L 6 R 522/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 756/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 522/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Leistung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1947 geborene Kläger, ein in seiner Heimat lebender serbischer Staatsangehöriger, hat dort den Beruf eines Metalldrehers erlernt und war in diesem Beruf in seiner Heimat von Juli 1965 und Februar 1973 sowie von Juli 1977 bis Oktober 1992 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland hat er vom 15.02.1973 bis 25.02.1977 als Arbeiter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Er bezieht vom jugoslawischen Versicherungsträger seit 12.03.1996 eine Rente wegen Invalidität aufgrund eines datumsmäßig heute nicht mehr feststellbaren Antrags.

Am 11.10.2001 beantragte der Kläger über den Versicherungsträger in B. bei der Beklagten die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Gutachten nach Formblatt JU 207 der Invalidenkommission B. , datiert vom 19.03.2002, wurde der Kläger für die Zeit ab 12.03.1996 für nurmehr weniger als zwei Stunden täglich arbeitsleistungsfähig angesehen.

Mit Bescheid vom 15.04.2002 lehnt die Beklagte den Rentenantrag ab und führte aus, ausgehend vom Datum der Antragstellung am 11.10.2001 habe der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht erfüllt. So seien im maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 11.10.1996 bis 10.10.2001 keine Pflichtbeitragszeiten vorhanden, auch sei in der Zeit vom 01.01.1984 bis 30.09.2001 nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Unbelegt seien die Monate November 1992 bis September 2001. Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und vorgebracht, bei ihm sei in seiner Heimat bereits der Verlust der Arbeitsfähigkeit festgestellt worden. Analog dazu hätte auch der deutsche Rentenversicherungsträger dies feststellen und den Anspruch auf Rente anerkennen müssen. Auf Anfrage der Beklagten teilte der jugoslawische Versicherungsträger mit, im Jahre 1996 habe der Kläger nicht angegeben, dass er auch in Deutschland beschäftigt gewesen sei. Deshalb sei im Jahre 1996 auch kein ärztliches Formblatt-Gutachten JU 207 erstellt worden.

Die Beklagte holte das von dem Arzt für Psychiatrie Dr.A. am 14.03.2005 erstellte Gutachten aufgrund persönlicher Untersuchung des Klägers ein, wonach dieser sowohl in seinem bisherigen Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch täglich sechs Stunden und mehr arbeitsleistungsfähig sei und lehnte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 mit der Begründung ab, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und könne noch mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken und häufige Überkopfarbeiten vollschichtig verrichten, weshalb Erwerbsminderung und auch Berufsunfähigkeit nicht gegeben seien.

Dagegen hat der Kläger unter Vorlage ärztlicher Unterlagen Klage zum Sozialgericht Landshut eingelegt und das Zeugnis über die abgelegte Prüfung zum Metelldreher vom 25.06.1965 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.04.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, selbst wenn man von einem noch offenen Rentenantrag aus dem Jahre 1996 ausgehen würde, sei der Kläger noch allenfalls berechtigt, freiwillige Beiträge seit dem Jahre 1995 nachzuentrichten. Unbelegt wären weiterhin die Monate November und Dezember 1992 sowie die Jahre 1993 und 1994. Eine Untersuchung des Klägers in Deutschland durch einen gerichtsärztlichen Sachverständigen halte das Gericht deshalb nicht für erforderlich, da der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers im Hinblick darauf, dass er seit Jahren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle, nicht entscheidungserheblich sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers der auf Anfrage des Senats nach dem Datum seiner erstmaligen Rentenantragstellung seinen jugoslawischen Rentenbescheid vorlegte, aus dem sich ergibt, dass er seit 12.03.1996 eine Rente beziehe.

Nach Auffassung der Beklagten ist der seinerzeitige Rentenantrag auf das serbische Rentenverfahren beschränkt gewesen bzw. wurde nicht nach Deutschland weitergeleitet worden sei. Es sei wahrscheinlich, dass die Rente in Serbien erst im Jahre 1996 beantragt wurde und es gebe keinerlei Hinweise, dass die Erwerbsminderung bis 30.11.1994 eingetreten sei, zumal auch der serbische Versicherungsträger von einem späteren Zeitpunkt ausgegangen sei. Nach ärztlicher Feststellung vom 09.03.2005 sei der Kläger im Übrigen noch in der Lage, vollschichtig mittelschwere Arbeiten zu verrichten.

Nach einem Hinweis des Senats, dass im Hinblick auf den Umstand, dass bis spätestens November 1994 Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit eintreten hätte müssen, weshalb eine ärztliche Untersuchung nicht mehr sinnvoll sei und auch nach Kenntnis des Gerichts eine Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in Serbien bzw. in Jugoslawien zur Füllung der Beitragslücken nicht mehr möglich sei, übersandte der Kläger ärztliche Unterlagen aus den Jahren bis 1994, die nach Mitteilung des beauftragten Übersetzers unleserlich sind und damit nicht übersetzt werden konnten.

Den Hinweis des Senats, dass die Berufung damit keine Aussicht auf Erfolg habe, hat der Kläger nicht beantwortet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 26.04.2006 sowie des Bescheides vom 15.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2005 zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrags vom 11.10.2001 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Klageakten des Sozialgerichts Landshut sowie der Rentenakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (ausgehend von einem noch offenen Rentenantrag aus dem Jahre 1996) und auch nicht wegen Erwerbsminderung (ausgehend von dem aktenkundigen Antrag vom 11.10.2001) hat.

Der Anspruch des Klägers ist zunächst an den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung des § 43 SGB VI zu messen, da jedenfalls am 11.10.2001 ein Rentenantrag gestellt worden ist. Gleichzeitig ist aber auch im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers, er habe bereits früher beim heimischen Versicherungsträger Rentenantrag gestellt, der im Jahre 1996 zur Anerkennung von Invalidität der I. Kategorie und einer entsprechenden Rentenleistung geführt hat, ein Rentenanspruch nach den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung zu prüfen (§§ 43, 44 SGB VI a.F.). Nachdem ein Antragsdatum vor 1996 nicht feststeht, lediglich der Umstand der Bescheiderteilung durch den Versicherungsträger, muss davon ausgegangen werden, dass im selben Jahr auch der Rentenantrag gestellt wurde, der auch im Hinblick auf die in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen ist.

Unabhängig davon, wann ein von der Beklagten zu berücksichtigender Rentenantrag (ab dem Jahre 1996) gestellt wurde, hat der Kläger die sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt, da in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung (und damit einem fiktiven Leistungsfall zu diesem Zeitpunkt) in den letzten fünf Jahren vor diesem Datum keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachgewiesen sind. Diesbezüglich nimmt der Senat gemäß § 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die Gründe im Urteil erster Instanz und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Zusätzlich ist noch folgendes zu bemerken:

Ob der Kläger im Anschluss an seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung in Jugoslawien (Oktober 1992) wenigstens berufsunfähig war, beurteilt sich danach, welche seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeiten ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und den besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnten. Der Kläger hat zwar, nachgewiesen durch die vorgelegte Urkunde, in seiner Heimat den Beruf eines Metalldrehers erlernt, den er nach seinen Angaben auch in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hat. Ganz unabhängig davon, ob der Kläger in Deutschland tatsächlich eine Facharbeitertätigkeit ausgeübt hat und auch als solcher entlohnt worden ist, kann aber nicht gesagt werden, dass bei ihm Berufsunfähigkeit seit dem Jahre 1992 vorliegt. Zunächst spricht dagegen das Ergebnis der Begutachtung durch die Beklagte im Jahre 2005, bei der Dr.A. eine depressive Störung mit Vergesslichkeit und Nervosität sowie wirbelsäulenbezogene Beschwerden bei beginnenden Abnutzungserscheinungen im Lendenwirbelsäulenbereich festgestellt hat und der Auffassung war, der Kläger könne sowohl in seinem zuletzt ausgeübten Be- ruf als Metalldreher als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken und ohne häufige Überkopfarbeiten verrichten. Daraus kann nicht entnommen werden, dass bis November 1994 bei ihm Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Die von ihm sowohl dem Sozialgericht als auch auf Anforderung des Senats vorgelegten Unterlagen (im Berufungsverfahren betreffend die Jahre ab Aufgabe seiner Tätigkeit) sind nicht verwertbar, da sie handschriftlich verfasst, nicht lesbar und damit nicht übersetzbar waren. Hierauf ist der Kläger hingewiesen worden, ohne dass er hierzu eine Äußerung abgegeben hat.

Eine Untersuchung durch einen vom Senat zu bestellenden gerichtlichen Sachverständigen war entbehrlich, zumal ein mehr als zehn Jahre zurückliegender Zustand hätte beurteilt werden müssen, was im Hinblick auf die nicht verwertbaren Unterlagen nicht möglich war.

Der Kläger ist auch darauf hingewiesen worden, dass nach Kenntnis des Senats eine Belegung der Beitragslücken mit jugoslawischen bzw. serbischen Beiträgen nicht mehr möglich ist, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger überhaupt über die finanziellen Möglichkeiten verfügt hätte. Bezüglich des deutschen Rechts hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Rentenantrag bis 31.03.1993 hätte gestellt werden müssen, um die Lücken ab dem Jahre 1992 zu füllen, was aber nicht wahrscheinlich ist und auch nicht behauptet wird. Erst durch Stellung eines Rentenantrags wäre eine Unterbrechung der Zahlungsfristen eingetreten, was aber im Jahre 1996, als wohl der erste Rentenantrag gestellt wurde, zu spät war. Es greift auch § 197 Abs.3 SGB VI nicht zugunsten des Klägers ein (vgl. BSG-Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/88 R in SozR 3-2750 Art.2 § 6 Nr.18). Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente auf Antrag des Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs.1 und 2 SGB VI genannten Frist zuzulassen, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war. Selbst wenn man eine etwaige Unkenntnis der seinerzeitigen Vorschriften der §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI (in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung), die auf unzureichende Informationsmöglichkeiten am ausländischen Wohnsitz eines Versicherten zurückzuführen wäre, als unverschuldetes Hindernis der Beitragszahlung anerkennen würde, so könnte sich der Kläger jedoch nicht mehr auf mangelndes Verschulden berufen. Er hat nämlich jedenfalls hinsichtlich der Beiträge ab 1992 die in § 27 Abs.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelte Jahresfrist, die auch im Rahmen des § 197 Abs.3 SGB VI entsprechend gilt, versäumt. Eine Nachzahlung wäre demnach allenfalls noch zuzulassen, wenn diese - anders als im vorliegenden Fall - zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen wäre. Nicht als höhere Gewalt anzusehen ist beispielsweise das finanzielle Unvermögen des Klägers zur Zahlung von Beiträgen.

Auch ein Fehlverhalten der Beklagten in Gestalt eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), das Grundlage für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre, liegt nicht vor. Der Kläger hat sich frühestens im Jahre 1996 erstmals über seinen heimischen Versicherungsträger an die Beklagte mit einem Rentenantrag gewandt, zu einem Zeitpunkt also, als eine rückwirkende Belegung der Beitragslücken ab November 1992 nicht mehr möglich gewesen wäre.

Da schon die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen wann auch immer ab dem Jahre 1996 eingetretenen Leistungsfall nicht vorliegen und auch nicht hergestellt werden können, steht dem Kläger ein Rentenanspruch nicht zu. Die Berufung gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut war deshalb als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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