Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 950/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 318/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 275/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lungentuberkulose als Berufskrankheit (BK) nach Nr.3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1965 geborene Klägerin arbeitete seit 01.06.1988 im M.-Institut als Laborhilfe. Dabei war sie in der Zeit vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 in der Spülküche eingesetzt, vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor und vom 01.10.1997 bis Februar 2000 im Tierstall, aushilfsweise in der Spülküche.
Mit Schreiben vom 06.06.2000 teilte Dr.K. , Arzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin, Betriebsärztlicher Dienst der L.-Universität, der Beklagten mit, dass bei der Klägerin im Mai 2000 eine Lymphknotentuberkulose diagnostiziert worden sei. Ein am 09.10.1995 durchgeführter Tuberkulin-Test habe noch einen negativen Befund ergeben.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen, Befundberichte des Dr.K. vom 21.09.2000 und des PD Dr.B./Dr.K. , Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde, vom 03.10.2000, einen Operationsbericht der A. Fachkliniken M. , Abteilung für Thoraxchirurgie, vom 29.03.2000, einen Befundbericht des Dr.S. , Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 02.04.2001, ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern sowie Auskünfte des Arbeitgebers, Prof.Dr.H./PD Dr.W. , M.-Institut, vom 16.10.2000/ 01.03.2001 bei und holte Stellungnahmen der Dr.S. , Fachärztin für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Gewerbeaufsichtsamt M. , vom 08.02.2001/19.06.2001 ein.
Dr.S. führte aus, dass eine berufsbedingte Erkrankung im Sinne der BK Nr.3101 nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 26.06.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab, da der Nachweis eines beruflichen Kontaktes mit Tuberkulosebakterien nicht geführt werden könne.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2002 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) zog das SG die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen bei sowie Befundberichte des Dr.K. vom 23.04.2002 und des Dr.S. vom 25.07.2002 und holte ein Gutachten des Dr.M. , Facharzt für Innere Medizin, vom 30.09.2002 ein. Dr.M. führte aus, dass eine BK Nr.3101 nicht vorliege, da es am Nachweis des Kontaktes mit infektiösem Material fehle.
Aufgrund der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 27.02.2003, sie sei bei ihrer Tätigkeit sehr wohl mit Tuberkulosebakterien in Berührung gekommen, erklärte sich die Beklagte bereit, unter Berücksichtigung der von der Klägerin benannten Zeugen eine erneute Überprüfung vorzunehmen.
Die Beklagte holte daraufhin Stellungnahmen des Prof.Dr.H. und der PD Dr.W. ohne Datum/vom 24.06.2003, eine Stellungnahme der A. M. vom 16.04.2003, der D. P. vom 16.04.2003, des C. G. und des Dr.K. vom 17.04.2003 ein.
Prof.Dr.H. und PD Dr.W. teilten mit, dass die Tätigkeit in der Spülküche bei Einhalten der Vorschriften mit keiner Gefährdung durch Tuberkulosebakterien verbunden gewesen sei. Auch im Kurslabor und im Kurssaal sei die Klägerin nicht mit tuberkulosebakterienhaltigem Material in Kontakt gekommen. Die Klägerin habe zwar mit Bakterien bewachsene Kulturmedien an die Studenten verteilt und eingesammelt. Diese enthielten aber nie Tuberkulosebakterien. Hinsichtlich der Tätigkeit im Tierstall sei zu betonen, dass dort keine Tuberkulose-Tierversuche durchgeführt worden seien.
Frau M. , Leiterin des Tuberkulose-Labors, teilte mit, dass im Tuberkulose-Labor das bakterienhaltige Material grundsätzlich vom eingewiesenen Laborpersonal (medizinsch-technische Assistentinnen) in Plastiksäcken in Kupferkesseln entsorgt und mit Deckeln verschlossen würde. Das Reinigungspersonal, also auch die Klägerin, habe nur Zugang zu verschlossenen Kupferkesseln gehabt. Diese seien auch verschlossen in die Spülküche transportiert worden. Sämtliche Arbeitsflächen seien nach Arbeiten mit Tuberkulosebakterien vom Laborpersonal, nicht vom Reinigungspersonal, gezielt desinfiziert worden. Die Klägerin sei also bei Reinigungsarbeiten nur mit bereits desinfizierten Arbeitsflächen in Kontakt gekommen.
Frau P. , Leiterin des Kurslabors, teilte mit, dass weder die Studenten noch die Reinigungskräfte mit Tuberkulosebakterien in Kontakt gekommen seien. Tuberkulosebakterienhaltiges Material sei den Studenten nur in geschlossenen Behältern demonstriert worden. Die Beschickung und Entsorgung sei ausschließlich durch das medizinisch-technische Personal und nicht durch die Reinigungskräfte erfolgt.
Herr G. , Mitarbeiter im Tierstall, gab an, dass die Klägerin in den Tierlabors mit Reinigungsarbeiten und Spülarbeiten befasst war. Es sei dort nicht mit Tuberkulosebakterien gearbeitet worden.
Dr.K. führte aus, dass nach gängiger medizinischer Auffassung eine Infektion durch eine Tröpfcheninfektion erfolge. Bei der Entsorgung der verschlossenen Behälter halte er die Entstehung von inhalierbaren Aerosolen für äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich.
Mit Bescheid vom 25.08.2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 ab. Die von der Klägerin benannten Zeugen bestätigten, dass während der gesamten Tätigkeit im M.-Institut die Klägerin keinerlei Tuberkuloseinfektionsgefahr ausgesetzt gewesen sei.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2003 als unbegründet zurück.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 zurückzunehmen und die TBC-Erkrankung der Klägerin als Berufskrankheit anzuerkennen.
Das SG hat die Zeugen J. D. , A. M. , D. P. , T. R. und R. S. in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2005 uneidlich vernommen. Die Aussagen der Zeugen ergeben sich im Einzelnen aus der Niederschrift vom 07.07.2005, auf die Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 07.07.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der TBC-Erkrankung fehle. Erforderlich sei der Nachweis, dass die Klägerin in der Ansteckungszeit der im Januar 2000 festgestellten TBC-Erkrankung bei ihrer beruflichen Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar mit Tuberkulosebakterien in Berührung gekommen sei. Hinsichtlich der Beschäftigung der Klägerin ab 01.10.1997 im Tierstall des M.-Instituts habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Versuchstierbestand als Infektionsquelle ausgeschlossen werden könne. Auch hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor fehle der Nachweis, dass die Klägerin einer erhöhten Gefährdung, an Tuberkulose zu erkranken, ausgesetzt gewesen sei. Die Tätigkeit der Klägerin in der Spülküche vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 komme als Infektionsquelle bereits deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin im Jahr 1995 ausweislich eines Tuberkulin-Testes noch nicht infiziert gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Klägerin auch nach 1995 in der Spülküche noch gelegentlich ausgeholfen habe, sei eine erhöhte berufliche Gefährdung nicht nachgewiesen. Der Nachweis eines unsachgemäßen Umgangs mit infiziertem Material sei weder durch die Angaben der Zeugin J. D. noch durch die Angaben der Zeugin T. R. erbracht worden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Es sei zu berücksichtigen, dass bis Anfang des Jahres 2000 eine Sterilisation der infektiösen Materialien in der Spülküche selbst stattgefunden habe. Die Zeugin A. M. habe bestätigt, dass hin und wieder eine äußere Infizierung des Transportkessels möglich gewesen sei. Der entsprechende Transportkessel sei dann vom Laborpersonal von außen gereinigt worden. Daraus könne der Rückschluss gezogen werden, dass des öfteren damit zu rechnen gewesen sei, dass durch das Laborpersonal eine Infizierung des Transportkessels von außen erfolgt sei und dieser nur bei Feststellung dieser Infizierung gereinigt worden sei. Bei Vorliegen einer Infektion des äußeren Transportkesselbereichs sei aber eine Übertragung auf das Spülpersonal nicht auszuschließen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 zurückzunehmen und festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und damit auch keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage zur BKV.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs.1 und § 55 Abs.1 Nr.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Geht es in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob eine Erkrankung als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anzuerkennen ist, kann der Antrag auf "Gewährung der gesetzlichen Leistungen" bzw. "Entschädigung" nicht als Leistungsklage angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr.12; BSG, Urteile vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 2 Nr.3, B 2 U 45/03, SozR 4-2700 § 2 Nr.2; BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 21/03 R, SozR 4-5671 Anl.1 Nr.5101 Nr.2).
Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Eine Berufskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage zur BKV kann nicht anerkannt werden.
Gem. § 44 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt.
Anzuwenden sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII), die für alle nach seinem Inkrafttreten am 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfälle gelten (§ 212 SGB VII). Die Klägerin hat anlässlich ihrer im Mai 2000 festgestellten Tuberkulose das Vorliegen der Berufskrankheit geltend gemacht, so dass die Erkrankung der Klägerin in den zeitlichen Geltungsbereich des SGB VII fällt.
Nach Eintritt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gewährt der Träger der Unfallversicherung Entschädigungsleistungen (§§ 26 ff. SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Nach Nr.3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann eine BK, wenn die Versicherten im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren.
Die Klägerin war zwar im Zeitpunkt der Infektion als Laborhilfe im Laboratoriumsbereich des M.-Instituts tätig und gehört damit zum geschützten Personenkreis. Die bei ihr im Mai 2000 diagnostizierte Tuberkulose ist auch eine Infektionskrankheit im Sinne dieser Regelung.
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, Az.: B 2 U 29/99 R, RegNr.1295). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats nach den Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage 1 zur BKV nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs nur dann gegeben, wenn durch Vollbeweis nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der beruflichen Tätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist. Diese besondere Ansteckungsgefahr kann durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auch auf andere Weise verursacht sein (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997, Az.: 2 RU 15/97; BSGE 6,186, 188).
Da die Tuberkuloseerreger ubiquitär vorkommen, ist eine erhöhte berufliche Gefährdung nachzuweisen. Wenngleich eine bestimmte Ansteckungsquelle oder ein bestimmter Ansteckungsvorgang nicht feststehen muss, sind grundsätzlich ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit einer an offener Tuberkulose erkrankten Person, zumindest jedoch ansteckungsfähige Tuberkulose-Fälle während der Tätigkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 30.05.1988, NZA 1988, 823).
Vorliegend ist demnach der Nachweis notwendig, dass die Klägerin einer berufsbedingten Ansteckungsgefährdung durch den Umgang mit infektiösem Material zweifelsfrei ausgesetzt war (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S.807). Ist hingegen nicht festzustellen, dass der Versicherte zweifelsfrei mit Infektionsquellen Berührung hatte, so kann der ursächliche Zusammenhang seiner Erkrankung mit seiner Tätigkeit nicht schon deshalb bejaht werden, weil er beispielsweise in einem Labor tätig war (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung -BKV- Kommentar, M 3101 RdNr. 7.2).
Aufgrund der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der erforderliche Nachweis eines Umgangs mit infektiösem Material nicht erbracht werden konnte. Es war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht festzustellen, dass die Klägerin direkten Kontakt mit infektiösem Material hatte.
Hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin ab dem 01.10.1997 im Tierstall des M.-Instituts war ein Kontakt mit Tuberkulosebakterien ausgeschlossen. Nach den übereinstimmenden Angaben des Arbeitgebers und der befragten Zeugen wurden im Tierstall bereits vor dem Einsatz der Klägerin keine Tierversuche mehr durchgeführt. Der Tierbestand kann als Infektionsquelle ausgeschlossen werden, da entsprechende Gesundheitszeugnisse der Versuchstiere vorliegen.
Auch die Tätigkeit vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor war zur Überzeugung des Senats nicht mit dem Umgang mit infektiösem Material verbunden. Soweit den Studenten TBC-Bakterien gezeigt worden sind, erfolgte dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausschließlich in verschlossenen Behältern. Soweit die Klägerin mit Bakterien bewachsene Kulturmedien an die Studenten verteilt und wieder eingesammelt hat, handelte es sich dabei nie um Tuberkulosebakterien. Die Beschickung und Entsorgung von Material, das Tuberkulosebakterien enthielt, erfolgte ausschließlich durch das medizinisch-technische Personal und nicht durch die Reinigungskräfte. Zu den Aufgaben der Klägerin in dieser Zeit gehörte das Beschriften von Glaswaren und Nährböden, Verteilung der Materialien an die Laborplätze der Studenten und Einsammeln des verwendeten Materials sowie die Reinigung und Desinfektion von Arbeitsflächen und Böden des Kurssaales und des Kurslabors. Da die Studenten keinen direkten Kontakt zu Tuberkulosebakterien hatten, bestand auch für die Klägerin kein unmittelbarer Kontakt zu infektiösem Material.
Die Tätigkeit der Klägerin in der Spülküche vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 scheidet als gefährdende Tätigkeit bereits deshalb aus, da die Klägerin im Jahr 1995 ausweislich eines Tuberkulin-Tests noch nicht infiziert war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin auch nach 1995 noch gelegentlich in der Spülküche ausgeholfen hat, ist der Nachweis eines Umgangs mit infektiösem Material dort nicht gegeben. Im Tuberkuloselabor wurde das tuberkulosebakterienhaltige Material vom Laborpersonal in einem Plastiksack eingelegt, zusammengefaltet und dann in einen Kupferkessel gegeben und mit einem Deckel verschlossen. Diese Kupferkessel wurden verschlossen in die Spülküche transportiert. Der verschlossene Kupferbehälter wurde dann vom Reinigungspersonal in die Spülküche gebracht und dort sterilisiert.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Kupferkessel im Einzelfall auch von außen infiziert worden sein könnte und jedenfalls insoweit eine Infektionsgefährdung nicht auszuschließen sei, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Der erforderliche Nachweis eines unmittelbaren Kontakts mit Tuberkulosebakterien ist damit nicht gegeben. Ein unsachgemäßer Umgang mit infiziertem Material ist nicht belegt. Eine berufsbedingte Ansteckungsgefährdung durch den Umgang mit infektiösem Material kann daher nicht angenommen werden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeiten einer vermehrten TBC-Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen wäre. Nach der vom BSG für den Fall der Hepatitis aufgestellten Beweisregel kann auch ohne konkreten Nachweis eines Kontaktes mit einer Infektionsquelle der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sein, wenn der Versicherte während der Ansteckungszeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr ausgesetzt war (BSG, Urteil vom 30.05.1988, Az.: 2 RU 33/87; für die TBC verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.04.1997, Az.: L 7 U 193/93). Eine besondere, generelle Ansteckungsgefahr für Tuberkulose kann zwar in Praxen und Infektionsabteilungen mit gehäufter Behandlung Tuberkulose-Erkrankter oder in bakteriologischen Laboratorien, die sich speziell mit Züchtung und Typisierung von Tuberkelbakterien beschäftigen, angenommen werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.804).
Bei der Klägerin fehlt indessen der Nachweis, dass sie mit Arbeitsvorgängen in gewisser Häufigkeit betraut war, die ein erhöhtes Risiko einer Virusübertragung begründen. Soweit die Klägerin als gefährdende Tätigkeit die ausnahmsweise vorgenommene Aushilfstätigkeit in der Spülküche benennt, ist dies nicht ausreichend. Ein besonderes Infektionsrisiko kann daraus nicht abgeleitet werden. Auch nach der Stellungnahme des Dr. K. , die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, ist eine erhöhte Ansteckungsgefahr nicht gegeben. Zur Infektionsgefährdung gehört auch der Infektionsweg. Damit eine Tuberkulose der Atemwege entstehen kann, muss nach gängiger medizinischer Auffassung eine Tröpfchen-Infektion vorausgehen (in der Regel durch Anhusten). Bei der Entsorgung der verschlossenen Behälter ist indessen nach den Ausführungen des Dr. K. die Entstehung von inhalierbaren Aerosolen äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich. Die Klägerin war demnach vorliegend jedenfalls keiner besonderen generellen Ansteckungsgefahr durch ihre Tätigkeit ausgesetzt.
Ein ursächlicher Zusammenhang der Tuberkuloseerkrankung der Klägerin mit der versicherten Tätigkeit ist somit nicht wahrscheinlich. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach der Nr.3101 sind nicht erfüllt.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lungentuberkulose als Berufskrankheit (BK) nach Nr.3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1965 geborene Klägerin arbeitete seit 01.06.1988 im M.-Institut als Laborhilfe. Dabei war sie in der Zeit vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 in der Spülküche eingesetzt, vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor und vom 01.10.1997 bis Februar 2000 im Tierstall, aushilfsweise in der Spülküche.
Mit Schreiben vom 06.06.2000 teilte Dr.K. , Arzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin, Betriebsärztlicher Dienst der L.-Universität, der Beklagten mit, dass bei der Klägerin im Mai 2000 eine Lymphknotentuberkulose diagnostiziert worden sei. Ein am 09.10.1995 durchgeführter Tuberkulin-Test habe noch einen negativen Befund ergeben.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen, Befundberichte des Dr.K. vom 21.09.2000 und des PD Dr.B./Dr.K. , Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde, vom 03.10.2000, einen Operationsbericht der A. Fachkliniken M. , Abteilung für Thoraxchirurgie, vom 29.03.2000, einen Befundbericht des Dr.S. , Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 02.04.2001, ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern sowie Auskünfte des Arbeitgebers, Prof.Dr.H./PD Dr.W. , M.-Institut, vom 16.10.2000/ 01.03.2001 bei und holte Stellungnahmen der Dr.S. , Fachärztin für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Gewerbeaufsichtsamt M. , vom 08.02.2001/19.06.2001 ein.
Dr.S. führte aus, dass eine berufsbedingte Erkrankung im Sinne der BK Nr.3101 nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 26.06.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab, da der Nachweis eines beruflichen Kontaktes mit Tuberkulosebakterien nicht geführt werden könne.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2002 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) zog das SG die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen bei sowie Befundberichte des Dr.K. vom 23.04.2002 und des Dr.S. vom 25.07.2002 und holte ein Gutachten des Dr.M. , Facharzt für Innere Medizin, vom 30.09.2002 ein. Dr.M. führte aus, dass eine BK Nr.3101 nicht vorliege, da es am Nachweis des Kontaktes mit infektiösem Material fehle.
Aufgrund der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 27.02.2003, sie sei bei ihrer Tätigkeit sehr wohl mit Tuberkulosebakterien in Berührung gekommen, erklärte sich die Beklagte bereit, unter Berücksichtigung der von der Klägerin benannten Zeugen eine erneute Überprüfung vorzunehmen.
Die Beklagte holte daraufhin Stellungnahmen des Prof.Dr.H. und der PD Dr.W. ohne Datum/vom 24.06.2003, eine Stellungnahme der A. M. vom 16.04.2003, der D. P. vom 16.04.2003, des C. G. und des Dr.K. vom 17.04.2003 ein.
Prof.Dr.H. und PD Dr.W. teilten mit, dass die Tätigkeit in der Spülküche bei Einhalten der Vorschriften mit keiner Gefährdung durch Tuberkulosebakterien verbunden gewesen sei. Auch im Kurslabor und im Kurssaal sei die Klägerin nicht mit tuberkulosebakterienhaltigem Material in Kontakt gekommen. Die Klägerin habe zwar mit Bakterien bewachsene Kulturmedien an die Studenten verteilt und eingesammelt. Diese enthielten aber nie Tuberkulosebakterien. Hinsichtlich der Tätigkeit im Tierstall sei zu betonen, dass dort keine Tuberkulose-Tierversuche durchgeführt worden seien.
Frau M. , Leiterin des Tuberkulose-Labors, teilte mit, dass im Tuberkulose-Labor das bakterienhaltige Material grundsätzlich vom eingewiesenen Laborpersonal (medizinsch-technische Assistentinnen) in Plastiksäcken in Kupferkesseln entsorgt und mit Deckeln verschlossen würde. Das Reinigungspersonal, also auch die Klägerin, habe nur Zugang zu verschlossenen Kupferkesseln gehabt. Diese seien auch verschlossen in die Spülküche transportiert worden. Sämtliche Arbeitsflächen seien nach Arbeiten mit Tuberkulosebakterien vom Laborpersonal, nicht vom Reinigungspersonal, gezielt desinfiziert worden. Die Klägerin sei also bei Reinigungsarbeiten nur mit bereits desinfizierten Arbeitsflächen in Kontakt gekommen.
Frau P. , Leiterin des Kurslabors, teilte mit, dass weder die Studenten noch die Reinigungskräfte mit Tuberkulosebakterien in Kontakt gekommen seien. Tuberkulosebakterienhaltiges Material sei den Studenten nur in geschlossenen Behältern demonstriert worden. Die Beschickung und Entsorgung sei ausschließlich durch das medizinisch-technische Personal und nicht durch die Reinigungskräfte erfolgt.
Herr G. , Mitarbeiter im Tierstall, gab an, dass die Klägerin in den Tierlabors mit Reinigungsarbeiten und Spülarbeiten befasst war. Es sei dort nicht mit Tuberkulosebakterien gearbeitet worden.
Dr.K. führte aus, dass nach gängiger medizinischer Auffassung eine Infektion durch eine Tröpfcheninfektion erfolge. Bei der Entsorgung der verschlossenen Behälter halte er die Entstehung von inhalierbaren Aerosolen für äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich.
Mit Bescheid vom 25.08.2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 ab. Die von der Klägerin benannten Zeugen bestätigten, dass während der gesamten Tätigkeit im M.-Institut die Klägerin keinerlei Tuberkuloseinfektionsgefahr ausgesetzt gewesen sei.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2003 als unbegründet zurück.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 zurückzunehmen und die TBC-Erkrankung der Klägerin als Berufskrankheit anzuerkennen.
Das SG hat die Zeugen J. D. , A. M. , D. P. , T. R. und R. S. in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2005 uneidlich vernommen. Die Aussagen der Zeugen ergeben sich im Einzelnen aus der Niederschrift vom 07.07.2005, auf die Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 07.07.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der TBC-Erkrankung fehle. Erforderlich sei der Nachweis, dass die Klägerin in der Ansteckungszeit der im Januar 2000 festgestellten TBC-Erkrankung bei ihrer beruflichen Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar mit Tuberkulosebakterien in Berührung gekommen sei. Hinsichtlich der Beschäftigung der Klägerin ab 01.10.1997 im Tierstall des M.-Instituts habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Versuchstierbestand als Infektionsquelle ausgeschlossen werden könne. Auch hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor fehle der Nachweis, dass die Klägerin einer erhöhten Gefährdung, an Tuberkulose zu erkranken, ausgesetzt gewesen sei. Die Tätigkeit der Klägerin in der Spülküche vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 komme als Infektionsquelle bereits deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin im Jahr 1995 ausweislich eines Tuberkulin-Testes noch nicht infiziert gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Klägerin auch nach 1995 in der Spülküche noch gelegentlich ausgeholfen habe, sei eine erhöhte berufliche Gefährdung nicht nachgewiesen. Der Nachweis eines unsachgemäßen Umgangs mit infiziertem Material sei weder durch die Angaben der Zeugin J. D. noch durch die Angaben der Zeugin T. R. erbracht worden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Es sei zu berücksichtigen, dass bis Anfang des Jahres 2000 eine Sterilisation der infektiösen Materialien in der Spülküche selbst stattgefunden habe. Die Zeugin A. M. habe bestätigt, dass hin und wieder eine äußere Infizierung des Transportkessels möglich gewesen sei. Der entsprechende Transportkessel sei dann vom Laborpersonal von außen gereinigt worden. Daraus könne der Rückschluss gezogen werden, dass des öfteren damit zu rechnen gewesen sei, dass durch das Laborpersonal eine Infizierung des Transportkessels von außen erfolgt sei und dieser nur bei Feststellung dieser Infizierung gereinigt worden sei. Bei Vorliegen einer Infektion des äußeren Transportkesselbereichs sei aber eine Übertragung auf das Spülpersonal nicht auszuschließen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 zurückzunehmen und festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und damit auch keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage zur BKV.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs.1 und § 55 Abs.1 Nr.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Geht es in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob eine Erkrankung als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anzuerkennen ist, kann der Antrag auf "Gewährung der gesetzlichen Leistungen" bzw. "Entschädigung" nicht als Leistungsklage angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr.12; BSG, Urteile vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 2 Nr.3, B 2 U 45/03, SozR 4-2700 § 2 Nr.2; BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 21/03 R, SozR 4-5671 Anl.1 Nr.5101 Nr.2).
Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Eine Berufskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage zur BKV kann nicht anerkannt werden.
Gem. § 44 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt.
Anzuwenden sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII), die für alle nach seinem Inkrafttreten am 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfälle gelten (§ 212 SGB VII). Die Klägerin hat anlässlich ihrer im Mai 2000 festgestellten Tuberkulose das Vorliegen der Berufskrankheit geltend gemacht, so dass die Erkrankung der Klägerin in den zeitlichen Geltungsbereich des SGB VII fällt.
Nach Eintritt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gewährt der Träger der Unfallversicherung Entschädigungsleistungen (§§ 26 ff. SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Nach Nr.3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann eine BK, wenn die Versicherten im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren.
Die Klägerin war zwar im Zeitpunkt der Infektion als Laborhilfe im Laboratoriumsbereich des M.-Instituts tätig und gehört damit zum geschützten Personenkreis. Die bei ihr im Mai 2000 diagnostizierte Tuberkulose ist auch eine Infektionskrankheit im Sinne dieser Regelung.
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, Az.: B 2 U 29/99 R, RegNr.1295). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats nach den Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage 1 zur BKV nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs nur dann gegeben, wenn durch Vollbeweis nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der beruflichen Tätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist. Diese besondere Ansteckungsgefahr kann durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auch auf andere Weise verursacht sein (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997, Az.: 2 RU 15/97; BSGE 6,186, 188).
Da die Tuberkuloseerreger ubiquitär vorkommen, ist eine erhöhte berufliche Gefährdung nachzuweisen. Wenngleich eine bestimmte Ansteckungsquelle oder ein bestimmter Ansteckungsvorgang nicht feststehen muss, sind grundsätzlich ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit einer an offener Tuberkulose erkrankten Person, zumindest jedoch ansteckungsfähige Tuberkulose-Fälle während der Tätigkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 30.05.1988, NZA 1988, 823).
Vorliegend ist demnach der Nachweis notwendig, dass die Klägerin einer berufsbedingten Ansteckungsgefährdung durch den Umgang mit infektiösem Material zweifelsfrei ausgesetzt war (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S.807). Ist hingegen nicht festzustellen, dass der Versicherte zweifelsfrei mit Infektionsquellen Berührung hatte, so kann der ursächliche Zusammenhang seiner Erkrankung mit seiner Tätigkeit nicht schon deshalb bejaht werden, weil er beispielsweise in einem Labor tätig war (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung -BKV- Kommentar, M 3101 RdNr. 7.2).
Aufgrund der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der erforderliche Nachweis eines Umgangs mit infektiösem Material nicht erbracht werden konnte. Es war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht festzustellen, dass die Klägerin direkten Kontakt mit infektiösem Material hatte.
Hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin ab dem 01.10.1997 im Tierstall des M.-Instituts war ein Kontakt mit Tuberkulosebakterien ausgeschlossen. Nach den übereinstimmenden Angaben des Arbeitgebers und der befragten Zeugen wurden im Tierstall bereits vor dem Einsatz der Klägerin keine Tierversuche mehr durchgeführt. Der Tierbestand kann als Infektionsquelle ausgeschlossen werden, da entsprechende Gesundheitszeugnisse der Versuchstiere vorliegen.
Auch die Tätigkeit vom 01.02.1992 bis 30.09.1997 im Kurslabor war zur Überzeugung des Senats nicht mit dem Umgang mit infektiösem Material verbunden. Soweit den Studenten TBC-Bakterien gezeigt worden sind, erfolgte dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausschließlich in verschlossenen Behältern. Soweit die Klägerin mit Bakterien bewachsene Kulturmedien an die Studenten verteilt und wieder eingesammelt hat, handelte es sich dabei nie um Tuberkulosebakterien. Die Beschickung und Entsorgung von Material, das Tuberkulosebakterien enthielt, erfolgte ausschließlich durch das medizinisch-technische Personal und nicht durch die Reinigungskräfte. Zu den Aufgaben der Klägerin in dieser Zeit gehörte das Beschriften von Glaswaren und Nährböden, Verteilung der Materialien an die Laborplätze der Studenten und Einsammeln des verwendeten Materials sowie die Reinigung und Desinfektion von Arbeitsflächen und Böden des Kurssaales und des Kurslabors. Da die Studenten keinen direkten Kontakt zu Tuberkulosebakterien hatten, bestand auch für die Klägerin kein unmittelbarer Kontakt zu infektiösem Material.
Die Tätigkeit der Klägerin in der Spülküche vom 01.06.1988 bis 31.01.1992 scheidet als gefährdende Tätigkeit bereits deshalb aus, da die Klägerin im Jahr 1995 ausweislich eines Tuberkulin-Tests noch nicht infiziert war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin auch nach 1995 noch gelegentlich in der Spülküche ausgeholfen hat, ist der Nachweis eines Umgangs mit infektiösem Material dort nicht gegeben. Im Tuberkuloselabor wurde das tuberkulosebakterienhaltige Material vom Laborpersonal in einem Plastiksack eingelegt, zusammengefaltet und dann in einen Kupferkessel gegeben und mit einem Deckel verschlossen. Diese Kupferkessel wurden verschlossen in die Spülküche transportiert. Der verschlossene Kupferbehälter wurde dann vom Reinigungspersonal in die Spülküche gebracht und dort sterilisiert.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Kupferkessel im Einzelfall auch von außen infiziert worden sein könnte und jedenfalls insoweit eine Infektionsgefährdung nicht auszuschließen sei, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Der erforderliche Nachweis eines unmittelbaren Kontakts mit Tuberkulosebakterien ist damit nicht gegeben. Ein unsachgemäßer Umgang mit infiziertem Material ist nicht belegt. Eine berufsbedingte Ansteckungsgefährdung durch den Umgang mit infektiösem Material kann daher nicht angenommen werden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeiten einer vermehrten TBC-Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen wäre. Nach der vom BSG für den Fall der Hepatitis aufgestellten Beweisregel kann auch ohne konkreten Nachweis eines Kontaktes mit einer Infektionsquelle der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sein, wenn der Versicherte während der Ansteckungszeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr ausgesetzt war (BSG, Urteil vom 30.05.1988, Az.: 2 RU 33/87; für die TBC verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.04.1997, Az.: L 7 U 193/93). Eine besondere, generelle Ansteckungsgefahr für Tuberkulose kann zwar in Praxen und Infektionsabteilungen mit gehäufter Behandlung Tuberkulose-Erkrankter oder in bakteriologischen Laboratorien, die sich speziell mit Züchtung und Typisierung von Tuberkelbakterien beschäftigen, angenommen werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.804).
Bei der Klägerin fehlt indessen der Nachweis, dass sie mit Arbeitsvorgängen in gewisser Häufigkeit betraut war, die ein erhöhtes Risiko einer Virusübertragung begründen. Soweit die Klägerin als gefährdende Tätigkeit die ausnahmsweise vorgenommene Aushilfstätigkeit in der Spülküche benennt, ist dies nicht ausreichend. Ein besonderes Infektionsrisiko kann daraus nicht abgeleitet werden. Auch nach der Stellungnahme des Dr. K. , die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, ist eine erhöhte Ansteckungsgefahr nicht gegeben. Zur Infektionsgefährdung gehört auch der Infektionsweg. Damit eine Tuberkulose der Atemwege entstehen kann, muss nach gängiger medizinischer Auffassung eine Tröpfchen-Infektion vorausgehen (in der Regel durch Anhusten). Bei der Entsorgung der verschlossenen Behälter ist indessen nach den Ausführungen des Dr. K. die Entstehung von inhalierbaren Aerosolen äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich. Die Klägerin war demnach vorliegend jedenfalls keiner besonderen generellen Ansteckungsgefahr durch ihre Tätigkeit ausgesetzt.
Ein ursächlicher Zusammenhang der Tuberkuloseerkrankung der Klägerin mit der versicherten Tätigkeit ist somit nicht wahrscheinlich. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach der Nr.3101 sind nicht erfüllt.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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