L 17 U 19/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 360/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 19/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 18.08.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.06.1981 streitig.

Der 1940 geborene Kläger erlitt am 12.06.1981 einen Arbeitsunfall. An einer diskontinuierlichen Schalenanlage wurde er von einem verfahrbaren Transportarm für die Schalen gegen feste Konstruktionsteile der Anlage gedrückt. Der Versicherte fiel zu Boden, eingequetscht zwischen dem festen Konstruktionsteil und dem Transportarm. Er war bewusstlos. Der Durchgangsarzt Dr.V. stellte in seinem Bericht vom 12.06.1981 bei ihm eine Contusio cerebri, Einfluss-Stauung im Bereich des Kopfes und der oberen Extremitäten (Erwürgungstrauma), Pneumothorax durch Rippenfraktur fest.

Mit Bescheid vom 13.08.1982 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalles an: Vorübergehend geminderte Belastungsfähigkeit nach überstandener Kontusion des Herzens und der Atmungsorgane. Nicht anerkannt wurde eine Sehstörung des linken Auges. Dem Kläger wurde ab 26.12.1981 bis 30.06.1982 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 vH gewährt. Für die Zeit danach wurde die Gewährung einer Rente abgelehnt, da die unfallbedingte MdE nur noch 15 vH betrage.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Köln (Az: S 18 U 57/83).

Das Gericht veranlasste ein Gutachten des Augenarztes Prof. Dr.S. vom 07.03.1983. Dieser führte am Hintergrund des linken Auges beobachtete Veränderungen mit größter Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurück. Es liege volle Sehschärfe für beide Augen vor. Eine Begründung für die allseitige konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes links liege nicht vor. Demnach lasse sich keine messbare MdE für den augenärztlichen Bereich feststellen. In einem anschließenden augenärztlichen Gutachten vom 06.05.1983 zweifelte Prof. Dr.S. nicht, dass es sich bei der Netzhautveränderung im linken Auge des Versicherten um eine Angiopathia traumatica retinae Purtscher handele. Deren MdE habe ab Dezember 1981 5 vH, anschließend 10 vH, ab dem 28.03.1983 jedoch infolge einer Sehverbesserung des linken Auges auf 0,9 0 vH betragen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Orthopäden Dr.D. vom 09.06.1983 schlossen die Beteiligten im Erörterungstermin des SG Köln vom 17.11.1983 folgenden Vergleich: "Die Beklagte erkennt als zusätzliche Unfallfolgen an: Vorübergehende konzentrische Einengung der Gesichtsfeldaußengrenzen des linken Auges. Sie verpflichtet sich, dem Kläger für die Zeit vom 16.12.1981 bis 30.06.1982 unter Anrechnung der gewährten Rente eine Unfallrente nach einer MdE von 45 vH zu gewähren und für die Zeit vom 01.07.1982 bis 28.02.1983 nach einer MdE von 25 vH."

Der Kläger ist in den achtziger Jahren in die Türkei zurückgekehrt.

Mit Schreiben vom 07.10.1999 stellte er - sinngemäß - einen Verschlimmerungsantrag. Er legte hierzu verschiedene türkische Arztunterlagen vor.

Die Beklagte veranlasste ein Gutachten nach Aktenlage des Augenarztes Dr.P. vom 19.09.2000. Dieser führte aus, dass nach den türkischen Befunden die Visuswerte beidseits weiterhin voll vorhanden seien. Seit der letzten Begutachtung hätten sie sich nicht verschlechtert. Die MdE müsse auf unter 10 vH eingeschätzt werden. Der Chirurg Dr.P. wies in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 09.10.2000 darauf hin, dass in den türkischen ärztlichen Unterlagen ausdrücklich internistisch und chirurgisch auf fehlende Beschwerden hingewiesen werde. Chirurgischerseits seien also messbare Verletzungsfolgen nicht mehr beschrieben, so dass die Gesamt-MdE mit 10 bzw. unter 10 vH zu bewerten sei. Die nachgewiesenen Veränderungen seien zurückzuführen auf schicksalhaft bestehende degenerative Veränderungen des inzwischen 60-jährigen Versicherten.

Mit Bescheid vom 26.10.2000 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente ab. Danach seien bei den Unfallfolgen keine wesentlichen Änderungen eingetreten (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.09.2001).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und sinngemäß beantragt, ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 20 vH ab frühestmöglichem Zeitpunkt zu gewähren. Er hat vortragen, dass er unerträgliche Qualen erleide, insbesondere an den Stellen, an denen er von der Maschine gequetscht worden sei. Außerdem bestehe der Verlust im linken Auge.

Der Kläger hat ärztliche Unterlagen aus der Türkei aus dem augenärztlichen und orthopädischen Bereich vorgelegt.

Anschließend hat das SG den Kläger in Deutschland untersuchen lassen. Der Chirurg Dr.H. hat in seinem Gutachten vom 14.05.2004 noch folgende Gesundheitsstörungen nachweisen können: Knöchern fest ausgeheilte Rippenserienfraktur 2-4 rechts und 4-8 links, wobei die Rippen 2 und 3 links sowie 7 und 8 rechts mit mäßiger Dislokation ausgeheilt seien. Eine Funktionsbehinderung oder Schnappen der Rippen bei der Atmung sei nicht nachweisbar. Zudem liege eine ausgeheilte Schulterblattfraktur links ohne erkennbare Beeinträchtigung der Schultergelenksbeweglichkeit vor. Der Zustand nach Lendenwirbelkörper I-Fraktur, der in Keilform ausgeheilt ist, werde von dem Versicherten auf einen Sturz im Jahre 2003 zurückgeführt. Inwieweit hier ein Zusammenhang i.S eines mittelbaren Unfalles vorliege, könne chirurgischerseits nicht eindeutig geklärt werden. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen auf eine MdE von 20 vH sei chirurgischerseits nicht eingetreten.

In seinem Gutachten vom 26.05.2004 hat der Lungenarzt Dr. E. im Rahmen der aktuellen Begutachtung bronchopulmonal einen unauffälligen Auskultations- und Perkussionsbefund gefunden. Röntgenologisch seien lediglich die vorbeschriebenen Residuen der Rippenserienfrakturen nachweisbar. Lungenparenchymatöse Veränderungen seien nicht gegeben. Bei der Lungenfunktionsprüfung seien die Werte normal gewesen. Lungenfunktionseinschränkungen ließen sich nicht nachweisen. Die röntgenologisch noch sichtbaren Residuen der Rippenserienfrakturen beidseits seien funktionell ohne Folgen geblieben. Eine dadurch bedingte MdE liege nicht vor. Die elektrocardiographischen Veränderungen seien nicht Folge der durch den Unfall erlittenen Contusio cordis, sondern durch myocardiale Minderdurchblutung i.S. einer KHK bedingt. Sie seien nicht als Unfallfolge zu werten.

In dem augenärztlichen Zusatzgutachten hat Dr.R. am 15.06.2004 ausgeführt, dass keine unfallbedingten Verschlechterungen seitens der Augen im Vergleich zu den objektiven Voruntersuchungen aufgefallen seien. Die vom Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung angegebene reduzierte Sehschärfe sei nicht mit dem objektiv erhobenen Befund zu erklären.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.08.2004 hat das SG Würzburg die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten der Dres H. , E. und R. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und 4 Computertomogramme sowie Berichte des Radiologen Dr.C. vom 01.06.2005, des I. EEG-EMG Gesundheitszentrums GmbH vom 06.06.2005 sowie des Med. Analyselabors des Türkischen Roten Halbmondes -Zweigstelle B. vom 06.06.2005 vorgelegt.

Auf Veranlassung des Senats hat Dr.H. am 09.09.2005 hierzu gutachtlich Stellung genommen und ausgeführt, dass eine fortgeschrittene Verschleißerkrankung an der HWS beschrieben werde, die keinen Zusammenhang mit dem Unfall erkennen lasse. Auch bei den Untersuchungsergebnissen über die Nervenleitgeschwindigkeiten der Arm- und Handnerven sei ein Unfallzusammenhang nicht nachzuweisen. Es handele sich um sog. Radikulopartien, d.h. Nervenwurzelreizerscheinungen, die durch Irritation der Nervenwurzel beim Durchtritt durch die verengten Wirbellöcher entstehen. Auch das beidseitige Karpaltunnelsyndrom leichten Grades stelle ein selbstständiges, schicksalbedingtes Krankheitsbild dar. Ein Unfallzusammenhang sei auszuschließen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Würzburg vom 18.08.2004 sowie des Bescheides vom 26.10.2000 idF des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 zu verurteilen, aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.06.1981 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 18.08.2004 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.06.1981, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Berufung ist nach § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids als unbegründet zurückzuweisen.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch die vom Kläger vorgelegten türkischen ärztlichen Unterlagen vom 01. und 06.06.2005 keine Anhaltspunkte erbracht haben, mit denen sein Begehren zu begründen wäre. Zutreffend hat Dr.H. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 09.09.2005 keinerlei Hinweise erkennen können, dass die übersandten Befunde im Zusammenhang mit dem Unfall vom 12.06.1981 stehen. Die fortgeschrittene Verschleißerkrankung an der Halswirbelsäule ist nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Traumatisch verursachte Befunde werden nämlich nicht beschrieben. Die Halswirbelsäule war bei dem Unfall vom 12.06.1981 auch gar nicht betroffen. Aus den Untersuchungsergebnissen der Nervenleitgeschwindigkeiten der Arm- und Handnerven lassen sich zwar Schädigungen von Nerven einerseits durch die Einengung der Nervenwurzeln an der HWS durch die vorher beschriebenen degenerativen Veränderungen erkennen, andererseits auch durch Nervenkompressionssyndrome an den Handgelenken. Ein Unfallzusammenhang ist hier nicht nachweisbar. Vielmehr handelt es sich um sog. Radikulopathien, d.h. Nervenwurzelreizerscheinungen, die durch Irritation der Nervenwurzel beim Durchtritt durch die verengten Wirbellöcher entstehen. Es ist zudem ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom leichten Grades beim Kläger nachgewiesen. Hier handelt es sich aber um eine Druckschädigung der Medianusnerven, die den Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und die Radialseite des 4. Fingers an beiden Händen versorgen und die sich in Höhe der Handwurzel abspielen. Da das Karpaltunnel eine enge Durchtrittsstelle für den Medianusnerven in Höhe des Handgelenks und der Handwurzel darstellt, handelt es sich grundsätzlich um ein selbstständiges schicksalbedingtes Krankheitsbild. Nur in seltenen Fällen zB nach einer Fraktur im Handgelenksbereich, die in Fehlstellung verheilt ist, kann ein Druckschaden als Unfallfolge möglicherweise nachgewiesen werden. Im vorliegenden Falle ist aber im Handgelenksbereich keinerlei Schädigung ersichtlich.

Die Feststellungen des Dr.H. stehen daher in Übereinstimmung mit den vom Erstgericht eingeholten Gutachten. Eine Änderung der bisherigen Betrachtungsweise ist nicht anzunehmen.

Die Berufung ist als unbegründet zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.06.1981.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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