L 4 B 680/07 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 178/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 680/07 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 16/07 S
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1950 geborene Antragsteller wird bei der Antragsgegnerin im Sinne des § 264 Sozialgesetzbuch V (SGB V) als Nichtversicherungspflichtiger betreut, dessen Krankenbehandlung gegen Kostenerstattung übernommen wird. Er erhält von der Stadt W. Hilfe bei Krankheit.

Der Antragsteller beantragte am 7. Februar 2007 bei der Antragsgegnerin die vollständige Befreiung wegen fehlenden Einkommens und der Pflege seiner Mutter. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid am 12. Februar 2007 den Antrag auf vollständige Befreiung ab und erläuterte mit den Schreiben vom 23. Februar 2007 und 14. März 2007 ihre Rechtsauffassung. Alle Personen-/ Versichertenkreise hätten Zuzahlungen innerhalb eines Kalenderjahres bis zur jeweiligen persönlichen Belastungsgrenze zu entrichten. Ist diese Grenze erreicht, würden sie für den Rest des laufenden Kalenderjahres von weiteren Zuzahlungen befreit. Grundsätzlich betrage die Belastungsgrenze 2% der jährlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt. Bei dem Antragsteller sei als Bruttoeinnahmen der Regelsatz des Haushaltsvorstandes nach der Regelsatzverordnung anzusetzen. Die persönliche Belastungsgrenze betrage bei ihm für das Jahr 2007 82,80 Euro.

Der Antragsteller legte gegen den Bescheid am 17. Februar 2007 Widerspruch ein und erhob mit den Schreiben vom 5. März und 25. März 2007 weitere Einwendungen gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin. Die zu Grunde liegende gesetzliche Regelung sei aus mehreren Gründen verfassungswidrig.

Die Antragsgegnerin wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 den Widerspruch zurück. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze seien die Zuzahlungen und Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zusammenzurechnen. Angehörige in diesem Sinne seien im gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherten lebenden Kinder, die familienversichert sind. Eine derartige Versicherung liege nicht vor. Dass eine Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter des Antragstellers bestehe, sei nicht nachgewiesen. Selbst wenn eine derartige Bedarfsgemeinschaft vorliege, könnten nur familienversicherte Kinder im Familienverbund berücksichtigt werden.

Der Antragsteller hat hiergegen am 7. Juni 2007 beim Sozialgericht Würzburg (SG) Klage erhoben (S 3 KR 178/07), ferner sinngemäß vorläufigen Rechtsschutz beantragt und zwei Quittungen des Universitätsklinikums W. und eines Allgemeinarztes über die Zahlung der Praxisgebühr von je 10,00 Euro vorgelegt. Das SG hat mit Beschluss vom 5. Juli 2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren sei unwahrscheinlich; es bestehe kein Anspruch auf völlige Befreiung von Zuzahlungen. Für die Ermittlung der Belastungsgrenze komme es bei dem Antragsteller auf den Regelsatz des Haushaltsvorstandes nach der Regelsatzverordnung an. Es werde hier ein fiktives Familieneinkommen von 345,00 Euro und seit 1. Juli 2007 von 347,00 Euro zu Grunde gelegt. Daraus ergebe sich für das Jahr eine persönliche Belastungsgrenze von 82,80 Euro. Unbeachtlich sei, dass bei der Mutter des Antragstellers die Belastungsgrenze von 1% angewendet worden ist.

Der Antragsteller hat hiergegen am 6. August 2007 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Er hat mit Schreiben vom 8. September 2007 geltend gemacht, er lebe mit seiner Mutter in einer häuslichen Gemeinschaft. Es seien für zwei Krankenhausaufenthalte im Jahr 2007 Zuzahlungen von 280,00 Euro angefallen. Die Antragsgegnerin hat hierzu ausgeführt, die Zuzahlungen seien vom Antragsteller nicht bezahlt, sondern mit dem Sozialhilfeträger direkt abgerechnet worden.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Antragsgegnerin und des SG Bezug genommen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 171, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde ist unbegründet; das SG hat zu Recht die beantragte einstweilige Anordnung abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind. Beides ist glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Im vorliegenden Fall sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das materielle Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Ob ein derartiger Anspruch gegeben ist, hängt im Allgemeinen von einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ab. Der Anordnungsgrund liegt in der Dringlichkeit der begehrten Regelung.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass ein Anspruch auf vollständige Befreiung gegeben ist. Grundsätzlich haben Versicherte gemäß § 62 Abs. 1 SGB V während jedes Kalenderjahres Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Wird die Belastungsgrenze innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahrs keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die für den Antragsteller in Frage kommende Belastungsgrenze beträgt 2% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Belastungsgrenze von 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind) sind nicht glaubhaft gemacht worden. Ebensowenig ist ersichtlich, dass der Antragsteller an einem für seine Erkrankung bestehenden strukturierten Behandlungsprogramm teilnimmt. Für den in § 264 SGB V genannten Personenkreis wird als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt abweichend von der Zusammenrechnung der Bruttoeinnahmen des Versicherten und der im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten (§ 62 Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB V) für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes nach der Regelsatzverordnung angesetzt (§ 62 Abs. 2 S. 5 SGB V). Es handelt sich hierbei um einen fiktives Familieneinkommen, das unabhängig von der Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen oder eines tatsächlich unter dem Regelsatz liegenden Einkommens zu Grunde gelegt wird.

Unter Berücksichtigung des Regelsatzes gemäß § 28 Sozialgesetzbuch XII von 345,00 Euro (seit 1. Januar 2007) betrug bis 30. Juni 2007 die Belastungsgrenze 82,80 Euro und erhöht sich ab 1. Juli 2007 nur geringfügig. Diese Belastungsgrenze wird mit den vom Antragsteller geleisteten Zuzahlungen von 20,00 Euro nicht erreicht. Entgegen seiner Darlegung sind die Zuzahlungen für die beiden Krankenhausaufenthalte von 280,00 Euro insgesamt rechtlich ohne Bedeutung, da sie nicht vom Antragsteller gezahlt worden sind. Nach der Auskunft der Antragsgegnerin hat der Sozialhilfeträger diese Zuzahlungen übernommen. Die von der Mutter des Antragstellers geleistete Zuzahlung (§ 62 Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB V) ist hier ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

Auch ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht worden. Die bisher geleisteten Zuzahlungen von 20,00 Euro stellten eine Überforderung im Sinne des § 62 SGB V des Antragstellers nicht dar. Es muss ferner davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin bzw. der Sozialhilfeträger die Krankenbehandlung des Antragstellers sicherstellt.

Die Kostentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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