L 3 KN 10/04 U

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KN 179/02 U
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KN 10/04 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5b KN 6/07 U B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. April 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen des Ereignisses vom 12.08.1970 Verletztenrente.

Der 1949 geborene Kläger spaltete am 12.08.1970 als Hauer im Steinkohle-Bergbau, Z. , unter Tage Holz, in dem er einen Vorschlaghammer und einen Eisenkeil verwendete. Während dieser Tätigkeit erlitt er eine rechtsseitige Hörstörung.

Er stellte sich nach Auftreten der Hörstörung beim Betriebsarzt vor. Am Tag darauf begab er sich in hals-nasen-ohrenärztliche Behandlung und wurde anschließend in der Zeit vom 17.08. bis 28.08.1970 nach den Krankenhausunterlagen wegen eines akuten Hörsturzes rechts in der Bergbau-Poliklinik Z. stationär behandelt.

Der Kläger verlegte seinen Wohnsitz im Jahr 1989 von der ehemaligen DDR in die BRD.

Nach einer Anzeige durch die Krankenkasse am 23.11.1990 wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) zog die Beklagte zur Aufklärung des Sachverhalts die Unterlagen der HNO-Klinik Z. bei und holte ein Gutachten des Dr. M. , Arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, vom 23.05.1991 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 15.08.1992 und 06.10.1992 ein. Sie zog außerdem den Bescheid des FDGB, Verwaltung der Sozialversicherung, über die Ablehnung einer Unfallteilrente vom 25.05.1971 und den Bescheid über eine Unfallentschädigung der Deutschen Versicherungsanstalt vom 17.08.1971 bei.

Mit Bescheid vom 27.01.1993 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Die beim Kläger festgestellte rechtsseitige Schwerhörigkeit sei keine Folge eines Arbeitsunfalls, z.B. eines beruflichen Knalltraumas. Nach dem Gutachten des Dr. M. seien die charakteristischen Merkmale für ein Knalltrauma nicht gegeben. Bei einem Knalltrauma liege eine extrem starke Anfangsschädigung vor. Zudem seien zumindest andeutungsweise beide Ohren betroffen. Beim Kläger habe aber eine langsame Ausbildung eines Gehörschadens vorgelegen und es sei nur das rechte Ohr geschädigt. Zwischen der rechtsseitigen Schwerhörigkeit und einem Arbeitsunfall vom 12.08.1970 fehle ein innerer ursächlicher Zusammenhang.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter Vorlage von Gutachten des Dr. B. vom 25.09.1970 zur Feststellung der Berufsunfähigkeit sowie des Dr. K. , Bezirkskrankenhaus Z. , vom 20.05.1971 und einer Unfallanzeige vom 17.11.1970. Es wurde das Vorliegen eines Lärmtraumas angenommen.

Die Beklagte holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine Stellungnahme von Dr. M. vom 15.04.1993 und ein Gutachten nach Aktenlage von K. B. , HNO-Arzt, vom 12.08.1993 ein.

Dr. M. führte aus, Befund, Vorgeschichte und Entlassungsdiagnose mit Abschlussbericht entspreche vollständig dem Bild eines akuten Hörsturzes ohne äußere Veranlassung mit langsam zunehmender Schwerhörigkeit. Für ein plötzliches Ereignis bestünden weder anamnestisch noch befundmäßig Hinweise.

K. B. führte aus, dass Verlauf der Erkrankung, Anamnese und Befund des Krankenhauses Z. einen zunehmenden, also sich allmählich über fünf Tage entwickelnden Hörverlust ergäben. Dies sei mit keiner der theoretischen Schädigungsmöglichkeiten wie Knall- oder Explosionstrauma, akutes Lärmtrauma oder akustischer Unfall vereinbar. Es bleibe nach Aktenlage allein unklar, ob es sich bei dem akuten Hörverlust rechts um ein entzündliches Geschehen oder um eine primäre Läsion des Sinnes-epitheles des Innenohres ("Hörsturz") infolge gestörten Stoffwechsels gehandelt habe. Eine Berufsbedingtheit sei auszuschließen.

Die dagegen erhobene Klage nahm der Kläger mit Schreiben vom 20.10.1994 zurück.

Am 12.09.2001 beantragte der Kläger die nochmalige Überprüfung. Die bei ihm jetzt bestehende rechtsseitige Schwerhörigkeit sei mit einer entsprechenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu bewerten und zu entschädigen. Er legte dazu eine Bestätigung des Dr. M. , HNO-Arzt, vom 06.09.2001 vor.

Mit Bescheid vom 08.11.2001 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27.01.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1993 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, weil bei dieser Entscheidung nicht von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Neue Erkenntnisse hätten sich nicht ergeben.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2002 als unbegründet zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben, die mit Beschluss vom 07.10.2002 zum örtlich zuständigen Sozialgericht München verwiesen wurde. Er hat beantragt, den Bescheid vom 08.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 27.01.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1993 zurückzunehmen und ihm infolge des Arbeitsunfalls vom 12.08.1970 eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft für Gas- und Wasserwerke (BGWW) vom 10.02.1994 beigebracht. Danach war die Tätigkeit äußerst lärmintensiv, da starke Schläge mit Metall auf Metall ausgeübt wurden. Die speziellen Begleitumstände für das Auftreten einer plötzlichen Lärmschädigung seien durchaus plausibel.

Mit Urteil vom 08.04.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Neue Sachverhalte, die eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten, seien nicht vorgebracht worden und auch nicht erkennbar. Da in medizinischer Hinsicht ein Lärmtrauma ausgeschlossen werden könne, komme es auf die Frage der Umstände zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht entscheidend an.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Senat hat die Aktenunterlagen der Bundesknappschaft beigezogen und auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. I./Dr. W. , Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, E. , vom 31.08.2006 eingeholt.

Prof. Dr. I./ Dr.W. haben ausgeführt, dass der Kläger mit Wahrscheinlichkeit am 12.08.1970 einen Arbeitsunfall, insbesondere ein akutes Lärmtrauma, erlitten habe. Für die Annahme eines akuten Lärmtraumas sprächen die anamnestischen Angaben des Klägers, die Anerkennung des "Arbeitsunfalls" nach der Rechtsordnung der DDR mit entsprechender Ausgleichszahlung, die im Jahr 1971 gefertigten ärztlichen Gutachten, die von einem Lärmtrauma ausgingen, die Arbeitsunfalluntersuchung der BGGW vom 10.02.1994, der Nachweis einer kochleären Genese der Hörminderung bei gleichzeitig fehlenden Hinweisen auf eine retrokochleäre Störung sowie die schwellennahe Verdeckbarkeit des Tinnitus. Gegen die Annahme eines akuten Lärmtraumas spreche die Bezeichnung als "Hörsturz" in den Unterlagen des Krankenhauses Z. , die in den Audiogrammen erkennbare deutliche Besserung vom August 1970 bis zum April 1971 mit nachfolgender Progredienz der Schwerhörigkeit sowie die für ein Lärmtrauma untypische Manifestation des Tinnitus. Die heute messbare Hörminderung rechts sei jedoch nur in dem Ausmaß diesem Lärmtrauma kausal zuzurechnen, wie sie im April 1971 bestand. Die nachfolgende Hörverschlechterung sei mit Wahrscheinlichkeit nicht ursächlich auf das Lärmtrauma zurückzuführen. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen bedingten fiktiv heute eine Gesamt-MdE von 20 v.H., im April 1971 habe eine MdE von 0 v.H. bestanden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.04.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 08.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 27.01.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1993 zurückzunehmen und ihm aufgrund des Ereignisses vom 12.08.1970 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.04.2004 als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Bundesknappschaft, beigezogenen Akten mit den Az S 15 Kn 227/90, S 1 Kn 16/94 U, der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27.01.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1993 und auf Gewährung von Verletztenrente.

Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt.

Die Beklagte hat den Anspruch nach dem Fremdrentenrecht geprüft. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) am 1. Januar 1992 war gemäß Art 24 § 1 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (WWSUVtrG) vom 25. Juni 1990 (BGBl II 518) das für Übersiedler aus der DDR seit Jahrzehnten geltende Fremdrentenrecht auf bis zum 18. Mai 1990 im Zuständigkeitsbereich eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung im Gebiet der DDR eingetretene Arbeitsunfälle weiterhin anzuwenden, wenn der Verletzte zu diesem Datum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im (Alt-)Bundesgebiet hatte; für Übersiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst nach diesem Zeitpunkt in das Gebiet der Bundesrepublik (Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990) verlegten, galt das Fremdrentenrecht nicht mehr. Da sich das angeschuldigte Ereignis bereits im Jahre 1970 ereignet hatte und der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Jahr 1989 im (Alt-)Bundesgebiet genommen und bis zum Stichtag 18. Mai 1990 beibehalten hatte, hat die Beklagte Fremdrentenrecht geprüft.

Durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene RÜG wurde eine endgültige Begrenzung des berechtigten Personenkreises für FRG-Leistungen aus dem Kreis der Übersiedler aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik getroffen. In dem durch dieses Gesetz in die Reichsversicherungsordnung (RVO) eingefügten § 1150 Abs 2 wurde die Konkurrenz von Fremdrentenansprüchen mit Ansprüchen nach dem Unfallversicherungsrecht der DDR neu geregelt. Danach gelten zwar Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten iS des 3. Buches der RVO (Abs 2 Satz 1 aaO). Diese Grundregel wird durch § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO eingeschränkt. Sie gilt danach nicht für Unfälle und Krankheiten, die mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem FRG anerkannt worden sind, es sei denn, der Verletzte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt. Aus dieser Einschränkung, insbesondere der Verknüpfung mit Halbsatz 2 in Nr 2 aaO ist der Grundgedanke zu entnehmen, dass jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seinen vor dem 19. Mai 1990 aus der DDR ins (Alt-)Bundesgebiet verlegten gewöhnlichen Aufenthalt dort auch bis zum 31. Dezember 1991 beibehalten hat, seine Ansprüche nach dem Recht des Gebiets fortbestehen sollen, in das der Betreffende vor dem Inkrafttreten des RÜG eingegliedert bzw - wie hier - aufgrund seines Eingliederungsantrages noch einzugliedern war (BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 8 /99 R, SozR 3-2200 § 1150 Nr. 3). Maßgebend ist nicht der Entscheidungserfolg bereits vor dem Stichtag, sondern das rechtzeitige Ingangsetzen des auf Eingliederung gerichteten Verfahrens. Eine Anerkennung im Sinne des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO liegt daher dann vor, wenn das Anerkennungsverfahren zum 01.01.1992 noch lief, unabhängig davon, ob dies auf Antrag oder auf anderem Wege über die Meldung der Krankenkasse erfolgte, und später mit Wirkung vor diesem Zeitpunkt abschloß. Unerheblich ist für die Anwendung dieser Regelung, wenn ein Leistungsfall abgelehnt wird. Es sollen durch § 1150 RVO die Ansprüche nach dem Recht des Gebiets fortbestehen, in das sich die Person vor dem Inkrafttreten des RÜG eingegliedert hatte (vgl BSG, Beschluss vom 21. Januar 1997 - 2 BU 267/96 - = HVBG-Info 1997, 974; BSGE 78, 265, 269 f = SozR 3-5050 § 5 Nr 2; Raschke in Schulin, HS-UV, § 72 RdNr 262, 264).

Der Kläger hat seinen Leistungsantrag und damit sein Eingliederungsbegehren bereits im November 1990 gestellt. Die Beklagte hat den Kläger mithin nach den Regelungen des Fremdrentenrechts bzw. den sonstigen hierfür geltenden Regelungen in das Arbeits- und Sozialsystem der Bundesrepublik eingegliedert.

Ob der Versicherungsfall des Klägers nach den Übergangsregelungen, insbesondere nach der Grundregelung des § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO zu beurteilen gewesen wäre, kann letztlich dahinstehen, da sich auch bei Anwendung dieser Regelung kein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente ergeben würde. Es ist nicht erkennbar, welche Rechtsposition der Kläger insoweit aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für sich in Anspruch nehmen wollte, weil er auch in der ehemaligen DDR keinen Rentenanspruch hatte. Eine Unfallteilrente wurde mit Bescheid vom 25.05.1971 abgelehnt. Selbst bei Anwendung des § 1150 RVO in Verbindung mit den Regelungen der RVO würde sich daher kein Anspruch des Klägers auf Rente ergeben.

Auch ein Anspruch nach dem Fremdrentenrecht (vgl. §§ 5 ff Fremdrentengesetz ( FRG), Art 6 § 2 Abs 1 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz, FANG) steht dem Kläger nicht zu.

Der Anspruch des Klägers richtet sich insoweit nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da ein Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 in Streit steht.

Anspruch auf Verletztenrente besteht gemäß § 580 Abs.1 RVO dann, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Verletztenrente wird nach § 581 Abs.1 RVO gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Als Verletztenrente wird nach § 581 Abs.1 Nr.2 RVO der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll", d.h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (vgl. BSGE 1, 254, 256; 12, 242, 245; 61, 127, 129).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, da die bei ihm jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Tätigkeit im Bergwerk bzw. auf das Ereignis vom 12.08.1970 zurückzuführen sind. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. I. sowie den Gutachten von Dr. M. und K. B. , die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet.

Dabei kann es offen bleiben, ob am 12.08.1970 ein akutes Lärmtrauma eingetreten ist. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass ein solches nicht vorliegt. Akute Lärmtraumata bedingen einen plötzlichen, schlagartigen Eintritt des Hörverlustes (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Auflage, S.348 ff.). Beim Kläger ist zwar ein Hörverlust auf dem rechten Ohr plötzlich eingetreten, er hat sich jedoch im weiteren Verlauf über einige Tage hinweg weiter verschlechtert. Im Befund des Krankenhauses Z. ist ein allmählich über fünf Tage sich entwickelnder Hörverlust beschrieben. Dies ist nach den Ausführungen des Dr. B. und des Prof. Dr. I. mit einem akuten Lärmtrauma nicht vereinbar. Bei einem plötzlichen Trauma wäre die Anfangsschädigung sofort extrem stark gewesen und hätte sich nicht erst langsam im Laufe der Tage herausgebildet. Die Hörstörung hat sich zudem nicht nur während der Krankenhausbehandlung in der HNO-Klinik Z. verschlechtert, sondern auch im Laufe der Zeit wieder zurückgebildet und sich ausweislich des Audiogramms vom 07.04.1971 deutlich verbessert. Die allgemeine Lehrmeinung besteht aber nach den Ausführungen von Prof. Dr. I. darin, dass es sich bei einem typischen Knall- oder Lärmtrauma um ein punktuelles Schädigungsmuster des Innenohrs handelt, für das eine Progredienz untypisch ist. Beim Vorliegen eines Lärmtraumas wäre nach dem Gutachten des Dr. M. zudem das andere Ohr zumindest andeutungsweise mit betroffen gewesen. Auch dies war nicht der Fall.

Für das von der Beklagten angenommene Vorliegen einer inneren Ursache in Form eines Hörsturzes spricht, dass nach den ärztlichen Unterlagen der HNO-Klinik Z. , ein akuter Hörsturz vorlag. Unter einem Hörsturz versteht man ein Krankheitsbild, bei dem es ohne erkennbare äußere Ursache zu einem plötzlichen Hörverlust kommt. Dieser plötzliche Hörverlust besteht zumeist einseitig. Ob tatsächlich ein Hörsturz als innere Ursache vorlag, kann indessen dahinstehen, denn entscheidend ist, dass beim Kläger zeitnah zu dem Ereignis vom 12.08.1970 eine Hörminderung vorlag, die nach dem Gutachten des Prof. Dr. I. wieder zurückgegangen ist und sich deutlich verbessert hat. Nach dem Audiogramm vom 07.04.1971 war lediglich ein prozentualer Hörverlust von 9 % festzustellen. Hieraus ergibt sich nach der Tabelle von Feldmann eine MdE von 0 v.H ... Auch ein anfänglich vorhandener Tinnitus wurde als rückläufig beschrieben.

Selbst wenn daher ein akutes Lärmtrauma anzunehmen wäre, sind nach dem Gutachten von Prof. Dr. I. jedenfalls die jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht auf das Ereignis vom 12.08.1970 zurückzuführen, denn beim Kläger ist erst im Laufe vieler Jahre eine progrediente Hörminderung rechts hinzugekommen.

Der Senat ist daher der Überzeugung, dass sich die beim Kläger jetzt vorliegende Hörschädigung allmählich entwickelt hat und auf außerberufliche Ursachen zurückzuführen ist. Der Bescheid vom 27.01.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1993 war daher nicht rechtswidrig, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.04.2004 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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