L 6 R 223/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 4343/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 223/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a R 434/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 3. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Der Feststellungsantrag vom 4. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zulassung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge und die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten während einer Zeit der Arbeitslosigkeit.

Der Kläger ist 1933 geboren und wurde auf seinen Antrag mit Bescheid der Beklagten vom 03.09.1968 vom 01.01.1968 an von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Er wurde darauf hingewiesen, dass die Befreiung endgültig und eine spätere Rückkehr in die Pflichtversicherung durch Verzicht auf die Befreiung ausgeschlossen sei.

Der Kläger war bei der Firma E. Fruchtkontor bis 30.06.1975 beschäftigt, das Anstellungsverhältnis wurde vom Arbeitgeber zu diesem Termin gekündigt und der Kläger mit Wirkung vom 15.01.1975 von der Dienstleistung bei Fortzahlung der Bezüge bis 30.06.1975 freigestellt. Die später vom Kläger vorgebrachte und vom früheren Arbeitgeber zunächst bestätigte Behauptung, der Arbeitgeber habe für den Kläger in den Jahren 1973 bis 1975 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt, hat sich nach einer Nachfrage bei der Einzugsstelle und der Vorlage der Gehaltsabrechungen durch den Arbeitgeber und dessen weitere Auskünfte als nicht zutreffend erwiesen. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von 1968 bis 1975 abgeführt.

Der Kläger war vom 01.07.1975 bis 26.02.1979 arbeitslos gemeldet, vom 01.07.1978 bis 26.02.1979 wurden von der Beklagten Pflichtbeiträge aus den Leistungen nach dem AFG vorgemerkt.

In dem Bescheid der Beklagten vom 24.02.1998 über die Gewährung von Regelaltersrente ab dem 01.06.1998 wurden die Zeiten vom 01.07.1975 bis 30.06.1978 nicht angerechnet.

Der Antrag des Klägers, die Zeit vom 01.01.1974 bis 30.06.1975 als Pflichtbeitragszeiten vormerken zu lassen, endete im Jahre 2000 mit einer Klagerücknahme.

Der Antrag, die Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 01.07.1975 bis 30.06.1978 rentensteigernd anrechnen zu lassen, war durch drei Instanzen erfolglos (Gerichtsbescheid des SG München vom 07.03.2001, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21.12.2001, Beschluss des BSG vom 26.09.2003).

Am 15.10.2003 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob er die offensichtlich fehlende Beitragszahlung für die Zeit vom 01.07.1974 bis 30.06.1975 durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach § 167 SGB VI "erreichen" könne.

Mit Bescheid vom 03.11.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 197 Abs.2 SGB VI sei die Nachentrichtungsfrist abgelaufen, und zwar schon bei Beginn des Rentenverfahrens, so dass insoweit auch keine Unterbrechung der Frist eingetreten sei. Eine besondere Härte nach § 197 Abs.3 SGB VI liege nicht vor, da der Rentenanspruch nicht von der Zahlung der Beiträge abhänge.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2003 Widerspruch ein. Er trug bezüglich der Zeit "vom 01.04.1975 bis 31.06.1975" vor, freiwilligen Beiträgen sei bisher die Annahme hinderlich gewesen, die privaten Beiträge seien den gesetzlichen gleichzuachten. Dieses Hindernis sei am 02.10.2003 durch Gerichtsentscheid beseitigt worden (später nannte der Kläger als Entscheidungsdatum das des Beschlusses des Bundessozialgerichts vom 26.09.2003, der bei ihm am 02.10.2003 eingegangen sei). Die besondere Härte bestehe darin, dass dem Leistungsbezug nach dem AFG kein Rentenanspruch folge. Gleiches gelte für die Zeit vom 01.01.1977 bis 31.09.1977.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Zeit vom 01.07.1974 bis 30.06.1975 mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2004 aus den bereits im Bescheid ausgeführten Gründen als unbegründet zurück. Der Kläger erhielt den Bescheid nach seinen Angaben am 30.01.2004.

Der Kläger wandte sich am 06.02.2004 an die Beklagte mit einer sofortigen Beschwerde, weil sein Widerspruch nicht erwidert worden sei, und bat für die Erstellung einer hinreichend genauen Klage um Erläuterung der Gründe für die Nichtanwendung des § 197 Abs.3 SGB VI. Die Beklagte reichte das Schreiben an das Sozialgericht München weiter und beantragte, die Klage abzuweisen.

Am 01.03.2004 begehrte der Kläger vom Sozialgericht die Aufforderung an die Beklagte um Darlegung, warum er keine freiwilligen Beiträge für die im Widerspruch genannten Zeiten zahlen dürfe und ihm dann die Klageergänzung zu gestatten. Am 15.03.2004 legte der Kläger dann gegenüber dem Sozialgericht seine Gründe der Klage dar und begehrte die Zulassung zur freiwilligen Nachzahlung gemäß seinem Schreiben vom 01.12.2003. Er machte geltend, er wolle mit der Nachzahlung "eine versicherte Beschäftigung für die Rentenanwartschaft von Arbeitslosenzeiten" erreichen. Am 26.03.2004 erbat er wieder von der Beklagten die Darlegung der Gründe, warum eine Nachzahlung für die im Schreiben vom 01.12.2003 genannten Zeiten nicht möglich sein solle.

Mit Schreiben vom 16.03.2004, mit dem die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterhin aufrechterhielt, verwies sie auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und führte aus, die getroffene Entscheidung sei genauso zutreffend für den Zeitraum Januar 1977 bis September 1977.

Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 30.11.2004 den Beteiligten dargelegt, dass die Klage bezüglich der Zeit vom 01.01.1977 bis 30.09.1977 nicht zulässig sei, weil die Beklagte hierüber nicht entschieden habe. Das Gericht beabsichtige eine Entscheidung mit Gerichtsbescheid.

Die Beklagte führte dazu aus, es treffe zu, dass Gegenstand des Verfahrens nur die Zeit vom 01.07.1974 bis 30.06.1975 sei.

Der Kläger begehrte demgegenüber eine mündliche Verhandlung, wobei die Zeit vom 01.01.1977 bis 30.09.1977 eingeschlossen sein müsse, weil die Beklagte im Schreiben vom 16.03.2004 ausgeführt habe, dass die Entscheidung vom 28.01.2004 genauso zutreffend für den Zeitraum Januar 1977 bis September 1977 sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.02.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei bezüglich der Zeiten in 1977 unzulässig. Hierüber habe die Beklagte noch nicht entschieden. Im Übrigen hat sich das Gericht die Ablehnungsgründe der Beklagten zu eigen gemacht.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und die Zurückverweisung an das Sozialgericht beantragt. Ihm drohe der "Verlust der Rentenanwartschaft aus der Arbeitslosenversicherung". Er sei "schuldlos an rechtzeitiger Beitragsleistung" an die Beklagte, da er mit Billigung des Gesetzgebers pflichtversichert beschäftigt gewesen sei und ihm dies "erst am 26.09.2003 aberkannt worden" sei. Weitere Ausführungen des Klägers werden hier nicht wiedergegeben, sie sind dem Senat nicht verständlich.

Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt, ein schriftliches Vorverfahren mit einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO anzusetzen und die Ladung wegen Vorgreiflichkeit der Feststellungsklage bis zur Klärung des Rechtsverhältnisses mit der Beklagten auszusetzen. Dem Kläger sei über jeweils schriftliche Bescheide Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es sei festzustellen, dass der Kläger durch seine Arbeitslosigkeit wieder Pflichtmitglied bei der Beklagten geworden sei, so dass die Rentenabgaben der Arbeitslosenversicherung an die Beklagte direkt auf den Kläger anzurechnen seien.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen.

Die Beklagte hat im Hinblick auf das letzte Schreiben des Klägers erklärt, sie stimme einer darin zu sehenden Klageerweiterung nicht zu. Im Übrigen hat sie beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten aus sämtlichen vorher durchgeführten Gerichtsverfahren vor den Sozialgerichten und dem Bayerischen Landessozialgericht. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.02.2005 ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die wirksame Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 01.07.1974 bis 30.06.1975. Die Klage auf Zulassung zur wirksamen Zahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.01.1977 bis 30.09.1977 hat das Sozialgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger hat zunächst innerhalb der nach § 87 Abs.2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2004 beginnenden Klagefrist keine Klage erhoben, sondern nur eine sofortige Beschwerde bei der Beklagten eingelegt. Sie ist zu Unrecht als Klage behandelt worden, denn aus ihr ergibt sich ausdrücklich, dass der Kläger eine solche erst später erheben wollte, nachdem ihm die Beklagte weitere Gründe für ihre Entscheidung hätte darlegen sollen. Als der Kläger zum ersten Mal ein Klagebegehren gegenüber dem Sozialgericht vorbrachte, war die Klagefrist des § 87 Abs.1 SGG abgelaufen. Der Kläger erhält hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht den Kläger auf den drohenden Ablauf der Klagefrist hätten hinweisen müssen. Die Wiedereinsetzung nach § 67 SGG kann im Berufungsverfahren, nachdem das Sozialgericht hierzu nichts geäußert hat, durch den Senat nachgeholt und inzident in den Entscheidungsgründen getroffen werden (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 67 RdNrn.12, 15 und 17a).

Nach § 197 Abs.2 SGB VI sind freiwillige Beiträge wirksam, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden. Innerhalb dieses vom Gesetz festgelegten Zeitraumes hat der Kläger freiwillige Beiträge für die Jahre 1974 und 1975 nicht gezahlt. Die Frist des § 197 Abs.2 SGB VI ist auch nicht nach § 198 Satz 1 durch ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch unterbrochen worden.

Beim Kläger liegt auch kein Fall vor, der zur Zahlung freiwilliger Beiträge nach Ablauf der Frist berechtigen würde. Nach § 197 Abs.3 SGB VI ist auf Antrag des Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in Abs.2 genannten Frist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente zuzulassen, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war. Ein solcher Hinderungsgrund lag beim Kläger nicht vor. Weder durch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung noch durch den Abschluss der befreienden Lebensversicherung war der Kläger in den betreffenden Jahren an der Zahlung von freiwilligen Beiträgen gehindert. Nach § 10 AVG in der in den Jahren 1974 und 1975 geltenden Fassung konnte, wer weder nach der RVO noch nach dem AVG noch nach dem Reichsknappschaftsgesetz oder dem Handwerkerversicherungsgesetz versicherungspflichtig war und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte, für Zeiten nach Vollendung des 16. Lebensjahres freiwillige Beiträge entrichten. Diese Möglichkeit der Selbstversicherung war durch Art.1 § 1 Nr.4b RRG vom 16.10.1972, BGB. I 1965 mit Wirkung vom 19.10.1972 eingeführt worden. Das vom Kläger nunmehr vorgebrachte Hindernis findet weder im Gesetz noch in irgendeiner jemals geäußerten Rechtsmeinung eine Stütze. Der Kläger kann insoweit auch keine durch eine hierfür berufene Stelle verursachte Fehlinformation geltend machen.

Die Klage bezüglich der Berechtigung zur Zahlung freiwilliger Beiträge für das Jahr 1977 wurde vom Sozialgericht zu Recht als unzulässig angesehen, weil die Beklagte hierüber nicht entschieden hatte. Es fehlt damit an einer nach § 87 SGG anfechtbaren Entscheidung. Die Klageänderung war nach § 99 SGG unzulässig. Sie stützte sich entgegen § 99 Abs.3 SGG auf einen neuen Klagegrund, nämlich einen anderen Zeitraum, für den freiwillige Beiträge gezahlt werden sollten. Das Gericht hat die Klageänderung nicht als sachdienlich zugelassen und die Beklagte hat sich nicht ohne der Änderung zu widersprechen auf die Klage eingelassen (§ 99 Abs.1 und 2 SGG). Die Beklagte hat zwar ausgeführt, ihre Entscheidung sei für den betreffenden Zeitraum genauso zutreffend, sie hat damit aber nicht zur Klage Stellung genommen, sondern ist dem wiederholt vom Kläger sowohl ihr als auch dem SG gegenüber ausgesprochenen Begehren um Angabe der Gründe, warum für diesen Zeitraum eine freiwillige Beitragszahlung nicht möglich sei, nachgekommen. Den Antrag auf Abweisung der Klage hatte sie schon vor dem geänderten Klagebegehren gestellt und nun nur noch wiederholt.

Der im Berufungsverfahren gestellte Feststellungsantrag vom 04.07.2007, über den der Senat als Gericht erster Instanz entscheidet, war unzulässig. Ein Feststellungsinteresse kann für den Kläger bezüglich dieses abgelaufenen Zeitraumes nur noch im Rahmen der Rentenberechung bestehen. Da der Kläger diesen Anspruch durch eine Leistungsklage bezüglich der Rentenberechnung verfolgen kann und bereits verfolgt hat, kann er insoweit nicht mehr zulässigerweise eine Feststellung begehren (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 55 RdNr.19). Eine zulässige Klageänderung, die grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren vorgenommen werden könnte, liegt nach § 99 SGG nicht vor. Das Versicherungsverhältnis des Klägers während der Zeit der Arbeitslosigkeit ist ein anderer Sachverhalt als seine Berechtigung zur Zahlung freiwilliger Beiträge. Der Senat hält die Änderung nicht für sachdienlich und die Beklagte hat ihr ausdrücklich widersprochen.

Den weiteren Verfahrensanträgen für den Lauf des Berufungsverfahrens und dem Antrag auf Zurückverweisung an das Sozialgericht war nicht nachzukommen. Der Antrag auf Zurückverweisung ist eine Anregung zur verfahrensrechtlichen Behandlung durch das Berufungsgericht, der dieses nicht nachkommen muss und die einer Sachentscheidung nicht entgegensteht. Die Sache war entscheidungsreif, da alle zur Beurteilung notwendigen Sachverhalte fest stehen und es der Klärung vorgreiflicher Rechtsfragen in eigenen Verfahren nicht mehr bedurfte.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren in vollem Umfang nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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