L 16 R 894/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 R 743/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 894/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19. Oktober 2005 werden zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu drei Viertel zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.08.2003, hilfsweise ab 01.05.2005.

Der 1953 geborene Kläger hat nach seinen Angaben im Rentenantrag den Beruf eines Landwirts von 1969 bis 1972 erlernt und war ab 1975 als Bauhelfer, Kraftfahrer, zuletzt im Rahmen einer ABM-Maßnahme als Arbeiter beim Markt S. beschäftigt.

Ein erster Antrag des Klägers vom Oktober 1998 wurde mit Bescheid vom 23.11.1998 abgelehnt, da weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Es wurde zwar eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit durch die Hüftgelenksarthrose, die Implantation einer Endoprothese links im Juni 1998 sowie von Wirbelsäulenbeschwerden berücksichtigt, der Kläger könne aber damit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten. Das Leistungsvermögen als Gemeindearbeiter wurde mit unter zweistündig bewertet. Ausgewertet wurde ein Reha-Bericht.

Am 02.07.2003 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Erwerbsminderungsrente und trug vor, seit 1998 laufend arbeitslos gewesen zu sein. Auch eine selbstständige Beschäftigung als Landwirt habe er nicht ausgeübt.

Auf Veranlassung der Beklagten fand am 12.08.2003 eine Untersuchung des Klägers durch Dr. S. statt. Dabei wurden diagnostiziert: 1. Hüftgelenksbeschwerden rechts bei Abnutzungserscheinungen. Ersatz des linken Hüftgelenks durch Kunstgelenk wegen Abnut zungserscheinungen 1998. Schulterbeschwerden 2. Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung und Abnutzungserscheinungen. Halswirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen.

Als Nebenbefunde wurden diagnostiziert: Hyperurikämie mit gelegentlichen Gichtanfällen, Hypertriglyceridämie. Dr. S. fand bei der klinischen Untersuchung an beiden Hüftgelenken eine leichte Bewegungseinschränkung, während ein klinisch-pathologischer Befund im Bereich der Kniegelenke und Sprunggelenke nicht erhoben werden konnte. Der Gang wies mittlere Schrittweite auf, war etwas bedächtig, steif, auch mit einem geringen linksseitigen Verzögerungshinken und einer leichten Innenrotationshaltung des linken Beines verknüpft. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnten Funktionsstörungen der Schultergelenke nicht festgestellt werden, ebenso fanden sich keine Besonderheiten an den oberen Extremitäten. Von Seiten der Wirbelsäule waren keine segmentbezogenen sensiblen Ausfälle feststellbar. Es fanden sich im HWS- und LWS-Bereich Fehlhaltungen und schwere Verschleißerscheinungen. Das Leistungsvermögen beurteilte Dr. S. mit sechs Stunden und mehr für leichte Arbeiten zu ebener Erde und im Sitzen. Für die letzte Tätigkeit sei das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden abgesunken. Eine medizinische Reha-Maßnahme hielt der Gutachter nicht für erforderlich, da das Leistungsvermögen nicht entscheidend verbessert werden könne.

Mit Bescheid vom 26.08.2003 wies die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, es liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor, da der Versicherte noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Trotz der festgestellten Hüftgelenksbeschwerden und der Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule habe die ärztliche Untersuchung ergeben, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten verrichten könne. Im Hinblick auf die berufliche Laufbahn des Klägers stünde auch Berufsunfähigkeitsrente nicht zu.

Nach dem Versicherungsverlauf in der Akte der Beklagten hat der Kläger ab 01.03.1994 durchgehend Zeiten bis 29.05.2003 zurückgelegt, und zwar Pflichtbeiträge im Wechsel von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. vom Arbeitgeber gemeldete Zeiten.

Seinen Widerspruch vom 04.09.2003 begründete der Kläger damit, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht richtig berücksichtigt worden sei. Seine Erwerbsunfähigkeit hätten sein behandelnder Arzt Dr. K. sowie der Orthopäde Dr. W. mehrfach bestätigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen und nach dem Ergebnis der Untersuchung stehe fest, dass der Kläger vollschichtig leichte Arbeiten zu ebener Erde im Wechsel zwischen Gehen und Stehen ohne häufiges Knien oder Hocken noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne und deshalb die Voraussetzungen für den Bezug der vollen oder teilweisen Erwerbsminderungsrente nicht vorlägen.

Dagegen richtete sich die mit Schreiben vom 23.11.2003 zum Sozialgericht Regensburg erhobene Klage. Zu deren Begründung wies der Kläger darauf hin, bereits nach einer Stunde leichter Arbeiten starke Schmerzen an beiden Hüften, im Kreuz und an der Wirbelsäule zu bekommen. Er habe sich schon 1998 an der linken Hüfte operieren lassen und habe in den letzten 10 Jahren als ABM-Kraft bei den Gemeinden nur mehr für leichte Arbeiten eingesetzt werden können.

Das Sozialgericht zog Befundberichte beim Orthopäden Dr. W. bei und bestellte den Facharzt für Chirurgie Dr. P. zum gerichtlichen Sachverständigen.

Dr. P. stellte im Gutachten vom 10.08.2004 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, degenerative Veränderungen der Hüftgelenke beidseits, Hüft-TEP links. Dr. P. nahm ein eingeschränktes Leistungsvermögen für Tätigkeiten mit Gefährdung durch Nässe, Kälte und Zugluft sowie häufiges Bücken, Knien und Hocken, Arbeiten in Zwangshaltung und Überkopf an. Bei Beachtung der Einschränkungen könne der Kläger in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen aber noch täglich sechs Stunden und mehr arbeiten. Nervenwurzelreizerscheinungen konnte der Gutachter nicht feststellen.

Da der behandelnde Orthopäde Dr. W. über massive Einschränkungen von Seiten des gesamten Bewegungsapparats und eine absolute Erwerbsunfähigkeit berichtet hatte, bestellte das Sozialgericht als weiteren Sachverständigen den Facharzt für Neurologie Dr. Z ...

Dieser stellte im Gutachten vom 01.12.2004 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: Klinisch hochgradiger Verdacht auf Vorliegen einer lumbalem Spinalkanalstenose mit neurogener Claudikatio-spinalis-Symptomatik. Er war der Auffassung, dass diese Gesundheitsstörung beim Kläger bislang nicht diagnostiziert und behandelt worden sei. Es bestehe daher die Möglichkeit, dass durch eine entsprechende konservative oder operative Therapie die Beschwerdesymptomatik gebessert werden könne. Als Bauarbeiter könne der Kläger keinerlei Arbeitsleistung mehr erbringen. Er könne weder mit noch ohne Gehhilfe die Strecke von 500 m viermal in zumutbarer Zeit zurücklegen. Bei der Untersuchung habe sich das Gangbild auffällig gezeigt, die motorische Prüfung sei ohne pathologische Auffälligkeiten gewesen. Der psychopathologische Befund sei unauffällig. Aufgrund des neurologischen Befundes könne der Kläger derzeit nicht länger als 5 Minuten aufrecht stehen und Gehstrecken länger wie 500 m nicht am Stück bewältigen. Deshalb bestehe etwa seit einem Jahr ein eingeschränktes Leistungsvermögen. Dem Kläger wurde eine kernspintomographische Untersuchung empfohlen.

Im Bericht über diese am 10.01.2005 durchgeführte Untersuchung wird beschrieben: "Schwere Osteochondrose und Spondylarthrose der untersuchten Lumbalsegmente, eine Spinalkanalstenose ist nicht nachweisbar, Verdacht auf L 5-Kompression innerhalb der eingeengten Foramina beidseits."

Die Beklagte hielt unter Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. L. eine Einschränkung der Wegefähigkeit für nicht nachgewiesen, da der Versicherte aus anderen Gründen keinen PKW mehr führe. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei unstreitig zumutbar.

Die mündliche Verhandlung vom 16.03.2005 wurde vertagt, um ein orthopädisches Gutachten einzuholen.

Zum Sachverständigen bestellte das SG den Leitenden Oberarzt der Orthopädischen Klinik L. Dr. H ... Dieser stellte im Gutachten vom 06.05.2005 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom mit starker Funkti onsbehinderung der Wirbelsäule 2. Verdacht auf Spinalkanalstenose insbesondere LWK 2/3 ohne eindeutige neurologische Ausfälle 3. Zustand nach Hüft-TEP links mit beginnender Pfannenwanderung 4. Dysplasiecoxarthrose rechts 5. PHS beider Schultereckgelenke ohne wesentliche Funktionsein schränkungen 6. Zustand nach Weichteilverletzung der linken Hand mit starker Narbenbildung, beginnende Kontraktur der Finger V im proxi malen Interphalangealgelenk 7. Beinverkürzung links um 3 cm 8. Röntgenologisch starke Aufbraucherscheinungen im gesamten LWS-Bereich mit knöcherner Einengung LWK 2/3.

Der Gutachter beschrieb im Übrigen ein stark vorgealtertes Gesamterscheinungsbild und kam zum Ergebnis, dass die Computertomographieuntersuchung der LWS eine schwere degenerative Veränderung der gesamten Lendenwirbelsäule ergeben habe. Eine Einengung des Rückenmarkkanals sei nicht nachweisbar. Durch die massiven Verknöcherungen seien Einengungen der aus dem Rückenmarkskanal ausgehenden Öffnungen aber eingetreten. Bereits Dr. Z. habe diesen Umstand dahingehend beurteilt, dass aufgrund der massiven Einengungen mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht mehr möglich sei. Die geklagten Beschwerden sowie die Untersuchung würden auch aus orthopädischer Sicht den Verdacht auf ein derartiges Krankheitsgeschehen erhärten. Daneben spielten für die Leistungsbeurteilung die beiden Hüftgelenke eine wesentliche Rolle, da 1998 bereits wegen einer fortgeschrittenen Arthrose eine Endoprothese implantiert worden sei. Es seien starke Bewegungs- und Belastungsschmerzen vorhanden. Bei der Untersuchung finde sich ein deutlicher Rüttel- und Rotationsschmerz. Die Röntgenuntersuchung zeige eine eindeutige Lockerung der Hüftgelenkspfanne. Es sei daher davon auszugehen, dass dieses Hüftgelenk nicht mehr richtig belastet werden könne. Auch rechts liege eine fortgeschrittene Hüftgelenksarthrose vor, die ebenfalls operationswürdig sei. In Zusammenschau aller Befunde sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit vorhanden. Deshalb beurteile er die Leistungsfähigkeit ähnlich wie Dr. Z ... Derzeit sei der Kläger nicht mehr im Stande, einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit nachzugehen. Bei eventuell erfolgreicher Operation der Wirbelsäule wäre eine Erwerbsfähigkeit für leichte Tätigkeit nach entsprechender Wiederherstellung gegeben. Die Wegstrecke von viermal mehr als 500 m sei aufgrund der Hüftgelenkssituation nicht mehr zumutbar.

Die Beklagte stimmte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von Dr. S. vom 30.08.2005 der Leistsungsbeurteilung durch Dr. Z. und Dr. H. nicht zu. Die gemessenen Funktionswerte für die Hüftgelenke zeigten eine geringe Verbesserung im Vergleich zum Gutachten von Dr. S. und der orthopädische Gutachter habe in den übrigen Abschnitten des Bewegungsapparates keine wesentlichen Funktionseinschränkungen beschrieben. Vielmehr zeige der Gutachter ein weitgehend symmetrisches Bewegungsbild der oberen Extremitäten auf. Es fänden sich im Gutachten keine Angaben über orthopädische Hilfsmittel oder zur Schmerzmedikation. Der Gefäßstatus sei unauffällig ebenso der neurologische Status. Beim Vergleich der von Dr. H. erhobenen Befunde mit den Vorbefunden könne eine Veränderung nicht festgestellt werden, so dass dessen Leistungsbeurteilung nicht überzeugen könne. Weder bezüglich der Wegstrecke noch bezüglich der zeitlichen Leistungseinschränkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei das Leistungsvermögen des Klägers reduziert.

Das Sozialgericht verurteilte mit Urteil vom 19.10.2005 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.08.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2003, beim Kläger den Eintritt der vollen Erwerbsminderung mit dem 22.04.2005 anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen und der Beklagten auferlegt, 5/10 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Zur Begründung seines Urteils führte das Sozialgericht aus, dass sowohl Dr. Z. als auch Dr. H. eine Leistungsminderung beim Kläger festgestellt hätten, die derzeit dazu führe, dass der Kläger nurmehr weniger als drei Stunden tätig sein könne. Zu der umfangreichen operativen Maßnahme, die die Gutachter diskutiert hätten, sei der Kläger nicht verpflichtet; sollte durch diese Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt werden können, habe die Beklagte jederzeit die Möglichkeit einer Überprüfung. Nachgewiesen sei das geminderte Leistungsvermögen durch die Untersuchung bei Dr. H. am 22.04.2005.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 14.12.2005 von der Beklagten eingelegte Berufung, die damit begründet wird, dass die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen einer sozialmedizinischen Überprüfung nicht standhielten, da Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 06.12.2005 darlege, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung beim Kläger nicht vorliege und dieser auch noch in der Lage sei, Wegstrecken von mehr als 500 m in angemessener Zeit zurückzulegen. Bereits Dr. S. habe dem Gutachten nicht zugestimmt. Es sei auch weiterhin durch die medizinische Dokumentation nicht nachgewiesen, dass eine Spinalkanalstenose bestehe und die Wegstrecke eingeschränkt sei. Das Gutachten habe sich zu sehr auf die anamnestischen Angaben des Klägers gestützt.

Der Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 09.05.2006 Anschlussberufung eingelegt, da der Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung bereits bei Antragstellung am 02.07.2003 anerkannt werden müsse. Der behandelnde Orthopäde Dr. W. habe bereits im Juni 2003 von schwersten orthopädischen Schädigungen gesprochen, dieses Beschwerdebild habe sich nach Einschätzung von Dr. Z. in der Folgezeit weiter verschlechtert.

Der Senat hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten, dem Orthopäden Dr.W. und dem behandelnden HNO-Arzt Dr. L. , sowie beim praktischen Arzt Dr. K. eingeholt. Dr. K. berichtet über eine starke Gehbehinderung und eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit zwei bis drei Jahren.

Zum gerichtlichen Sachverständigen ist der Orthopäde Dr. G. bestellt worden. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 12.07.2006 folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: 1. Erhebliche mehrsegmentale, degenerative Veränderungen im Be reich der Lendenwirbelsäule mit - betontem Aufbrauch der Bandscheiben und deutlicher, vor allem symptomatischer Facettengelenksarthrose der Segmente LWK 2/3, LWK 3/4, LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1. - radiologisch-klinisch noch asymptomatische - erhebliche Recessusstenose im Segment LWK5/SWK1 mit drohender Kom pression der Nervenwurzel L 5 beidseits. - anamnestisch, klinisch und elektrophysiologisch Ausschluss eines spinalen Enge-Syndroms. - Verstärkung der Lumbalgie-Symptomatik durch eine nicht mehr vollständige Streckfähigkeit im Bereich des rechten Hüftgelenks und erheblich eingeschränkter Kompensation durch die genannten LWS-Veränderungen. 2. Fortgeschrittene Hüftgelenksarthrose rechtsseitig mit begin nender Streckhemmung und insgesamt deutlicher und schmerzbe dingter Bewegungseinschränkung im Sinne eines Kapselmusters. 3. Zustand nach Hüft-Totalendoprothese linksseitig 1998 mit ho her Pfannenimplantation und dadurch bedingte Insuffizienz der beckenstabilisierenden Muskulatur und dadurch reduzier ter Standfestigkeit im Ein-Bein-Stand, sowie Insuffizienz hinken bei längerem Gehen - kein Hinweis für eine Prothesen lockerung - eingeschränkte, jedoch noch befriedigende Beweg lichkeit im Rahmen eines Zustands nach endoprothetischem Er satz. 4. Geringe bis mäßige Schulterbeschwerden beidseits im Sinne eines Impingement-Syndroms bei Einschränkung für Überkopftä tigkeiten. Auch Dr. G. hat aufgrund der genannten erheblichen Veränderungen eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit, die allenfalls drei bis vier Stunden betrage, und erhebliche qualitative Einschränkungen festgestellt. Auch für leichte Tätigkeiten sei der Kläger nurmehr weniger als sechs Stunden leistungsfähig. Diese Tätigkeiten sollten vornehmlich im Sitzen und verbunden mit häufigen und selbst wählbaren Positionswechseln möglich sein. Es sei nur kurzes Gehen und Stehen zumutbar. Außerdem könne der Kläger keine Lasten heben und tragen, die über fünf Kilo wiegen. Es sollten auch keine Tätigkeiten im Bücken, mit gehäufter Zwangshaltung oder im Akkord verrichtet werden, auch seien auszuschließen Tätigkeiten im Freien, unter Zugluft und unter Nässe. Die vom Kläger vorgetragene Koordinationsstörung im Bereich der rechten Hand äußere sich bei der Demonstration bestimmter Feingriffformen. Die Bewertung dieser Untersuchungsbefunde sei aber schwierig, trotzdem sei festzustellen, dass der Kläger für eine dauerhafte feinmanuelle Tätigkeit ungeeignet erscheine. Der Gutachter verneinte auch die Möglichkeit, viermal täglich mehr als 500 m zurückzulegen. Die Leistungsbeurteilung sei bedingt durch die Kombination der erheblichen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule, am rechten Hüftgelenk und der eingeschränkten Funktion des linken Hüftgelenks mit der Insuffizienz der entsprechenden Muskulatur. Die von Dr. L. und Dr. S. ausgesprochenen Zweifel an der Lockerung der Hüftgelenksprothese seien korrekt, allerdings sei dadurch keine vollschichtige Leistungsfähigkeit begründet, denn es bestehe eine glaubhafte Belastungsminderung im Bereich der Lendenwirbelsäule und des rechten Hüftgelenks.

Die Beklagte widersprach der Einschätzung von Dr. G. im Schriftsatz vom 21.07.2006 unter Bezugnahme auf die sozialmedizinische Stellungnahme durch Dr. L. vom 23.11.2006. Das Gutachten Dr.G. habe ergeben, dass - anders als in den Vorgutachten dargestellt - gerade keine Claudicatio- und Spinalis-Symptomatik vorlägen und auch eine erhebliche Diskrepanz zwischen den als unerträglich geschilderten Kreuzschmerzen und der Art der Behandlung auffalle. Der Kläger nehme lediglich "Teufelskralle" zu sich. Dieses Medikament habe nur eine schwach analgetische Wirkung und sei keinesfalls geeignet, um seit längerer Zeit bestehende unerträgliche Kreuzschmerzen zu therapieren. Die von Dr. G. angegebenen schweren Funktionsstörungen lägen nicht vor. Es fehlten nämlich aussagekräftige Funktionsbefunde des Stütz- und Bewegungsapparates, die die zeitliche Leistungseinschränkung begründen könnten. Das Gutachten von Dr. G. sei weder befundlich noch sozialmedizinisch schlüssig.

Der Senat befragte den Orthopäden Dr. W. nach der durchgeführten Schmerztherapie, ebenso Dr. V. und Dr. K. und forderte Dr. G. zu einer ergänzenden Stellungnahme auf.

Dieser hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.02.2007 die von ihm dargestellten Befunde nochmals erläutert und seine Leistungsbeurteilung dargestellt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19.10.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2003 zu gewähren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, erweisen sich jedoch beide als unbegründet. Die Anschlussberufung des Klägers, die nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt wurde, war nur wegen der anhängigen Beklagtenberufung zulässig. (vgl. Mayer-Ladewig, SGG, § 143 Anm. 5, 5 c, 5g).

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das SG Regensburg die Beklagte zu Recht zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bei Eintritt der Erwerbsminderung am 22.04.2005 verurteilt. Nicht gefolgt werden kann der klägerischen Auffassung, die Leistungsminderung habe bereits bei Antragstellung, also ab Juli 2003, vorgelegen.

Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Leistungsminderung beim Kläger ab dem 22.04.2005, wie sie die Vorgutachter beschreiben, besteht und der Kläger nur noch drei bis vier Stunden täglich unter Beachtung der Einschränkungen leistungsfähig ist. Eine zeitliche Leistungseinschränkungen vor April 2005 kann dem Gutachten von Dr. G. nicht entnommen werden, so dass entgegen der Auffassung des Klägers kein früherer Leistungsfall, als vom Sozialgericht angenommen, besteht.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I S. 1827), weil der Kläger den Rentenantrag nach dem 31.03.2001 gestellt hat und Rente für Zeiten nach dem 01.01.2001 begehrt (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs.1 Satz 1, § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Warte zeit erfüllt haben. Teilweise (voll) erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6(3) Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat überzeugt, dass beim Kläger eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf drei bis vier Stunden täglich, auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nachgewiesen ist. Der Senat schließt sich dabei dem überzeugenden Gutachten von Dr. G. an. Dieser hat sich ausführlich mit den Vorgutachten von Dr. Z. , Dr. P. und Dr. H. auseinandergesetzt und hat trotz der abweichenden Auffassungen bezüglich der Lockerung der Hüft-Totalendoprothese - die er verneint hat - und der von ihm abweichend beurteilten Spinalkanalstenose ausführlich und überzeugend dargelegt, warum in Auswertung aller Befunde und aufgrund seiner klinischen Erfahrung beim Kläger erhebliche Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen, die auch die Sitzfähigkeit und dabei vor allem die beschwerdefreie oder beschwerdearme Sitzdauer beeinflussen. Er hat weiter dargelegt, dass es nach seiner klinischen Erfahrung durchaus keine Seltenheit ist, dass Patienten fortgeschrittene degenerative und schmerzhafte Befunde lange ohne entsprechende Schmerzmedikation tolerieren, häufig in Sorge um die in Laienkreisen überbewerteten Nebenwirkungen einer Schmerztherapie. Auch wenn sich weder klinisch noch radiologisch Lockerungszeichen bei der Hüftgelenkstotalendoprothese zeigten, so bestand doch eine Funktionsbehinderung, die aus einer muskulären Insuffizienz der hüftstabilisierenden Muskulatur durch eine hohe Pfannenimplantation und dem dadurch ungünstigen Hebelarm für die sogenannte pelvitrochantäre Muskulatur resultiert. Dadurch sind sowohl die Unsicherheit im Einbeinstand sowie das positive Trendelenburg sche Zeichen zu begründen. Auch wenn der Ansicht von Dr. L. zuzustimmen ist, dass die Beugefähigkeit noch ein befriedigendes Bewegungsmaß aufzeige und dadurch das Sitzen nicht wesentlich gestört sei, beeinträchtigt der Befund der Wirbelsäule die Sitzfähigkeit. In der Zusammenschau sind damit die Beschwerden des Klägers durch entsprechende Befunde durchaus nachvollziehbar, wenngleich die Beschreibung des Klägers bezüglich seiner subjektiven Beschwerden sicherlich dramatisierend wirkt. Gerade diese Formulierungen des Gutachters zeigen, dass er nicht allein die subjektive Darstellung des Klägers seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat, sondern vielmehr sehr genau den Gehalt der subjektiven Angaben abgewogen und diese im Einklang mit den klinischen und röntgenologischen Befunden bewertet hat. In diesem Zusammenhang hat Dr. G. auch darauf hingewiesen, dass die von Dr. L. vorgenommene Verknüpfung des Ausmaßes des Leidensdrucks und der Therapiefrequenz und -häufigkeit eine rein subjektive Meinung darstelle. Dies gelte auch, da ja viele Patienten hinsichtlich ihres Rentenbegehrens eher gehäufte Arztkontakte aufweisen, um der Stärke ihrer Beschwerden Nachdruck zu verleihen. In Abwägung aller Gesichtspunkte blieb er bei seiner Beurteilung des zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens ebenso wie bei der Beurteilung der täglich zumutbaren Wegstrecke. Diese beträgt täglich nicht mehr viermal 500 m in angemessener Geschwindigkeit. Auch wenn vereinzelt, je nach Beschwerdesituation, 500 m in 15 Minuten zurückgelegt werden können, so kann dies nicht mit der geforderten Regelmäßigkeit bejaht werden.

Die Einwendungen von Dr. L. überzeugen aufgrund der ausführlichen Argumentation und Auseinandersetzung von Dr. G. nicht. Dr. L. hat sicherlich die Punkte aufgegriffen, die die Beurteilung des Leistungsvermögens beim Kläger erschweren, und hat zu Recht auf unterschiedliche Befunderhebungen hingewiesen. So ließen sich die von Dr. Z. und Dr. H. geäußerten Befunde einer Spinalkanalstenose und einer Lockerung des Hüftgelenks nicht nachweisen, allerdings haben auch diese Gutachter, bestätigt von Dr. G. , in Würdigung des Gesamtbildes ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen. Da - wie sonst auch von der Beklagten betont - nicht die Diagnosen die Leistungsbeurteilung beinhalten, sondern deren Auswirkungen und Einschränkungen, ist für den Senat auch aufgrund der Beurteilung durch Dr. H. auf orthopädischem Fachgebiet bestätigt, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt kein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr mehr nachweisen ließ. Unter Bezugnahme auf das neurologische Gutachten von Dr. Z. kam Dr. H. zum Ergebnis, dass der Kläger nicht mehr erwerbsfähig sei. Beide Gutachter haben im Übrigen die Gehstrecke als eingeschränkt angesehen, wobei die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich ist. Die von und zur Haltestelle üblichen Wege von 500 m kann der Kläger aber nicht mehr in der zumutbaren Zeit bewältigen. Ein Pkw steht ihm nicht zur Verfügung und er verfügt auch nicht über eine Fahrerlaubnis,so dass es sich hier um einen sogenannten Katalogfall im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG (siehe Niesel, Kasseler Kommentar § 43 SGB VI Anm. 37,38, 42) handelt und der Kläger aufgrund der schweren spezifischen Leistungseinschränkung keinen Arbeitsplatz erreichen kann. Es liegt somit beim Kläger eine volle Erwerbsminderung vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat jedoch kein Gutachter nachgewiesen, dass die Leistungsminderung bereits am 02.07.2003 vorlag. Erst durch die Gutachten von Dr. Z. und Dr. H. ist eine Leistungsbeurteilung von weniger als sechs Stunden beschrieben. Auch die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen sind dahingehend zu verstehen, dass volle Erwerbsminderung anlässlich der Untersuchung bei Dr. H. am 22.04.2005 nachgewiesen ist und ab diesem Zeitpunkt der Kläger voll erwerbsgemindert ist. Soweit der Kläger einen früheren Leistungsfall begehrt, war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Erwägungen, dass der Kläger im Berufungsverfahren ebenso wie vorher im Klageverfahren teilweise obsiegt hat.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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