Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 Al 198/93 Vw
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 97/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.1993 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit 1976 in den Niederlanden, V. , R.straat, wohnhaft. Seit 22.08.1977 ist sie als Musiklehrerin im Kreis K. beschäftigt. Mit Rentenbescheid vom 06.12.1993 wurde der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit mit einem Rentenbeginn am 07.02.1991 und einem Wegfall am 31.07.1996 zuerkannt. Die Klage auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 07.02.1991 bis 31.07.1996 wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 15.01.1997 ab. Die hiergegen am 25.03.1998 eingelegte Berufung nahm die Klägerin am 03.02.2000 zurück.
Mit Schriftsatz vom 02.11.1992 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen durch die Beklagte. Eine persönliche Vorsprache sei ihr wegen ihrer Erkrankung seit 08.08.1990 nicht möglich. Sie habe ihre Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt. Mit Bescheid vom 10.12.1992 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Alg ab. Die Klägerin habe sich nicht persönlich arbeitslos gemäß § 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gemeldet. Den hiergegen von der Klägerin am 13.01.1993 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.1993 zurück. Die dagegen von der Klägerin am 15.02.1993 zum Sozialgericht Duisburg erhobene Klage wurde durch Beschluss vom 16.03.1993 an das Sozialgericht Nürnberg (SG) verwiesen. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie als Grenzgängerin nach EG-Recht einen Anspruch auf Leistungen habe. Auch habe sie sich am 21.12.1992 persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet.
Mit Urteil vom 24.11.1993 hat das SG die Klage abgewiesen. Unstreitig habe sich die Klägerin nicht gemäß § 105 AFG persönlich beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet. Der Umstand, dass die Klägerin wegen einer Arbeitsunfähigkeit sich nicht habe persönlich melden können, vermöge nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Vielmehr habe aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ohnehin kein Anspruch auf Alg bestanden, da sie keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe ausüben können und dürfen und daher nicht für die Arbeitsvermittlung verfügbar gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 27.12.1993 eingegangene Berufung der Klägerin.
Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten sei nach § 129 AFG begründet. Den Grundsätzen des Art 71 Abs 1 Buchst a EWG-VO 1408/71 folgend, wonach Grenzgänger im Falle von "Vollarbeitslosigkeit" Leistungen des Wohnortstaates erhielten, bedeute demnach zunächst eine originäre Zuständigkeit des holländischen, nicht des deutschen Arbeitsamtes. Von diesen Grundsätzen habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 12.06.1986 (EuGH, Entscheidung 1986, S 1837 = SozR 6050 Art 71 Nr 8) eine Ausnahme dann zugelassen, wenn und soweit der Versicherte im Beschäftigungsstaat - hier in Deutschland - bessere Vermittlungschancen habe. Sie sei seit August 1977 bis zu ihrer Erkrankung im August 1990 als Musiklehrerin im Fach Violine an der Musikschule K. tätig gewesen. Sie sei examinierte Violinlehrerin mit einer abgeschlossenen Ausbildung (Konservatorium und Hochschule der Künste in B.), die sie zum Unterricht in Deutschland, nicht aber in den Niederlanden berechtige. Für eine Tätigkeit an einer Musikschule in den Niederlanden sei eine sog. "Onderwijsakte Muziek" erforderlich. Diese Qualifikation habe sie zu keinem Zeitpunkt erworben, so dass sie auch keinerlei Anstellungschancen auf dem holländischen Arbeitsmarkt besitze. Sie beherrsche die niederländische Sprache nicht. Umgangssprache in ihrer Familie sei Deutsch, da der Ehemann selber Deutschlehrer sei und die deutsche Sprache hervorragend beherrsche. Die gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte bestünden nach Deutschland. So habe sie regelmäßige Kontakte zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule K. , an der auch ihre Tochter unterrichtet werde. Der Leiter der Musikschule rufe sie in regelmäßigen Abständen an, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Von ihm bestehe auch das Angebot, dass sie nach Besserung ihrer Erkrankung wieder als Violinlehrerin an dieser Musikschule tätig werden könne. Im Übrigen sei die Auslegung des EuGH-Urteils vom 12.06.1986 (SozR 6050 Nr 8 zu EWG-Vertrag 1408/1) zu restriktiv. Auch für den Fall, dass sich die Vermittlung mit hoher Wahrscheinlichkeit als schwierig bis unmöglich herausstellen werde, bleibe die Zuständigkeit der Beklagten bestehen. Denn sie habe aufgrund ihrer fehlenden Qualifikation sowie ihrer fehlenden holländischen Sprachkenntnisse und ihrer besonderen persönlichen Bindungen zur Bundesrepublik Deutschland überhaupt nur auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Vermittlungschance.
Eine Bescheinigung über einen Besuch bei der Beklagten am 21.12.1992 müsse sich in der Akte der Beklagten befinden. In dieser Bescheinigung sei aus unerfindlichen Gründen das Wort "arbeitslos" durchgestrichen und durch das Wort "arbeitsuchend" ersetzt worden. Ihr Begehren, sich arbeitslos zu melden, habe sie auch am 21.12.1992 deutlich bei der Beklagten vertreten. Hier sei ihr aber bereits im Vorzimmer "klar gemacht" worden, dass sie sich als Grenzgängerin an ihrem Wohnort arbeitslos melden müsse. Aufgrund ihrer beharrlichen Weigerung, ohne schriftliche Bestätigung nicht das Amt zu verlassen, sei dann von Hr. B. die oben erwähnte Bescheinigung über einen Besuch beim Arbeitsamt am 21.12.1992 ausgefüllt worden, wobei ihr als rechtsunkundigem Laien der Unterschied zwischen bestätigter Arbeitsuchendmeldung und an sich gewollter Arbeitslosmeldung nicht sofort klar gewesen sei. Dies falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten und sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu korrigieren.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.12.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Alg ab 02.11.1992 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.1993 zurückzuweisen.
Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass sie sich arbeitslos und nicht nur arbeitsuchend gemeldet habe. Selbst wenn jedoch unter Berücksichtigung des § 105a AFG davon ausgegangen werde, dass ab dem 21.12.1992 alle Anspruchsvoraussetzungen des § 100 AFG vorgelegen hätten, sei unter Beachtung des EG-Rechts ein Anspruch auf Alg nach deutschem Recht nicht gegeben. Die Klägerin sei nämlich dem Personenkreis der vollarbeitslosen Grenzgänger gemäß Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) EWG-VO Nr 1408/71 zuzuordnen. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen sei nach dieser Vorschrift eindeutig zu Lasten des Wohnsitzstaates geregelt. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.06.1986 in der Streitsache 1/85 "Methe./. BA" = SozR 6050 Art 75 Nr 9) sei der Wohnsitz des Arbeitslosen ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Versicherungsträgers. Die Klägerin sei auch nicht dem Personenkreis zuzurechnen, der abweichend von Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) der EWG-VO Nr 1408/71 auf der Grundlage des 2. Leitsatzes des vorbezeichneten Urteils nach deutschem Recht die Beklagte in Anspruch nehmen könne. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Klägerin - wie im vorgenannten Urteil gefordert - in Deutschland erheblich bessere Chancen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gehabt habe. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen habe sie die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Musiklehrerin nicht mehr ausüben können. Der pauschale Verweis auf bestehende Sprachschwierigkeiten alleine rechtfertige eine solche Annahme nicht. Unglaubwürdig erscheine es weiterhin, dass die Klägerin angeblich ihren Lebensmittelpunkt noch in der Bundesrepublik Deutschland haben solle. Konkretisiert werde dies jedoch nur in noch bestehenden Kontakten zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule. Ein Anspruch der Klägerin auf deutsches Alg ergebe sich nach der Ausnahmevorschrift des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) der EWG-VO 1408/71 nicht. In Übereinstimmung mit § 30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) müsse die Gewährung von Alg an Arbeitslose mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Ausland jenen Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, in denen entsprechende Regelungen des internationalen Rechts der Arbeitslosenversicherung bestünden, weil im anderen Falle das Vorliegen und Fortbestehen der Anspruchsvoraussetzungen nicht ordnungsgemäß nachgewiesen und überwacht werden könne.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Akten der Beklagten, die Akten des SG sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 38 An 5600/94), des Landessozialgerichts Berlin (L 8 RA 42/98) und 3 Band Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) beigezogen.
Mit Schriftsätzen vom 14.05.2007 und 24.05.2007 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Berichterstatterin durch Urteil anstelle des Senats gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG erteilt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 28.06.2007, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 24.11.1993 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 10.12.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.1993 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Alg ab 02.11.1992 zu, § 100 AFG.
Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.
Eine Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Alg nach § 100 Abs 1 AFG ergibt sich weder aus Abs 1 noch aus Abs 2 des § 129 AFG.
Nach § 129 Abs 1 AFG ist zuständiges Arbeitsamt das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Wohnsitz oder, solange er sich nicht an seinem Wohnsitz aufhält, das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Hält sich der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes auf und hat er keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist das Arbeitsamt zuständig, in dessen Bezirk er erstmalig seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, § 129 Abs 2 Satz 1 AFG.
Damit bestimmt § 129 Abs 2 Satz 1 AFG die Zuständigkeit des ersten gewöhnlichen Aufenhalts im Inland für Arbeitslose, die aus dem Ausland zuziehen. Somit liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall gerade nicht vor.
Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Abs 1 des § 129 AFG, denn die Klägerin hatte durchgehend ihren Wohnsitz in den Niederlanden und hat in der Bundesrepublik Deutschland auch keinen anderweitigen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 30 Abs 1 SGB I begründet.
Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Arbeitslose dort, wo er sich u.U. aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I.
Bei der Klägerin lag jedoch keine dauerhafte Abwesenheit vom Wohnsitz vor, so dass sie in der Bundesrepublik Deutschland auch keinen anderweitigen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 30 Abs 1 SGB I begründet hat (s. Düe in Niesel, AFG 1995, Rdnr 7 zu § 129). Es bestanden auch zu keinem Zeitpunkt ein Wohnsitz und ein gewöhnlicher Aufenthalt nebeneinander, denn die Tätigkeit der Klägerin in der Musikschule K. war nicht (dauerhaft) mit einer Unterbringung fernab vom Wohnort der Familie verbunden. Eine Ermittlung des genauen Zeitpunkts des Eintritts der Arbeitslosigkeit der Klägerin i.S. des § 101 AFG war daher nicht erforderlich. Insoweit hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.11.1992 selbst angegeben, seit 08.08.1990 erkrankt zu sein, so dass der Zeitpunkt ihrer Verfügbarkeit gemäß § 103 AFG fraglich ist.
Das Wohnsitzprinzip des § 30 Abs 1 SGB I gilt zwar insoweit nicht, als im über- und zwischenstaatlichen Recht oder in den besonderen Teilen des SGB etwas anderes vorgesehen ist (§ 30 Abs 2 SGB I).
Letzteres ist aber nicht Fall. Als supranationales Kollisionsrecht regelt die EWG-VO 1408/71 den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Diese VO bestimmt insbesondere, welcher Rechtsordnung das anzuwendende Recht zu entnehmen ist, wenn ein Sachverhalt Berührungspunkte zu mehreren Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) aufweist, weil Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ab- und zuwandern.
Grenzgänger sind Arbeitnehmer, die die Beschäftigung im Gebiet eines Mitgliedstaates ausüben, aber im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, so dass Wohnsitz und Beschäftigungsstaat auseinanderfallen. Dabei ist zwischen dem echten und dem unechten Grenzgänger zu unterscheiden. Der echte Grenzgänger ist der Arbeitnehmer, der im Gebiet des Mitgliedstaates beschäftigt ist und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in das er i.d.R. täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt (Art 1 Buchst b VO 1408/71). Arbeitnehmer, die unechte Grenzgänger sind, kehren also i.d.R. nicht täglich oder nicht mindestens einmal pro Woche in ihren Wohnsitzstaat zurück. Beispiele sind die Saison- oder Gastarbeiter. Soweit die Beitrags- und Versicherungspflicht betroffen ist, ist für alle Grenzgänger der Beschäftigungsstaat zuständig.
Für Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit sieht die EWG-VO 1408/71 für echte und unechte Grenzgänger verschiedene Regelungen vor.
Nach Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) VO 1408/71 erhalten echte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates für sie gegolten hätten. Der Anspruch muss sich sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Dauer der Zahlung nach den Vorschriften des Wohnsitzstaates richten. Der Träger des Wohnsitzstaates gewährt die Leistungen zu eigenen Lasten. Er hat also keinen Erstattungsanspruch gegen den Träger des letzten Beschäftigungsstaates.
Hingegen steht dem unechten Grenzgänger aufgrund der EWG-VO 1408/71 ein Wahlrecht zwischen Leistungsansprüchen gegen den Wohnsitzstaat oder den letzten Beschäftigungsstaat zu, Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) VO 1408/71. Arbeitnehmer, die echte Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur Vergügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen oder die in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Unechte Grenzgänger können dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier Mitgliedstaaten wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht ist darin zu sehen, dass der Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon ausgehen konnte, dass i.d.R. im Wohnsitzstaat die besseren Vermittlungschancen bestehen. Das ist vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden kann (vgl. Schlegel in: Spellbrinck/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 Rdnr 166; Gagel, Festschrift 40 Jahre LSG Rheinland-Pfalz, 383, 398).
Die Klägerin ist, da sie in den Niederlanden wohnt, aber zuletzt in Deutschland beschäftigt war und i.d.R. täglich pendelte, eine echte Grenzgängerin i.S. des Art 1 Buchst a EWG-VO 1408/71. Grundsätzlich kann sie daher Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit zwingend nur nach den Rechtsvorschriften des Landes erhalten, in dem sie wohnt, d.h. nach den Rechtsvorschriften der Niederlande. Einen Leistungsanspruch wegen Arbeitlosigkeit kann sie daher grundsätzlich nur in den Niederlanden geltend machen.
Von dieser grundsätzlichen Regelung hat der EuGH durch richterliche Rechtsfortbildung eine Ausnahme gemacht, d.h. der fakultative Statutenwechsel kann sich auch auf echte Grenzgänger erstrecken. Voraussetzung dafür, dass das dem unechten Grenzgänger vorbehaltene Wahlrecht auf echte Grenzgänger erstreckt wird, ist, dass der Arbeitslose zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhält, dass er dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat (EuGH aaO). Der Sinn dieser Entscheidung ist der, dass Leistungen Wanderarbeitern bei Arbeitslosigkeit zu den Bedingungen garantiert werden, die für die Suche nach einem Arbeitsplatz am günstigsten sind.
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor, denn die Klägerin hat im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland, nicht persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhalten, dass sie hier die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat. Ihre Vermittlungschancen in der Bundesrepublik Deutschland waren im streitigen Zeitraum nicht besser als in den Niederlanden. Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt werden maßgeblich durch die schulische und berufliche Ausbildung sowie die kulturelle und soziale Bindung bestimmt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2005, Az: L 12 AL 187/04). Zwar hat die Klägerin die schulische und berufliche Ausbildung in Deutschland absolviert und auch immer in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet. Ihre Argumentation, ihre abgeschlossene Ausbildung als Violinlehrerin in B. berechtige sie nur zum Unterricht in Deutschland, nicht aber in den Niederlanden, weil für eine Tätigkeit an einer Musikschule in den Niederlanden eine sog. "Onderwijsakte Muziek" erforderlich sei, kommt aber im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Denn die Klägerin konnte aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Musiklehrerin gerade nicht mehr ausüben. Mit Rentenbescheid vom 07.02.1991 war der Klägerin deshalb Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit mit einem Rentenbeginn am 07.02.1991 und einem Wegfall am 31.07.1996 zuerkannt worden. Nach dem schlüssigen Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr.S. , das im Auftrag des Sozialgerichts Berlin am 07.09.1999 erstattet worden war, lagen bei der Klägerin zwischen Anfang Februar 1991 bis Ende Juli 1996 folgende Gesundheitsstörungen vor: 1. Chorion-Karzinom mit operativer Resektion 5/1987 und nachfolgender konsekutiver Chemo-Therapie bis 8/1987. 2. Thorakotomie rechts 7/1990 mit Resektion des anterobasalen Segmentes des unteren rechten Lungenlappens wegen pulmonaler Metastasen des bekannten Chorion-Karzinoms. 3. Postoperativ bedingte schmerzhafte Belastungsminderung und Bewegungseinschränkung des rechten Armes, Muskelverschmächtigung des rechten Schultergürtels mit endgradiger aktiver Bewegungseinschränkung, muskuläres Cervikal- und Lumbalsyndrom, ausgeprägte Heberdenarthrose des 5. Fingers links, jedoch ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung. 4. Z. n. ulnarer Seitenbandruptur des rechten Daumengrundgelenkes. 5. Langanhaltende depressive Reaktion bei zwanghafter Persönlichkeitsstruktur.
Die Gesundheitsstörungen der Klägerin waren also im streitigen Zeitraum ab 02.11.1992 sowohl als einzelne als auch in ihrer Gesamtheit derart schwerwiegend, dass die Klägerin deshalb weder ihren bisherigen Beruf i.S. des § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.d.F. bis 31.12.2000 als Violinlehrerin, noch gesundheitlich und sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten, d.h. artverwandte Tätigkeiten im musikalischen Bereich ausüben konnte. Die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen der Klägerin stellten in beiden Ländern, d.h. sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den Niederlanden, das entscheidende Vermittlungshemmnis dar, so dass die Annahme, die Klägerin habe die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung in der Bundesrepublik Deutschland gehabt, schon deshalb nicht gerechtfertigt ist.
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass sie mit ihrem Restleistungsvermögen beste Aussichten auf Wiedereingliederung in der Bundesrepublik Deutschland hatte. In diesem Zusammenhang ist der Argumentation der Klägerin, sie beherrsche nicht die niederländische Sprache, Umgangssprache in ihrer Familie sei Deutsch, da ihr Ehemann selber Deutschlehrer sei und die deutsche Sprache hervorragend beherrsche, kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit 1976 in den Niederlanden lebt, wobei aus ihrer Ehe drei Kinder entstammen, die zusammen mit ihren Eltern in den Niederlanden gewohnt haben und dort die Schule besucht haben. Auch unter der Annahme, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann zuhause (überwiegend) Deutsch gesprochen haben soll ist davon auszugehen, dass sie im streitigen Zeitraum der niederländischen Umgangssprache hinreichend mächtig war. Zum anderen stellen die von der Klägerin vorgetragenen mangelnden Sprachkenntnisse bei einer Vielzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch in den Niederlanden kein entscheidendes Vermittlungshemmnis dar.
Soweit die Klägerin einwendet, ihre gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte bestünden nach Deutschland, ergibt sich daraus nicht, dass sie unechte Grenzgängerin i.S. des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) EWG-VO 1408/71 ist. Insoweit hat sie vorgetragen, dass sie regelmäßige Kontakte zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule K. , an der auch ihre Tochter unterrichtet werde, pflege. Der Leiter der Musikschule K. rufe sie in regelmäßigen Abständen an, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Zur Überzeugung des Gerichts steht nämlich fest, dass bestehende persönliche Bindungen an den Beschäftigungsstaat jedenfalls dann nicht geeignet sind, die Voraussetzungen des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) EWG-VO 1408/71 zu erfüllen, wenn der Arbeitslose trotzdem keine "besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung im Beschäftigungsstaat" hat. Kann eine im Beschäftigungsstaat günstigere Arbeitsuche i.S. der Rechtsprechung des EuGH nicht festgestellt werden, würde es nämlich eine nach den EG-Vorschriften sowie der Rechtsprechung nicht gewollte Wahlmöglichkeit bedeuten, wenn die Arbeitslosenversicherung - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - nur aufgrund der u.U. stärkeren persönlichen Bindungen des Arbeitslosen zum Beschäftigungsstaat zur Leistungsgewährung herangezogen wird.
Darüber hinaus sind die von der Klägerin vorgetragenen persönlichen Bindungen in ihrem Beschäftigungsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht dergestalt, dass man von stärkeren persönlichen Bindungen der Klägerin zum Beschäftigungsstaat als zum Wohnsitzstaat ausgehen muss. Die in der Berufungsbegründung enthaltene Behauptung der Klägerin, sie habe ihre gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte in der Bundesrepublik Deutschland, sind schon deshalb nicht glaubhaft, weil sie mit ihrem Mann und ihren Kindern bereits seit 1976 in den Niederlanden lebt. Konkretisiert hat die Klägerin diese Behauptung auch nur in noch bestehenden Kontakten zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule in K ... Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhält, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat. Der Klägerin stand somit kein Wahlrecht nach Art 71 Buchst b) ii) der EWG-VO Nr 1408/71 dahingehend zu, bei Vollarbeitslosigkeit zwischen den Leistungen des Beschäftigungsstaates und denen des Wohnortstaates zu wählen, denn sie war keine unechte Grenzgängerin. Als vollarbeitslose echte Grenzgängerin stand ihr ein solches Wahlrecht hingegen nicht zu. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) hatte sie als echte Grenzgängerin Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnte, d.h. nach den Rechtsvorschriften der Niederlande, zu beanspruchen.
Die Berufung der Klägerin ist daher schon wegen mangelnder Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Alg gemäß § 129 AFG erfolglos.
Im Übrigen ist ein Anspruch auf Alg gemäß § 129 AFG auch deshalb nicht gegeben, weil eine persönliche Arbeitslosmeldung der Klägerin, die Voraussetzung für den Anspruch auf Alg gemäß § 100 Abs 1 AFG ist, nicht erwiesen ist, § 105 AFG, und auch auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gemäß §§ 14, 15 SGB I nicht fingiert werden kann. Das Schreiben der Klägerin vom 02.11.1992 stellt keine persönliche Arbeitslosmeldung i.S. des § 105 AFG dar. Eine persönliche Vorsprache der Klägerin am 21.12.1992 - wie von ihr vorgetragen - ist nicht aktenkundig. Insoweit macht die Klägerin geltend, über ihren Besuch am 21.12.1992 sei eine Bescheinigung ausgestellt worden, in der das Wort "arbeitslos" durchgestrichen und aus unerfindlichen Gründen durch das Wort "arbeitsuchend" ersetzt worden sei. Auch unter Zugrundelegung dieses Vortrags und der von der Beklagten vertretenen Annahme, es könne eine solche Vorsprache - nur - in der Arbeitsvermittlung/-beratung erfolgt sein, ist nicht anzunehmen, dass die Klägerin sich persönlich arbeitslos i.S. des § 105 AFG gemeldet hat und nicht nur ein Arbeitsgesuch/Vermittlungsgesuch zum Ausdruck gebracht hat. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, sich nicht nur arbeitsuchend, sondern arbeitslos i.S. des § 105 AFG zu melden, daher sei eine persönliche Arbeitslosmeldung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren, lässt sich mit dieser Argumentation ein Anspruch auf Alg aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht begründen. Insoweit kann nämlich dahingestellt bleiben, ob die Klägerin am 21.12.1992 tatsächlich in der Arbeitsvermittlung/-beratung vorgesprochen hat und die Beklagte zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet gewesen wäre. Jedenfalls kann eine persönliche Arbeitslosmeldung gemäß § 105 AFG, die eine Tatsachenerklärung und keine Willenserklärung ist, nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (BSGE 62, 43, 48 = SozR 4100 § 112 Nr 31).
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Alg für den Zeitraum ab 02.11.1992 zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit 1976 in den Niederlanden, V. , R.straat, wohnhaft. Seit 22.08.1977 ist sie als Musiklehrerin im Kreis K. beschäftigt. Mit Rentenbescheid vom 06.12.1993 wurde der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit mit einem Rentenbeginn am 07.02.1991 und einem Wegfall am 31.07.1996 zuerkannt. Die Klage auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 07.02.1991 bis 31.07.1996 wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 15.01.1997 ab. Die hiergegen am 25.03.1998 eingelegte Berufung nahm die Klägerin am 03.02.2000 zurück.
Mit Schriftsatz vom 02.11.1992 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen durch die Beklagte. Eine persönliche Vorsprache sei ihr wegen ihrer Erkrankung seit 08.08.1990 nicht möglich. Sie habe ihre Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt. Mit Bescheid vom 10.12.1992 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Alg ab. Die Klägerin habe sich nicht persönlich arbeitslos gemäß § 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gemeldet. Den hiergegen von der Klägerin am 13.01.1993 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.1993 zurück. Die dagegen von der Klägerin am 15.02.1993 zum Sozialgericht Duisburg erhobene Klage wurde durch Beschluss vom 16.03.1993 an das Sozialgericht Nürnberg (SG) verwiesen. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie als Grenzgängerin nach EG-Recht einen Anspruch auf Leistungen habe. Auch habe sie sich am 21.12.1992 persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet.
Mit Urteil vom 24.11.1993 hat das SG die Klage abgewiesen. Unstreitig habe sich die Klägerin nicht gemäß § 105 AFG persönlich beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet. Der Umstand, dass die Klägerin wegen einer Arbeitsunfähigkeit sich nicht habe persönlich melden können, vermöge nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Vielmehr habe aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ohnehin kein Anspruch auf Alg bestanden, da sie keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe ausüben können und dürfen und daher nicht für die Arbeitsvermittlung verfügbar gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 27.12.1993 eingegangene Berufung der Klägerin.
Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten sei nach § 129 AFG begründet. Den Grundsätzen des Art 71 Abs 1 Buchst a EWG-VO 1408/71 folgend, wonach Grenzgänger im Falle von "Vollarbeitslosigkeit" Leistungen des Wohnortstaates erhielten, bedeute demnach zunächst eine originäre Zuständigkeit des holländischen, nicht des deutschen Arbeitsamtes. Von diesen Grundsätzen habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 12.06.1986 (EuGH, Entscheidung 1986, S 1837 = SozR 6050 Art 71 Nr 8) eine Ausnahme dann zugelassen, wenn und soweit der Versicherte im Beschäftigungsstaat - hier in Deutschland - bessere Vermittlungschancen habe. Sie sei seit August 1977 bis zu ihrer Erkrankung im August 1990 als Musiklehrerin im Fach Violine an der Musikschule K. tätig gewesen. Sie sei examinierte Violinlehrerin mit einer abgeschlossenen Ausbildung (Konservatorium und Hochschule der Künste in B.), die sie zum Unterricht in Deutschland, nicht aber in den Niederlanden berechtige. Für eine Tätigkeit an einer Musikschule in den Niederlanden sei eine sog. "Onderwijsakte Muziek" erforderlich. Diese Qualifikation habe sie zu keinem Zeitpunkt erworben, so dass sie auch keinerlei Anstellungschancen auf dem holländischen Arbeitsmarkt besitze. Sie beherrsche die niederländische Sprache nicht. Umgangssprache in ihrer Familie sei Deutsch, da der Ehemann selber Deutschlehrer sei und die deutsche Sprache hervorragend beherrsche. Die gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte bestünden nach Deutschland. So habe sie regelmäßige Kontakte zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule K. , an der auch ihre Tochter unterrichtet werde. Der Leiter der Musikschule rufe sie in regelmäßigen Abständen an, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Von ihm bestehe auch das Angebot, dass sie nach Besserung ihrer Erkrankung wieder als Violinlehrerin an dieser Musikschule tätig werden könne. Im Übrigen sei die Auslegung des EuGH-Urteils vom 12.06.1986 (SozR 6050 Nr 8 zu EWG-Vertrag 1408/1) zu restriktiv. Auch für den Fall, dass sich die Vermittlung mit hoher Wahrscheinlichkeit als schwierig bis unmöglich herausstellen werde, bleibe die Zuständigkeit der Beklagten bestehen. Denn sie habe aufgrund ihrer fehlenden Qualifikation sowie ihrer fehlenden holländischen Sprachkenntnisse und ihrer besonderen persönlichen Bindungen zur Bundesrepublik Deutschland überhaupt nur auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Vermittlungschance.
Eine Bescheinigung über einen Besuch bei der Beklagten am 21.12.1992 müsse sich in der Akte der Beklagten befinden. In dieser Bescheinigung sei aus unerfindlichen Gründen das Wort "arbeitslos" durchgestrichen und durch das Wort "arbeitsuchend" ersetzt worden. Ihr Begehren, sich arbeitslos zu melden, habe sie auch am 21.12.1992 deutlich bei der Beklagten vertreten. Hier sei ihr aber bereits im Vorzimmer "klar gemacht" worden, dass sie sich als Grenzgängerin an ihrem Wohnort arbeitslos melden müsse. Aufgrund ihrer beharrlichen Weigerung, ohne schriftliche Bestätigung nicht das Amt zu verlassen, sei dann von Hr. B. die oben erwähnte Bescheinigung über einen Besuch beim Arbeitsamt am 21.12.1992 ausgefüllt worden, wobei ihr als rechtsunkundigem Laien der Unterschied zwischen bestätigter Arbeitsuchendmeldung und an sich gewollter Arbeitslosmeldung nicht sofort klar gewesen sei. Dies falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten und sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu korrigieren.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.12.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Alg ab 02.11.1992 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.1993 zurückzuweisen.
Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass sie sich arbeitslos und nicht nur arbeitsuchend gemeldet habe. Selbst wenn jedoch unter Berücksichtigung des § 105a AFG davon ausgegangen werde, dass ab dem 21.12.1992 alle Anspruchsvoraussetzungen des § 100 AFG vorgelegen hätten, sei unter Beachtung des EG-Rechts ein Anspruch auf Alg nach deutschem Recht nicht gegeben. Die Klägerin sei nämlich dem Personenkreis der vollarbeitslosen Grenzgänger gemäß Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) EWG-VO Nr 1408/71 zuzuordnen. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen sei nach dieser Vorschrift eindeutig zu Lasten des Wohnsitzstaates geregelt. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.06.1986 in der Streitsache 1/85 "Methe./. BA" = SozR 6050 Art 75 Nr 9) sei der Wohnsitz des Arbeitslosen ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Versicherungsträgers. Die Klägerin sei auch nicht dem Personenkreis zuzurechnen, der abweichend von Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) der EWG-VO Nr 1408/71 auf der Grundlage des 2. Leitsatzes des vorbezeichneten Urteils nach deutschem Recht die Beklagte in Anspruch nehmen könne. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Klägerin - wie im vorgenannten Urteil gefordert - in Deutschland erheblich bessere Chancen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gehabt habe. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen habe sie die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Musiklehrerin nicht mehr ausüben können. Der pauschale Verweis auf bestehende Sprachschwierigkeiten alleine rechtfertige eine solche Annahme nicht. Unglaubwürdig erscheine es weiterhin, dass die Klägerin angeblich ihren Lebensmittelpunkt noch in der Bundesrepublik Deutschland haben solle. Konkretisiert werde dies jedoch nur in noch bestehenden Kontakten zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule. Ein Anspruch der Klägerin auf deutsches Alg ergebe sich nach der Ausnahmevorschrift des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) der EWG-VO 1408/71 nicht. In Übereinstimmung mit § 30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) müsse die Gewährung von Alg an Arbeitslose mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Ausland jenen Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, in denen entsprechende Regelungen des internationalen Rechts der Arbeitslosenversicherung bestünden, weil im anderen Falle das Vorliegen und Fortbestehen der Anspruchsvoraussetzungen nicht ordnungsgemäß nachgewiesen und überwacht werden könne.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Akten der Beklagten, die Akten des SG sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 38 An 5600/94), des Landessozialgerichts Berlin (L 8 RA 42/98) und 3 Band Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) beigezogen.
Mit Schriftsätzen vom 14.05.2007 und 24.05.2007 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Berichterstatterin durch Urteil anstelle des Senats gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG erteilt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 28.06.2007, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 24.11.1993 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 10.12.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.1993 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Alg ab 02.11.1992 zu, § 100 AFG.
Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.
Eine Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Alg nach § 100 Abs 1 AFG ergibt sich weder aus Abs 1 noch aus Abs 2 des § 129 AFG.
Nach § 129 Abs 1 AFG ist zuständiges Arbeitsamt das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Wohnsitz oder, solange er sich nicht an seinem Wohnsitz aufhält, das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Hält sich der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes auf und hat er keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist das Arbeitsamt zuständig, in dessen Bezirk er erstmalig seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, § 129 Abs 2 Satz 1 AFG.
Damit bestimmt § 129 Abs 2 Satz 1 AFG die Zuständigkeit des ersten gewöhnlichen Aufenhalts im Inland für Arbeitslose, die aus dem Ausland zuziehen. Somit liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall gerade nicht vor.
Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Abs 1 des § 129 AFG, denn die Klägerin hatte durchgehend ihren Wohnsitz in den Niederlanden und hat in der Bundesrepublik Deutschland auch keinen anderweitigen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 30 Abs 1 SGB I begründet.
Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Arbeitslose dort, wo er sich u.U. aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I.
Bei der Klägerin lag jedoch keine dauerhafte Abwesenheit vom Wohnsitz vor, so dass sie in der Bundesrepublik Deutschland auch keinen anderweitigen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 30 Abs 1 SGB I begründet hat (s. Düe in Niesel, AFG 1995, Rdnr 7 zu § 129). Es bestanden auch zu keinem Zeitpunkt ein Wohnsitz und ein gewöhnlicher Aufenthalt nebeneinander, denn die Tätigkeit der Klägerin in der Musikschule K. war nicht (dauerhaft) mit einer Unterbringung fernab vom Wohnort der Familie verbunden. Eine Ermittlung des genauen Zeitpunkts des Eintritts der Arbeitslosigkeit der Klägerin i.S. des § 101 AFG war daher nicht erforderlich. Insoweit hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.11.1992 selbst angegeben, seit 08.08.1990 erkrankt zu sein, so dass der Zeitpunkt ihrer Verfügbarkeit gemäß § 103 AFG fraglich ist.
Das Wohnsitzprinzip des § 30 Abs 1 SGB I gilt zwar insoweit nicht, als im über- und zwischenstaatlichen Recht oder in den besonderen Teilen des SGB etwas anderes vorgesehen ist (§ 30 Abs 2 SGB I).
Letzteres ist aber nicht Fall. Als supranationales Kollisionsrecht regelt die EWG-VO 1408/71 den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Diese VO bestimmt insbesondere, welcher Rechtsordnung das anzuwendende Recht zu entnehmen ist, wenn ein Sachverhalt Berührungspunkte zu mehreren Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) aufweist, weil Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ab- und zuwandern.
Grenzgänger sind Arbeitnehmer, die die Beschäftigung im Gebiet eines Mitgliedstaates ausüben, aber im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, so dass Wohnsitz und Beschäftigungsstaat auseinanderfallen. Dabei ist zwischen dem echten und dem unechten Grenzgänger zu unterscheiden. Der echte Grenzgänger ist der Arbeitnehmer, der im Gebiet des Mitgliedstaates beschäftigt ist und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in das er i.d.R. täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt (Art 1 Buchst b VO 1408/71). Arbeitnehmer, die unechte Grenzgänger sind, kehren also i.d.R. nicht täglich oder nicht mindestens einmal pro Woche in ihren Wohnsitzstaat zurück. Beispiele sind die Saison- oder Gastarbeiter. Soweit die Beitrags- und Versicherungspflicht betroffen ist, ist für alle Grenzgänger der Beschäftigungsstaat zuständig.
Für Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit sieht die EWG-VO 1408/71 für echte und unechte Grenzgänger verschiedene Regelungen vor.
Nach Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) VO 1408/71 erhalten echte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates für sie gegolten hätten. Der Anspruch muss sich sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Dauer der Zahlung nach den Vorschriften des Wohnsitzstaates richten. Der Träger des Wohnsitzstaates gewährt die Leistungen zu eigenen Lasten. Er hat also keinen Erstattungsanspruch gegen den Träger des letzten Beschäftigungsstaates.
Hingegen steht dem unechten Grenzgänger aufgrund der EWG-VO 1408/71 ein Wahlrecht zwischen Leistungsansprüchen gegen den Wohnsitzstaat oder den letzten Beschäftigungsstaat zu, Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) VO 1408/71. Arbeitnehmer, die echte Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur Vergügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen oder die in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Unechte Grenzgänger können dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier Mitgliedstaaten wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht ist darin zu sehen, dass der Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon ausgehen konnte, dass i.d.R. im Wohnsitzstaat die besseren Vermittlungschancen bestehen. Das ist vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden kann (vgl. Schlegel in: Spellbrinck/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 Rdnr 166; Gagel, Festschrift 40 Jahre LSG Rheinland-Pfalz, 383, 398).
Die Klägerin ist, da sie in den Niederlanden wohnt, aber zuletzt in Deutschland beschäftigt war und i.d.R. täglich pendelte, eine echte Grenzgängerin i.S. des Art 1 Buchst a EWG-VO 1408/71. Grundsätzlich kann sie daher Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit zwingend nur nach den Rechtsvorschriften des Landes erhalten, in dem sie wohnt, d.h. nach den Rechtsvorschriften der Niederlande. Einen Leistungsanspruch wegen Arbeitlosigkeit kann sie daher grundsätzlich nur in den Niederlanden geltend machen.
Von dieser grundsätzlichen Regelung hat der EuGH durch richterliche Rechtsfortbildung eine Ausnahme gemacht, d.h. der fakultative Statutenwechsel kann sich auch auf echte Grenzgänger erstrecken. Voraussetzung dafür, dass das dem unechten Grenzgänger vorbehaltene Wahlrecht auf echte Grenzgänger erstreckt wird, ist, dass der Arbeitslose zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhält, dass er dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat (EuGH aaO). Der Sinn dieser Entscheidung ist der, dass Leistungen Wanderarbeitern bei Arbeitslosigkeit zu den Bedingungen garantiert werden, die für die Suche nach einem Arbeitsplatz am günstigsten sind.
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor, denn die Klägerin hat im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland, nicht persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhalten, dass sie hier die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat. Ihre Vermittlungschancen in der Bundesrepublik Deutschland waren im streitigen Zeitraum nicht besser als in den Niederlanden. Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt werden maßgeblich durch die schulische und berufliche Ausbildung sowie die kulturelle und soziale Bindung bestimmt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2005, Az: L 12 AL 187/04). Zwar hat die Klägerin die schulische und berufliche Ausbildung in Deutschland absolviert und auch immer in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet. Ihre Argumentation, ihre abgeschlossene Ausbildung als Violinlehrerin in B. berechtige sie nur zum Unterricht in Deutschland, nicht aber in den Niederlanden, weil für eine Tätigkeit an einer Musikschule in den Niederlanden eine sog. "Onderwijsakte Muziek" erforderlich sei, kommt aber im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Denn die Klägerin konnte aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Musiklehrerin gerade nicht mehr ausüben. Mit Rentenbescheid vom 07.02.1991 war der Klägerin deshalb Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit mit einem Rentenbeginn am 07.02.1991 und einem Wegfall am 31.07.1996 zuerkannt worden. Nach dem schlüssigen Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr.S. , das im Auftrag des Sozialgerichts Berlin am 07.09.1999 erstattet worden war, lagen bei der Klägerin zwischen Anfang Februar 1991 bis Ende Juli 1996 folgende Gesundheitsstörungen vor: 1. Chorion-Karzinom mit operativer Resektion 5/1987 und nachfolgender konsekutiver Chemo-Therapie bis 8/1987. 2. Thorakotomie rechts 7/1990 mit Resektion des anterobasalen Segmentes des unteren rechten Lungenlappens wegen pulmonaler Metastasen des bekannten Chorion-Karzinoms. 3. Postoperativ bedingte schmerzhafte Belastungsminderung und Bewegungseinschränkung des rechten Armes, Muskelverschmächtigung des rechten Schultergürtels mit endgradiger aktiver Bewegungseinschränkung, muskuläres Cervikal- und Lumbalsyndrom, ausgeprägte Heberdenarthrose des 5. Fingers links, jedoch ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung. 4. Z. n. ulnarer Seitenbandruptur des rechten Daumengrundgelenkes. 5. Langanhaltende depressive Reaktion bei zwanghafter Persönlichkeitsstruktur.
Die Gesundheitsstörungen der Klägerin waren also im streitigen Zeitraum ab 02.11.1992 sowohl als einzelne als auch in ihrer Gesamtheit derart schwerwiegend, dass die Klägerin deshalb weder ihren bisherigen Beruf i.S. des § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.d.F. bis 31.12.2000 als Violinlehrerin, noch gesundheitlich und sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten, d.h. artverwandte Tätigkeiten im musikalischen Bereich ausüben konnte. Die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen der Klägerin stellten in beiden Ländern, d.h. sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den Niederlanden, das entscheidende Vermittlungshemmnis dar, so dass die Annahme, die Klägerin habe die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung in der Bundesrepublik Deutschland gehabt, schon deshalb nicht gerechtfertigt ist.
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass sie mit ihrem Restleistungsvermögen beste Aussichten auf Wiedereingliederung in der Bundesrepublik Deutschland hatte. In diesem Zusammenhang ist der Argumentation der Klägerin, sie beherrsche nicht die niederländische Sprache, Umgangssprache in ihrer Familie sei Deutsch, da ihr Ehemann selber Deutschlehrer sei und die deutsche Sprache hervorragend beherrsche, kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit 1976 in den Niederlanden lebt, wobei aus ihrer Ehe drei Kinder entstammen, die zusammen mit ihren Eltern in den Niederlanden gewohnt haben und dort die Schule besucht haben. Auch unter der Annahme, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann zuhause (überwiegend) Deutsch gesprochen haben soll ist davon auszugehen, dass sie im streitigen Zeitraum der niederländischen Umgangssprache hinreichend mächtig war. Zum anderen stellen die von der Klägerin vorgetragenen mangelnden Sprachkenntnisse bei einer Vielzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch in den Niederlanden kein entscheidendes Vermittlungshemmnis dar.
Soweit die Klägerin einwendet, ihre gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte bestünden nach Deutschland, ergibt sich daraus nicht, dass sie unechte Grenzgängerin i.S. des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) EWG-VO 1408/71 ist. Insoweit hat sie vorgetragen, dass sie regelmäßige Kontakte zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule K. , an der auch ihre Tochter unterrichtet werde, pflege. Der Leiter der Musikschule K. rufe sie in regelmäßigen Abständen an, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Zur Überzeugung des Gerichts steht nämlich fest, dass bestehende persönliche Bindungen an den Beschäftigungsstaat jedenfalls dann nicht geeignet sind, die Voraussetzungen des Art 71 Abs 1 Buchst b) ii) EWG-VO 1408/71 zu erfüllen, wenn der Arbeitslose trotzdem keine "besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung im Beschäftigungsstaat" hat. Kann eine im Beschäftigungsstaat günstigere Arbeitsuche i.S. der Rechtsprechung des EuGH nicht festgestellt werden, würde es nämlich eine nach den EG-Vorschriften sowie der Rechtsprechung nicht gewollte Wahlmöglichkeit bedeuten, wenn die Arbeitslosenversicherung - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - nur aufgrund der u.U. stärkeren persönlichen Bindungen des Arbeitslosen zum Beschäftigungsstaat zur Leistungsgewährung herangezogen wird.
Darüber hinaus sind die von der Klägerin vorgetragenen persönlichen Bindungen in ihrem Beschäftigungsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht dergestalt, dass man von stärkeren persönlichen Bindungen der Klägerin zum Beschäftigungsstaat als zum Wohnsitzstaat ausgehen muss. Die in der Berufungsbegründung enthaltene Behauptung der Klägerin, sie habe ihre gesamten verwandtschaftlichen Bindungen und freundschaftlichen Kontakte in der Bundesrepublik Deutschland, sind schon deshalb nicht glaubhaft, weil sie mit ihrem Mann und ihren Kindern bereits seit 1976 in den Niederlanden lebt. Konkretisiert hat die Klägerin diese Behauptung auch nur in noch bestehenden Kontakten zu ehemaligen Schülern und Kollegen der Musikschule in K ... Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhält, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat. Der Klägerin stand somit kein Wahlrecht nach Art 71 Buchst b) ii) der EWG-VO Nr 1408/71 dahingehend zu, bei Vollarbeitslosigkeit zwischen den Leistungen des Beschäftigungsstaates und denen des Wohnortstaates zu wählen, denn sie war keine unechte Grenzgängerin. Als vollarbeitslose echte Grenzgängerin stand ihr ein solches Wahlrecht hingegen nicht zu. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art 71 Abs 1 Buchst a) ii) hatte sie als echte Grenzgängerin Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnte, d.h. nach den Rechtsvorschriften der Niederlande, zu beanspruchen.
Die Berufung der Klägerin ist daher schon wegen mangelnder Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Alg gemäß § 129 AFG erfolglos.
Im Übrigen ist ein Anspruch auf Alg gemäß § 129 AFG auch deshalb nicht gegeben, weil eine persönliche Arbeitslosmeldung der Klägerin, die Voraussetzung für den Anspruch auf Alg gemäß § 100 Abs 1 AFG ist, nicht erwiesen ist, § 105 AFG, und auch auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gemäß §§ 14, 15 SGB I nicht fingiert werden kann. Das Schreiben der Klägerin vom 02.11.1992 stellt keine persönliche Arbeitslosmeldung i.S. des § 105 AFG dar. Eine persönliche Vorsprache der Klägerin am 21.12.1992 - wie von ihr vorgetragen - ist nicht aktenkundig. Insoweit macht die Klägerin geltend, über ihren Besuch am 21.12.1992 sei eine Bescheinigung ausgestellt worden, in der das Wort "arbeitslos" durchgestrichen und aus unerfindlichen Gründen durch das Wort "arbeitsuchend" ersetzt worden sei. Auch unter Zugrundelegung dieses Vortrags und der von der Beklagten vertretenen Annahme, es könne eine solche Vorsprache - nur - in der Arbeitsvermittlung/-beratung erfolgt sein, ist nicht anzunehmen, dass die Klägerin sich persönlich arbeitslos i.S. des § 105 AFG gemeldet hat und nicht nur ein Arbeitsgesuch/Vermittlungsgesuch zum Ausdruck gebracht hat. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, sich nicht nur arbeitsuchend, sondern arbeitslos i.S. des § 105 AFG zu melden, daher sei eine persönliche Arbeitslosmeldung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren, lässt sich mit dieser Argumentation ein Anspruch auf Alg aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht begründen. Insoweit kann nämlich dahingestellt bleiben, ob die Klägerin am 21.12.1992 tatsächlich in der Arbeitsvermittlung/-beratung vorgesprochen hat und die Beklagte zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet gewesen wäre. Jedenfalls kann eine persönliche Arbeitslosmeldung gemäß § 105 AFG, die eine Tatsachenerklärung und keine Willenserklärung ist, nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (BSGE 62, 43, 48 = SozR 4100 § 112 Nr 31).
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Alg für den Zeitraum ab 02.11.1992 zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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