L 5 KR 242/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 64/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 242/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Zahlung von Krankengeld sowie dessen Höhe.

Die zuletzt im Mai 1993 als Verkäuferin tätige Klägerin erkrankte während einer vom Arbeitsamt geförderten Maßnahme und erhielt deswegen von diesem vom 10.01.1994 bis 04.03.1994 kalendertäglich 42,01 DM an Übergangsgeld. Anschließend bezog die bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin ab 05.03.1994 gemäß Bescheid vom 17.03.1994 Krankengeld in Höhe von zunächst kalendertäglich 52,30 DM netto, ab 30.09.1994 in Höhe von 53,89 DM netto (Bescheid vom 29.09.1994) und ab 01.01.1995 gemäß Bescheid vom 04.01.1995 in Höhe von 53,77 DM.

Mit Bescheid 18.01.1995 stellte die Beklagte das Krankengeld zum 22.01.1995 ein, da der MDK ab 23.01.1995 Arbeitsfähigkeit festgestellt habe. Nach Eingang einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dres. B./D. vom 24.01.1995 über Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 24.01.1995 bewilligte die Beklagte Krankengeld bis 24.01.1995.

Nachdem die Klägerin aus einem medizinischen Rehaverfahren - finanziert vom Rentenversicherungsträger, durchgeführt vom 29.03.1995 bis 10.05.1995 - als arbeitsunfähig entlassen worden war, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 19.06.1995 ab 29.03.1995 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 38,90 DM entsprechend der zuletzt erhaltenen Arbeitslosengeldzahlung von wöchentlich 233,40 DM. Mit Bescheid vom 02.08.1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Krankengeld ende wegen der Begrenzung auf 78 Wochen am 10.09.1995. Am 25.10.1995 bat die Klägerin die Beklagte um Nachweis der Krankengeldzahlungen für die Zeit vom 23. bis 29.06. und 05.09. bis 10.09.1995.

Mit Bescheid vom 29.09.1995 hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin, ausgehend vom Datum der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 14.04.1994, ab 11.05.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.12.1995 bewilligt. Die BfA bejahte mit Schreiben vom 17.09.1998 an die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zahlung von Übergangsgeld vom 01.08.1994 bis 28.03.1995 in Höhe von 45,01 bis 46,38 DM und erklärte sich bereit, Beiträge zur Krankenversicherung vom 01.08.1994 bis 28.03.1995 zu übernehmen. Daraufhin erstattete die Beklagte der Klägerin die Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.08.1994 bis 24.01.1995 in Höhe von 1.130,08 DM und zahlte im Auftrag der BfA für die Zeit des Kuraufenthalts vom 29.03.1995 bis 10.05.1995 Übergangsgeld in Höhe der Differenz von 46,38 DM und 38,90 DM kalendertäglich aus (insgesamt 508,66 DM). Mit Schreiben vom 16.11.1998, in dem diese Zahlungen erläutert wurden, teilte die Beklagte der Klägerin gleichzeitig mit, die Krankengeldzahlungen für die Zeit vom 05.03. bis 24.01. und 29.03. bis 10.09.1995 seien nochmals überprüft und dabei festgestellt worden, dass das Krankengeld in vollem Umfang ausgezahlt worden sei.

Dem widersprach die Klägerin am 09.12.1998 mit der Begründung, das zustehende Krankengeld für die Zeit vom 05.02.1994 bis 30.10.1995 nicht erhalten zu haben. Die von der EU-Rente einbehaltenen 3.500,80 DM seien an sie auszuzahlen. Mit Schreiben vom 15.12.1998 erläuterte die Beklagte die erfolgten Krankengeldzahlungen, belegte die einzelnen Überweisungen mit einem EDV-Ausdruck und wies darauf hin, dass der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente in der Zeit vom 11.05. bis 10.09.1995 wegen gezahlter Krankengeldbeträge in Höhe von 3.500,80 DM auf sie übergangen sei. Die Klägerin wiederholte ihre Aufforderung zur Begleichung zustehender Restbeträge und bezog sich auf den Übergangsgeldbescheid der BfA vom 22.12.1998. Die Beklagte wies den Widerspruch am 22.03.1999 mit der Begründung zurück, die Krankengeldzahlung sei in der richtigen Höhe erfolgt und Nachzahlungsbeträge seien nicht zu leisten.

Dagegen hat die Klägerin am 22.04.1999 Klage erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.11.2000 hat sie erläutert, ihr gehe es um die Rechtmäßigkeit der Einstellungsbescheide vom 18.01.1995 und 02.08.1995. Sie sei der Meinung, insoweit Widerspruch eingelegt zu haben. Sie hat erklärt, sie müsse hinsichtlich der beiden Bescheide Unterlagen beibringen, woraufhin die Beteiligten mit der Anordnung des Ruhens des Verfahrens einverstanden waren.

Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens auf Veranlassung der Klägerin hat das Sozialgericht München die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe es zu Recht mit Bescheid vom 16.1.1998 abgelehnt, die Bescheide vom 18.01. bis 02.08.1995 aufzuheben. Die Klägerin habe nichts vorgetragen, was zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der beiden Ausgangsbescheide führe.

Gegen das am 26.07.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.08.2006 Berufung eingelegt. Sie habe den bis 10.09.1995 zustehenden Krankengeldtagessatz von 53,77 DM nicht erhalten und das Krankengeld könne am 10.09.1995 nicht zu Ende sein. Vor dem Erörterungstermin, zu dem sie nicht erschienen ist, hat sie ergänzt, sie habe sich beim Arbeitsamt melden müssen, obwohl sie arbeitsunfähig gemeldet war. Ihr stehe für die Zeit vom 01.01. bis 30.09.1995 ein Betrag in Höhe von 14.499,00 DM zu, wovon die Beklagte lediglich 8.700,33 DM bezahlt habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.07.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 16.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.1999 sowie der Bescheide vom 18.01.1995, 19.06.1995 und 02.08.1995 zu verurteilen, ihr Krankengeld in Höhe von 5.798,67 DM plus Zinsen nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.07.2006 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 16.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.1999. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Nachzahlung von Krankengeld.

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, die Bescheide der Beklagten vom 18.01.1995 und 02.08.1995, die die Einstellung zum 22.01.1995 bzw. zum 10.09.1995 zum Gegenstand hatten, seien rechtskräftig. Vor der Ende 1998 erfolgten Antragstellung auf Überprüfung der Krankengeldzahlungen hat die Klägerin lediglich am 30.10.1995 ausstehende Krankengeldbeträge vom 23.06. bis 29.06. und 05. bis 10.09.1995 geltend gemacht, die nachgewiesenermaßen bezahlt worden sind. Den Nachweis eingelegter Widersprüche ist die Klägerin schuldig geblieben. Ebensowenig ist nachgewiesen, dass sie sich gegen die Höhe der Krankengeldberechnung ab 29.03.1995 gewandt hat. Auch der Bescheid vom 19.06.1995 über die Feststellung des Krankengelds auf 38,90 DM kalendertäglich ist daher bestandskräftig.

Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.1999 abgelehnt, die Bescheide vom 18.01.1995, 19.06.1995 und 02.08.1995 gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Danach ist ein Bescheid, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Es mag sein, dass die Beklagte bei der Einstellung des Krankengeldes zum 24.01.1995 zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin wieder arbeitsfähig war. Dies deshalb, weil die BfA mit Bescheid vom 29.09.1995 festgestellt hat, dass die Klägerin bereits ab 10.01.1994 durchgehend erwerbsunfähig war. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass der Einstellungsbescheid vom 18.01.1995 rechtswidrig ist.

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird (§ 49 Abs.1 Ziffer 5 SGB V). Die Klägerin hat ihre Arbeitsunfähigkeit über den 24.01.1995 hinaus der Beklagten nicht gemeldet. Entgegen ihrer Angaben lag insbesondere keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines behandelnden Arztes vor. Nach der Begutachtung durch den MDK am 16.01.1995, die Arbeitsfähigkeit ergeben hatte, hat die Gemeinschaftspraxis Dres. B./D. lediglich für die Zeit vom 23.01. bis 24.01.1995 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Das Gesetz geht davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann z.B. grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (vgl. BSGE 90, 72, 83).

Der Klägerin kann auch nicht ausnahmsweise rückwirkend für die Zeit vom 25.01. bis 29.03.1995 Krankengeld zugebilligt werden. Unter engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung des MDK auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherte ursprünglich alles für die Anspruchsentstehung Erforderliche und ihm Zumutbare unternommen hatte und er den Anspruch unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis vom tatsächlichen Bestehen der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse geltend macht (BSG, Urteil vom 08.11.2005 in SozR 4-2500 § 46 Nr.1). Die Klägerin hat mit Bescheid vom 29.09.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt erhalten und ist dabei darüber unterrichtet worden, dass von einem Leistungsfall am 10.01.1994 auszugehen sei. Nach Erhalt dieses Bescheids hat sich die Klägerin lediglich wegen angeblich fehlender Krankengeldbeträge im Juni und September 1995 an die Beklagte gewandt, weitergehende Ansprüche aber, insbesondere betreffend die Zeit von Januar bis März 1995 erst 1998 geltend gemacht. Damit war der Beklagten die Möglichkeit verbaut, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen. § 49 Abs.1 Nr.5 SGB V gibt den äußersten zeitlichen Rahmen vor, der den Versicherten bei nachträglicher Meldung der Arbeitsunfähigkeit verbleibt. Die nachträgliche Meldung musste bis spätestens einer Woche nach Kenntniserlangung des Versicherten erfolgen (BSG, Urteil vom 08.11.2005 a.a.O.). Dies ist zweifellos nicht erfolgt. Krankengeld für die Zeit vom 25.01. bis 29.03.1995 ist daher nicht zu gewähren.

Die ab 29.03.1995 zugebilligte Krankengeldhöhe ist nicht zu beanstanden. Der ursprünglich mit Bescheid vom 19.06.1995 zugebilligte Betrag von 38,90 DM kalendertäglich ist 1998 auf kalendertäglich 46,38 DM korrigiert worden. Die sich daraus ergebende Nachzahlung für die Zeit vom 29.03. bis 10.05.1995 in Höhe von 508,66 DM ist der Klägerin ausbezahlt worden. Dass das im Auftrag der BfA ausbezahlte Übergangsgeld nicht die selbe Höhe erreichte wie das bis 24.01.1995 gezahlte Krankengeld, findet seine Erklärung darin, dass sich die Berechnung des Krankengeldes für Rehabilitanten von denen für Arbeitslosengelddempfänger unterscheidet. Die Klägerin war zu Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im Januar 1994 Empfängerin von Übergangsgeld, weil sie an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation teilnahm. Dementsprechend richtete sich die Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs.4 Satz 2 SGB V, wonach als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag gilt, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Zum Zeitpunkt des Kurbeginns im März 1995 hingegen war die Klägerin Bezieherin von Arbeitslosengeld. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld richtet sich die Höhe und Berechnung des Krankengeldes gemäß § 47b SGB V nach der Höhe des Betrags des Arbeitslosengeldes, den der Versicherte zuletzt bezogen hat. Dies galt im maßgeblichen Zeitraum ebenso und war in § 158 Abs.1 AFG a.F. geregelt. Ob das Übergangsgeld von der BfA korrekt berechnet worden ist, insbesondere zutreffend die Krankengeldhöhe nicht erreicht, ist nicht Streitgegenstand und gegenüber der BfA geltend zu machen, nicht hingegen gegenüber der Beklagten.

Höheres Krankengeld für die Zeit ab 10.05.1995, dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Kur, ist aus einem weiteren Grund ausgeschlossen. Für Versicherte, die Renten wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen, endet ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht (§ 50 Abs.1 Ziffer 1 SGB V). Die Klägerin bezog ab 11.05.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Damit endete ihr Anspruch auf Krankengeld. Neben den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente ist jeglicher Krankengeldbezug ausgeschlossen. Dass die Klägerin den die Rente übersteigenden Betrag des Krankengeldes vom 11.05.1995 bis 10.09.1995 nicht zurückzuzahlen hat, ist § 50 Abs.1 Satz 2 SGB V zuzuschreiben, der die Rückforderung der Überzahlungen bis zur Entscheidung über die Leistungen im Sinn des § 50 Abs.1 Satz 1 Nr.1 bis 5 SGB V ausschließt. Im Hinblick auf § 50 SGB V ist daher der Antrag auf höheres Krankengeld für die Zeit ab 11.05.1995 ebenso unbegründet wie der auf längeres Krankengeld über den 10.09.1995 hinaus. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde bis 31.12.1995 gewährt.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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