Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 267/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 74/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 287/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 06.06.1997, bei dem er aus ca. 3 m Höhe von einer Leiter gestürzt war, eine höhere Rente als nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. zu gewähren ist. Der Kläger hatte sich dabei eine Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (LWK) und eine Kahnbeinfraktur an der linken Hand zugezogen. Beide Brüche waren operativ versorgt worden.
Die Beklagte gewährte zunächst mit Bescheid vom 27.08.1998 eine vorläufige Rente nach einer MdE um 40 v.H. auf der Grundlage eines Gutachtens des Chirurgen Privatdozent Dr.B. und des Neurologen Dr.S ... Ausschlaggebend für die MdE-Bewertung war, dass es bei noch liegendem Osteosynthesematerial zu Bewegungseinschränkungen und zu einer Minderbelastbarkeit im Bereich der Wirbelsäule und des linken Unterarms sowie der linken Hand gekommen war. Die Gutachter rechneten jedoch mit einer Besserung nach der Metallentfernung.
Im Gutachten vom 18.10.1999 und 12.04.2000 - nach Metallentfernung - kam Prof.Dr.B. zum Ergebnis, die Beweglichkeit des linken Handgelenkes und der Brust- sowie der Lendenwirbelsäule hätten sich gebessert; der verbliebene Unfallfolgezustand rechtfertige nur noch eine MdE um 30 v.H. Mit Bescheid vom 25.05.2000 gewährte die Beklagte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. Als Unfallfolgen erkannte sie im Wesentlichen eine Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, Minderung der groben Kraft der linken Hand, Subluxaktionstendenz, beginnende Sklerosierung bei fest verheiltem Kahnbeinbruch links sowie Bewegungseinschränkung der Rumpfbeweglichkeit, deutlicher Muskelhartspann beidseits der Wirbelsäule im Übergang der Brust- zur Lendenwirbelsäule mit nahezu aufgehobenem Zwischenwirbelraum bei Th12/L1, knöcherne Überbrückung im Vorderkantenbereich und dorsale Versetzung der Hinterkante von L1 nach knöchern fest unter mäßiger Keilwirbelbildung und zentraler Deckplattenimpression verheiltem Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers an.
Am 28.05.2001 beantragte der Kläger Neufeststellung seiner Rente wegen einer zwischenzeitlich aufgetretenen Verschlimmerung im Bereich der Wirbelsäule. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 04.07.2001 deckte neben der bekannten LWK-1-Fraktur einen kleinen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 auf. Im Gutachten vom 26.09.2001 bestätigte Prof.Dr.N. insoweit eine Verschlimmerung, als nunmehr eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich des Übergangs von der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie eine belastungsabhängige schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Hand festzustellen sei. Der Bandscheibenvorfall bei L5/S1 sei unfallunabhängig. Insgesamt sei die MdE jedoch weiterhin mit 30 v.H. zu bewerten. Diese Einschätzung korrigierte Prof.Dr.N. auf Rückfrage der Beklagten, nachdem ihm Unterlagen über eine Revisionsoperation des Frakturbereichs im Kreiskrankenhaus G. am 16.11.2001 vorgelegt worden waren. Am 02.01.2002 führte er aus, die MdE betrage jetzt 35 v.H.; eine Anhebung auf 40 v.H. sei jedoch nicht zu rechtfertigen. Mit Bescheid vom 25.04.2002 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung ab. Den Widerspruch wies sie am 29.08.2002 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren holte das Sozialgericht Regensburg (SG) ein Gutachten des Orthopäden Dr.E. ein. Der Sachverständige kam am 29.10.2002 zum Ergebnis, weder im Bereich der linken Hand noch im Bereich der Wirbelsäule sei auf Dauer eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten. Lediglich in der Zeit von Juni 2001 bis zur Operation im November 2001 sei vorübergehend eine MdE um 35 v.H., aber keineswegs um 40 v.H. befundangemessen gewesen.
Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.I. führte im Gutachten vom 25.03.2003 aus, die permanente schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule verursache allein schon eine MdE um 30 v.H. Jetzt seien zudem klinische Zeichen einer erneuten Instabilitätssymptomatik und eine Radiocarpalarthrose nach dem Kahnbeinbruch hinzugekommen. Die Unfallfolgen an der linken Hand rechtfertigten für sich genommen eine MdE um 20 v.H., die Unfallfolgen insgesamt eine MdE um 40 v.H. Es fehle die Anerkennung pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung, Schwäche der Bauchwandmuskulatur links, Schwäche im Bereich der Fußhebung und Großzehenhebung links als Folge der LWK-1-Fraktur.
Die Beklagte widersprach dieser Einschätzung und legte Stellungnahmen ihrer Beratungsärzte Dr.S. vom 16.06.2003 und Dr.K. vom 09.09.2004 vor. Beide Ärzte hoben hervor, dass die verbliebenen Unfallfolgen an der linken Hand und dem linken Unterarm allenfalls zu einer MdE um 10 v.H. führten; trotz einer gewissen Bandinstabilität liege die Beweglichkeit im Normbereich und zeige keinerlei Verschlechterung. Bereits das MRT vom 04.07.2001 beweise eine Spondylarthrose zwischen dem 4. und 5. LWK (L4/L5) sowie einen kleinen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 und erkläre die jetzigen Beschwerden des Klägers. Hingegen habe das Osteosynthesematerial zu keiner Einengung des Spinalkanals geführt. Neurologische Ausfallerscheinungen am linken Bein könnten nicht dem unfallverletzten Wirbelsäulenbereich, sondern dem röntgenologisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 zugeordnet werden. Dies habe Dr.I. verkannt. Seine MdE-Einschätzung sei ebenso wenig nachvollziehbar. Auf die Einwände der Beklagten erwiderte Dr.I. in einer Stellungnahme vom 28.05.2004, die jetzigen Befunde sprächen gegen eine von L5/S1 ausgehende bandscheibenbedingte Symptomatik und seien einem höheren, nämlich dem vom Unfall betroffenen Lendenwirbelsäulensegment zuzuordnen.
Mit Urteil vom 18.01.2005 wies das SG die Klage ab. Es machte sich die Ausführungen des Dr.E. zu eigen und sah die Meinung des Dr.I. dadurch und durch die von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Dres.S. und K. , die es im Urkundenbeweis verwertete, für widerlegt an. Die Ausführungen des Dr.I. ließen erhebliche Mängel und Widersprüche erkennen, die nicht ausgeräumt worden seien.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein mit der Begründung, das SG habe zu Unrecht bei der Patt-Situation aufgrund der Gutachten gemäß § 106 SGG und 109 SGG den Gutachten des Unfallversicherungsträgers den Ausschlag gegeben und habe seinem Verlangen, Dr.I. zu den Stellungnahmen der BG-Gutachter zu hören, nicht entsprochen.
Der Senat hat dem Antrag des Klägers folgend eine Stellungnahme des Dr.I. eingeholt. Dieser hat am 21.12.2006 ausgeführt, er habe keineswegs behauptet, es sei im fusionierten Bereich der Lendenwirbelsäule zu einer erneuten Instabilität gekommen. Vielmehr habe er dargelegt, es hätten sich klinische Zeichen einer Instabilität im Bereich des LWK 1 gezeigt. Richtig sei, dass ein unfallunabhängiger Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 vorliege, der die Schwäche bei der Fußhebung und Fußsenkung erkläre. Davon abzugrenzen seien jedoch eine neurologisch verifizierte Schwäche bei Hüftbeugung sowie eine Schwäche der Bauchwandmuskulatur. Diese Störungen seien einem weit oberhalb einer Wurzelreizsymptomatik L 5/S 1 liegenden Schädigung im Bereich des hohen Lendenwirbelsäulen- bzw. unteren Brustwirbelsäulensegments zuzuordnen. Sie projizierten sich damit genau auf den Fraktur- bzw. Operationsbereich. Im Übrigen seien diese Störungen bereits bei der Untersuchung am 11.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg festgestellt worden. Infolge dieses Schmerzsyndroms sei allein für die Wirbelsäulenschädigung die MdE mit 30 v.H. zu bewerten. Hinzu komme die Verletzung des linken Handgelenks, die mit mehr als 10 v.H. zu veranschlagen sei. Dies rechtfertige insgesamt eine MdE um 40 v.H. Die Beklagte hat dieser Einschätzung erneut unter Bezug auf eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr.S. vom 01.02.2007 widersprochen. Dieser hat die Auffassung vertreten, das muskuläre Defizit im Bereich der Bauchwandmuskulatur habe nur vorübergehend - so bei der Untersuchung am 16.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder - bestanden. Es habe sich wohl um eine lokale Reizung gehandelt, die bei späteren Untersuchungen nicht mehr beschrieben worden sei. Dr.I. habe bei seiner Untersuchung derartige Innervationsstörungen nicht befundet. Seine Beurteilung beruhe nahezu ausschließlich auf der Beschwerdebeschreibung des Klägers.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 sowie Abänderung des Bescheids vom 25.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2002 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab 01.06.2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Dem Kläger steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, kein Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE um 40 v.H. statt wie anerkannt um 30 v.H. zu. Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung gemäß § 48 Abs.1 des Zehntes Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor. Der Anerkennung im Bescheid vom 25.05.2000 lag das Gutachten des Prof.Dr.B. vom 12.04.2000 zu Grunde, in dem die Unfallfolgen bezeichnet und nach einer MdE um 30 v.H. bewertet wurden. Im Vergleich hierzu ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Eine höhere Rente als nach einer MdE um 30 v.H. ist gemäß § 56 Abs.1 Satz 3 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nicht gerechtfertigt.
Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des SG zu eigen. Darin wurde bereits eingehend dargelegt, dass im Bereich der Verletzung an der linken Hand keine wesentliche Änderung nachzuweisen ist. Dies haben der im Verwaltungsverfahren gehörte Prof.Dr.N. , dessen Gutachten der Senat im Urkundenbeweis verwerten kann, und der Gerichtsgutachter Dr.E. bereits dargelegt. Die von Dr.I. angeführte Radiokarpalarthrose ist als Unfallfolge im Bescheid anerkannt und hat bislang keine gravierende Veränderung gezeigt. Die Beweglichkeit des Handgelenks liegt nach wie vor im Normbereich, so dass sich eine höhere MdE als um 10 v.H. nicht befürworten lässt; eher liegt die MdE unter 10 v.H.
Damit konzentriert sich die Beurteilung der MdE im Wesentlichen auf die unfallbedingte Schädigung des ersten LWK und die Folgen der nachfolgenden Respondylodese im November 2001. Hier ist zu beachten, dass eine Bewegungseinschränkung im unfallverletzten Bereich als Unfallfolge anerkannt ist, so dass es nur darauf ankommen kann, ob darüber hinausgehende funktionelle Auswirkungen zurückgeblieben sind. Auszuklammern ist dabei, wie Dr.I. in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme vom 21.12.2006 selbst einräumt, eine Bandscheibenschädigung im Bereich L 5/S 1 sowie darauf basierende Funktionsstörungen. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die Störung der Fuß- und Großzehenhebung einer Schädigung eines höheren Lendenwirbelsäulenabschnittes als dem von L 5 zuzuordnen ist. Insoweit gesteht auch Dr.I. zu, dass ein derartiger Funktionsausfall in der Regel einer Schädigung bei L 5/S 1 zuzuordnen ist. Als Argument, dass dies im Falle des Klägers nicht zutrifft, führt Dr.I. an, eine Schwächung der Hüftbeugung habe sich bereits bei der Untersuchung des Klägers am 11.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gezeigt. Hier ist anzumerken, dass der Bandscheibenvorfall in diesem Wirbelsäulenabschnitt erst durch das MRT vom 04.07.2001 belegt ist. Die Befunderhebung vom 11.07.2001 kann damit nicht beweisen, die Fußheberschwäche links habe schon vorgelegen, bevor der Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 entdeckt worden war.
Somit bleibt lediglich zu beurteilen, ob die Schwächung der Bauchwandmuskulatur Folge der Unfallverletzung ist und eine höhere MdE als um 30 v.H. rechtfertigt. Dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Innervationsstörung dieser Muskeln eine unmittelbare Schädigung, nämlich des Rückenmarkes selbst, im Bereich des ersten LWK ist, bestätigt der von der Beklagten gehörte Beratungsarzt Dr.S. in seiner Stellungnahme vom 01.02.2007. Eine höhere MdE rechtfertigt sich dennoch nicht. Insoweit tritt der Senat der Auffassung des Dr.S. , dessen Ausführungen er im Urkundenbeweis verwerten kann, bei. Von Bedeutung ist insoweit, dass von einer solchen Innervationsstörung ausgehende Funktionsausfälle weder bei der Begutachtung durch Dr.E. noch bei der ersten Begutachtung durch Dr.I. am 18.03.2003 befundet wurden. Als Ergebnis der Untersuchung vom 18.03.2003 hält Dr.I. fest, die Hüftgelenke seien beidseits frei beweglich gewesen. Lediglich neurologischerseits hätten sich eine Schwäche der Hüftbeugung, der Großzehenhebung, der Fußhebung, weniger auch der Fußsenkung gezeigt. Darüber hinaus hält Dr.I. lediglich die Beschwerdeangaben des Klägers fest, die jedoch unspezifisch sind und mit den Folgen des Bandscheibenvorfalls bei L 5/S 1 vermengt werden. Damit sieht der Senat nicht den Beweis erbracht, dass eine dauerhafte Schädigung der Innervation der Bauchwandmuskulatur vom Unfall herrührt. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine vorübergehende Reizung, wie Dr.S. erklärt, dieses Muskelinnervationsgebietes gehandelt hat. Damit bietet sich kein Ansatz für eine dauerhafte Höherbewertung der MdE.
Der Senat kommt damit - wie das SG - zum Ergebnis, dass die Unfallfolgen im Bescheid vom 25.05.2000 zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet wurden und ein Antrag auf Neufeststellung nicht gerechtfertigt ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 06.06.1997, bei dem er aus ca. 3 m Höhe von einer Leiter gestürzt war, eine höhere Rente als nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. zu gewähren ist. Der Kläger hatte sich dabei eine Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (LWK) und eine Kahnbeinfraktur an der linken Hand zugezogen. Beide Brüche waren operativ versorgt worden.
Die Beklagte gewährte zunächst mit Bescheid vom 27.08.1998 eine vorläufige Rente nach einer MdE um 40 v.H. auf der Grundlage eines Gutachtens des Chirurgen Privatdozent Dr.B. und des Neurologen Dr.S ... Ausschlaggebend für die MdE-Bewertung war, dass es bei noch liegendem Osteosynthesematerial zu Bewegungseinschränkungen und zu einer Minderbelastbarkeit im Bereich der Wirbelsäule und des linken Unterarms sowie der linken Hand gekommen war. Die Gutachter rechneten jedoch mit einer Besserung nach der Metallentfernung.
Im Gutachten vom 18.10.1999 und 12.04.2000 - nach Metallentfernung - kam Prof.Dr.B. zum Ergebnis, die Beweglichkeit des linken Handgelenkes und der Brust- sowie der Lendenwirbelsäule hätten sich gebessert; der verbliebene Unfallfolgezustand rechtfertige nur noch eine MdE um 30 v.H. Mit Bescheid vom 25.05.2000 gewährte die Beklagte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. Als Unfallfolgen erkannte sie im Wesentlichen eine Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, Minderung der groben Kraft der linken Hand, Subluxaktionstendenz, beginnende Sklerosierung bei fest verheiltem Kahnbeinbruch links sowie Bewegungseinschränkung der Rumpfbeweglichkeit, deutlicher Muskelhartspann beidseits der Wirbelsäule im Übergang der Brust- zur Lendenwirbelsäule mit nahezu aufgehobenem Zwischenwirbelraum bei Th12/L1, knöcherne Überbrückung im Vorderkantenbereich und dorsale Versetzung der Hinterkante von L1 nach knöchern fest unter mäßiger Keilwirbelbildung und zentraler Deckplattenimpression verheiltem Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers an.
Am 28.05.2001 beantragte der Kläger Neufeststellung seiner Rente wegen einer zwischenzeitlich aufgetretenen Verschlimmerung im Bereich der Wirbelsäule. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 04.07.2001 deckte neben der bekannten LWK-1-Fraktur einen kleinen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 auf. Im Gutachten vom 26.09.2001 bestätigte Prof.Dr.N. insoweit eine Verschlimmerung, als nunmehr eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich des Übergangs von der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie eine belastungsabhängige schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Hand festzustellen sei. Der Bandscheibenvorfall bei L5/S1 sei unfallunabhängig. Insgesamt sei die MdE jedoch weiterhin mit 30 v.H. zu bewerten. Diese Einschätzung korrigierte Prof.Dr.N. auf Rückfrage der Beklagten, nachdem ihm Unterlagen über eine Revisionsoperation des Frakturbereichs im Kreiskrankenhaus G. am 16.11.2001 vorgelegt worden waren. Am 02.01.2002 führte er aus, die MdE betrage jetzt 35 v.H.; eine Anhebung auf 40 v.H. sei jedoch nicht zu rechtfertigen. Mit Bescheid vom 25.04.2002 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung ab. Den Widerspruch wies sie am 29.08.2002 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren holte das Sozialgericht Regensburg (SG) ein Gutachten des Orthopäden Dr.E. ein. Der Sachverständige kam am 29.10.2002 zum Ergebnis, weder im Bereich der linken Hand noch im Bereich der Wirbelsäule sei auf Dauer eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten. Lediglich in der Zeit von Juni 2001 bis zur Operation im November 2001 sei vorübergehend eine MdE um 35 v.H., aber keineswegs um 40 v.H. befundangemessen gewesen.
Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.I. führte im Gutachten vom 25.03.2003 aus, die permanente schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule verursache allein schon eine MdE um 30 v.H. Jetzt seien zudem klinische Zeichen einer erneuten Instabilitätssymptomatik und eine Radiocarpalarthrose nach dem Kahnbeinbruch hinzugekommen. Die Unfallfolgen an der linken Hand rechtfertigten für sich genommen eine MdE um 20 v.H., die Unfallfolgen insgesamt eine MdE um 40 v.H. Es fehle die Anerkennung pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung, Schwäche der Bauchwandmuskulatur links, Schwäche im Bereich der Fußhebung und Großzehenhebung links als Folge der LWK-1-Fraktur.
Die Beklagte widersprach dieser Einschätzung und legte Stellungnahmen ihrer Beratungsärzte Dr.S. vom 16.06.2003 und Dr.K. vom 09.09.2004 vor. Beide Ärzte hoben hervor, dass die verbliebenen Unfallfolgen an der linken Hand und dem linken Unterarm allenfalls zu einer MdE um 10 v.H. führten; trotz einer gewissen Bandinstabilität liege die Beweglichkeit im Normbereich und zeige keinerlei Verschlechterung. Bereits das MRT vom 04.07.2001 beweise eine Spondylarthrose zwischen dem 4. und 5. LWK (L4/L5) sowie einen kleinen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 und erkläre die jetzigen Beschwerden des Klägers. Hingegen habe das Osteosynthesematerial zu keiner Einengung des Spinalkanals geführt. Neurologische Ausfallerscheinungen am linken Bein könnten nicht dem unfallverletzten Wirbelsäulenbereich, sondern dem röntgenologisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 zugeordnet werden. Dies habe Dr.I. verkannt. Seine MdE-Einschätzung sei ebenso wenig nachvollziehbar. Auf die Einwände der Beklagten erwiderte Dr.I. in einer Stellungnahme vom 28.05.2004, die jetzigen Befunde sprächen gegen eine von L5/S1 ausgehende bandscheibenbedingte Symptomatik und seien einem höheren, nämlich dem vom Unfall betroffenen Lendenwirbelsäulensegment zuzuordnen.
Mit Urteil vom 18.01.2005 wies das SG die Klage ab. Es machte sich die Ausführungen des Dr.E. zu eigen und sah die Meinung des Dr.I. dadurch und durch die von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Dres.S. und K. , die es im Urkundenbeweis verwertete, für widerlegt an. Die Ausführungen des Dr.I. ließen erhebliche Mängel und Widersprüche erkennen, die nicht ausgeräumt worden seien.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein mit der Begründung, das SG habe zu Unrecht bei der Patt-Situation aufgrund der Gutachten gemäß § 106 SGG und 109 SGG den Gutachten des Unfallversicherungsträgers den Ausschlag gegeben und habe seinem Verlangen, Dr.I. zu den Stellungnahmen der BG-Gutachter zu hören, nicht entsprochen.
Der Senat hat dem Antrag des Klägers folgend eine Stellungnahme des Dr.I. eingeholt. Dieser hat am 21.12.2006 ausgeführt, er habe keineswegs behauptet, es sei im fusionierten Bereich der Lendenwirbelsäule zu einer erneuten Instabilität gekommen. Vielmehr habe er dargelegt, es hätten sich klinische Zeichen einer Instabilität im Bereich des LWK 1 gezeigt. Richtig sei, dass ein unfallunabhängiger Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 vorliege, der die Schwäche bei der Fußhebung und Fußsenkung erkläre. Davon abzugrenzen seien jedoch eine neurologisch verifizierte Schwäche bei Hüftbeugung sowie eine Schwäche der Bauchwandmuskulatur. Diese Störungen seien einem weit oberhalb einer Wurzelreizsymptomatik L 5/S 1 liegenden Schädigung im Bereich des hohen Lendenwirbelsäulen- bzw. unteren Brustwirbelsäulensegments zuzuordnen. Sie projizierten sich damit genau auf den Fraktur- bzw. Operationsbereich. Im Übrigen seien diese Störungen bereits bei der Untersuchung am 11.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg festgestellt worden. Infolge dieses Schmerzsyndroms sei allein für die Wirbelsäulenschädigung die MdE mit 30 v.H. zu bewerten. Hinzu komme die Verletzung des linken Handgelenks, die mit mehr als 10 v.H. zu veranschlagen sei. Dies rechtfertige insgesamt eine MdE um 40 v.H. Die Beklagte hat dieser Einschätzung erneut unter Bezug auf eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr.S. vom 01.02.2007 widersprochen. Dieser hat die Auffassung vertreten, das muskuläre Defizit im Bereich der Bauchwandmuskulatur habe nur vorübergehend - so bei der Untersuchung am 16.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder - bestanden. Es habe sich wohl um eine lokale Reizung gehandelt, die bei späteren Untersuchungen nicht mehr beschrieben worden sei. Dr.I. habe bei seiner Untersuchung derartige Innervationsstörungen nicht befundet. Seine Beurteilung beruhe nahezu ausschließlich auf der Beschwerdebeschreibung des Klägers.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 sowie Abänderung des Bescheids vom 25.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2002 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab 01.06.2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Dem Kläger steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, kein Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE um 40 v.H. statt wie anerkannt um 30 v.H. zu. Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung gemäß § 48 Abs.1 des Zehntes Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor. Der Anerkennung im Bescheid vom 25.05.2000 lag das Gutachten des Prof.Dr.B. vom 12.04.2000 zu Grunde, in dem die Unfallfolgen bezeichnet und nach einer MdE um 30 v.H. bewertet wurden. Im Vergleich hierzu ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Eine höhere Rente als nach einer MdE um 30 v.H. ist gemäß § 56 Abs.1 Satz 3 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nicht gerechtfertigt.
Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des SG zu eigen. Darin wurde bereits eingehend dargelegt, dass im Bereich der Verletzung an der linken Hand keine wesentliche Änderung nachzuweisen ist. Dies haben der im Verwaltungsverfahren gehörte Prof.Dr.N. , dessen Gutachten der Senat im Urkundenbeweis verwerten kann, und der Gerichtsgutachter Dr.E. bereits dargelegt. Die von Dr.I. angeführte Radiokarpalarthrose ist als Unfallfolge im Bescheid anerkannt und hat bislang keine gravierende Veränderung gezeigt. Die Beweglichkeit des Handgelenks liegt nach wie vor im Normbereich, so dass sich eine höhere MdE als um 10 v.H. nicht befürworten lässt; eher liegt die MdE unter 10 v.H.
Damit konzentriert sich die Beurteilung der MdE im Wesentlichen auf die unfallbedingte Schädigung des ersten LWK und die Folgen der nachfolgenden Respondylodese im November 2001. Hier ist zu beachten, dass eine Bewegungseinschränkung im unfallverletzten Bereich als Unfallfolge anerkannt ist, so dass es nur darauf ankommen kann, ob darüber hinausgehende funktionelle Auswirkungen zurückgeblieben sind. Auszuklammern ist dabei, wie Dr.I. in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme vom 21.12.2006 selbst einräumt, eine Bandscheibenschädigung im Bereich L 5/S 1 sowie darauf basierende Funktionsstörungen. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die Störung der Fuß- und Großzehenhebung einer Schädigung eines höheren Lendenwirbelsäulenabschnittes als dem von L 5 zuzuordnen ist. Insoweit gesteht auch Dr.I. zu, dass ein derartiger Funktionsausfall in der Regel einer Schädigung bei L 5/S 1 zuzuordnen ist. Als Argument, dass dies im Falle des Klägers nicht zutrifft, führt Dr.I. an, eine Schwächung der Hüftbeugung habe sich bereits bei der Untersuchung des Klägers am 11.07.2001 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gezeigt. Hier ist anzumerken, dass der Bandscheibenvorfall in diesem Wirbelsäulenabschnitt erst durch das MRT vom 04.07.2001 belegt ist. Die Befunderhebung vom 11.07.2001 kann damit nicht beweisen, die Fußheberschwäche links habe schon vorgelegen, bevor der Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 entdeckt worden war.
Somit bleibt lediglich zu beurteilen, ob die Schwächung der Bauchwandmuskulatur Folge der Unfallverletzung ist und eine höhere MdE als um 30 v.H. rechtfertigt. Dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Innervationsstörung dieser Muskeln eine unmittelbare Schädigung, nämlich des Rückenmarkes selbst, im Bereich des ersten LWK ist, bestätigt der von der Beklagten gehörte Beratungsarzt Dr.S. in seiner Stellungnahme vom 01.02.2007. Eine höhere MdE rechtfertigt sich dennoch nicht. Insoweit tritt der Senat der Auffassung des Dr.S. , dessen Ausführungen er im Urkundenbeweis verwerten kann, bei. Von Bedeutung ist insoweit, dass von einer solchen Innervationsstörung ausgehende Funktionsausfälle weder bei der Begutachtung durch Dr.E. noch bei der ersten Begutachtung durch Dr.I. am 18.03.2003 befundet wurden. Als Ergebnis der Untersuchung vom 18.03.2003 hält Dr.I. fest, die Hüftgelenke seien beidseits frei beweglich gewesen. Lediglich neurologischerseits hätten sich eine Schwäche der Hüftbeugung, der Großzehenhebung, der Fußhebung, weniger auch der Fußsenkung gezeigt. Darüber hinaus hält Dr.I. lediglich die Beschwerdeangaben des Klägers fest, die jedoch unspezifisch sind und mit den Folgen des Bandscheibenvorfalls bei L 5/S 1 vermengt werden. Damit sieht der Senat nicht den Beweis erbracht, dass eine dauerhafte Schädigung der Innervation der Bauchwandmuskulatur vom Unfall herrührt. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine vorübergehende Reizung, wie Dr.S. erklärt, dieses Muskelinnervationsgebietes gehandelt hat. Damit bietet sich kein Ansatz für eine dauerhafte Höherbewertung der MdE.
Der Senat kommt damit - wie das SG - zum Ergebnis, dass die Unfallfolgen im Bescheid vom 25.05.2000 zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet wurden und ein Antrag auf Neufeststellung nicht gerechtfertigt ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.2005 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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