende Erfahrungen besitzen, geeignet, in Zukunft prüfungslos Kurzzeittherapien durchzuführen.

Es ist insoweit Aufgabe des Normgebers zu entscheiden, ob und welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Im Rahmen der Berufsausübungsregelung ist ihm ein Beurteilungsspielraum sowohl bei der Gewichtung der Gemeinwohlbelange als auch bei deren Abwägung gegenüber der Intensität des Eingriffs eingeräumt. Die Qualitätssicherungsüberlegungen liegen innerhalb des dem Normgeber eingeräumten Beurteilungsspielraumes sowohl bei der Gewichtung der Gemeinwohlbelange, als auch bei der Entscheidung, wie er Maßnahmen im Interesses des Gemeinwohles ergreifen will. Im Übrigen wird die Begründungspflicht durch einen Befreiungsanspruch abgemildert, der dann greift, wenn der Therapeut ausreichende Erfahrungen in der Therapieerbringung nachweist.

Die Zwecke entsprechen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Begründungspflicht und Gutachterverfahren dienen dem legitimen Zweck der Aufrechterhaltung der Gesundheit der Versicherten durch Vermeidung nicht angezeigter Therapien und der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung und erscheinen zur Zweckerreichung geeignet.

Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung erscheint überdies zur Erreichung des Zweckes notwendig.

Auch die Verhältnismäßigkeit im engerem Sinne (Zumutbarkeit), d.h. ob der Zweck in einem Angemessenheitsverhältnis zu der Eingriffsintensität steht, ist gegeben. Berufsausübungsregelungen, noch dazu, wie hier, solche von fehlender Statusrelevanz und äußerst geringer Eingriffsintensität sind zumutbar, wenn einfache Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sie verlangen.

Auch Bestandsschutz- und Vertrauensschutzregelung zwingen den Normgeber nicht zur Herausnahme solcher psychotherapeutisch tätiger Leistungserbringer aus der Begründungspflicht, die vor Normerlass bereits Kurzzeittherapien in einem Richtlinienverfahren erbracht haben. Im Rahmen der Zumutbarkeitsrelation zwischen Intensität des Eingriffes und Gemeinwohlbelang kann es im Zusammenhang mit der Aufstellung von Qualitätssicherungserfordernis erforderlich sein, entsprechend vertragsärztlich Tätige von dem Eingriff auszunehmen. Dies insbesondere dann, wenn sich erwarten lässt, dass eine entsprechende Qualitätssicherung hinsichtlich der Erfahrungen der bisher ohne Qualitätssicherung tätigen Leistungserbringer nicht erforderlich ist, oder im Verhältnis zum zusätzlichen Nutzen zu einer unverhältnismäßigen Verzerrung der Berufsausübung führt. Insbesondere kann der Normgeber veranlasst sein, dann Übergangsfristen zu gewähren. Dies ist hier geschehen, weil der Bundesausschuss in Abschnitt I den Abschnitt F.III hinsichtlich der Begründungs- und Gutachterunterwerfungspflicht für Kurzzeittherapien erst ab dem 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt hat. Er hat dadurch den Therapeuten, die Kurzzeittherapie schon bisher erbracht haben, eine Übergangsfrist eingeräumt, sich mit den Begründungserfordernissen vertraut zu machen oder durch Erbringung von Therapien die für eine Befreiung noch fehlende Anzahl zu absolvieren. Aus der offenen Formulierung des Abschnitts F.III. Nr. 2 S. 2 PsychthRL "35 Therapiegenehmigungen ( ...) gemäß diesen bzw. den bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Richtlinien" ist zu schließen, das auch Kurzzeittherapien ab dem Zeitpunkt hierunter fallen, zu dem sie genehmigungspflichtig geworden sind. Im Hinblick auf die geringe Eingriffsintensität der Begründungspflicht erscheinen weitere Bestandsschutzregelungen nicht erforderlich.

Eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Gesetzgebers, die Übergangsregelung so zu gestalten, dass Erbringer von Kurzzeittherapien stets von den neuen und zulässigen Qualitätssicherungsanforderungen unbehelligt zu bleiben haben, besteht nicht. Vielmehr ist auch hier eine am Ziel der berufsausübungsbeschränkenden Maßnahmen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit orientierte Interessenabwägung vorzunehmen. Die Auferlegung einer Begründungspflicht auch für schon länger im Beruf stehende Ärzte erscheint aber nicht unzumutbar, zumal die Lösung der erkannten Qualitätssicherungsproblematik auf den Erfahrungen mit Erbringung und Abrechnung von Kurzzeittherapien durch die bisher zugelassenen Therapeuten beruht.

Auch Art. 3 GG erscheint nicht deshalb verletzt, weil etwa andere vertragsärztliche Therapien genehmigungs- und gutachtensfrei gestellt sind. Differenzierungskriterien ergeben sich bereits aus den Methoden selbst. Gutachter- und Genehmigungsvorbehalte werden sich bei Akut- oder Einmalbehandlungen situationsbedingt häufig verbieten oder stellen sich als ineffektiv dar. Von Ausnahmen abgesehen kommen sie nur in Betracht, wenn eine mehrere Arzt-/Patientenkontakte erfordernde Therapie zu deren Anfang planbar ist. Für solche Therapien sind Genehmigungs- und Gutachtervorbehalte auch außerhalb der psychotherapeutischen Versorgung vorgesehen (z.B. KFO, Prothetik).

Aus diesen Gründen ist die Berufung hinsichtlich des gestellten Feststellungsantrages bzgl. der Rechtswidrigkeit des Abschnittes F III der Psychotherapie-Richtlinien in der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung unbegründet.

Da der Gutachtervorbehalt nebst der Begründungspflicht bei bestehenden Befreiungsmöglichkeiten mit höherrangigem Recht vereinbar ist und der Kläger - unstreitig - die Befreiungsvoraussetzungen nicht erfüllt, konnte der Kläger auch mit seinem Anfechtungsantrag und seinem Hilfsantrag, gerichtet auf Verpflichtung der Erteilung einer Befreiung, nicht durchdringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG a.F. (Art. 17 6. SGG-Änderungsgesetz).

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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