L 2 U 240/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 141/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 240/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. März 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung und deren Entschädigung.

Der 1963 geborene Kläger beantragte am 1. April 2004 die Anerkennung einer Berufskrankheit wegen eines Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen- (HWS-LWS)-Syndroms. In der Berufskrankheitenanzeige vom 23. Juli 2004 führte der Chirurg Dr. L. aus, der Kläger habe sich am 15. Oktober 2001 wegen Rückenbeschwerden in seine Behandlung begeben. Die Diagnose habe akute Lumbago gelautet. Der Kläger habe angegeben, dass er als Maschinenreiniger bei BMW schwere Lasten heben und tragen müsse. Er habe ihn an Dr. S. überwiesen. Der Nervenarzt Dr. S. berichtete am 30. Januar 2003, es bestehe eine somatoforme Störung und Persönlichkeitsstörung aufgrund einer schwierigen Kindheitssituation. Der Kläger erscheine psychisch weitgehend dekompensiert. Im Kreiskrankenhaus D. wurde am 23. Juni 2001 die Diagnose akute Lumbago gestellt. Beim Aufheben einer Maschine habe der Kläger einen Riss im Kreuzbeinbereich verspürt. Dr. H. , bei dem der Kläger seit 1990 in Behandlung steht, berichtete über ein HWS-LWS-Syndrom, das der Kläger auf schweres Heben zurückführe. Arbeitsunfähigkeit habe er wegen Asthma attestiert. Der Allgemeinarzt B. erklärte, er behandle den Kläger seit 1987; im Dezember 1990 habe der Kläger erstmals Wirbelsäulenbeschwerden im LWS-Bereich angegeben.

Der technische Aufsichtsdienst der Süddeutschen Metall Berufsgenossenschaft führte in den Stellungnahmen vom 20. Januar und 18. Februar 2005 aus, der Kläger habe von März 1988 bis Juni 2004 Reinigungsarbeiten ausgeführt. Zum Reinigen der Gruben habe ein Teil der Gitterroste entfernt werden müssen; das Gewicht der größten Roste habe bei etwa 20 bis 25 kg gelegen. Beim Reinigen von Maschinen und Anlagen, etwa 20% der gesamten Arbeitszeit, sei immer wieder in kniender, hockender, gebeugter und zum Teil liegender Haltung gearbeitet worden. Der Beugewinkel sei ständig variiert worden und habe selten über 90° gelegen. Die Putzeimer hätten ein Fassungsvolumen von 12 bis 15 l und hätten meist zwei- bis dreimal täglich neu gefüllt werden müssen. Die Eimer seien auf einem Rollwagen transportiert worden und hätten zum Entleerung hochgehoben und nach dem Befüllen auf den Rollwagen gesetzt werden müssen. Das Reinigungsmittel sei aus 10 Liter-Kanistern zum Wischwasser gegeben worden. Die verwendeten Putzlappen seien auf Fahrrädern oder Transportwagen transportiert worden. Täglich seien ein bis drei Pakete von jeweils etwa 10 kg aus dem Lager zu holen gewesen. Da sowohl für das Anheben der Gitterroste, das Befüllen und Entleeren der Putzeimer sowie das Entnehmen der Putzlappenpakete aus dem Lager die Gewichte und/oder die Tragehäufigkeit bzw. -dauer gering seien, ergebe sich für die Schichtdosis lediglich ein Wert von 1,5 x 10 ³ NH. Bereits für die Tagesdosis werde der Richtwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell von 5,5 x 10 ³ NH nicht erreicht.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. März 2005 die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit nach Nr. 2108 beziehungsweise 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab. Nach den Stellungnahmen des Präventionsdienstes hätten die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht vorgelegen. Den Widerspruch des Klägers von 22. März 2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2005 zurück.

Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, er leide an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, die durch langjähriges Tragen schwerer Lasten und langjährige Tätigkeit in Rumpfbeugehaltung während der Arbeit als Maschinenreiniger verursacht worden sei. Es liege somit eine Berufskrankheit gemäß Ziff. 2108 vor. Die mit Schreiben vom 23. November 2006 vom Kläger erbetenen Angaben über Ärzte und Krankenhäuser, bei denen eventuell MRT- und CT-Befunde und -bilder angefordert werden könnten, sowie die erbetenen Röntgenaufnahmen und -befunde legte der Kläger nicht vor.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. M. führte im Gutachten vom 13. Dezember 2006 nach ambulanter Untersuchung des Klägers aus, es fehle bis jetzt der Nachweis einer Bandscheibenschädigung beziehungsweise eines Hinweises auf eine Bandscheibenerkrankung wie Protrusion oder Prolaps. Es liege eine allgemeine Erkrankung der Wirbelsäule mit Schwerpunkt an der HWS vor. Die Beschwerden seien mit einer Cortison-induzierten Osteoporose durchaus vereinbar, nachdem der Kläger seit gut sieben Jahren wegen einer Asthmaerkrankung Cortison in höherer Dosierung erhalte.

Mit Urteil vom 23. März 2007 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab. Nach der Arbeitsplatzbegutachtung durch den berufsgenossenschaftlichen Präventionsdienst stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bereits für die Tagesdosis der Richtwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis- Modell nicht erreicht werde. Anhaltspunkte für Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im erforderlichen Ausmaß hätten ebenfalls nicht ermittelt werden können. Darüber hinaus lägen aber auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht vor. Es fehle aus medizinischer Sicht der Nachweis einer Bandscheibenschädigung.

Die am 20. Juni 2007 eingelegte Berufung begründete der Kläger damit, die Angelegenheit sei bisher nicht richtig untersucht worden. Seine Erkrankung sei größtenteils auf die Arbeit als Industriereiniger zurückzuführen.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. März 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2005 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden sind keine Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist die Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 (Bundesgesetzblatt I S. 26, 23) bzw. vom 05.09.2002. Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben. Die rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vergleiche BSGE 45, 285).

Das Sozialgericht konnte seine Entscheidung zulässigerweise auf die Ermittlungen und Bewertung des technischen Aufsichtsdienstes gründen. Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass von der Beklagten gewonnene Ermittlungsergebnisse einer anschließenden gerichtlichen Entscheidung nicht zugrundegelegt werden dürften. Nur wenn solche Ermittlungsergebnisse unzureichend sind oder mit begründeten Feststellungen in Frage gestellt werden, ergibt sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen. Für beide Gesichtspunkte ist hier nichts vorgetragen. Die Bewertung der Arbeitsbelastung durch das Sozialgericht stützt sich auf den derzeitigen Stand der Erkenntnisse von den notwendigen arbeitstechnischen Voraussetzungen, wie sie in den Merkblättern zu den ärztlichen Berufskrankheiten dargelegt sind.

Bei der Untersuchung durch Dr. M. ergaben sich keine sicheren Hinweise auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS. Der Nachweis wäre geführt, wenn sowohl ein morphologisch-pathologisches Substrat zu sichern wäre, als auch die klinische Relevanz der Verschleißerscheinungen nachgewiesen werden könnte. Dies ist, wie Dr. M. überzeugend ausführt, nicht der Fall. Weder eine Protrusion noch ein Prolaps konnten festgestellt werden. Von einer bandscheibenbedingten Erkrankung könnte nur dann ausgegangen werden, wenn neurologische Ausfälle, jedenfalls aber Nervenwurzelreizerscheinungen nachgewiesen wären, die aber, wie sich auch aus dem Bericht des Nervenarztes Dr. S. und des Dr. H. ergibt, fehlen. Wie der Kläger selbst angegeben hat, kommt es an der LWS zwar zu Lumboischialgien, aber ohne sensible Störungen. Dr. M. weist im übrigen daraufhin, dass die Erkrankung der Wirbelsäule ihren Schwerpunkt an der Halswirbelsäule und nicht an der Lendenwirbelsäule hat.

Trotz Aufforderung hat der Kläger im Klageverfahren weder Ärzte beziehungsweise Krankenhäuser angegeben, die technische Untersuchungs-Befunde übersenden könnten, noch hat er selbst Röntgenaufnahmen oder andere Befunde vorgelegt.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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