L 16 R 599/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 45/07 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 599/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 81/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 2. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung des am.1940 geborenen und am 1997 verstorbenen geschiedenen Ehegatten D. B. streitig.

Die am 1934 geborene Klägerin war seit dem 13.08.1961 mit dem Versicherten D. B., beide jugoslawische bzw. serbische Staatsangehörige, verheiratet. Durch das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichts Valjevo vom 30.12.1986 wurde die Ehe geschieden und der Versicherte zur monatlichen Unterhaltszahlung an die Klägerin - bestätigt durch den gerichtlichen Vergleich vom 23.03.1989 - verpflichtet. Der Versicherte war ab 23.05.1991 bis zu seinem Tod wieder verheiratet mit Ana B., die von der Beklagten seit 01.06.1997 Witwenrente bezieht (Bescheid vom 11.08.1997). Der Versicherte legte von April 1969 bis November 1992 insgesamt 256 Kalendermonate Beitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung zurück und bezog ab 01.12.1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in Serbien hat, hat sich nicht wieder verheiratet.

In den letzten Jahren vor seinem Tod am 30.05.1997 zahlte der Versicherte der Klägerin keinen Unterhalt mehr. Diese bezog ab November 1995 von ihrer Gemeinde Leistungen der sozialen Sicherung.

Der Antrag der Klägerin vom 02.12.1998 auf Gewährung von Witwenrente nach ihrem geschiedenen Ehegatten wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1999 abgelehnt, weil die Ehe mit dem Versicherten nicht vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei und daher kein Anspruch nach § 243 Abs. 1 und 2 SGB VI bestehe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erziehungsrente nach § 47 SGB VI, weil sie keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung abgeführt habe.

Mit Schreiben vom 10.07.2006 beantragte sie bei der Beklagten erneut die Gewährung von Witwenrente mit der Begründung, dass sie wegen der 25-jährigen Ehedauer sowie ihres Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten nach deutschem und internationalem Recht einen Anspruch auf Witwenrente habe. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17.07.2006 ab, weil die Ehe mit dem Urteil vom 30.12.1986 nicht vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei und daher kein Anspruch auf Witwenrente an geschiedene Ehegatten nach § 243 SGB VI bestehe. Die Klägerin könne auch nicht Witwenrente gemäß § 46 SGB VI beanspruchen, weil zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine rechtsgültige Ehe mehr bestanden habe.

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin mit der Ehedauer und der fehlenden Logik der Erforderlichkeit der Ehescheidung vor dem 01.07.1977. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass es bei einer Ehescheidung nach dem 01.07.1977 unerheblich sei, ob auf Grund der Scheidung ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten zugesprochen worden sei. Auch die Ehedauer sei nicht maßgeblich.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut verfolgte die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ihr Ziel der Gewährung einer Witwenrente weiter. Nach entsprechenden Anhörungsmitteilungen wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2007 ab, weil die Klägerin mangels Scheidung vor dem 01.07.1977 keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente an den geschiedenen Ehegatten nach § 243 Abs. 1 und 2 SGB VI habe. Ausnahmen von diesem Stichtag sehe das Gesetz nicht vor. Hintergrund dieser Stichtagsregelung sei die damalige Rechtsänderung im Recht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich die Einführung des sog. Versorgungsausgleichs bei Scheidungen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erhalte so im Fall einer Scheidung eine eigene Versicherung und partizipiere auf diesem Weg an den während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften. Der Zahlung einer entsprechenden Witwenrente, um den Wegfall der nachehelichen Unterhaltsgewährung auszugleichen, bedürfe es seit Einführung des Versorgungsausgleichs nicht mehr.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, dass die zweite Ehefrau des Versicherten eine Witwenrente erhalte, obwohl diese nur die letzten paar Jahre mit ihm verheiratet gewesen sei und durch ihre Beschäftigung in Deutschland einen Anspruch auf eine eigene Rente erworben habe, während sie völlig mittellos sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 02.05.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1999 zu verurteilen, ihr ab 01.06.1997 Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Begründung der Berufung enthalte keine neuen Gesichtspunkte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stellen könnten.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2007 abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente nach ihrem geschiedenen Ehegatten im Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) hat, und der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2006 nicht zu beanstanden ist.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihren Bescheid vom 15.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1999 zurückzunehmen, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist auf Grund des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 15.12.1998 die Vorschrift des § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 15.12.1998 sind nicht erfüllt, weil die Beklagte zu Recht die Gewährung von Witwenrente abgelehnt hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente an geschiedene Ehegatten gemäß § 243 Abs. 1 und 2 SGB VI, da ihre Ehe nicht vor dem 01.07.1977 geschieden worden ist im Sinn der Nr. 1 vorgenannnter Vorschrift. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.

Der Versorgungsausgleich, der mit Wirkung vom 01.06.1976 durch das 1. EheRG (Ehereformgesetz) vom 14.06.1976 (BGBl. I 1421) eingeführt wurde, ist gemäß Art. 12 1. EheRG bei Scheidungen ab dem 01.07.1977 unabhängig davon durchzuführen, wann die Ehe geschlossen wurde. Mit ihm wird bei der Scheidung für den Berechtigten eine eigenständige Alters- und Invaliditätssicherung begründet (BT-Drucks 7/650 S. 155). Die in der Ehezeit begründeten oder aufrechterhaltenen Versorgungsanwartschaften bleiben während des Bestehens der Ehe jeweils dem Ehegatten zugeordnet, der sie erworben hat. Erst im Falle der Scheidung erfolgt eine rechtliche Aufteilung der Anwartschaften entsprechend dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alters- und Invaliditätssicherung (BGHZ 74, 38). Die Entscheidung, ob, in welcher Form und in welchem Umfang ein Versorgungsausgleich stattfindet, ist durch die deutschen Familiengerichte zu treffen. Da der geschiedene Ehegatte der Klägerin während der Ehezeit eine deutsche Versorgungsanwartschaft bei gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland erworben hat, kann die Klägerin - falls die deutschen Gerichte zuständig sind und das deutsche Recht anzuwenden ist - die Anerkennung der durch das Urteil des Bezirksgerichts Valjevo vom 30.12.1986 bewirkten Auslandsscheidung in Deutschland und die Durchführung eines nachträglichen Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht bei dem zuständigen deutschen Familiengericht beantragen (s. Art. 17 Abs. 3 EGBGB), um einen Teil der Versorgungsanwartschaft ihres geschiedenen Ehegatten auf sich übertragen zu lassen.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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