L 12 B 504/07 KA ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KA 402/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 B 504/07 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 05.04.2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz über die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin zur Auszahlung laufender monatlicher Abschläge und einer zurückbehaltenen Restzahlung an den Antragsteller. Die Antragsgegnerin hält diese zurück, weil sie - nach einer Plausibilitätsprüfung - die Befugnis zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Rückforderung bzw. Verrechnung in Höhe von EUR 1.541.156,86 in Anspruch nimmt.

Der Antragsteller ist Facharzt für Radiologie und führt eine radiologische Praxis innerhalb einer radiologisch-nuklearmedizinischen Praxisgemeinschaft in N ... Seit Ende 2003 läuft gegen ihn ein Strafverfahren, welches darauf beruht, dass er eine Patientin in seiner Praxis tätlich beleidigt und sexuell genötigt haben soll. Er habe diese anlässlich der Vorbereitung der Erstellung zweier kernspintomografischer Aufnahmen des Unterleibs dort in unsittlicher Weise manipuliert.

Der Antragsteller bestreitet die Vorwürfe mit Nachdruck. Außer der beteiligten Patientin gibt es keine weiteren Zeugen.

Der Antragsteller ist durch Berufungsurteil des Landgerichts M. vom 25. Oktober 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Gegen dieses Urteil ist Revision zum Oberlandesgericht M. eingelegt, die sich maßgeblich gegen die tatsächlichen Feststellungen in der vorangegangenen Entscheidung, namentlich gegen die Wertung der Aussagen der einzigen Zeugin, der angeblich Geschädigten, wendet.

Im Zuge des Strafverfahrens ist gegen den Antragsteller mit Beschluss des Landgerichts M. vom 27.02.1004 ein vorläufiges Berufsverbot gem. § 132a StPO verhängt worden. Dies habe - so der Antragsteller - zunächst uneingeschränkt bestanden, sei dann aber in ein eingeschränktes Berufsverbot abgewandelt worden. Mit Beschluss vom 06.04.2005 untersagte das Amtsgericht M. dem Antragsteller in diesem Sinne, "bei der Behandlung von Patienten und der eventuellen Einstellung von Mitarbeitern in die Arztpraxis mit Personen weiblichen Geschlechtes unmittelbaren Kontakt aufzunehmen, vor allem, eine körperliche Untersuchung weiblicher Personen vorzunehmen."

Nachdem seitens eines Bediensteten der Antragsgegnerin vor dem Oberlandesgericht M. berichtet worden war, der Antragsteller habe trotz des Berufsverbots Untersuchungen von Patientinnen abgerechnet, leitete diese - die KVB - eine Plausibilitätsprüfung gegen den Antragsteller ein. Denn der Antragsteller habe Leistungen abgerechnet, die er wegen des vorläufigen Berufsverbots gar nicht habe erbringen dürfen. Im Gefolge des mit dem Verfahren zur Prüfung der Plausibilität verbundenen Vorwurfs der Falschabrechnung eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft sodann nach Angaben des Antragstellers ein weiteres Ermittlungsverfahren.

Die Plausibilitätsprüfung wurde auf Bitten des Antragstellers im Februar 2007 ausgesetzt. Trotz der verschiedenen nicht abgeschlossenen Verfahren setzte der Zulassungsausschuss Schwaben für den 13.06.2007 einen Termin für die Verhandlung über eine Zulassungsentziehung an. Zuvor hatte der Zulassungsausschuss die Antragsgegnerin darüber informiert. Daraufhin richtete die Antragsgegnerin an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Schreiben vom 30.03.2007, in welchem es u.a. heißt: " ... wir informieren Sie heute darüber, dass wir bei Ihrem Mandanten Herrn Dr. T. L. nach § 5 Abs. 10 der Abrechnungsbestimmungen der KVB (siehe Anlage) bis auf weiteres die Zahlungen aussetzen. Wir wurden seitens des Zulassungsausschusses darüber in Kenntnis gesetzt, dass dieser in seiner Sitzung vom 13.06.2007 über den Entzug der Zulassung bei Ihrem Mandanten verhandeln will. Darüber hinaus haben wir den begründeten Verdacht auf Falschabrechnung im anhängigen Plausibilitätsverfahren."

Der Antragsteller trägt vor, er sei auf die Auszahlung der Honorare seitens der Antragsgegnerin dringend angewiesen. Finanzielle Reserven bestünden nicht; der Ausfall der Honorare von inzwischen insgesamt EUR 180.000,00 könne nicht verkraftet werden.

Mit Schreiben vom 03.04.2007 bekräftigte die Antragsgegnerin ihre dem Antragsteller bereits mitgeteilte Haltung. In diesem Schreiben heißt es u.a.: " ...teile ich Ihnen mit, dass wir - unabhängig davon ob der Termin des Zulassungsausschusses am 13.06.2007 stattfinden wird oder nicht - die weiteren Zahlungen bei Ihrem Mandanten einbehalten werden. Nach wie vor haben wir ... den begründeten Verdacht auf Falschabrechnung. Diesen haben wir unabhängig davon, ob das Verfahren derzeit ausgesetzt ist oder nicht ...Wie bereits telefonisch besprochen, kann die KVB zur Aufrechterhaltung des Praxisbetriebes Zahlungen in Höhe des Pfändungsfreibetrages leisten. Die KVB benötigt hierzu geeignete Unterlagen (z.B. die letzte Einnahme-Überschuss-Rechnung) Ihres Mandanten ..."

Mit Schriftsatz vom 05.04.2007 an die Antragsgegnerin erhob der Antragsteller "gegen die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, bei Herrn Dr. T. L. nach § 5 Abs. 10 der Abrechnungsbestimmungen der KVB bis auf weiteres die Zahlungen auszusetzen, Widerspruch". Außerdem forderte er, einbehaltenes Honorar auszuzahlen und die Einbehaltung von Honoraransprüchen künftig zu unterlassen. Der Antragsteller trägt noch vor, die Aussetzung der Honorarzahlungen sei rechtswidrig. Ihr stehe bereits die Aussetzung des Plausibilitätsverfahrens entgegen. Man könne nicht zum einen ein Verfahren zum Ruhen bringen, andererseits aber gleichwohl die ansonsten fälligen Leistungen verweigern. Auch die einschlägigen Vorschriften in den Abrechnungsbestimmungen der Antragsgegnerin setzten gerade ein laufendes Plausibilitätsverfahren voraus, nicht ein ruhendes. Im übrigen gebe es auch keinen Bescheid, der die Höhe der zustehenden bzw. zurückzubehaltenden Zahlungen regle. Mit Schriftsatz vom 05.04.2007 an das Sozialgericht München forderte der Antragsteller daher außerdem im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, festzustellen, dass sein Widerspruch gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, gemäß § 5 Abs. 10 der Abrechnungsbestimmungen der Antragsgegnerin "bis auf Weiteres" die Honorarzahlungen auszusetzen, aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise: die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, und: die Antragsgegnerin zu verpflichten, während des Ruhens des Plausibilitätsverfahrens für die Abrechungsquartale 1/04 bis 2/06 keine Aussetzung der Honorarzahlungen vorzunehmen und die bereits einbehaltene Restzahlung für das Quartal 4/06 unverzüglich auszuzahlen.

Der Antragsteller trägt dazu erneut u.a. vor, die Aussetzung der Honorarzahlungen sei rechtswidrig.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2007 nahm die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin zu den Vorgängen Stellung. Die Zahlungen seien ausgesetzt worden, da ein begründeter Verdacht auf Falschabrechnung - Abrechnung von Leistungen trotz gänzlichen und später partiellen Berufsverbots - sowie die Terminierung des Zulassungsausschusses Ärzte Schwaben zur Verhandlung über die Entziehung der Zulassung im Raum stehe. Mit sofortiger Wirkung habe man die Restzahlung der Antragsgegnerin für das Quartal 4/2006 in Höhe von EUR 33.874,13 einbehalten sowie veranlasst, dass bis auf weiteres künftige Zahlungen an den Antragsteller ausgesetzt würden. Allerdings sei am 16.04.2007 nach eingehender Prüfung der bislang vorgelegten betriebswirtschaftlichen Unterlagen die monatliche Abschlagszahlung von EUR 47.600,00 zur Aufrechterhaltung des Praxisbetriebes ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ausbezahlt worden. Dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers sei somit mit der Festlegung der vorübergehend zu leistenden Abschlagszahlung bereits Rechnung getragen. Eine vom Antragsteller selbst verfasste Einnahme- und Ausgabenaufstellung sowie eine Liquiditätsprognose für das Jahr 2007 eigneten sich abschließend nicht als Nachweis dafür, dass die Weiterführung der Praxis und somit die Existenzsicherung akut gefährdet seien. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass dem Antrag auf Aussetzung des Plausibilitätsverfahrens entsprochen worden sei. Nachdem sich aber der Antragsteller zum Sachverhalt in einer Stellungnahme vom 23.11.2006 sowie noch einmal am 04.04.2007 zum Sachverhalt der Plausibilitätsprüfung geäußert habe, werde das Plausibilitätsverfahren weiter betrieben. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage scheine ein weiterer Sachvortrag des Antragstellers nicht erforderlich. Denn - der Antragsteller habe trotz gänzlichem bzw. partiellem Berufsverbot Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin abgerechnet, die in der Konsequenz auch vergütet worden seien. - Die Delegation von Leistungen an nichtärztliches Personal scheide aus, wenn die Leistungen zur korrekten Abrechnung einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt beinhalten bzw. eine besondere Genehmigung für die Erbringung dieser Leistung durch die KVB erforderlich ist. Der durch das Berufsverbot geforderte Verzicht auf den unmittelbaren Kontakt zu weiblichen Patienten könne nicht glaubhaft gemacht werden. - Darüber hinaus seien vom Antragsteller weder Genehmigungen für die Anstellung von Ärzten oder Assistenten (z.B. zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung) beantragt, noch diese in der Folge von der Antragsgegnerin erteilt worden. - Die abschließenden Voraussetzungen für eine zulässige Vertretung nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV (Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Wehrübung) lägen bei einem Berufsverbot ohnehin nicht vor. Damit hätten in den gegenständlichen Quartalen keine Leistungen rechtswirksam gegenüber der Antragsgegnerin abgerechnet werden können. Die Falschabrechnungen seien offensichtlich.

Mit Schriftsatz ebenfalls vom 24.04.2007 führte der Antragsteller noch aus, dass er am 13.04.2007 den Honorarbescheid für 4/07 erhalten habe. Die darin angekündigte Restzahlung in Höhe von EUR 33.874,13 sei jedoch einbehalten worden. Der Antragsteller sei zur Bedienung seiner laufenden Verbindlichkeiten und zur Abwendung einer persönlichen Insolvenz sowie einer Insolvenz seiner Praxis auch auf die Auszahlung der einbehaltenen EUR 33.874,13 dringend angewiesen. Sowohl diese - nun ausgefallene - Restzahlung als auch die normalen Abschlagszahlungen in Höhe von EUR 47.600,00 seien zur Begleichung von Verbindlichkeiten fest eingeplant gewesen. Die Abschlagszahlung von EUR 47.600,00 habe jedoch lediglich dazu gereicht, die Gehälter der Praxisangestellten zu zahlen und den Kontokorrentkredit auf EUR -116.000,00 zurückzuführen. Aufgrund der einbehaltenen rund EUR 33.800,00 hätten nun aber fällige Rechnungen insbesondere der Fa. S. für Wartung und Reparatur der Tomografen und der Röntgenanlage sowie der Fa. G. für Kontrastmitteleinkäufe weiterhin nicht beglichen werden können. Somit seien insgesamt Rechnungen aus dem Praxisbetrieb über ca. EUR 48.000,00 überfällig. Finanzielle Reserven seien nicht vorhanden.

Zur Klarstellung der Reichweite des vorläufigen Berufsverbots wandte sich der Strafverteidiger des Antragstellers mit Schreiben vom 18.05.2007 an das Landgericht, teilt die Interpretation des Berufsverbots durch die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in den sozialrechtlichen Verfahren mit und wies darauf hin, dass die Antragsgegnerin hierzu die Auffassung vertrete, selbst das eingeschränkte Berufsverbot hindere den Antragsteller auch dann an einer "Behandlung" weiblicher Personen, wenn die ärztliche Leistung lediglich in einer Bildanalyse bestehe; außerdem dürfe nach dieser Ansicht und nach der Ansicht des Sozialgerichts der Antragsteller körperliche Untersuchungen auch nicht auf Vertreter, Assistenten oder ggf. auf nichtärztliches Praxispersonal delegieren. Die Strafkammer werde daher gebeten, die Reichweite des Berufsverbots klar zu stellen. Daraufhin erklärte der Vorsitzende Richter der zuständigen Strafkammer mit Schreiben vom 27.06.2007: " ...auf Ihr Schreiben vom 18.05.2007 teile ich Ihnen in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft mit, dass die von Ihnen im Schreiben vom 18.05.07 geäußerte Rechtsauffassung über das vorläufige Berufsverbot des Angeklagten Dr. L. zutreffend ist. Eine bloße Bildanalyse kann demnach ebenso wie das Delegieren von notwendigen körperlichen Untersuchungen an andere, vertretungsberechtigte Ärzte erfolgen."

Am 03.05.2007 fand vor dem Sozialgericht München ein Termin zur Erörterung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz statt. Dabei gab das Gericht dem Antragsteller auf, seine wirtschaftliche Situation detailliert und unter Vorlage von Urkunden darzustellen.

Mit Schriftsatz vom 15.05.2007 erweiterte der Antragsteller seine Anträge und forderte nunmehr noch, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihre Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/04 bis 2/06 bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen, sowie hilfsweise zu den bisher gestellten Anträgen die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die zulässigerweise abgerechneten Honorare in voller Höhe auszuzahlen.

In einem weiteren Termin am 23.05.2007 zur Erörterung des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht München hat der Antragsteller schließlich unter Verzicht auf weitergehende Anträge beantragt: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller monatliche Honorarleistungen in Höhe von EUR 47.000,00 ab 15.06.2007 unter Auskehrung einer Restzahlung des Quartals 4/06 und der Restzahlung von EUR 30.500,00 für April 2007 bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Mit daraufhin am gleichen Tage erlassenen Beschluss hat das Sozialgericht München diesem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, da das Begehren des Antragstellers weder rechtsmissbräuchlich noch aussichtslos sei, sei dem Antrag nach summarischer Prüfung durch das Gericht gemäß § 86b Abs. 2 SGG stattzugeben gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Erstgericht nicht abgeholfen hat. Sie rügt, dass der angefochtene Beschluss entgegen § 142 Abs. 2 SGG nicht begründet sei. Außerdem müsse die Entscheidung aufgehoben werden, weil der Antragsteller trotz eines vollständigen Berufsverbots gegenüber der Antragsgegnerin Leistungen abgerechnet habe, die in Unkenntnis des Berufsverbots von dieser auch vergütet worden seien. Der sich daraus ergebende zu Unrecht ausgezahlte Betrag belaufe sich auf EUR 813.727,84. Während des partiellen Berufsverbots habe der Antragsteller bis zum Quartal 4/06 weitere EUR 727.429,01 zu Unrecht abgerechnet und bezogen. Der daraus resultierende Neufestsetzungs- und Rückforderungsbescheid über EUR 1.541.156,86 sei dem Antragsteller am 14.05.07 zugestellt worden. Dieser Bescheid sei wegen § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V sofort vollziehbar, eine Klage dagegen habe keine aufschiebende Wirkung. Die vom Erstgericht angeordneten Abschlagszahlungen seien in dieser Höhe nicht erforderlich, ihre Notwendigkeit sei nicht glaubhaft gemacht worden. Das Erstgericht habe die Offensichtlichkeit der Falschabrechnungen nicht ausreichend in seine Abwägung einbezogen. Selbst wenn das Sozialgericht es für vorstellbar gehalten habe, dass der Antragsteller in der Zeit des partiellen Berufsverbots mehr Leistungen hätte abrechnen können als ihm mit dem Neufestsetzungsbescheid zugestanden worden sei, bleibe allein für die Zeit des vollständigen Berufsverbots eine Rückforderungssumme in so beträchtlicher Höhe, dass entsprechende Sicherungsmaßnahmen in Gestalt von Honorareinbehalten durch die Antragsgegnerin dringend geboten seien. Denn sie sei verpflichtet, zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit der Vertragsärzte zu Unrecht ausbezahltes Honorar in die betreffenden Fachgruppen-Honorartöpfe zurückzuführen. Der Antragsteller habe gegen die verhängten Berufsverbote bewusst verstoßen. Im Termin vor dem Sozialgericht am 23.05.2007 habe er angegeben, er habe das komplette Berufsverbot für rechtswidrig gehalten, da die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn nicht begründet seien. Außerdem habe er vorgebracht, als Radiologe habe er auch weitestgehend keinen direkten Kontakt zu den Patientinnen, da er die von anderen gemachten Aufnahmen nur befunden würde. Sodann berechnet die Antragsgegnerin die von ihr geltend gemachten Rückzahlungsbeträge genau; insoweit wird auf den Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.

Demgegenüber verteidigt der Antragsteller die Entscheidung des Sozialgerichts.

Zur Ergänzung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die Akten des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz erster und zweiter Instanz und die von den Beteiligten vorgelegten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung "zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint." Die vom Erstgericht getroffene Regelung erscheint hier nötig. Die Zahlung der vom Erstgericht festgesetzten Beträge ist zu Recht angeordnet worden. Über eine Vergütung etwaiger über die Abschlagszahlungen hinausgehender, abgerechneten Leistungen ist, da nicht mehr beantragt, hier nicht zu entscheiden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Rüge der Beschwerdeführerin, das Erstgericht habe seinen Beschluss nicht begründet, nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen kann. Zum einen entscheidet das Landessozialgericht unabhängig von etwaigen formellen Mängeln der abgefochtenen Entscheidung selbst in der Sache. Zum anderen erscheint die Form der Begründung, die das Sozialgericht gewählt hat, nicht ohne weiteres als Gesetzesverstoß. Denn es darf nicht übersehen werden, dass über den vorläufigen Rechtsschutz hier in zwei Terminen ausweislich der Niederschriften insgesamt über dreieinviertel Stunden verhandelt worden ist. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass das Erstgericht dabei seine Einschätzung deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Angesichts dieser Tatsachen und angesichts der hier notwendigen Eile hält der Senat infolgedessen die Kürze der Entscheidung des Erstgerichts nicht für unangemessen.

Der vom Antragsteller geltend gemachte Honoraranspruch erscheint bei der hier gebotenen summarischen Bewertung derzeit in wesentlichen Teilen nicht aussichtslos. Vor diesem Hintergrund hat eine Abwägung der beiderseitigen Interessen für den jeweiligen Fall des künftigen Obsiegens oder Unterliegens des Antragstellers in der Sache zu erfolgen.

Obsiegt der Antragsteller am Ende im Strafverfahren und dann auch im Streit um die Zulassung als Vertragsarzt, würde aber seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz jetzt nicht stattgegeben, so wäre er wirtschaftlich ruiniert, obwohl sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe dann nicht haben erhärten lassen. Ein solches Ergebnis ist nach rechtsstaatlichen Maßstäben nicht hinnehmbar. Erweist sich jedoch seine Verurteilung als rechtmäßig und unterliegt er somit schließlich, so ist der Nachteil für die von der Antragsgegnerin zu wahrenden Interessen auch dann gering, wenn sie die in der umstrittenen Entscheidung angeordneten Zahlungen tatsächlich erbringen muss. Denn auch dann ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin am Ende eher geringe - möglicherweise nicht mehr durchsetzbare - Gegenansprüche hat, was vor dem Hintergrund der Entscheidungsalternative hingenommen werden muss.

Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller sich ohne die angeordneten Zahlungen in Kürze in einer finanziellen Notlage befinden wird. Dies folgt schon daraus, dass selbst nach der von ihm angegebenen Teilrückführung seines Kontokorrentkredits noch ein Negativsaldo von EUR 116.000,00 besteht. Bei den derzeit dafür zu zahlenden Zinsen und bei dem aktuellen Gebaren der Banken im Falle von weiteren Kreditwünschen liegt bereits damit auch ohne Nachprüfung im einzelnen die Gefahr einer Insolvenz auf der Hand.

Was die von der Antragsgegnerin zu wahrenden Interessen betrifft, ist es kein tragfähiges Argument, dass im Falle der Vergütung von Leistungen, die wegen des vorläufigen Berufsverbots nicht hätten erbracht werden dürfen, dies den Honorartopf der betroffenen Arztgruppe schmälern würde. Denn in Wirklichkeit wird dieser Effekt dadurch neutralisiert, dass dann, wenn der Antragsteller diese Leistungen nicht erbracht, sondern die Patienten abgewiesen hätte, diese dieselben Untersuchungen bei einem anderen Arzt hätten vornehmen lassen müssen, was zu den gleichen Honoraransprüchen und damit ebenfalls zu einer Belastung des Honorartopfs geführt hätte. Es kommt hinzu, dass es keineswegs als überzeugend erscheint, dass der Antragsteller - jedenfalls in der Zeitspanne des beschränkten Berufsverbots - keinerlei Leistungen zugunsten weiblicher Patienten erbringen konnte, ohne das Berufsverbot zu verletzen. Es trifft auch nicht zu, dass dies nur dann angenommen werden könnte, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er sich an das Berufsverbot gehalten habe. Es wäre stattdessen vielmehr Sache der Antragsgegnerin, schlüssig darzulegen, dass die hier abgerechneten Leistungen nicht nur unplausibel sind, sondern dass tatsächlich auch die Voraussetzungen für eine sachliche Richtigstellung des Honorars gegeben sind. Auch aus der Tatsache, dass der Antragsteller aus der Zeit des uneingeschränkten Berufsverbots Leistungen abgerechnet hat, lässt sich der von der Antragsgegnerin versuchte, vom Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss unterbundene Zugriff nicht rechtfertigen. Denn nachdem das Erstgericht die Antragsgegnerin nur verpflichtet hat, die bisherigen Abschlagszahlungen weiter zu leisten, aber nicht, jede Abrechnung voll zu vergüten, ergibt sich laufend eine wachsende Differenz zugunsten der Antragsgegnerin, die am Ende notfalls auch die aus der Zeit des uneingeschränkten Berufsverbots geltend gemachten Honorare zumindest zum Teil abdecken kann. Aus diesem Grunde braucht hier auch nicht abschließend entscheiden zu werden, ob das uneingeschränkte Berufsverbot rechtswidrig war, und welche Folgen daraus ggf. abzuleiten wären. Zunächst lässt sich aber sagen, dass die Rechtslage insoweit keineswegs eindeutig ist, und dass diese Form des vorläufigen Berufsverbots hier in der Tat als unverhältnismäßig erscheint, zumal die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in diesen Fällen eine strikte Vorgabe ist (vgl. Bundesgerichtshof in Strafsachen - BGHSt - in MDR 54, 529; 58, 783). Ein vorläufiges Berufsverbot ist keine Strafmaßnahme, sondern eine Maßnahme zum Schutze potentieller Opfer. In diesem Zusammenhang wird auch zu bedenken sein, ob nicht die Klarstellung des zuständigen Strafkammervorsitzenden vom 27.06.2007 auch zur Interpretation des uneingeschränkten Berufsverbots gedacht war.

Im Rahmen der hier anzustellenden Abwägungen ist weiter zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin erklärt hat, sie setze das Verfahren zur Plausibilitätsprüfung aus. Denn diese Aussetzung macht nur dann Sinn, wenn die möglichen Konsequenzen eines unplausiblen Abrechnungsverhaltens des Antragstellers für die Dauer der Aussetzung zunächst nicht mehr verfolgt werden sollen. Es geht nicht an, den Antragsteller so zu behandeln, als liefe gegen ihn ein förmliches Verfahren zur Plausibilitätsprüfung, ihn zugleich aber daran zu hindern, sich in diesem Verfahren zu äußern, weil infolge seiner Aussetzung keine Erörterung stattfindet. Es würde auch nicht genügen, die Aussetzungserklärung zu widerrufen und das Verfahren zur Plausibilitätsprüfung förmlich fortzusetzen. Denn der Antragsteller hat ein schützenswertes Interesse daran, sich im Strafverfahren - sowohl in dem, das inzwischen in der Revisionsinstanz angelangt ist, als auch in dem, das nunmehr offenbar zusätzlich wegen der behaupteten Unplausibilität von ärztlichen Leistungen eingeleitet worden ist - umfänglich verteidigen zu können und ggf. auch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, ohne zugleich im Verfahren zur Plausibilitätsprüfung Tatsachen angeben zu müssen, deren Offenlegung seine Verteidigung im Strafverfahren behindern könnte. Demgegenüber spielt es keine Rolle, dass solche Tatsachen hier auf den ersten Blick möglicherweise nicht ersichtlich sind. Denn auch die Erörterung der Frage, ob es solche Tatsachen überhaupt gibt oder nicht und ggf. welche, kann dieselbe die Verteidigung im Strafverfahren hindernde Wirkung haben.

Ähnliches gilt schließlich für das Argument, das erste Strafverfahren sei nun ja bereits im Stadium eines Revisionsverfahrens angelangt, und darin gehe es nur noch um Rechtsverletzungen und nicht um Tatsachen; deshalb bestehe kein Grund mehr, auf die Situation des Antragstellers Rücksicht zu nehmen. Diese Wertung verkennt den Sinn eines Revisionsverfahrens. So ist es beispielsweise denkbar, dass das Revisionsgericht feststellt, dass in der Vorinstanz Tatsachen, insbesondere solche im Rahmen einer Zeugenaussage, unter Verletzung rechtlicher Bestimmungen ermittelt oder unrichtig bewertet worden und daher so nicht verwertbar sind, und dass deshalb das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zu erneuter Tatsachenprüfung zurückverwiesen werden muss. Ein Revisionsverfahren ist daher nicht notwendigerweise das Ende eines Verfahrens, sondern auch ein Mittel, das Vorgehen der Vorinstanzen auf etwaige Fehler zu überprüfen und diese zu korrigieren - ggf. auch durch Zurückverweisung mit der Folge der Eröffnung einer erneuten Tatsacheninstanz.

Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Sache. Dieser Beschluss kann nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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