Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 U 5102/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 346/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Der 1954 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Pflasterer. Er stolperte am 9. August 1999 und fiel auf das Steißbein. Der Durchgangsarzt Dr. S. diagnostizierte bei der erstmaligen Behandlung am 16. August 1999 einen Zustand nach Kontusion der Lendenwirbelsäule (LWS) bei ausgeprägter präsakraler Bandscheibendegeneration sowie einen Verdacht auf eine Dornfortsatzfissur L 5. Sensible oder motorische Ausfälle stellte er nicht fest, allerdings eine deutliche Schonhaltung. Röntgen- und Kernspinaufnahmen vom 25. August 1999 ergaben in der Folgezeit eine Osteochondrose im Bereich L5/S1 mit deutlicher Verschmälerung des Zwischenwirbelraums und spondylotischen Randzackbildungen am Wirbelkörper. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der LWS vom 15. September 1999 brachte keinen Anhalt für eine Fraktur. Der Kläger befand sich vom 20. September bis 7. Oktober 1999 in stationärem Aufenthalt im Kreiskrankenhaus K ... Hierbei wurde der dringende Verdacht auf ein funktionelles Schmerzsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung rechtsseitig geäußert. Es ergebe sich jedoch kein Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem Unfallereignis. Der Neurologe Dr. K. berichtete am 11. Oktober 1999 von einem Zustand nach Sacralkontusion ohne neurologische Ausfälle. Nach dem Zwischenbericht des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 13. Oktober 1999 ergaben nochmals angefertigte Röntgenaufnahmen der LWS im Bereich der unteren LWS mäßige degenerative Veränderungen. Es fanden sich keine Hinweise für eine stattgehabte Fraktur oder Luxation. Die Schmerzambulanz berichtete am 2. November 1999 von einem persistierenden lumbosacralen Schmerzsyndrom bei Zustand nach LWS-Kontusion sowie einen dringenden Verdacht auf Somatisierung. Insgesamt sei die Schmerzsituation in dieser Weise nicht nachvollziehbar. Prof. Dr. N. bestätigte am 8. November 1999, dass sich keine Instabilität der LWS zeige. Es seien wie bereits bei den Voruntersuchungen deutliche degenerative Veränderungen im unteren LWS-Bereich nachweisbar.
Die zunächst ermittelnde Gartenbau-BG gab das Verfahren mit Schreiben vom 15. November 1999 an die Beklagte ab. Diese holte ein unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. N. vom 3. Juli 2002 sowie ein neurologisches Zusatzgutachten des Dr. K. vom 20. Juni 2002 ein. Dr. K. gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Störungen auf neurologischem Gebiet vorhanden seien. Neurologische Ausfälle hätten weder damals noch bei zwischenzeitlichen Untersuchungen festgestellt werden können und seien auch jetzt nicht nachweisbar. Prof. Dr. N. vertrat die Ansicht, dass es durch den Unfall lediglich zu einer Prellung der LWS und des Steißbeins gekommen sei. Der Verdacht einer Dornfortsatzfissur L 5 habe sich nicht bestätigt. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen und multiple Bandscheibenprotrusionen, vor allem im Segment L5/S1. Eine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis als Arbeitsunfall mit der Folge einer Prellung der LWS und des Steißbeins an, lehnte jedoch die Anerkennung degenerativer Veränderungen der LWS, vor allem im Segment LWK 5/SWK 1, degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule im Segment C 5/C6, multipler Bandscheibenvorfälle sowie einer Nierenkolik 1998 als Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Rente ab. Die Verletzung sei folgenlos ausgeheilt. Den Widerspruch, dem ein Arztbericht des Dr. K. vom 4. März 2003 beigefügt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2003 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Verweis auf das Attest des Dr. K. Klage beim Sozialgericht München. Der Kläger unterzeichnete ebenfalls den klageerhebenden Schriftsatz mit dem Zusatz, alle Schriftsätze direkt ihm zuzusenden. Eine weitere Vollmacht wurde nicht vorgelegt. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2004 ab. Diese sei unzulässig, da eine Vollmacht nicht vorgelegt worden sei. Im Übrigen seien dem Attest des Dr. K. vom 4. März 2003 keine Befunde zu entnehmen, die zu einer anderen Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule und den Unfallverletzungen führen würden.
Dagegen legte der Kläger in derselben Form wie bei der Klageerhebung Berufung ein und brachte zur Begründung vor, sein Gesundheitszustand habe sich wesentlich verschlimmert. Seine Invalidität betrage lebenslang ca. 90 v.H.; er könne gesundheitsbedingt nicht mehr arbeiten. Er sei erst in Deutschland krank geworden. Ferner legte er einen Bericht des Orthopäden Dr. K. vom 1. September 2004 vor, der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Er diagnostizierte ein Vortreten der Disci bzw. Bandscheibenvorfälle im Bereich L4/5 und L5/S1. Ferner übersandte er einen Bericht des Dr. K. vom 18. Mai 2005 über das Ergebnis eines Computertomogramms (CT) sowie weitere ärztliche Unterlagen vom 25. Januar 2006, aus denen sich der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom ergibt, was durch ein MRT bestätigt wurde. Nach Ansicht der Beklagten handele es sich hierbei um eine wesentliche Verschlimmerung, die eindeutig eine vom Unfall unabhängige Erkrankung des Klägers sei.
Das Sozialgericht Landshut, auf das sich der klägerische Antrag bezog, teilte mit, keinen Vorgang ermitteln zu können.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 und unter Abänderung des Bescheides vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2003 zu verurteilen, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 9. August 1999 Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers und des Prozessbevollmächtigten entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen waren und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurden (§§ 110, 126, 132 SGG). Die Ladung war dem Kläger sowie dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des Einschreibens mit Rückschein bekanntgegeben.
Die Berufung richtet sich gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004. Zwar benannte der Kläger in seinen Anträgen ein Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Juni 2004, doch konnte das dortige Sozialgericht einen derartigen Vorgang nicht ermitteln. Zudem war der Berufung eine Ablichtung der ersten Seite des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 beigefügt. Insoweit ist auch das im Berufungsantrag enthaltene Aktenzeichen S 40 U 5102/03 zutreffend. Richtiger Gegner ist damit der Unfallversicherungsträger, nicht der benannte Träger der Rentenversicherung.
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG). Zwar wurde auch im Berufungsverfahren trotz Erinnerung mit Fristsetzung und Hinweis auf die Rechtsfolgen keine ausdrückliche Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten vorgelegt, doch unterzeichnete der Kläger die Berufungseinlegung selbst. Dies ist für eine zulässige Berufungseinlegung ausreichend.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Allerdings war die Klage nicht wegen fehlender Vollmacht des Klägers unzulässig. Der Klage erhebende Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 war nämlich nicht nur von dem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet, sondern mit dem Vermerk, alle Schriftsätze direkt an ihn als Kläger zu senden, auch vom Kläger selbst. Dieser Vermerk stellt eine ausreichende schriftliche Bevollmächtigung im Sinne des § 73 Abs. 2 S. 1 SGG dar. Er lässt erkennen, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt worden ist (BFHE 141, 465).
Es besteht aber kein Anspruch des Klägers auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Unstreitig erlitt der Kläger am 9. August 1999 einen Arbeitsunfall (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB VII), den die Beklagte anerkannte. Zu entscheiden ist jedoch über die Frage, ob sich aus diesem Unfallereignis ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ergibt. Vorraussetzung für die Rentengewährung ist im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, dass ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen besteht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a.a.O., Nr. 28). Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Durch den Sturz zog sich der Kläger eine Prellung der LWS und des Steißbeins zu, wie sich bereits aus dem Durchgangsarztbericht vom August 1999 ergibt. Eine Fraktur konnte durch die bildgebenden Verfahren ausgeschlossen werden; auch der Verdacht einer Dornfortsatzfissur L 5 bestätigte sich nicht.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes an der Wirbelsäule, insbesondere auch im Bereich L5/S1, vorbrachte, ist diese aufgrund der verschiedenen medizinischen Atteste zwar glaubhaft. Allerdings lässt sich hieraus kein Kausalzusammenhang mit dem Sturz aus dem Jahr 1999 ableiten. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. N. , das der Senat im Rahmen des Urkundenbeweises berücksichtigt, bestanden bereits bei der Erstuntersuchung wenige Tage nach dem Unfallereignis röntgenologisch ausgedehnte degenerative Veränderungen im Segment L5/S1. Der Durchgangsarzt Dr. S. stellte am 16. August 1999 eine ausgeprägte präsakrale Bandscheibendegeneration fest. Die bildgebenden Verfahren und Diagnostiken sowie die neurologischen Untersuchungen, auch das neurologische Zusatzgutachten des Dr. K. , ergaben keine frischen und keine neurologischen Unfallfolgen. Es zeigte sich im MRT vom 15. September 1999 lediglich eine Kontusion der Weichteile. Die bereits röntgenologisch durch Dr. S. beschriebenen degenerativen Veränderungen bestätigten sich auch im CT und weiteren MRT. So ergab ein CT vom 25. August 1999 eine Osteochondrose und Spondylarthrose am lumbosakralen Übergang mit kleinem verkalktem Bandscheibenprolaps. Bereits zur damaligen Zeit wurden somit multiple Bandscheibenprotrusionen und Degenerationen festgestellt. Dies deckt sich mit den aktuellen Befundberichten.
Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass bereits zum Unfallzeitpunkt erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, gerade auch im Bereich L5/S1, einschließlich Bandscheibenvorfälle bestanden und somit von einem erheblichen Vorschaden auszugehen ist, der für die jetzt beklagten Beschwerden verantwortlich ist. Durch den unfallbedingten Sturz kam es lediglich zu einer Prellung der LWS und des Steißbeins, die nach zwei bis drei Wochen folgenlos ausgeheilt war.
Im Hinblick auf diese ausgeprägten Vorschäden und die geringe Schwere des Unfallereignisses kann auch nicht von einem unfallbedingten funktionellen Schmerzsyndrom ausgegangen werden. Dies wird auch durch einschlägige Arztberichte, insbesondere des Kreiskrankenhauses K. bestätigt, wonach es keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem Unfallereignis gibt.
Soweit der Kläger ergänzend auf ein in der Zwischenzeit festgestelltes Bronchialkarzinom hinweist, lässt dies einen kausalen Zusammenhang mit einem Sturz auf das Steißbein nicht erkennen.
Das Gutachten des Prof. Dr. N. einschließlich des neurologischen Zusatzgutachtens des Dr. K. ist sowohl in der Diagnosestellung wie in der Bewertung des Kausalzusammenhangs überzeugend. Es beruht auf einer ambulanten Untersuchung und würdigt die vorliegenden Befunde sowie den medizinischen Inhalt der Akten. Der Senat hat keine Bedenken, es seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens war deshalb nicht notwendig, zumal keine neuen medizinischen Gesichtspunkte vorliegen bzw. vom Kläger zu der hier maßgeblichen Frage, worin die Ursache für die zweifelsohne bestehenden Wirbelsäulenschäden zu sehen sind, nichts vorgetragen wurde. Der klägerische Vortrag im Klage- sowie im Berufungsverfahren zur Verschlechterung seines allgemeinen Gesundheitszustandes spricht vielmehr dafür, dass es ihm vor allem um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente geht. Hierfür ist zum einen, wie dargelegt, die Beklagte nicht der zuständige Sozialversicherungsträger, zum anderen ist dies nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Klage zwar zulässig ist, dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente zusteht. Der Senat konnte in der Sache entscheiden und musste nicht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückverweisen. Die Berufung ist daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Der 1954 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Pflasterer. Er stolperte am 9. August 1999 und fiel auf das Steißbein. Der Durchgangsarzt Dr. S. diagnostizierte bei der erstmaligen Behandlung am 16. August 1999 einen Zustand nach Kontusion der Lendenwirbelsäule (LWS) bei ausgeprägter präsakraler Bandscheibendegeneration sowie einen Verdacht auf eine Dornfortsatzfissur L 5. Sensible oder motorische Ausfälle stellte er nicht fest, allerdings eine deutliche Schonhaltung. Röntgen- und Kernspinaufnahmen vom 25. August 1999 ergaben in der Folgezeit eine Osteochondrose im Bereich L5/S1 mit deutlicher Verschmälerung des Zwischenwirbelraums und spondylotischen Randzackbildungen am Wirbelkörper. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der LWS vom 15. September 1999 brachte keinen Anhalt für eine Fraktur. Der Kläger befand sich vom 20. September bis 7. Oktober 1999 in stationärem Aufenthalt im Kreiskrankenhaus K ... Hierbei wurde der dringende Verdacht auf ein funktionelles Schmerzsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung rechtsseitig geäußert. Es ergebe sich jedoch kein Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem Unfallereignis. Der Neurologe Dr. K. berichtete am 11. Oktober 1999 von einem Zustand nach Sacralkontusion ohne neurologische Ausfälle. Nach dem Zwischenbericht des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 13. Oktober 1999 ergaben nochmals angefertigte Röntgenaufnahmen der LWS im Bereich der unteren LWS mäßige degenerative Veränderungen. Es fanden sich keine Hinweise für eine stattgehabte Fraktur oder Luxation. Die Schmerzambulanz berichtete am 2. November 1999 von einem persistierenden lumbosacralen Schmerzsyndrom bei Zustand nach LWS-Kontusion sowie einen dringenden Verdacht auf Somatisierung. Insgesamt sei die Schmerzsituation in dieser Weise nicht nachvollziehbar. Prof. Dr. N. bestätigte am 8. November 1999, dass sich keine Instabilität der LWS zeige. Es seien wie bereits bei den Voruntersuchungen deutliche degenerative Veränderungen im unteren LWS-Bereich nachweisbar.
Die zunächst ermittelnde Gartenbau-BG gab das Verfahren mit Schreiben vom 15. November 1999 an die Beklagte ab. Diese holte ein unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. N. vom 3. Juli 2002 sowie ein neurologisches Zusatzgutachten des Dr. K. vom 20. Juni 2002 ein. Dr. K. gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Störungen auf neurologischem Gebiet vorhanden seien. Neurologische Ausfälle hätten weder damals noch bei zwischenzeitlichen Untersuchungen festgestellt werden können und seien auch jetzt nicht nachweisbar. Prof. Dr. N. vertrat die Ansicht, dass es durch den Unfall lediglich zu einer Prellung der LWS und des Steißbeins gekommen sei. Der Verdacht einer Dornfortsatzfissur L 5 habe sich nicht bestätigt. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen und multiple Bandscheibenprotrusionen, vor allem im Segment L5/S1. Eine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis als Arbeitsunfall mit der Folge einer Prellung der LWS und des Steißbeins an, lehnte jedoch die Anerkennung degenerativer Veränderungen der LWS, vor allem im Segment LWK 5/SWK 1, degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule im Segment C 5/C6, multipler Bandscheibenvorfälle sowie einer Nierenkolik 1998 als Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Rente ab. Die Verletzung sei folgenlos ausgeheilt. Den Widerspruch, dem ein Arztbericht des Dr. K. vom 4. März 2003 beigefügt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2003 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Verweis auf das Attest des Dr. K. Klage beim Sozialgericht München. Der Kläger unterzeichnete ebenfalls den klageerhebenden Schriftsatz mit dem Zusatz, alle Schriftsätze direkt ihm zuzusenden. Eine weitere Vollmacht wurde nicht vorgelegt. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2004 ab. Diese sei unzulässig, da eine Vollmacht nicht vorgelegt worden sei. Im Übrigen seien dem Attest des Dr. K. vom 4. März 2003 keine Befunde zu entnehmen, die zu einer anderen Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule und den Unfallverletzungen führen würden.
Dagegen legte der Kläger in derselben Form wie bei der Klageerhebung Berufung ein und brachte zur Begründung vor, sein Gesundheitszustand habe sich wesentlich verschlimmert. Seine Invalidität betrage lebenslang ca. 90 v.H.; er könne gesundheitsbedingt nicht mehr arbeiten. Er sei erst in Deutschland krank geworden. Ferner legte er einen Bericht des Orthopäden Dr. K. vom 1. September 2004 vor, der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Er diagnostizierte ein Vortreten der Disci bzw. Bandscheibenvorfälle im Bereich L4/5 und L5/S1. Ferner übersandte er einen Bericht des Dr. K. vom 18. Mai 2005 über das Ergebnis eines Computertomogramms (CT) sowie weitere ärztliche Unterlagen vom 25. Januar 2006, aus denen sich der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom ergibt, was durch ein MRT bestätigt wurde. Nach Ansicht der Beklagten handele es sich hierbei um eine wesentliche Verschlimmerung, die eindeutig eine vom Unfall unabhängige Erkrankung des Klägers sei.
Das Sozialgericht Landshut, auf das sich der klägerische Antrag bezog, teilte mit, keinen Vorgang ermitteln zu können.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 und unter Abänderung des Bescheides vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2003 zu verurteilen, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 9. August 1999 Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers und des Prozessbevollmächtigten entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen waren und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurden (§§ 110, 126, 132 SGG). Die Ladung war dem Kläger sowie dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des Einschreibens mit Rückschein bekanntgegeben.
Die Berufung richtet sich gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004. Zwar benannte der Kläger in seinen Anträgen ein Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Juni 2004, doch konnte das dortige Sozialgericht einen derartigen Vorgang nicht ermitteln. Zudem war der Berufung eine Ablichtung der ersten Seite des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 beigefügt. Insoweit ist auch das im Berufungsantrag enthaltene Aktenzeichen S 40 U 5102/03 zutreffend. Richtiger Gegner ist damit der Unfallversicherungsträger, nicht der benannte Träger der Rentenversicherung.
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG). Zwar wurde auch im Berufungsverfahren trotz Erinnerung mit Fristsetzung und Hinweis auf die Rechtsfolgen keine ausdrückliche Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten vorgelegt, doch unterzeichnete der Kläger die Berufungseinlegung selbst. Dies ist für eine zulässige Berufungseinlegung ausreichend.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Allerdings war die Klage nicht wegen fehlender Vollmacht des Klägers unzulässig. Der Klage erhebende Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 war nämlich nicht nur von dem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet, sondern mit dem Vermerk, alle Schriftsätze direkt an ihn als Kläger zu senden, auch vom Kläger selbst. Dieser Vermerk stellt eine ausreichende schriftliche Bevollmächtigung im Sinne des § 73 Abs. 2 S. 1 SGG dar. Er lässt erkennen, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt worden ist (BFHE 141, 465).
Es besteht aber kein Anspruch des Klägers auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Unstreitig erlitt der Kläger am 9. August 1999 einen Arbeitsunfall (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB VII), den die Beklagte anerkannte. Zu entscheiden ist jedoch über die Frage, ob sich aus diesem Unfallereignis ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ergibt. Vorraussetzung für die Rentengewährung ist im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, dass ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen besteht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a.a.O., Nr. 28). Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Durch den Sturz zog sich der Kläger eine Prellung der LWS und des Steißbeins zu, wie sich bereits aus dem Durchgangsarztbericht vom August 1999 ergibt. Eine Fraktur konnte durch die bildgebenden Verfahren ausgeschlossen werden; auch der Verdacht einer Dornfortsatzfissur L 5 bestätigte sich nicht.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes an der Wirbelsäule, insbesondere auch im Bereich L5/S1, vorbrachte, ist diese aufgrund der verschiedenen medizinischen Atteste zwar glaubhaft. Allerdings lässt sich hieraus kein Kausalzusammenhang mit dem Sturz aus dem Jahr 1999 ableiten. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. N. , das der Senat im Rahmen des Urkundenbeweises berücksichtigt, bestanden bereits bei der Erstuntersuchung wenige Tage nach dem Unfallereignis röntgenologisch ausgedehnte degenerative Veränderungen im Segment L5/S1. Der Durchgangsarzt Dr. S. stellte am 16. August 1999 eine ausgeprägte präsakrale Bandscheibendegeneration fest. Die bildgebenden Verfahren und Diagnostiken sowie die neurologischen Untersuchungen, auch das neurologische Zusatzgutachten des Dr. K. , ergaben keine frischen und keine neurologischen Unfallfolgen. Es zeigte sich im MRT vom 15. September 1999 lediglich eine Kontusion der Weichteile. Die bereits röntgenologisch durch Dr. S. beschriebenen degenerativen Veränderungen bestätigten sich auch im CT und weiteren MRT. So ergab ein CT vom 25. August 1999 eine Osteochondrose und Spondylarthrose am lumbosakralen Übergang mit kleinem verkalktem Bandscheibenprolaps. Bereits zur damaligen Zeit wurden somit multiple Bandscheibenprotrusionen und Degenerationen festgestellt. Dies deckt sich mit den aktuellen Befundberichten.
Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass bereits zum Unfallzeitpunkt erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, gerade auch im Bereich L5/S1, einschließlich Bandscheibenvorfälle bestanden und somit von einem erheblichen Vorschaden auszugehen ist, der für die jetzt beklagten Beschwerden verantwortlich ist. Durch den unfallbedingten Sturz kam es lediglich zu einer Prellung der LWS und des Steißbeins, die nach zwei bis drei Wochen folgenlos ausgeheilt war.
Im Hinblick auf diese ausgeprägten Vorschäden und die geringe Schwere des Unfallereignisses kann auch nicht von einem unfallbedingten funktionellen Schmerzsyndrom ausgegangen werden. Dies wird auch durch einschlägige Arztberichte, insbesondere des Kreiskrankenhauses K. bestätigt, wonach es keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem Unfallereignis gibt.
Soweit der Kläger ergänzend auf ein in der Zwischenzeit festgestelltes Bronchialkarzinom hinweist, lässt dies einen kausalen Zusammenhang mit einem Sturz auf das Steißbein nicht erkennen.
Das Gutachten des Prof. Dr. N. einschließlich des neurologischen Zusatzgutachtens des Dr. K. ist sowohl in der Diagnosestellung wie in der Bewertung des Kausalzusammenhangs überzeugend. Es beruht auf einer ambulanten Untersuchung und würdigt die vorliegenden Befunde sowie den medizinischen Inhalt der Akten. Der Senat hat keine Bedenken, es seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens war deshalb nicht notwendig, zumal keine neuen medizinischen Gesichtspunkte vorliegen bzw. vom Kläger zu der hier maßgeblichen Frage, worin die Ursache für die zweifelsohne bestehenden Wirbelsäulenschäden zu sehen sind, nichts vorgetragen wurde. Der klägerische Vortrag im Klage- sowie im Berufungsverfahren zur Verschlechterung seines allgemeinen Gesundheitszustandes spricht vielmehr dafür, dass es ihm vor allem um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente geht. Hierfür ist zum einen, wie dargelegt, die Beklagte nicht der zuständige Sozialversicherungsträger, zum anderen ist dies nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Klage zwar zulässig ist, dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente zusteht. Der Senat konnte in der Sache entscheiden und musste nicht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückverweisen. Die Berufung ist daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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