Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 40/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 11/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für ein Pflegebett.
Der 1935 geborene Kläger ist in einem Wohnheim der Lebenshilfe e.V. untergebracht. Nach dem ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 19.01.2007 bestehen bei ihm ein frühkindlicher Hirnschaden, Zustand nach Hüfttotalendoprothese rechts, Osteoporose, Inkontinenz und Hyperlipidämie.
Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 10.10.2002 ist bezüglich der Krankheiten/Behinderungen am Stütz- und Bewegungsapparat festgestellt, dass beim Aufstehen und Gehen Hilfe nötig ist, und ferner im Bereich der Mobilität noch beim Ankleiden. Der Zeitbedarf im Bereich der Mobilität wird mit 14 Minuten pro Tag angegeben. Wegen eines weiteren Zeitbedarfs bei der Körperpflege (111 Minuten), Ernährung (8 Minuten) und hauswirtschaftlichen Versorgung (60 Minuten) ergab sich ein Gesamtzeitbedarf von 193 Minuten pro Tag. Das Gutachten empfahl die Anerkennung der Pflegestufe II seit Juli 2002. Dr. S. verordnete am 07.11.2002 zu Lasten der Pflegekasse ein Pflegebett wegen frühkindlichen Hirnschadens, Inkontinenz und seniler zunehmender Demenz; die Kosten für das Bett wurden vom Sanitätshaus U. GmbH (U.) mit 638,00 Euro angegeben.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.11.2002 die Kostenübernahme ab; das Pflegebett sei von der Behinderteneinrichtung vorzuhalten und könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Hiergegen legte der Betreuer am 20.12. 2002 Widerspruch ein. Bei dem Pflegebett handle es sich um ein individuelles Hilfsmittel, das ausschließlich vom Kläger in seinem Zimmer benutzt würde. Der Kläger sei durch die Hüftoperation in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Das Pflegebett könne von ihm selbst bedient werden und ermögliche eine erhöhte, selbstbestimmte Mobilität und Selbständigkeit. Der Kläger sei in einer Einrichtung der Behindertenhilfe untergebracht, bei der es um die Eingliederung in die Gemeinschaft und die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft gehe. Einrichtungen der Behindertenhilfe haben mit den Pflegekassen keine Versorgungsverträge geschlossen, die in irgendeiner Weise zum Vorhalten von Pflegehilfsmitteln verpflichten. Der Wohnheimplatz des Klägers werde über die Eingliederungshilfe vom Bezirk Schwaben finanziert. Die zwischen dem Bezirk und im Wohnheimträger (Lebenshilfe U. e.V.) geschlossene Leistungsvereinbarung sehe nicht die Bereitstellung von Hilfsmitteln an die Bewohner vor.
Nach nochmaliger Ablehnung des Antrags wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003 (sinngemäß) den Widerspruch zurück. Aus der Verpflichtung des Heimträgers, Pflegebedürftige ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen, ergebe sich eine Bereitstellungspflicht der Pflegeheime für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel. Hierdurch werde die Leistungspflicht der Krankenkasse eingeschränkt. Die über die Bereitstellungspflicht des Heimträgers hinausgehende Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse nur die Hilfsmittel, die nicht der Sphäre der vollstationären Pflege zuzurechen sind. Hierzu gehören die Hilfsmittel, die individuell auf den einzelnen Versicherten angepasst und nur von ihm sinnvoll genutzt werden können sowie Hilfsmittel, die zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses regelmäßig außerhalb der Heimsphäre erforderlich sind. Nach der gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen über die Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln vom 26.05.1997 seien die für den üblichen Betrieb notwendigen behindertengerechten Betten durch den Heimträger bereitzustellen. In dem Maße, in dem die Bereitstellungspflicht des Heimträgers zunimmt, werde die Leistungspflicht der Krankenkasse eingeschränkt. In der Einrichtung würden Schwerpflegebedürftige nicht lediglich ausnahmsweise aufgenommen. Die Bereitstellung des Pflegebetts stehe im Verantwortungsbereich des Heimträgers. Das Pflegebett diene nicht der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse sondern, habe eine pflegeerleichternde Wirkung.
Der Betreuer hat am 20.02.2003 beim Sozialgericht Augsburg (SG) für den Kläger Klage erhoben.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.05.2003 erneut ihre Leistungspflicht dem Grunde nach bestritten. Für die Leistungspflicht komme es auf die Leistungvereinbarung nach dem BSHG an. Je höher der Anteil an Schwer- und Schwerpflegebedürftigen ist, desto mehr Bedeutung gewinne für die Pflege innerhalb des gesamten Aufgabenspektrums einer Einrichtung auch die Vorhaltepflicht des Einrichtungsträgers für die dafür erforderlichen Hilfsmittel. Nach den tatsächlichen Verhältnissen seien nahezu 1/3 der Bewohner der Einrichtung schwer- oder sogar schwerstpflegebedürftig. Damit sei die Aufgabenstellung der Einrichtung nicht nur marginal von pflegerischen Inhalten geprägt.
Das SG hat mit Urteil vom 02.12.2002 die Klage abgewiesen. Selbst wenn Dr. S. das Pflegebett zu Recht verordnet hätte, sei die Beklagte hier nicht leistungspflichtig. Die Beigeladene komme ihrer Leistungspflicht nach dem SGB XI durch zur Verfügungstellung von monatlich 256,00 Euro an den Bezirk Schwaben als Heimkostenträger nach. Nach der Rechtsprechung des BSG habe bei vollstationärer Pflege der Träger des Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Die Leistungsvereinbarung nach dem BSHG stelle vor allem darauf ab, dass die freien Heimplätze regelmäßig für Kurzzeit- und Notaufnahme benötigt würden. Die tatsächliche Struktur der Bewohner des Heimes weiche hiervon jedoch erheblich ab. Das Auseinanderfallen der Leistungsvereinbarung vom 20.12.2001 mit der tatsächlichen Struktur der Bewohner lasse sich zwar nachvollziehen, der Charakter der vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen wandle sich aber in Teilbereichen zu einer vollstationären Einrichtung im Sinne des SGB XI. Bei dem hier gegebenen Strukturwandel sei es nicht Aufgabe der Krankenkassen durch zur Verfügungstellung eines Pflegebetts den vorrangig zuständigen Heimträger zu entlasten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägerbevollmächtigten vom 15.01.2004. Das Pflegebett werde es dem Kläger ermöglichen, eine weitergehende Selbständigkeit zu erreichen, indem er sich - ohne fremde Hilfe - aus liegender Position aufrichten könne. Der Kläger könne dann z.B. selbständig fernsehen. Unrichtig sei die Annahme des SG, das Behindertenwohnheim habe sich von einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung gewandelt. Das Wohnheim sei nach wie vor eine Einrichtung, in der behinderte Menschen in das Arbeitsleben und das Leben in einer Gemeinschaft eingegliedert werden sollen. Dem Konzept des Vereins Lebenshilfe e.V. sei nicht zu entnehmen, dass dieser Zweck aufgegeben werden solle. Nach dem Bayerischen Rahmenvertrag vom 15.07.1998 sei nicht geregelt, dass die Leistungen nach dem SGB V und nach dem SGB XI (mit Ausnahme von Leistungen nach § 43a SGB XI) durch den Einrichtungsträger erbracht werden müssen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Klägerbevollmächtige beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg im 02.12.2002 und den Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das beantragte Pflegebett zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Für das Aufrichten aus liegender Position zum Fernsehen gebe es die im Möbelfachhandel zu beziehenden üblichen elektrisch verstellbaren Betten. Insoweit gehe es um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Der MDK habe im Gutachten einen Hilfebedarf beim Lagern nicht festgestellt. Da es bereits an den Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung nach dem SGB V fehle, komme es nicht mehr wesentlich darauf an, dass der Kläger in einem Behindertenwohnheim wohnt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 31.05.2006 Prozesskostenhilfe gewährt und den Klägerbevollmächtigten beigeordnet.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten, des SG sowie der Rahmenvertrag für teilstationäre und stationäre Einrichtungen für die Zeit ab 2005 und die Vergütungsvereinbarung zwischen der Lebenshilfe e.V. und dem Sozialhilfeträger nach dem SGB XII vom 02.05.2005. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und Unterlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 Euro (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Der Senat konnte mit Einwilligung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für das geltend gemachte Pflegebett.
Gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Für nicht durch S. 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 SGB V unberührt. In § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V ist vorgesehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss u.a. Richtlinien über die ärztliche Verordnung von Hilfsmittel beschließt. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V gehört die Verordnung von Hilfsmitteln zur vertragsärztlichen Versorgung.
Es fehlt zunächst an einer vertragsärztlichen Verordnung des Pflegebetts zu Lasten der Beklagten (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V; BSG vom 14.03.2001 B 6 KA 59/00 B - unveröffentlicht). Der Vertragsarzt Dr. S. hat am 07.11.2002 zwar eine Verordnung über ein Pflegebett ausgestellt, aber hinzugefügt, dass es über die Pflegekasse abzurechnen ist. Auch wenn in diesem Verordnungsblatt als Krankenkasse die AOK Bayern, die Gesundheitskasse, angegeben wird, ist somit nicht eindeutig, ob es sich nach Auffassung des Arztes um ein Hilfsmittel der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung handelt.
Unabhängig davon fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Leistung des beantragten Hilfsmittels gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, insbesondere an der medizinischen Notwendigkeit. Als Leistungsgrund kommt hier allenfalls der Behinderungsausgleich infrage. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist eine Behinderung eine Abweichung von der für das Lebensalter typischen körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind primär die ausgefallenen natürlichen Funktionen, aber auch die weitergehenden Folgen, soweit diese allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen. Hierzu gehören u.a. das selbständige Wohnen und die Schaffung und Erschließung eines körperlichen und geistigen Freiraumes. Insoweit wird von der Rechtsprechung allerdings nur ein Basisbedürfnis und in der Folge ein Basisausgleich anerkannt, also kein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden. Der Ausgleich der Behinderung erfolgt u.a. in der Wiederherstellung der eingeschränkten Funktion, aber auch in der Erleichterung oder Ergänzung der Einschränkung, wobei auch ein indirekter Ausgleich über eine andere Körperfunktion möglich ist.
Eine weitere Leistungsvoraussetzung ist die medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels. Es muss im Einzelfall erforderlich sein, damit z.B. die Behinderung ausgeglichen werden kann. Hierbei sind die Funktionsweise des Hilfsmittels und die oben genannten Zwecke einander gegenüberzustellen. Erforderlichkeit liegt dann vor, wenn das Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig ist, um den Leistungszweck des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V zu erfüllen. Es muss also für die genannten Leistungszwecke unentbehrlich oder unvermeidlich sein. Unabhängig von der Frage, dass ein anderes Mittel kostengünstiger wäre bzw. als Gebrauchgegenstand des täglichen Lebens dem Anspruch aus § 33 Abs. 1 SGB V entgegen steht (z.B. ein im Möbelfachhandel zu erwerbender Lattenrost mit elektrisch verstellbaren Kopfteil, ein höheres Kissen zur Abstützung des Rückens oder ein niedrigerer Beistelltisch für den Fernseher), kommt es zunächst darauf an, ob überhaupt eine auszugleichende Behinderung im Bereich der Mobilität besteht.
Dies ist - anders als bei dem dem Senatsurteil vom 29.06.2006 (L 4 KR 253/03) zugrunde liegenden Fall - zu verneinen. Zwar liegen bei dem Kläger mehrere schwere Behinderungen vor, nämlich insbesondere ein frühkindlicher Hirnschaden, wie dem ärztlichen Attest vom 19.01.2007 zu entnehmen ist. Aus dem Pflegegutachten des MDK vom 10.10.2002 ergibt sich aber, dass der Kläger im Bereich der Mobilität nicht gravierend behindert ist und hier daher ein nur geringer Hilfebedarf besteht. Das Gutachten hat beim Aufstehen und Zubettgehen als Hilfebedarf lediglich eine Unterstützung für zweimal täglich 2 Minuten angenommen und beim Umlagern keinen Hilfebedarf festgestellt. Nach den Feststellungen zu den Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens ist zwar ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Gehen angenommen worden, dieser steht aber in keinerlei Zusammenhang mit den Gründen, die ein Pflegebett erfordern. Das ärztliche Attest vom 19.01.2007 führt zu keiner anderen Beurteilung. Danach kann sich der Kläger bei seiner Gruppe selbst bewegen, er benötigt keinen Rollstuhl oder eine andere Gehhilfe. Im Bett kann er die Position selbst ändern, sich aber nicht aus einer liegenden Position in eine sitzende Position aufrichten. Der aktuelle Gesundheitszustand wird als sehr gut bezeichnet und dementsprechend auch die Mobilität. Insgesamt kommt das Attest zum Ergebnis, dass sich seit November 2002 der Gesundheitszustand des Klägers gebessert hat. Damit fehlt es an einem entsprechenden behinderungsbedingten Bedarf für ein Pflegebett.
Der Senat kann somit offen lassen, ob als Kostenträger für das Pflegebett der Heimträger, die Pflegekasse oder die Sozialhilfe infrage kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für ein Pflegebett.
Der 1935 geborene Kläger ist in einem Wohnheim der Lebenshilfe e.V. untergebracht. Nach dem ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 19.01.2007 bestehen bei ihm ein frühkindlicher Hirnschaden, Zustand nach Hüfttotalendoprothese rechts, Osteoporose, Inkontinenz und Hyperlipidämie.
Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 10.10.2002 ist bezüglich der Krankheiten/Behinderungen am Stütz- und Bewegungsapparat festgestellt, dass beim Aufstehen und Gehen Hilfe nötig ist, und ferner im Bereich der Mobilität noch beim Ankleiden. Der Zeitbedarf im Bereich der Mobilität wird mit 14 Minuten pro Tag angegeben. Wegen eines weiteren Zeitbedarfs bei der Körperpflege (111 Minuten), Ernährung (8 Minuten) und hauswirtschaftlichen Versorgung (60 Minuten) ergab sich ein Gesamtzeitbedarf von 193 Minuten pro Tag. Das Gutachten empfahl die Anerkennung der Pflegestufe II seit Juli 2002. Dr. S. verordnete am 07.11.2002 zu Lasten der Pflegekasse ein Pflegebett wegen frühkindlichen Hirnschadens, Inkontinenz und seniler zunehmender Demenz; die Kosten für das Bett wurden vom Sanitätshaus U. GmbH (U.) mit 638,00 Euro angegeben.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.11.2002 die Kostenübernahme ab; das Pflegebett sei von der Behinderteneinrichtung vorzuhalten und könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Hiergegen legte der Betreuer am 20.12. 2002 Widerspruch ein. Bei dem Pflegebett handle es sich um ein individuelles Hilfsmittel, das ausschließlich vom Kläger in seinem Zimmer benutzt würde. Der Kläger sei durch die Hüftoperation in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Das Pflegebett könne von ihm selbst bedient werden und ermögliche eine erhöhte, selbstbestimmte Mobilität und Selbständigkeit. Der Kläger sei in einer Einrichtung der Behindertenhilfe untergebracht, bei der es um die Eingliederung in die Gemeinschaft und die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft gehe. Einrichtungen der Behindertenhilfe haben mit den Pflegekassen keine Versorgungsverträge geschlossen, die in irgendeiner Weise zum Vorhalten von Pflegehilfsmitteln verpflichten. Der Wohnheimplatz des Klägers werde über die Eingliederungshilfe vom Bezirk Schwaben finanziert. Die zwischen dem Bezirk und im Wohnheimträger (Lebenshilfe U. e.V.) geschlossene Leistungsvereinbarung sehe nicht die Bereitstellung von Hilfsmitteln an die Bewohner vor.
Nach nochmaliger Ablehnung des Antrags wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003 (sinngemäß) den Widerspruch zurück. Aus der Verpflichtung des Heimträgers, Pflegebedürftige ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen, ergebe sich eine Bereitstellungspflicht der Pflegeheime für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel. Hierdurch werde die Leistungspflicht der Krankenkasse eingeschränkt. Die über die Bereitstellungspflicht des Heimträgers hinausgehende Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse nur die Hilfsmittel, die nicht der Sphäre der vollstationären Pflege zuzurechen sind. Hierzu gehören die Hilfsmittel, die individuell auf den einzelnen Versicherten angepasst und nur von ihm sinnvoll genutzt werden können sowie Hilfsmittel, die zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses regelmäßig außerhalb der Heimsphäre erforderlich sind. Nach der gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen über die Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln vom 26.05.1997 seien die für den üblichen Betrieb notwendigen behindertengerechten Betten durch den Heimträger bereitzustellen. In dem Maße, in dem die Bereitstellungspflicht des Heimträgers zunimmt, werde die Leistungspflicht der Krankenkasse eingeschränkt. In der Einrichtung würden Schwerpflegebedürftige nicht lediglich ausnahmsweise aufgenommen. Die Bereitstellung des Pflegebetts stehe im Verantwortungsbereich des Heimträgers. Das Pflegebett diene nicht der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse sondern, habe eine pflegeerleichternde Wirkung.
Der Betreuer hat am 20.02.2003 beim Sozialgericht Augsburg (SG) für den Kläger Klage erhoben.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.05.2003 erneut ihre Leistungspflicht dem Grunde nach bestritten. Für die Leistungspflicht komme es auf die Leistungvereinbarung nach dem BSHG an. Je höher der Anteil an Schwer- und Schwerpflegebedürftigen ist, desto mehr Bedeutung gewinne für die Pflege innerhalb des gesamten Aufgabenspektrums einer Einrichtung auch die Vorhaltepflicht des Einrichtungsträgers für die dafür erforderlichen Hilfsmittel. Nach den tatsächlichen Verhältnissen seien nahezu 1/3 der Bewohner der Einrichtung schwer- oder sogar schwerstpflegebedürftig. Damit sei die Aufgabenstellung der Einrichtung nicht nur marginal von pflegerischen Inhalten geprägt.
Das SG hat mit Urteil vom 02.12.2002 die Klage abgewiesen. Selbst wenn Dr. S. das Pflegebett zu Recht verordnet hätte, sei die Beklagte hier nicht leistungspflichtig. Die Beigeladene komme ihrer Leistungspflicht nach dem SGB XI durch zur Verfügungstellung von monatlich 256,00 Euro an den Bezirk Schwaben als Heimkostenträger nach. Nach der Rechtsprechung des BSG habe bei vollstationärer Pflege der Träger des Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Die Leistungsvereinbarung nach dem BSHG stelle vor allem darauf ab, dass die freien Heimplätze regelmäßig für Kurzzeit- und Notaufnahme benötigt würden. Die tatsächliche Struktur der Bewohner des Heimes weiche hiervon jedoch erheblich ab. Das Auseinanderfallen der Leistungsvereinbarung vom 20.12.2001 mit der tatsächlichen Struktur der Bewohner lasse sich zwar nachvollziehen, der Charakter der vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen wandle sich aber in Teilbereichen zu einer vollstationären Einrichtung im Sinne des SGB XI. Bei dem hier gegebenen Strukturwandel sei es nicht Aufgabe der Krankenkassen durch zur Verfügungstellung eines Pflegebetts den vorrangig zuständigen Heimträger zu entlasten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägerbevollmächtigten vom 15.01.2004. Das Pflegebett werde es dem Kläger ermöglichen, eine weitergehende Selbständigkeit zu erreichen, indem er sich - ohne fremde Hilfe - aus liegender Position aufrichten könne. Der Kläger könne dann z.B. selbständig fernsehen. Unrichtig sei die Annahme des SG, das Behindertenwohnheim habe sich von einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung gewandelt. Das Wohnheim sei nach wie vor eine Einrichtung, in der behinderte Menschen in das Arbeitsleben und das Leben in einer Gemeinschaft eingegliedert werden sollen. Dem Konzept des Vereins Lebenshilfe e.V. sei nicht zu entnehmen, dass dieser Zweck aufgegeben werden solle. Nach dem Bayerischen Rahmenvertrag vom 15.07.1998 sei nicht geregelt, dass die Leistungen nach dem SGB V und nach dem SGB XI (mit Ausnahme von Leistungen nach § 43a SGB XI) durch den Einrichtungsträger erbracht werden müssen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Klägerbevollmächtige beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg im 02.12.2002 und den Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das beantragte Pflegebett zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Für das Aufrichten aus liegender Position zum Fernsehen gebe es die im Möbelfachhandel zu beziehenden üblichen elektrisch verstellbaren Betten. Insoweit gehe es um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Der MDK habe im Gutachten einen Hilfebedarf beim Lagern nicht festgestellt. Da es bereits an den Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung nach dem SGB V fehle, komme es nicht mehr wesentlich darauf an, dass der Kläger in einem Behindertenwohnheim wohnt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 31.05.2006 Prozesskostenhilfe gewährt und den Klägerbevollmächtigten beigeordnet.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten, des SG sowie der Rahmenvertrag für teilstationäre und stationäre Einrichtungen für die Zeit ab 2005 und die Vergütungsvereinbarung zwischen der Lebenshilfe e.V. und dem Sozialhilfeträger nach dem SGB XII vom 02.05.2005. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und Unterlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 Euro (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Der Senat konnte mit Einwilligung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für das geltend gemachte Pflegebett.
Gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Für nicht durch S. 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 SGB V unberührt. In § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V ist vorgesehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss u.a. Richtlinien über die ärztliche Verordnung von Hilfsmittel beschließt. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V gehört die Verordnung von Hilfsmitteln zur vertragsärztlichen Versorgung.
Es fehlt zunächst an einer vertragsärztlichen Verordnung des Pflegebetts zu Lasten der Beklagten (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V; BSG vom 14.03.2001 B 6 KA 59/00 B - unveröffentlicht). Der Vertragsarzt Dr. S. hat am 07.11.2002 zwar eine Verordnung über ein Pflegebett ausgestellt, aber hinzugefügt, dass es über die Pflegekasse abzurechnen ist. Auch wenn in diesem Verordnungsblatt als Krankenkasse die AOK Bayern, die Gesundheitskasse, angegeben wird, ist somit nicht eindeutig, ob es sich nach Auffassung des Arztes um ein Hilfsmittel der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung handelt.
Unabhängig davon fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Leistung des beantragten Hilfsmittels gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, insbesondere an der medizinischen Notwendigkeit. Als Leistungsgrund kommt hier allenfalls der Behinderungsausgleich infrage. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist eine Behinderung eine Abweichung von der für das Lebensalter typischen körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind primär die ausgefallenen natürlichen Funktionen, aber auch die weitergehenden Folgen, soweit diese allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen. Hierzu gehören u.a. das selbständige Wohnen und die Schaffung und Erschließung eines körperlichen und geistigen Freiraumes. Insoweit wird von der Rechtsprechung allerdings nur ein Basisbedürfnis und in der Folge ein Basisausgleich anerkannt, also kein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden. Der Ausgleich der Behinderung erfolgt u.a. in der Wiederherstellung der eingeschränkten Funktion, aber auch in der Erleichterung oder Ergänzung der Einschränkung, wobei auch ein indirekter Ausgleich über eine andere Körperfunktion möglich ist.
Eine weitere Leistungsvoraussetzung ist die medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels. Es muss im Einzelfall erforderlich sein, damit z.B. die Behinderung ausgeglichen werden kann. Hierbei sind die Funktionsweise des Hilfsmittels und die oben genannten Zwecke einander gegenüberzustellen. Erforderlichkeit liegt dann vor, wenn das Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig ist, um den Leistungszweck des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V zu erfüllen. Es muss also für die genannten Leistungszwecke unentbehrlich oder unvermeidlich sein. Unabhängig von der Frage, dass ein anderes Mittel kostengünstiger wäre bzw. als Gebrauchgegenstand des täglichen Lebens dem Anspruch aus § 33 Abs. 1 SGB V entgegen steht (z.B. ein im Möbelfachhandel zu erwerbender Lattenrost mit elektrisch verstellbaren Kopfteil, ein höheres Kissen zur Abstützung des Rückens oder ein niedrigerer Beistelltisch für den Fernseher), kommt es zunächst darauf an, ob überhaupt eine auszugleichende Behinderung im Bereich der Mobilität besteht.
Dies ist - anders als bei dem dem Senatsurteil vom 29.06.2006 (L 4 KR 253/03) zugrunde liegenden Fall - zu verneinen. Zwar liegen bei dem Kläger mehrere schwere Behinderungen vor, nämlich insbesondere ein frühkindlicher Hirnschaden, wie dem ärztlichen Attest vom 19.01.2007 zu entnehmen ist. Aus dem Pflegegutachten des MDK vom 10.10.2002 ergibt sich aber, dass der Kläger im Bereich der Mobilität nicht gravierend behindert ist und hier daher ein nur geringer Hilfebedarf besteht. Das Gutachten hat beim Aufstehen und Zubettgehen als Hilfebedarf lediglich eine Unterstützung für zweimal täglich 2 Minuten angenommen und beim Umlagern keinen Hilfebedarf festgestellt. Nach den Feststellungen zu den Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens ist zwar ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Gehen angenommen worden, dieser steht aber in keinerlei Zusammenhang mit den Gründen, die ein Pflegebett erfordern. Das ärztliche Attest vom 19.01.2007 führt zu keiner anderen Beurteilung. Danach kann sich der Kläger bei seiner Gruppe selbst bewegen, er benötigt keinen Rollstuhl oder eine andere Gehhilfe. Im Bett kann er die Position selbst ändern, sich aber nicht aus einer liegenden Position in eine sitzende Position aufrichten. Der aktuelle Gesundheitszustand wird als sehr gut bezeichnet und dementsprechend auch die Mobilität. Insgesamt kommt das Attest zum Ergebnis, dass sich seit November 2002 der Gesundheitszustand des Klägers gebessert hat. Damit fehlt es an einem entsprechenden behinderungsbedingten Bedarf für ein Pflegebett.
Der Senat kann somit offen lassen, ob als Kostenträger für das Pflegebett der Heimträger, die Pflegekasse oder die Sozialhilfe infrage kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
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