L 3 U 237/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 401/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 237/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1951 geborene Kläger war vom 01.07.1996 bis zum 31.01.2002 bei der metallverarbeitenden Firma F. Lamellenringe (Beratung, Entwicklung und Produktion) beschäftigt.

Mit Schreiben vom 29.02.2002 meldete die AOK Bayern bei der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit. Beigefügt war ein Schreiben des Klägers, in dem dieser anlässlich seiner Erkrankung ab dem 10.01.2002 angibt, bei seiner beruflichen Tätigkeit mit hochgradig giftigen Stoffen in Kontakt gekommen zu sein, die lungenschädlich seien. Gefährdende Tätigkeiten seien gewesen: Arbeiten in einer Beizerei, das Schneiden einer Hecke mit einer alten, nicht gewarteten Heckenschere (2-Takt-Motor), Aufräumarbeiten im Dachboden einer Halle und das Entfernen des Fußbodenbelages dort.

Zur Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte weitere Auskünfte des Klägers vom 11.02.2002, ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern, eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 27.02.2002, Befundberichte von Dr.B. , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.02.2002 und von Dr.H. , Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologe, vom 12.03.2002, Stellungnahmen des Präventionsdienstes (PD) vom 05.04.2002 / 24.05.2002 mit einer Analyse einer Materialprobe vom Messtechnischen Dienst vom 08.05.2002 sowie eine Stellungnahme von Dr. B. , Internistin, Arbeitsmedizinerin, Gewerbeärztlicher Dienst des Gewerbeaufsichtsamts A. , vom 15.05.2002 ein.

Der PD der Beklagten führte beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers am 27.03.2002 Ermittlungen durch und kam zu dem Ergebnis, dass in der Beizerei die Chlorwasserstoffkonzentration unterhalb der analytischen Nachweisgrenze gelegen habe. Erfahrungsgemäß würden an solchen Arbeitsplätzen die Luftgrenzwerte, als Schichtmittelwert betrachtet, auch für Fluorwasserstoff und Stickoxide unterschritten, wenn die Teile, wie im Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, nach dem Beizen zuerst getaucht und danach erst mittels Hochdruckreiniger gespült würden. Für Phosphorsäure existiere kein Luftgrenzwert. Bezüglich der Kohlenwasserstoffgemische sei unter lüftungstechnisch ungünstigen Verhältnissen in den relativ kleinen Räumen erfahrungsgemäß der Grenzwert als Schichtmittelwert erreicht. Die Exposition gegenüber Abgasen vom 2-Takt-Motor der Heckenschere erscheine aus chemisch-technischer Sicht auch aufgrund der geringen Expositionszeit relativ gering. Hinsichtlich einer möglichen Asbestexposition habe eine Analyse der vom Kläger zur Verfügung gestellten Staubprobe aus der Halle, in der der Kläger die vermeintlich asbesthaltigen Fußbodenplatten entfernt hatte, keinerlei Hinweise auf Asbest ergeben.

Dr.B. teilte mit, dass ein toxisches Geschehen bzw. eine Verursachung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die beruflichen Gefahrstoffe nicht festzustellen sei. Die Anerkennung einer Berufskrankheit könne nicht befürwortet werden. Hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden chronischen obstruktiven Lungenwegserkrankung sei als Ursache der Nikotinabusus zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 25.06.2002 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche aus Anlass einer Atemwegserkrankung ab. Eine Berufskrankheit nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV liege nicht vor. Sie stützte sich dabei auf die Ermittlungen des PD.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sehr wohl schädlichen Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Er habe rund 10 Tage lang Asbestplatten entsorgen müssen. Er habe 6,5 Stunden täglich mit toxischen Materialien gearbeitet. Arbeitsschutzvorrichtungen hätten nicht zur Verfügung gestanden.

Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des PD vom 07.08.2002 ein und forderte vom Arbeitgeber den Arbeitsvertrag an. Der PD führte aus, dass sich aus chemisch-technischer Sicht keine neuen Erkenntnisse ergeben würden und damit eine Änderung der Gefährdungsanalyse nicht veranlasst sei. Bei den Angaben zur Expositionshöhe seien Schichtmittelwerte herangezogen worden, die eine Exposition von acht Stunden pro Schicht zugrunde legen. Eine verkürzte Expositionszeit des Klägers sei bis jetzt nicht berücksichtigt worden. Es handele sich um Messwerte vom Arbeitsplatz des Versicherten oder von vergleichbaren Arbeitsplätzen. Inwieweit Atemschutz zur Verfügung stand, getragen wurde, bzw. die Filter geeignet und in Ordnung waren, sei insoweit nicht maßgebend. Die Probennahme erfolge in keinem Fall hinter der Atemschutzmaske, sondern bei personenbezogener Probennahme im Atembereich des Versicherten, bei stationärer Probennahme unmittelbar an den Behandlungsbädern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der bestehenden Atemwegserkrankung und der verrichteten beruflichen Tätigkeiten sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Hinsichtlich der Berufskrankheit Nr.4103 seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt, da die Analyse einer Materialprobe kein Asbest ergeben habe. Eine Berufskrankheit nach der Nr.4302 läge nicht vor, da der Kläger inhalativen Reiz- oder Schadstoffen nicht derart ausgesetzt gewesen sei, dass chemisch-irritativ oder toxisch bedingte, obstruktive Atemwegserkrankungen entstehen konnten.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.06. 2002 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30.10.2002 aufzuheben und eine Berufskrankheit nach Nrn. 4103 und 4302 samt Rentengewährung anzuerkennen.

Mit Urteil vom 22.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr.4103 der Anlage zur BKV deshalb nicht in Betracht komme, weil eine Belastung durch Asbeststaub nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei. Nach den vom PD der Beklagten analysierten Staubproben aus der Halle, hätten sich keine Hinweise auf Asbest im abgelagerten Staub ergeben. Weitergehende Ermittlungen zur Frage der Asbesthaltigkeit seien nicht möglich gewesen, da Originalsubstanzen wie Fußbodenplatten und ausgehärteter Kleber nicht mehr vorlägen. Es sei daher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass bei den streitgegenständlichen Arbeiten Asbeststaub freigesetzt worden sei. Bei der in Frage stehenden Berufskrankheit nach Nr.4302 der Anlage zur BKV handele es sich um durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen. Auch hier könne nicht der erforderliche Nachweis erbracht werden, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben seien. Der PD der Beklagten habe bei seiner Gefährdungsanalyse eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt. Tatsächlich habe der Kläger aber täglich im Durchschnitt nur etwas mehr als sechs Stunden gearbeitet. Die erforderliche Belastung sei daher keinesfalls erreicht.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er macht weiterhin erhebliche Belastungen als Beizer geltend sowie eine Exposition gegenüber Asbest.

Der Senat hat eine Auskunft des Gewerbeaufsichtsamtes vom 24.01.2005 eingeholt, die Akten des Versorgungsamts A. und der Agentur für Arbeit, ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern, Befundberichte von Dr.S. , Facharzt für Innere Medizin, vom 04.02.2005, von Dr.B. , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.01.2005, von Dr.S. , Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, vom 19.01.2005, von Prof.Dr.Dr.E. , Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, vom 10.02.2005 beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. , Internistin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Öffentliches Gesundheitswesen, vom 08.05.2006 und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von Dr. K. , Innere Medizin, Pneumologie, vom 23.10.2006 eingeholt.

Dr. L. hat ausgeführt, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Berufserkrankung nach der Nr.4103 nicht erfüllt seien. Eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Lunge oder der Pleura könne ausgeschlossen werden. Es seien weder lungenfunktionsanalytisch noch röntgenologisch asbestosetypische Veränderungen nachweisbar. Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Nr.4301 sei festzustellen, dass beim Kläger eine chronisch-obstruktive Bronchitis vorliege. Eine inhalative Belastung durch chemisch-irritative Stoffe in sehr niedriger Dosierung am früheren Arbeitsplatz sei anzunehmen. Die berufliche Tätigkeit des Klägers sei daher in einem sehr geringen Ausmaß dazu geeignet gewesen, eine obstruktive Atemwegserkrankung verursachen zu können. Sie habe jedoch diese nicht verursacht im Sinne einer wesentlichen Bedingung und die Tätigkeit habe auch zu keiner richtunggebenden Verschlimmerung der Erkrankung geführt. Dies werde bestätigt durch die Tatsache, dass auch nach jahrelanger Karenz der beruflichen Stoffe keine richtunggebende Änderung in der Lungenfunktion eingetreten sei trotz einer zumindest vorübergehenden intensiv durchgeführten medikamentösen Therapie. Auch die Arbeitsaufgabe sei wegen der chronisch-obstruktiven Bronchitis nicht zwingend notwendig gewesen und auch tatsächlich nicht wegen der Krankheit erfolgt. Als primäre Ursache der nachweislichen chronisch-obstruktiven Bronchitis sei der jahrzehntelange Nikotinabusus zu sehen.

Dr. K. hat dargelegt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine Berufskrankheit handele, insbesondere nicht um eine solche nach den Nrn.4103 und 4302. Die außerberuflichen Ursachen, insbesondere das über Jahrzehnte anhaltende Zigarettenrauchen, sei für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung beim Kläger verantwortlich zu machen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 und des Bescheides vom 25.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2002 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nrn.4103 bzw. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer. Landessozialgerichts, der Akten des Versorgungsamts A. und der Agentur für Arbeit sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV und damit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen.

Anzuwenden sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch (SGB VII), die für alle nach seinem Inkrafttreten am 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfälle gelten (§ 212 SGB VII). Der Kläger hat anlässlich seiner Erkrankung ab dem 10.01.2002 die Feststellung der Berufskrankheit geltend gemacht. Eine rückwirkende Feststellung für die Zeit vor dem 01.01.1997 ist von ihm nicht begehrt worden. Er hat vielmehr im Rahmen der Befragung durch die Beklagte angegeben, dass sich erstmals im Jahr 2001 die Erkrankung bemerkbar gemacht habe.

Nach Eintritt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gewährt der Träger der Unfallversicherung Entschädigungsleistungen (§§ 26 ff. SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Erfasst werden (1) Erkrankungen durch Asbeststaub, insbesondere eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura (Nr.4103 der Anlage zur BKV). Auch gehören hierzu (2) durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, sofern diese Erkrankungen zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Nr.4302 der Anlage 1 zur BKV).

Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R, RegNr. 1295). Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für eine Berufskrankheit anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.).

(1) Beim Kläger liegt keine Berufskrankheit nach der Nr.4103 der Anlage zur BKV vor. Eine Erkrankung durch Asbeststaub, insbesondere eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura liegt nicht vor.

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze sind nach den Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowohl die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach Nr.4103 der Anlage zur BKV als auch eine für diese Berufskrankheit charakteristische Erkrankung nicht gegeben.

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen müssen im Vollbeweis dargetan sein, d.h. es muss erwiesen sein, dass der Versicherte im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die nach Ausmaß und Intensität geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken.

Soweit der Kläger geltend macht, dass er ohne Schutzvorrichtung über zehn Tage lang Asbestplatten aus dem Dachboden einer Halle habe entfernen müssen, ist dies nicht nachgewiesen. Im abgelagerten Staub konnte kein Asbest festgestellt werden. Die vom PD der Beklagten analysierten Staubproben, die vom Kläger zur Verfügung gestellt worden waren, ergaben, dass sich kein Asbest im abgelagerten Staub aus der Halle befand. Weitergehende Ermittlungen zur Frage der Asbesthaltigkeit waren nicht möglich, da Originalsubstanzen wie Fußbodenplatten und ausgehärteter Kleber nicht mehr vorlagen. Dies geht aufgrund der gegeben Beweis-lastverteilung zu Lasten des Klägers. Eine Asbeststaubexposition und damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit gem. BK-Nr.4103 sind daher nicht nachgewiesen.

Für die Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen müsste zudem die umschriebene Listenkrankheit, d.h. vorliegend die Erkrankung durch Asbeststaub, nachgewiesen sein. Auch dies ist nicht gegeben. Der Senat stützt sich insoweit auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. L ... Bei der Asbestose handelt es sich um Erkrankungen an der Lunge oder der Pleura durch Einatmen von Staub, der in unterschiedlichen Anteilen Asbest anhält. Der Krankheitsverlauf hängt vom Grad der Staubexposition ab. Die Asbeststaublungenerkrankung verläuft meist chronisch progredient. Nach einer Latenzzeit von etwa 15 bis 20 Jahren kommt es zur klinischen Manifestation. Nach den Angaben des Klägers wäre eine vermutete Asbeststaubbelastung im Zeitraum zwischen Juli 1996 und Dezember 2001 erfolgt. Die erforderliche Latenzzeit von etwa 15 bis 20 Jahren wäre damit nicht erfüllt. Dr. L. hat zudem überzeugend darauf hingewiesen, dass im Bereich beider Lungen sich keine Hinweise für frische Infiltrate ergaben, auch keine Hinweise für eine retrikuläre oder fibröse Zeichnungsvermehrung, wie sie typisch ist für eine Asbestose der Lunge. Auch die röntgenologischen Untersuchungen zeigten keine asbestosetypischen Veränderungen im Bereich der Lungen und des Rippenfelles. Im Jahr 2001 wurde eine Bronchoskopie durchgeführt. Es fand sich histologisch eine unspezifische bronchitische Entzündung. Asbestkörperchen wurden nicht nachgewiesen. Lungenfunktionsanalytisch war zu diesem Zeitpunkt keine restriktive Ventilationsstörung gegeben, ebensowenig eine Einschränkung der Diffusionskapazität. Auch in den späteren Kontrollen im Jahr 2002 und 2003 war keine restriktive Ventilationsstörung nachweisbar. Es bestanden daher weder lungenfunktionsanalytisch noch röntgenologisch asbestosetypische Veränderungen. Eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Lungen oder der Pleura liegt somit nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. nicht vor. Dies bestätigt auch Dr. K. , der ebenfalls darauf hinweist, dass beim Kläger keine für eine asbestbedingte Schädigung von Lunge und Rippenfell typische Veränderung vorliegt.

Bei nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen und nicht nachgewiesener Asbeststaublungenerkrankung ist somit keine der Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.4103 der Anlage zur BKV erfüllt.

(2) Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr.4302 der Anlage 1 zur BKV sind nicht gegeben. (a) Der Senat geht zwar zugunsten des Klägers davon aus, dass der Kläger in geringem Umfang chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt war. (b) Auch liegt eine obstruktive Atemwegserkrankung vor. (c) Die obstruktive Atemwegserkrankung ist indessen nicht ursächlich auf die schädigenden Einwirkungen im Sinne der maßgebenden Berufskrankheit zurückzuführen.

(a) Der Kläger war im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in geringem Ausmaß verschiedenen chemisch-irritativen und toxischen Stoffen ausgesetzt. Bei den vom PD durchgeführten Messungen lag die Konzentration für Chlorwasserstoff unterhalb der analytischen Nachweisgrenze. Erfahrungsgemäß ist nach den Ausführungen des PD anzunehmen, dass auch die Luftgrenzwerte, als Schichtmittelwert betrachtet, für Fluorwasserstoff und Stickoxide unterschritten werden, wenn die Teile, wie im Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, nach dem Beizen zuerst getaucht und danach erst mittels Hochdruckreiniger gespült werden. Für Kohlenwasserstoffgemische ist davon auszugehen, dass in den relativ kleinen Räumen der Grenzwert als Schichtmittelwert von 200 mg pro Kubikmeter erreicht wurde. Bei den Angaben zur Expositionshöhe hat der PD Schichtmittelwerte, die eine Exposition von acht Stunden pro Schicht zugrunde legen, herangezogen. Der Kläger war hingegen nach seinen eigenen Angaben lediglich ca. 6,5 Stunden täglich in der Beizerei tätig. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände geht der Senat daher von einer geringen Belastung aus.

(b) Beim Kläger liegt nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. L. eine chronisch-obstruktive Bronchitis vor. Er war erstmals im Februar 2000 wegen einer Atemwegserkrankung in Behandlung beim Hausarzt Dr.B ... Am 11.07.2001 erfolgte eine lungenärztliche Untersuchung durch Dr.S ... Es wurde eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung festgestellt, die sich nach einmaliger Gabe eines bronchuserweiternden Medikamentes normalisierte. Von Dr.S. wurde am 15.01.2002 als Diagnose eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung bei Nikotinabusus gestellt. Auch im Befundbericht des Klinikums A. vom 22.11.2002 wird die Diagnose einer chronisch-obstruktiven Bronchitis gestellt. Lungenfunktionsanalytisch wurde zu diesem Zeitpunkt eine mittelgradige Obstruktion angenommen.

(c) Die chronisch obstruktive Bronchitis ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen.

Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. L ... Gegen einen Kausalzusammenhang spricht das fehlende zeitliche Zusammentreffen der Tätigkeit mit der Erkrankung. Beim Kläger waren seit Beginn der beruflichen Tätigkeit im Jahr 1996 bei gleichbleibender Arbeitsplatzsituation bis zum 15.02.2002 niemals Atembeschwerden am Arbeitsplatz aufgetreten, auch nicht bei erschwerend hinzukommendem, zusätzlichem Nikotinabusus am Arbeitsplatz. Es wurde dementsprechend auch keine ärztliche Behandlung erforderlich. Die Erkrankung im Februar 2000 war ein akuter Infekt. Ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit kann nicht hergestellt werden. Bei der weiteren Behandlung am 27.06.2001 wurde eine chronisch-obstruktive Bronchitis festgestellt. Als primäre Ursache wurde vom behandelnden Arzt der Nikotinabusus gesehen. Ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit wurde nicht hergestellt und auch von ärztlicher Seite nicht zu einer Berufsaufgabe geraten. Es erging zu diesem Zeitpunkt auch keine Meldung an die Berufsgenossenschaft in Bezug auf eine Berufskrankheit.

Die inhalative Belastung durch chemisch-irritative Stoffe in sehr niedriger Dosierung hat auch zu keiner richtunggebenden Verschlimmerung der bestehenden Erkrankung geführt. Dr. L. hat zwar darauf hingewiesen, dass sich eine chronisch obstruktive Bronchitis auf dem Boden eines chronischen Nikotinabusus durch die Einatmung chemisch-irritativer Stoffe auch in niedrigster Dosierung verschlechtert. Es handelt sich insoweit aber um vorübergehende Erscheinungen. Eine bleibende Verschlechterung ergibt sich daraus nicht. Dies wird bestätigt durch die Tatsache, dass auch nach jahrelanger Karenz der beruflichen Stoffe keine richtunggebende Änderung in der Lungenfunktion eingetreten ist trotz zumindest vorübergehend intensiv durchgeführter medikamentöser Therapie.

Auch die Arbeitsaufgabe war wegen der chronisch-obstruktiven Bronchitis nicht zwingend notwendig und erfolgte auch tatsächlich nicht wegen der Erkrankung. Der Kläger hat die berufliche Tätigkeit vielmehr wegen einer fristlosen Kündigung von Seiten des Arbeitgebers aufgegeben. Erst als die Kündigung ausgesprochen war, erfolgte die Verdachtsmeldung einer Berufskrankheit durch die AOK, nachdem Dr. S. in seinem Befund vom 15.01.2002 auf den Umgang mit toxisch-reizenden Stoffen am Arbeitsplatz hingewiesen hatte. Nach der Arbeitsaufgabe wurde vom Kläger zwar eine subjektive Besserung der Atembeschwerden berichtet bei gleichzeitiger belastungsabhängiger Atemnot und weiterhin anhaltendem trockenem Husten bei Nikotinabusus. Das Wegfallen der chemisch-irritativen Komponente könnte zwar nach den Ausführungen von Dr. L. eine leichte Besserung bringen. Entscheidend ist aber, dass der Kläger nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ab Februar 2002 eine antientzündliche bronchuserweiternde Therapie durchführte, was als primäre Ursache der subjektiven Besserung zu sehen ist. Dr. L. wies zudem darauf hin, dass entgegen den subjektiven Angaben des Klägers hinsichtlich einer Besserung im pneumologischen Befundbericht von Dr.S. vom 11.11.2002 berichtet wird, dass der Kläger nach wie vor Atembeschwerden gehabt habe in unterschiedlicher Ausprägung. Auch der Verlauf der Lungenfunktionsanalysen zeigt nach ihren Ausführungen einen weitgehend gleich bleibenden Befund mit der für den chronischen Nikotinabusus typisch langsam abnehmenden Ein-Sekunden-Kapazität.

Der Krankheitsverlauf insgesamt ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr.L. nach medizinischer Erfahrung typisch für eine durch einen chronischen Nikotinabusus verursachte chronisch-obstruktive Bronchitis. Als Ursache für die chronisch-obstruktive Bronchitis ist daher der jahrzehntelange Nikotinabusus anzusehen. Der Kläger hat bis zum Sommer 2001 nach eigenen Angaben 20 Zigaretten pro Tag geraucht, danach zehn Zigaretten pro Tag.

Dr. K. hat die Ausführungen von Frau Dr.L. vollumfänglich bestätigt. Die beruflichen Einwirkungen waren nach seinen Ausführungen nicht wesentlich ursächlich für das Auftreten der Erkrankung. Auch Dr. K. geht vielmehr davon aus, dass die außerberuflichen Ursachen, insbesondere das über Jahrzehnte anhaltende Zigarettenrauchen mit kumulativ 40 Packungsjahren, für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung maßgebend sind.

Es sind somit weder die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach der Nr.4103 noch nach der Nr.4302 der Anlage zur BKV erfüllt. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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