Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 KR 217/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 275/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Implantate.
Die 1944 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einer Unterkieferatrophie. Der leitende Arzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Dr. Dr. F. (Klinikum Süd N.) erstellte am 2. September 2004 für die Klägerin einen Heil- und Kostenplan nach der GOZ für implantologische Maßnahmen, der wegen der Unterkieferatrophie einen Knochenaufbau und Insertion von vier Implantaten (voraussichtliche Gesamtsumme 4.875,29 Euro) vorsah. Mit der Rechnung vom gleichen Tage forderte der Arzt für die Beratung am 23. Juli 2004 und Untersuchung sowie den Heil- und Kostenplan 68,71 Euro.
Der von der Beklagten hierzu gehörte Beratungszahnarzt Dr. S. verneinte in der Stellungnahme vom 15. Oktober 2004 eine Ausnahmeindikation für Implantate bei der Diagnose Unterkieferatrophie. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2004 lehnte sie wegen Fehlens einer Ausnahmeindikation, d.h. eines besonders schweren Falles, die Kostenübernahme für die Implantatversorgung ab. Sie lehnte außerdem die Anfragen des Arztes auf Kostenübernahme ab.
Die leitende Ärztin Dr. B. (Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie am Klinikum N.) forderte für Röntgenaufnahmen am 23. Juli 2004 mit der Rechnung vom 26. Oktober 2004 65,86 Euro.
Gegen den oben genannten Bescheid legten die Klägerin am 10. November 2004 und ihr Prozessbevollmächtigter am 19. November 2004 Widerspruch ein; die Indikation für die Implantatversorgung bestehe bei einem größeren Kieferdefekt, eine konventionelle Versorgung sei nicht möglich.
Am 30. November 2004 erfolgte eine weitere Beratung durch Prof. Dr. Dr. F. , am 1. Dezember 2004 wurde die Klägerin operiert (Verpflanzung von Knochenspänen) und es wurden vier enossale Implantate eingesetzt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 auch die Kostenübernahme für die stationär erbrachte Leistung des Knochenaufbaus unter Bezugnahme auf ein Senatsurteil vom 15. März 2004 (L 4 KR 7/02) ab. Eine gesonderte Vergütung dieser Behandlung sei nicht möglich, es handle sich um einen einheitlichen Behandlungsvorgang im Verhältnis zur Implantatversorgung.
Mit der Rechnung vom 23. Dezember 2004 forderten Prof. Dr. Dr. F. für die Behandlung vom 30. November bis 23. Dezember 2004 3.229,60 Euro und Prof. Dr. H. (Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinikum N.) mit der Rechnung vom 31. Januar 2005 für die Narkose 495,22 Euro. Der Zahnarzt Dr. V. verlangte mit der Rechnung vom 21. Februar 2005 39,91 Euro, Dr. B. mit den Rechnungen vom 8. März 2005 und 19. April 2005 für radiologische Leistungen jeweils 41,96 Euro und Prof. Dr. Dr. F. mit der Rechnung vom 30. März 2005 876,98 Euro (Freilegung eines Implantatsystems).
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 den Widerspruch zurück. Ein besonders schwerer Fall, der ausnahmsweise zu einer Kostenübernahme für Implantate führe, liege nach der beratungsärztlichen Stellungnahme nicht vor. Eine Kostenerstattung für die Implantatversorgung und Augmentationsbehandlung komme auch deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Leistungen außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges erhalten habe, ohne sich vorher mit der Kasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten.
Mit der (im Berufungsverfahren vorgelegten) Rechnung vom 10. Mai 2005 hat der Zahnarzt Dr. V. für die Versorgung der Wurzelkappe für Brücken-/Prothesenanker, Verbindungselement für Brücken/Prothesen und ähnliches 2.077,35 Euro gefordert.
Die Klägerin hat hiergegen am 17. Mai 2005 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Bei ihr liege ein massiver progressiver Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer vor, so dass konventionelle Prothesen keinerlei Halt mehr finden könnten; ein ambulanter Knochenaufbau sei nicht möglich gewesen. Die von der Beklagten genannten Fälle der Implantatversorgung seien nur Regelfälle, aber keine abschließende Aufzählung. Voraussetzung für die Versorgung mit vier Implantaten sei eine vorherige Knochen-Behandlung gewesen. Beide Behandlungen stünden jedoch in keinem Zusammenhang, es fehle eine Gesamtleistung. Die Stellungnahme von Dr. S. sei unzutreffend, er habe die Klägerin nicht begutachtet.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2005 nach Anhörung der Beteiligten die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen.
Mit der Rechnung vom 19. September 2005 hat der Zahnarzt Dr. V. für das Auswechseln der Sekundärteile bei zusammengesetzten Implantaten 873,66 Euro gefordert.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 28. September 2005 Berufung eingelegt, mit der sie für die Implantatversorgung eine Kostenerstattung in Höhe von 6.937,55 Euro fordert. Prof. Dr. Dr. F. hat mit der Rechnung vom 30. September 2005 für die Beratung 75,22 Euro verlangt. Mit Schriftsatz vom 23. November 2005 macht die Klägerin für die Implantatversorgung mit Begleitleistungen nunmehr 7.886,43 Euro geltend.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. August 2005 und die Bescheide vom 21. Oktober 2004 und 13. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die Implantatversorgung mit Begleitleistungen in Höhe von 7.886,43 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Anspruch auf implantologische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sei auch dann ausgeschlossen, wenn die Krankheit des Versicherten aus medizinischen Gründen nicht anders als mit einer Implantatversorgung geheilt oder gelindert werden kann. Die festgelegten Ausnahmeindikationen seien insoweit bindend und abschließend.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 Euro (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen; denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der hier streitigen Kosten der Augmentationsbehandlung und Implantatversorgung einschließlich der geltend gemachten Nebenleistungen.
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V), wonach Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung die Kosten zu erstatten sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der vorliegende Fall bietet keinen Anhaltspunkt für die Unaufschiebbarkeit der Behandlung, da die Planung der Behandlung bereits Ende Juli und Anfang September 2004 begonnen wurde, während die Augmentationsbehandlung und das Einsetzen der Implantate mehrere Monate später, nämlich Anfang Dezember 2004, erfolgten. Außerdem hat die Klägerin eine Unaufschiebbarkeit nicht geltend gemacht und ein derartiger Umstand lässt sich auch nicht erkennen.
Eine Kostenerstattung für die vor Erlass des Bescheides am 21. Oktober 2004 angefallenen Leistungen im Zusammenhang mit der Augmentationsbehandlung und Implantatversorgung scheidet aus, weil es insoweit an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ablehnung und dem Entstehen der Kosten fehlt, die im Wesentlichen für Beratungsleistungen angefallen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) fehlt der Kausalzusammenhang, wenn die Behandlung begonnen wurde, ehe der Versicherte mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet hat. Die Versicherten müssen sich, soweit möglich, vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich an ihre Krankenkasse wenden, sich dort über die bestehenden Leistungsmöglichkeiten beraten lassen, entsprechende Anträge stellen und die Entscheidung der Kasse abwarten (z.B. BSGE vom 20. Mai 2003 SozR 4-2500 § 13 Nr. 1).
Da die Augmentationsbehandlung als solche von der Klägerin rechtzeitig beantragt wurde (siehe Heil- und Kostenplan von Prof. Dr. Dr. F. vom 2. September 2004) und die Behandlung erst Ende November/Anfang Dezember begonnen hatte, fehlt es entgegen der Beklagten hier nicht an der Kausalität zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung der Leistung, aber die Beklagte ist aus einem anderen Grund nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Denn die Krankenhausbehandlung steht funktional und zeitlich in einem engen Zusammenhang mit der sich anschließenden Implantatversorgung (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2004 L 4 KR 7/02). Sie ist medizinisch gesehen nur zweckmäßig (§ 12 Abs. 1 SGB V), wenn eine Implantatbehandlung nachfolgt. Beide Behandlungen stehen in einem derart engen Zusammenhang, dass sie Teile einer Gesamtleistung sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass Prof. Dr. Dr. F. am gleichen Tage eine freie Verpflanzung von Knochen oder Knochenspänen bei den Zähnen 41 bis 45 vorgenommen und vier enossale Implantate eingesetzt hat. Das BSG hat in dem vergleichbaren Fall (Urteil vom 19. Juni 2001 SozR 3-2500 § 28 Nr. 6) ausgeführt, dass der implantatgestützte Zahnersatz eine in mehrere Phasen zu gliedernde Gesamtleistung darstellt. Es handelt sich um einen einheitlichen Behandlungsvorgang, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt. Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur für die Behandlungsphasen Einpflanzen der Implantate in den Kiefer und die Versorgung mit Suprakonstruktionen, sondern auch für den zuerst durchzuführenden Behandlungsabschnitt, nämlich der Vorbereitung des Kiefers zur Einsetzung der Implantate einschließlich der anästhesieologischen Leistungen.
Das SG und die Beklagte haben auch zu Recht eine Kostenerstattung für die Implantatversorgung abgelehnt. Denn nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14. November 2003 (BGBl S. 2190), die am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, gehören implantologische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Die auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V erlassenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien vom 24.09.2003 (BAnz Nr. 225 S. 24966) i.d.F. vom 1. Januar 2004) enthalten im Kapitel VII, Nr. 29 die Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen. Danach liegen Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktion im Sinne des § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in den in S. 4 aufgeführten besonders schweren Fällen vor. Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. Besonders schwere Fälle liegen vor a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in Tumoroperationen, in Entzündungen des Kiefers, in Operationen infolge von großen Zysten (z.B. große follikuläre Zysten oder Keratozysten), in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken).
Es spricht nichts dafür, dass derartige Indikationen gegeben sind, da im Heil- und Kostenplan von Prof. Dr. Dr. F. vom 2. September 2004 die Diagnose Unterkieferatrophie als Indikation für die Implantatversorgung genannt und diese Diagnose auch in der Rechnung von 23. Dezember 2004 wiederholt wird.
Das BSG hat mit Urteil vom 19. Juni 2001 (SozR 3-2500 § 28 Nr. 6) entschieden, dass die Kieferatrophie nicht zu den oben genannten Ausnahmeindikationen zählt. Das gilt auch für den vorliegenden Fall.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Implantate.
Die 1944 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einer Unterkieferatrophie. Der leitende Arzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Dr. Dr. F. (Klinikum Süd N.) erstellte am 2. September 2004 für die Klägerin einen Heil- und Kostenplan nach der GOZ für implantologische Maßnahmen, der wegen der Unterkieferatrophie einen Knochenaufbau und Insertion von vier Implantaten (voraussichtliche Gesamtsumme 4.875,29 Euro) vorsah. Mit der Rechnung vom gleichen Tage forderte der Arzt für die Beratung am 23. Juli 2004 und Untersuchung sowie den Heil- und Kostenplan 68,71 Euro.
Der von der Beklagten hierzu gehörte Beratungszahnarzt Dr. S. verneinte in der Stellungnahme vom 15. Oktober 2004 eine Ausnahmeindikation für Implantate bei der Diagnose Unterkieferatrophie. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2004 lehnte sie wegen Fehlens einer Ausnahmeindikation, d.h. eines besonders schweren Falles, die Kostenübernahme für die Implantatversorgung ab. Sie lehnte außerdem die Anfragen des Arztes auf Kostenübernahme ab.
Die leitende Ärztin Dr. B. (Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie am Klinikum N.) forderte für Röntgenaufnahmen am 23. Juli 2004 mit der Rechnung vom 26. Oktober 2004 65,86 Euro.
Gegen den oben genannten Bescheid legten die Klägerin am 10. November 2004 und ihr Prozessbevollmächtigter am 19. November 2004 Widerspruch ein; die Indikation für die Implantatversorgung bestehe bei einem größeren Kieferdefekt, eine konventionelle Versorgung sei nicht möglich.
Am 30. November 2004 erfolgte eine weitere Beratung durch Prof. Dr. Dr. F. , am 1. Dezember 2004 wurde die Klägerin operiert (Verpflanzung von Knochenspänen) und es wurden vier enossale Implantate eingesetzt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 auch die Kostenübernahme für die stationär erbrachte Leistung des Knochenaufbaus unter Bezugnahme auf ein Senatsurteil vom 15. März 2004 (L 4 KR 7/02) ab. Eine gesonderte Vergütung dieser Behandlung sei nicht möglich, es handle sich um einen einheitlichen Behandlungsvorgang im Verhältnis zur Implantatversorgung.
Mit der Rechnung vom 23. Dezember 2004 forderten Prof. Dr. Dr. F. für die Behandlung vom 30. November bis 23. Dezember 2004 3.229,60 Euro und Prof. Dr. H. (Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinikum N.) mit der Rechnung vom 31. Januar 2005 für die Narkose 495,22 Euro. Der Zahnarzt Dr. V. verlangte mit der Rechnung vom 21. Februar 2005 39,91 Euro, Dr. B. mit den Rechnungen vom 8. März 2005 und 19. April 2005 für radiologische Leistungen jeweils 41,96 Euro und Prof. Dr. Dr. F. mit der Rechnung vom 30. März 2005 876,98 Euro (Freilegung eines Implantatsystems).
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 den Widerspruch zurück. Ein besonders schwerer Fall, der ausnahmsweise zu einer Kostenübernahme für Implantate führe, liege nach der beratungsärztlichen Stellungnahme nicht vor. Eine Kostenerstattung für die Implantatversorgung und Augmentationsbehandlung komme auch deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Leistungen außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges erhalten habe, ohne sich vorher mit der Kasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten.
Mit der (im Berufungsverfahren vorgelegten) Rechnung vom 10. Mai 2005 hat der Zahnarzt Dr. V. für die Versorgung der Wurzelkappe für Brücken-/Prothesenanker, Verbindungselement für Brücken/Prothesen und ähnliches 2.077,35 Euro gefordert.
Die Klägerin hat hiergegen am 17. Mai 2005 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Bei ihr liege ein massiver progressiver Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer vor, so dass konventionelle Prothesen keinerlei Halt mehr finden könnten; ein ambulanter Knochenaufbau sei nicht möglich gewesen. Die von der Beklagten genannten Fälle der Implantatversorgung seien nur Regelfälle, aber keine abschließende Aufzählung. Voraussetzung für die Versorgung mit vier Implantaten sei eine vorherige Knochen-Behandlung gewesen. Beide Behandlungen stünden jedoch in keinem Zusammenhang, es fehle eine Gesamtleistung. Die Stellungnahme von Dr. S. sei unzutreffend, er habe die Klägerin nicht begutachtet.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2005 nach Anhörung der Beteiligten die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen.
Mit der Rechnung vom 19. September 2005 hat der Zahnarzt Dr. V. für das Auswechseln der Sekundärteile bei zusammengesetzten Implantaten 873,66 Euro gefordert.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 28. September 2005 Berufung eingelegt, mit der sie für die Implantatversorgung eine Kostenerstattung in Höhe von 6.937,55 Euro fordert. Prof. Dr. Dr. F. hat mit der Rechnung vom 30. September 2005 für die Beratung 75,22 Euro verlangt. Mit Schriftsatz vom 23. November 2005 macht die Klägerin für die Implantatversorgung mit Begleitleistungen nunmehr 7.886,43 Euro geltend.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. August 2005 und die Bescheide vom 21. Oktober 2004 und 13. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die Implantatversorgung mit Begleitleistungen in Höhe von 7.886,43 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Anspruch auf implantologische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sei auch dann ausgeschlossen, wenn die Krankheit des Versicherten aus medizinischen Gründen nicht anders als mit einer Implantatversorgung geheilt oder gelindert werden kann. Die festgelegten Ausnahmeindikationen seien insoweit bindend und abschließend.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 Euro (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen; denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der hier streitigen Kosten der Augmentationsbehandlung und Implantatversorgung einschließlich der geltend gemachten Nebenleistungen.
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V), wonach Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung die Kosten zu erstatten sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der vorliegende Fall bietet keinen Anhaltspunkt für die Unaufschiebbarkeit der Behandlung, da die Planung der Behandlung bereits Ende Juli und Anfang September 2004 begonnen wurde, während die Augmentationsbehandlung und das Einsetzen der Implantate mehrere Monate später, nämlich Anfang Dezember 2004, erfolgten. Außerdem hat die Klägerin eine Unaufschiebbarkeit nicht geltend gemacht und ein derartiger Umstand lässt sich auch nicht erkennen.
Eine Kostenerstattung für die vor Erlass des Bescheides am 21. Oktober 2004 angefallenen Leistungen im Zusammenhang mit der Augmentationsbehandlung und Implantatversorgung scheidet aus, weil es insoweit an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ablehnung und dem Entstehen der Kosten fehlt, die im Wesentlichen für Beratungsleistungen angefallen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) fehlt der Kausalzusammenhang, wenn die Behandlung begonnen wurde, ehe der Versicherte mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet hat. Die Versicherten müssen sich, soweit möglich, vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich an ihre Krankenkasse wenden, sich dort über die bestehenden Leistungsmöglichkeiten beraten lassen, entsprechende Anträge stellen und die Entscheidung der Kasse abwarten (z.B. BSGE vom 20. Mai 2003 SozR 4-2500 § 13 Nr. 1).
Da die Augmentationsbehandlung als solche von der Klägerin rechtzeitig beantragt wurde (siehe Heil- und Kostenplan von Prof. Dr. Dr. F. vom 2. September 2004) und die Behandlung erst Ende November/Anfang Dezember begonnen hatte, fehlt es entgegen der Beklagten hier nicht an der Kausalität zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung der Leistung, aber die Beklagte ist aus einem anderen Grund nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Denn die Krankenhausbehandlung steht funktional und zeitlich in einem engen Zusammenhang mit der sich anschließenden Implantatversorgung (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2004 L 4 KR 7/02). Sie ist medizinisch gesehen nur zweckmäßig (§ 12 Abs. 1 SGB V), wenn eine Implantatbehandlung nachfolgt. Beide Behandlungen stehen in einem derart engen Zusammenhang, dass sie Teile einer Gesamtleistung sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass Prof. Dr. Dr. F. am gleichen Tage eine freie Verpflanzung von Knochen oder Knochenspänen bei den Zähnen 41 bis 45 vorgenommen und vier enossale Implantate eingesetzt hat. Das BSG hat in dem vergleichbaren Fall (Urteil vom 19. Juni 2001 SozR 3-2500 § 28 Nr. 6) ausgeführt, dass der implantatgestützte Zahnersatz eine in mehrere Phasen zu gliedernde Gesamtleistung darstellt. Es handelt sich um einen einheitlichen Behandlungsvorgang, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt. Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur für die Behandlungsphasen Einpflanzen der Implantate in den Kiefer und die Versorgung mit Suprakonstruktionen, sondern auch für den zuerst durchzuführenden Behandlungsabschnitt, nämlich der Vorbereitung des Kiefers zur Einsetzung der Implantate einschließlich der anästhesieologischen Leistungen.
Das SG und die Beklagte haben auch zu Recht eine Kostenerstattung für die Implantatversorgung abgelehnt. Denn nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14. November 2003 (BGBl S. 2190), die am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, gehören implantologische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Die auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V erlassenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien vom 24.09.2003 (BAnz Nr. 225 S. 24966) i.d.F. vom 1. Januar 2004) enthalten im Kapitel VII, Nr. 29 die Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen. Danach liegen Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktion im Sinne des § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in den in S. 4 aufgeführten besonders schweren Fällen vor. Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. Besonders schwere Fälle liegen vor a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in Tumoroperationen, in Entzündungen des Kiefers, in Operationen infolge von großen Zysten (z.B. große follikuläre Zysten oder Keratozysten), in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken).
Es spricht nichts dafür, dass derartige Indikationen gegeben sind, da im Heil- und Kostenplan von Prof. Dr. Dr. F. vom 2. September 2004 die Diagnose Unterkieferatrophie als Indikation für die Implantatversorgung genannt und diese Diagnose auch in der Rechnung von 23. Dezember 2004 wiederholt wird.
Das BSG hat mit Urteil vom 19. Juni 2001 (SozR 3-2500 § 28 Nr. 6) entschieden, dass die Kieferatrophie nicht zu den oben genannten Ausnahmeindikationen zählt. Das gilt auch für den vorliegenden Fall.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
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