L 16 R 885/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 11/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 885/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Aufrechnung des Anspruchs der Beklagten auf Nachzahlung der für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis 31.05.2005 nicht einbehaltenen Beitragsanteile des Klägers zur gesetzli-chen Kranken- und Pflegeversicherung mit dessen erneut geltend gemachtem Anspruch auf Erstattung der vom 01.05.2001 bis 30.06.2003 gezahlten freiwilligen Beiträge.

Der am 1941 geborene Kläger entrichtete bis Februar 1997 lau-fend Pflichtbeiträge. Danach führte er als selbstständiger Han-delsvertreter bis Juni 2003 freiwillige Beiträge in der Min-desthöhe an die Beklagte ab. Am 30.01.2001 und am 31.01.2003 erhielt der Kläger jeweils Rentenauskünfte mit Versicherungs-verläufen.

Sein Antrag vom 24.06.2003 auf Erstattung der freiwilligen Bei-träge in Höhe von insgesamt ca. EUR 1.700,-, soweit sie über das 60. Lebensjahr hinaus von Mai 2001 bis Juni 2003 abgeführt wor-den sind, wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bayerischen LSG vom 23.02.2005, Az. L 16 R 293/04 abgelehnt. Denn er könne zum einen die der Beitragsentrichtung zu Grunde liegende Willenser-klärung nicht wirksam wegen eines Irrtums nach § 119 BGB an-fechten, weil er sich lediglich über die rechtlichen Nebenfol-gen geirrt habe. Bei einem Irrtum über eine mögliche künftige Rechtsentwicklung handle es sich nach der Rechtsprechung des BSG immer um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Im Übrigen sei bereits aus dem Gesamtablauf nicht erkennbar, dass der Kläger die Beitragszahlung ausschließlich oder nur überwiegend wegen der Rentenhöhe geleistet habe. Denn Mindestbeiträge könnten in der Regel die Rentenhöhe nicht positiv beeinflussen. Sie würden vielmehr meist geleistet, um den Versicherungsschutz für die Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit nicht zu verlieren. Zum anderen könne er einen Anspruch auf Beitragserstattung we-der aus § 210 SGB VI noch aus den Sonderregelungen der §§ 207 Abs. 3, 205 Abs. 1 Satz 2, 204 Abs. 1 Satz 2 SGB VI noch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ableiten. Denn ein derartiger sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere an einer Verletzung der behördlichen Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflicht. Mit der Vollendung des 60. Lebensjahres be-stehe noch kein konkreter Anlass der Beklagten, den Kläger zu beraten. Selbst wenn man einen Beratungsfehler bejahen würde, käme es nicht zu einer Beitragserstattung in der begehrten Form, weil eine Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge in Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht mög-lich sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Be-schluss vom 25.07.2005 als unzulässig wegen Fristversäumnis verworfen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger auf seinen Antrag vom 03.06.2004 mit Bescheid vom 09.06.2004 Altersrente für langjäh-rig Versicherte ab 01.05.2004 in Höhe von monatlich EUR 890,61 brutto und EUR 809,12 netto sowie ab Juli 2004 in Höhe von EUR 810,90 netto. Da die Beklagte vom Vorliegen einer Pflichtmit-gliedschaft des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung ausgegangen war, hatte sie den Beitragsanteil des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten. Nach einer Mittei-lung der Krankenversicherung, dass der Kläger freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert sei, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2004 die Rente unter Wegfall des Beitragsanteils des Klägers neu fest, so dass für die Zeit ab August 2004 laufend eine Rente in Höhe von EUR 890,61 ausbe-zahlt wurde und für die Zeit von Mai bis Juli 2004 eine Nach-zahlung an den Kläger in Höhe von EUR 242,69 erfolgte.

Nach einer weiteren Mitteilung der AOK Bayern vom 23.08.2004 stellte die Beklagte nach Durchführung eines Anhörungsverfah-rens - eine Gegenäußerung des Klägers erfolgte nicht - mit be-standskräftigem Bescheid vom 04.05.2005 fest, dass der Kläger ab Juli 2004 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversiche-rung pflichtversichert sei, er daher ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung mehr habe und der halbe Kranken- und der volle Pflegebeitrag ab Juli 2004 bis Mai 2005 in Höhe von EUR 755,25 nachzuzahlen sei. Der Rentenzahlbetrag sei daher ab Juni 2005 mit monatlich EUR 808,67 festzusetzen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen

Auf das Anhörungsschreiben der Beklagten hin, dass sie eine Verrechnung der Überzahlung mit der laufenden Rentenzahlung in Höhe von monatlich EUR 61,45 beabsichtige, begehrte der Kläger in seiner Gegenäußerung eine Aufrechnung seines Anspruchs auf Er-stattung der über das 60. Lebensjahr hinaus entrichteten frei-willigen Beiträge mit der Überzahlung. Mit Bescheid vom 11.10.2005 führte die Beklagte die angekündigte Aufrechnung durch und behielt ab Dezember 2005 monatlich EUR 61,45 von der laufenden Rentenzahlung ein, so dass sich der monatlich ausge-zahlte Rentenbetrag auf EUR 745,44 reduzierte. Ab Dezember 2006 wurde wieder der volle Rentenbetrag ausbezahlt (Bescheid vom 09.10.2006).

Der dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers, dass eine Auf-rechnung der Überzahlung mit den zu erstattenden freiwilligen Beiträgen zu erfolgen habe, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2005 als unbegründet zurückgewiesen, weil die Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I mit der Rente bis zu deren Hälfte zuläs-sig sei. Eine Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers sei nicht nachgewiesen worden. Da die Sicherung des laufenden Lebensun-terhaltes des Klägers durch die einbehaltene Rente nicht maß-geblich beeinträchtigt sei, die Mittel der Versichertengemein-schaft sachgerecht zu verwenden seien und der Gleichbehand-lungsgrundsatz gegenüber den übrigen Versicherten zu berück-sichtigen sei, könne die Beklagte von der laufenden Altersrente monatlich EUR 61,45 einbehalten. Eine Verrechnung mit den ab dem 60. Lebensjahr gezahlten freiwilligen Beiträgen des Klägers könne nicht erfolgen, da eine Erstattung dieser Beiträge be-reits durch das Urteil des Bayerischen LSG vom 23.02.2005 rechtskräftig abgelehnt worden sei.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut begehrte der Kläger unter Hinweis auf das krasse Missverhältnis zwischen den gezahlten freiwilligen Beiträgen und der gezahlten Rente als Gegenleistung sein Ziel der Verrechnung der Überzah-lung mit den zu erstattenden freiwilligen Beiträgen weiter.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 22. November 2006 ab, weil die Beklagte zum Einbehalten der rückständigen Beiträge nach § 255 Abs. 2 SGB V bis zur Grenze des Eintritts der Hilfebedürftigkeit verpflichtet sei. Eine Hilfebedürftig-keit sei vom Kläger weder geltend gemacht worden noch sei der-artiges für das Gericht ersichtlich. Der vom Kläger geltend gemachte eigene Gegenanspruch auf Erstattung seiner von Mai 2001 bis Juni 2003 gezahlten freiwilligen Beiträge bestehe nach den zutreffenden und umfassenden Ausführungen des rechtskräfti-gen Urteils des Bayerischen LSG vom 23.02.2005 (Az. L 16 R 293/04) nicht.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit der Begründung, dass ein krasses Missverhältnis zwischen der jährlichen Bei-tragsleistung von EUR 936,- und der jährlichen Rentenmehrung von EUR 4,32 liege, die Beklagte nur eine treuhänderische Tätigkeit ausüben dürfe und ihr eine Schadensminderungspflicht obliege. Weder von der Beklagten noch von der AOK noch von seinem Steu-erberater sei er darauf hingewiesen worden, dass eine Leistung freiwilliger Beiträge ab dem 60. Lebensjahr nicht mehr sinnvoll gewesen sei. Es sei daher nach dem Gewissen zu entscheiden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2005 abzuändern und die Be-klagte zu verurteilen, seine für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis 31.05.2005 nachgeforderten Beitragsanteile zur gesetzli-chen Kranken- und Pflegeversicherung mit seinem Anspruch auf Erstattung der vom 01.05.2001 bis 30.06.2003 gezahlten frei- willigen Beiträge aufzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Denn die Begründung der Berufung enthalte keine neuen Gesichts-punkte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stellen wür-den.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tat-bestands auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Archivakte des BayLSG, Az. L 16 R 293/04 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu-lässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 11.10.20005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2005 abgewiesen, weil der Kläger keine Aufrechnung der unstreitigen und bestandskräftig mit Bescheid vom 04.05.2005 festgestellten Forderung der Beklagten auf Nachzahlung der rückständigen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegever-sicherung mit dem geltend gemachten Gegenanspruch auf Erstat-tung der vom 01.05.2001 bis 30.06.2003 entrichteten freiwilli-gen Beiträge beanspruchen kann. Denn er hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der über Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus von Mai 2001 bis Juni 2003 entrichteten freiwilligen Beiträge. Insoweit wird auf die zutreffenden Aus-führungen des Bayerischen LSG in dem Verfahren Az. L 16 R 293/04 verwiesen.

Einwände gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 51 SGB I bis zur Grenze der Pfändbarkeit wurden nicht erhoben. Der Prü-fung, ob eine Aufrechnung darüber hinaus bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinn des § 255 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. SGB V i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I zulässig ist, bedurfte es nicht.

Da der Kläger also keinen Anspruch auf Erstattung seiner frei-willigen Beiträge hat, ist die von der Beklagten von Dezember 2005 bis November 2006 vorgenommene Aufrechnung ihrer Nachzah-lungsforderung in Höhe von EUR 755,25 mit der laufenden Rente in Höhe von EUR 61,45 monatlich nicht zu beanstanden. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß §§ 183, 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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