L 2 U 178/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 5054/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 178/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13. April 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Meniskusschaden Folge eines Unfallereignisses und dem Kläger deshalb Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1928 geborene Kläger stürzte im Rahmen seiner Tätigkeit als Pferdezüchter am 16. April 2002 über einen Kanaldeckel und fiel auf sein linkes Knie. Der Durchgangsarzt Dr. B. diagnostizierte am 17. April 2002 eine Prellung des linken Kniegelenks mit geringer Schürfwunde. Er beschrieb eine kleine Schürfwunde vor der Patella, ein ausgedehntes Hämatom lateral am linken Schienbeinkopf sowie einen mäßigen Kniegelenkserguss. Er veranlasste zur Differenzierung von Unfallfolgen und vorbestehendem Schaden ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des linken Knies. Die Auswertung des Radiologen vom 13. Mai 2002 ergab einen partialen Korbhenkelriss des Außenmeniskushinterhornes, einen Reizzustand im vorderen Kreuzband, einen Kniegelenkserguss sowie ein Knochenmarködem. Am 19. Juni 2002 wurde im Klinikum St. M. A. eine Arthroskopie durchgeführt. Dabei zeigte sich eine deutliche Chondropathie und Chondromalazie in allen Gelenkkompartimenten mit Zeichen der initialen Gonarthrose. Der Außenmeniskus war degenerativ aufgefasert, der Innenmeniskus wies degenerativ aufgefaserte Veränderungen auf. Der im MRT gesehene Korbhenkelriss konnte dabei nicht nachvollzogen werden. Insgesamt könne eine direkte posttraumatische Veränderung im Kniegelenk ausgeschlossen werden. Es handele sich um degenerativ altersentsprechende Veränderungen. Das Unfallereignis sei allenfalls als Gelegenheitsursache anzusehen. Ein MRT vom 4. November 2002 ergab einen dorsal dislozierten Korbhenkelpartialriss des Außenmeniskus, einen Horizontalriss am Innenmeniskushinterhorn sowie eine mediale femorotibiale Degeneration Grad II mit winziger subchondraler Knochennekrose am medialen Femurknochen ohne begleitenden Knorpelschaden.

Die Beklagte holte ein unfallchirurgisches Gutachten der Dr. E. vom 21. November 2002 ein. Danach lagen keine wesentlichen Unfallfolgen mehr vor. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit seien bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung am 25. Juni 2002 anzuerkennen. Erst durch die Arthroskopie habe nachgewiesen werden können, dass am Innen- und Außenmeniskus degenerative Veränderungen bestanden.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2002 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall sowie als Folgen an: "Prellung des linken Kniegelenkes mit kleiner Schürfwunde vor der Kniescheibe". Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis 15. Mai 2002 bestanden. Die Schäden am Außen- und Innenmeniskus erkannte sie nicht als Unfallfolgen an und lehnte einen Anspruch auf eine Rente ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2003 zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg. Er habe vor dem Unfallereignis zu keinem Zeitpunkt unter Kniebeschwerden, Kniefunktionsbeeinträchtigungen oder Knieschmerzen gelitten. Dies spreche gegen einen degenerativen Schaden. Das Unfallereignis sei ein geeignetes Trauma gewesen, um einen Lappenriss des Hinterhorns am linken Außenmeniskus bzw. einen partiellen Korbhenkelabriss des Außenmeniskushinterhorns zu bewirken. Unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfallereignis seien auch Symptome wie ein ausgedehntes Hämatom sowie eine Schwellung aufgetreten.

Das Sozialgericht zog u.a. die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. bei und beauftragte auf klägerischen Antrag gemäß § 109 Sozialgesetzbuch (SGG) den Orthopäden Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 30. Juli 2004 zu dem Ergebnis, aus der Gesamtschau der Unterlagen spreche mehr dafür als dagegen, dass der kleine Lappenriss am Außenmeniskushinterhornlappen des linken Knies nicht degenerativ, sondern traumatisch bedingt sei. Während des gesamten Unfallvorgangs sei das Knie nicht immer gestreckt gewesen, sondern habe mit Sicherheit eine Beugung erfahren. Währenddessen sei es auch zu einer Hinterhornkompression gekommen. Die Hinterhornlappenrissverletzung sei deshalb auf den Sturz zurückzuführen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage maximal 10 v.H., da es zu keiner deutlichen Bewegungseinschränkung (0-0-130) sowie zu keiner deutlichen Instabilität gekommen sei. Ergänzend führte Dr. S. in einer Stellungnahme vom 5. Dezember 2004 aus, ein vollständiger Beweis für das Vorliegen eines Korbhenkelrisses im Außenmeniskushinterhornbereich könne nicht geführt werden. Es sei durch den Unfall im vorgeschädigten Kniegelenk zu einer richtungsgebenden Verschlechterung gekommen. Lediglich der horizontale Riss am Innenmeniskushinterhorn müsse als degenerativ eingestuft werden.

Das Sozialgericht beauftragte den Orthopäden Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens, der am 11. Juli 2005 die Auffassung vertrat, es lägen keine Unfallfolgen mehr vor. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe infolge der Prellung des linken Kniegelenks bis maximal 31. Mai 2002 bestanden. Unzweifelhaft lägen erhebliche degenerative Veränderungen des Kniegelenks vor. In Zusammenschau sämtlicher klinischer, radiologischer und vor allem bei der Arthroskopie erhobener Befunde sei davon auszugehen, dass mit größter Wahrscheinlichkeit der kleine Außenmeniskushinterhorneinriss im Rahmen der degenerativen Veränderungen im Bereich des Kniegelenks zu sehen sei.

Zu demselben Ergebnis gelangte der Orthopäde Dr. V. F. in seinem Gutachten vom 26. Januar 2006. Der eindeutig dokumentierte Vorschaden in Form einer lange zurückliegenden Kniegelenksarthrose links bei bekannter Harnsäureerhöhung, der für einen isolierten Meniskusriss ungeeignete Unfallmechanismus sowie der klinische und vor allem intraoperativ festgestellte Befund sprächen gegen einen Zusammenhang zwischen dem Meniskusschaden und dem Unfallereignis. Als weitere konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten seien die auch im rechten Kniegelenk zu sehenden degenerativen Veränderungen, die X-Beinfehlstellung, das starke Übergewicht bei fortgeschrittenem Lebensalter und das Krampfaderleiden am linken Bein zu nennen. Durch den Unfall sei es lediglich zu einer Prellverletzung gekommen, die innerhalb weniger Wochen folgenlos ausgeheilt sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei dem Gutachten des Dr. F ... Der Interpretation der Kausalität eines Korbhenkelrisses bzw. Horizontalrisses durch Dr. S. vermochte das Sozialgericht nicht zu folgen. Fehlerhaft sei bereits die Beurteilung, dass ein Korbhenkelriss links vorgelegen habe, da sich dieser intraoperativ nicht bestätigt habe. Ferner habe Dr. S. die seit 1976 dokumentierte Kniegelenksarthrose links bei Harnsäureerhöhung sowie die sonstigen degenerativen Veränderungen des Skelettsystems nicht beachtet. Im Übrigen gelte der Korbhenkelriss als typische degenerative Meniskusläsion.

Zur Begründung der Berufung brachte der Kläger vor, Dr. S. weise in seinem Gutachten zutreffend darauf hin, dass vor der Operation im MRT vom 13. Mai 2002 lediglich ein partieller Außenmeniskushinterhornkorbhenkelriss zu sehen war. Nach der Operation habe das MRT vom 4. November 2002 sowohl den partiellen Korbhenkelriss des Außenmeniskus unverändert als zudem einen horizontalen Riss am Innenmeniskushinterhorn gezeigt. Dr. S. habe ausgeführt, dass die Verletzung in Kombination einer Rotations- mit einer Kontusionskomponente auf eine vorgeschädigte Kniesituation getroffen sei. Hierbei sei es zu einer Aktivierung der degenerativen chondralen Prozesse sowie zur Rissbildung im Außenmeniskus im Sinne eines kleinen Lappenrisses des Hinterhorns gekommen. Dieser sei auch in der Arthroskopie gesehen worden. Es bestehe deshalb ein (Stütz-)Rentenanspruch nach einer MdE um mindestens 10 v.H.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2003 zu verurteilen, als weitere Unfallfolge einen Lappenriss des Hinterhorns am linken Außenmeniskus sowie eine dadurch bedingte MdE von 10 v. H. anzuerkennen und eine Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13. April 2006 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Kläger ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers bzw. des Prozessbevollmächtigten entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls am 16. April 2002 nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII. Ausdrücklich erkannte die Beklagte jedoch u.a. einen anlagebedingten Lappenriss des Hinterhornes am linken Außenmeniskus und degenerativ aufgefaserte Veränderungen am freien Rand des linken Innenmeniskus, Knorpelschäden in sämtlichen Kniegelenksabschnitten links sowie eine Gonarthrose in beiden Kniegelenken nicht als Folgen des Arbeitsunfalls an, sondern lediglich eine Prellung des linken Kniegelenks mit kleiner Schürfwunde vor der Kniescheibe. Sie lehnte deshalb zu Recht eine Rente ab.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Rente erhält auch der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Unfälle gemindert ist, wenn jeder Unfall eine MdE von mindestens 10 v.H. zurückgelassen hat und die Vom-Hundert-Sätze zusammengerechnet wenigstens 20 v.H. erreichen. Die Voraussetzungen für eine solche Stützrente wären beim Kläger, der wegen Folgen des Unfalls vom 13.02.1994 Rente nach einer MdE um 20 v.H. bezieht, dem Grunde nach gesehen.

Ein Stützrentenanspruch scheitert daran, dass die vom Kläger geltend gemachten Schäden am linken Knie nicht Ursache des Arbeitsunfall vom 16. April 2002 sind, sondern Folgen schicksalhafter Erkrankung.

Zu Recht wies das Sozialgericht die Klage demgemäß unter Bezug vor allem auf die Ausführungen des Dr. F. ab. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren weiterhin auf das Gutachten des Dr. S. beruft, führte das Sozialgericht bereits zutreffend aus, dass diesem nicht zu folgen ist. Nach dem Ergebnis der Arthroskopie konnte bereits der im MRT beschriebene (partielle) Korbhenkelriss nicht bestätigt werden. Insoweit kommt dem intraoperativen Befund gegenüber den bildgebenden Verfahren eine größere Bedeutung zu. Im Übrigen wäre nach herrschender Fachliteratur ein Korbhenkelriss typischerweise degenerativer Natur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 702 m.w.N.). Nach den Erkenntnissen der Fachliteratur beginnen 90 % der Meniskusrisse im Bereich des Innenmeniskushorns (Schönberger, a.a.O., S. 701 m.w.N.). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Hinterhornschaden regelmäßig degenerativ bedingt ist. Horizontalrisse, wie sie beim Kläger im Bereich des Innenmeniskus vorliegen, gelten ausschließlich als degenerativ verursacht, worauf Dr. F. unter Bezug auf die Fachliteratur (so auch Schönberger, a.a.O., S. 702) hinweist.

Dr. S. setzte sich mit diesen Feststellungen der Fachliteratur sowie vor allem mit dem OP-Bericht nicht bzw. nicht eingehend auseinander. Aus den dargelegten Gründen kann deshalb auch nicht von einer Aktivierung der degenerativen chondralen Prozesse mit der Folge einer Rissbildung im Außenmeniskus im Sinne eines kleinen Lappenrisses des Hinterhorns ausgegangen werden. Vielmehr handelt es sich bei dem im Rahmen der Arthroskopie festgestellten kleinen Lappenriss entweder um eine Gelegenheitsursache, wie vom Operateur angenommen, d.h. der Schaden wäre aufgrund der Vorschäden bei jeder vergleichbaren Tätigkeit des Alltags ebenso aufgetreten, oder es handelt sich um einen bereits zurückliegenden Verschleißschaden, wie von Dr. F. angenommen. Zu diesem Ergebnis gelangte auch Dr. E. , der ebenfalls unter Auswertung der radiologischen und intraoperativen Befunde von erheblichen degenerativen Veränderungen des Kniegelenks ausgeht.

Soweit Dr. S. Ausführungen über den möglichen Unfallhergang macht, verkennt er, dass nicht einmal der von ihm vermutete Mechanismus für eine traumatische Schädigung spräche. Geeignete Ereignisabläufe sind eine fluchtartige Ausweichbewegung unter Drehung des Oberkörpers bei fixiertem Fuß, ein Sturz bei fixiertem Fuß des Standbeins oder Schwungverletzungen wie z.B. bei einer schwungvollen Körperdrehung bei Hängenbleiben des Standbeins (Schönberger, a.a.O., S. 691). Ein derartiger Drehsturz sowie eine Fixierung sind nicht beschrieben, sondern ein Stolpern über einen Kanaldeckel und ein Sturz auf das linke Knie. Ein Sturz auf das nach vorn gebeugte Knie stellt jedoch keinen geeigneten Unfallmechanismus dar (Schönberger, a.a.O., S. 694).

Der Senat gelangt daher zu der Überzeugung, dass ein ursächlicher Zusammenhang der geltend gemachten Meniskusschäden mit dem Unfallereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen ist. Die von der Beklagten anerkannte Prellung war nach wenigen Wochen ausgeheilt. Es erübrigen sich damit weitere Ausführungen zur Frage der MdE. Da eine MdE nicht in Betracht kommt, erübrigen sich auch Ausführungen zu einer eventuellen Stützrente.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg war daher zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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