Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 53/06 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 157/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, von der Regelaltersrente des Klägers einen monatlichen Betrag in Höhe von 30,00 EUR durch Aufrechnung einzubehalten.
Der 1930 geborene Kläger, wohnhaft in der Republik Bosnien-Herzegowina, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 18. August 1966 bis 14. November 1970 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. In seinen Heimatland hat er Versicherungszeiten vom 20. Oktober 1949 bis 20. Januar 1950, 4. Februar 1950 bis 15. August 1950 und 28. November 1970 bis 8. November 1984 zurückgelegt.
Auf den Antrag des Klägers vom 1. Juli 1984 gewährte ihm die Beklagte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis 31. Mai 1985 in Höhe von monatlich 95,50 DM (Bescheid vom 15. April 1985). Aufgrund einer Schadensersatzforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger aus der Versicherung des B. I. teilte die Beklagte dem Kläger mit, von der laufenden Rente monatlich 50,00 DM einbehalten zu wollen. Aus einem Aktenvermerk der Beklagten ergibt sich, dass B. I. von dem Kläger erschossen worden sei und der Kläger eine Gefängnisstrafe zu verbüßen gehabt habe. Die Schadensersatzforderung betrug am 25. September 1989 2.706,70 DM und erhöhte sich monatlich, ab April 1994 um circa 100,00 DM. Auf Anfrage der Beklagten übersandte der Kläger einen Katasterauszug, in dem er als Eigentümer von insgesamt 59.775 m² Grundfläche eingetragen ist. Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit, dieser sei selbständig erwerbstätig. Deshalb sei beabsichtigt, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 1984 in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umzuwandeln.
Mit Bescheid vom 29. September 1990, dem Kläger am 16. Oktober 1990 zugegangen, gewährte die Beklagte ab 1. Dezember 1984 anstelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, zahlte ab 1. Dezember 1990 monatlich 76,60 DM und stellte für den Zeitraum vom 1. Dezember 1984 bis 30. November 1990 einen Überzahlungsbetrag von insgesamt 2.509,30 DM fest, der zu erstatten sei. Alle für den Leistungsanspruch und die Gewährung der Leistung maßgebenden Änderungen der persönlichen Verhältnisse des Rentenberechtigten müssten mitgeteilt werden. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit stehe nicht zu, wenn eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Diese Rechtslage sei dem Kläger bekannt gewesen, dennoch habe er der Beklagten nicht mitgeteilt, dass er seit Rentenbeginn am 1. Dezember 1984 selbstständig erwerbstätig sei. Im Rahmen des zustehenden Ermessens und bei Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei nur die Entziehung der zu Unrecht gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente bei gleichzeitiger Neuanweisung einer Berufsunfähigkeitsrente möglich. Der Rückforderungsbetrag von 2.509,30 DM wurde im Hinblick auf die Schadensersatzforderung aus der Versicherung des B. I. vorläufig niedergeschlagen.
Mit Bescheid vom 29. November 1990 behielt die Beklagte von der Rente des Klägers ab 1. Februar 1991 monatlich 50,00 DM ein. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. Dezember 1990 Widerspruch ein und verwies auf eine Bescheinigung des Grundbuchamtes L. vom 22. November 1990. Er sei erwerbsunfähig und aus der beigelegten Bescheinigung sei ersichtlich, dass er keine Immobilien besitze. Außerdem übersandte er eine Bescheinigung der Gemeinde L. , wonach der Kläger keine selbständige Erwerbstätigkeit ausübe. Am 26. April 1991 nahm der Kläger den Widerspruch zurück und beantragte die Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er legte eine Bestätigung des Grundbuchamts L. vom 26. März 1991 vor, wonach er Grundstücke durch Schenkungsvertrag vom 13. November 1990 seinen Söhnen übertragen habe und er nicht mehr als Eigentümer eingetragen sei. Mit Bescheid vom 15. Juni 1992 gewährte daraufhin die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 21. Dezember 1990 anstelle der bisherigen Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 1990 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und errechnete einen monatlichen Zahlbetrag ab 1. August 1992 von 123,75 DM. Von der laufenden Zahlung behielt die Beklagte monatlich 70,00 DM ein.
Mit Bescheid vom 16. November 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger anstatt der bisherigen Rente ab 1. Januar 1996 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 135,13 DM, von der weiterhin monatlich 70,00 DM abgezweigt wurden. Mit am 30. September 1996 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben bat der Kläger um genaue Angaben, bis wann und um wie viel die Rente gekürzt werde. Laut seinen Unterlagen sei die Schadensersatzforderung in Höhe von 2.706,70 DM längst ausbezahlt. Die Beklagte entgegnete, die Forderung würde sich um monatlich circa 100,00 DM erhöhen. Zum 11. November 1996 hätte sie 4.744,50 DM betragen. Da monatlich von der Rente 70,00 DM einbehalten würden, die Forderung sich jedoch monatlich um 100,00 DM erhöhe, sei mit einer baldigen Tilgung nicht zu rechnen. Den Anpassungsmitteilungen ist jeweils der Verrechnungsbetrag von 70,00 DM bzw. 35,79 EUR zu entnehmen. Auf Anfrage des Klägers teilte ihm die Beklagte mit (Schreiben vom 26. Juni 2003), die Forderung betrage gegenwärtig noch 895,36 Euro und die Tilgung werde noch bis August 2005 andauern. Gleichzeitig wies die Beklagte auf die gemäß dem Bescheid vom 29. September 1990 bestehende Forderung in Höhe von 2.509,30 DM bzw. 1.282,98 EUR hin.
Mit Anhörungsschreiben vom 1. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei berechtigt, die mit Bescheid vom 29. September 1990 festgestellte Überzahlung gegen die laufende Rentenzahlung aufzurechnen. Es sei daher beabsichtigt, vom nächstmöglichen Zeitpunkt an von der laufenden Rente 38,19 EUR monatlich einzubehalten.
Die Ehefrau des Klägers übersandte daraufhin einen Befundbericht des Krankenhauses M. aufgrund eines Aufenthalts des Klägers vom 4. März 2005 bis 2. April 2005. Diesem Befundbericht sei zu entnehmen, dass es keine Grundlage für eine Rentenminderung geben würde. Ihr Ehemann sei bettlägerig, könne überhaupt nicht reden und habe zwei Hirnschläge gehabt.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, für die Zeit ab 1. August 2005 würden laufend monatlich 46,38 EUR bezahlt. Von der monatlichen Rente ab 1. August 2005 in Höhe von 76,38 EUR würden 30,00 EUR einbehalten. Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, er nehme seit längerer Zeit die Hilfe und Pflege seiner Frau und der Kinder in Anspruch, benötige Windeln und viel Geld für Medikamente. Er habe deshalb erwartet, dass die Rente erhöht würde. Er könne nicht glauben, dass jemandem nach 15 Jahren eingefallen sei, ihm sei die Rente überzahlt worden. Er verstehe nicht, dass der Betrag der überzahlten Rente nicht festgelegt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte sei berechtigt, zur Tilgung der noch bestehenden Restschuld aufgrund der mit Bescheid vom 29. September 1990 festgestellten Überzahlung einen Betrag in Höhe von monatlich 30,00 EUR von der Regelaltersrente einzubehalten. Ob und in welchem Umfang ein Rentenversicherungsträger aufrechnen wolle, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Den Leistungsträgern werde eine bevorzugte Stellung eingeräumt, indem der Aufrechnungsbetrag losgelöst von den Pfändungs- bzw. Pfändungsfreigrenzen bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung bestimmt werden könne. Durch die Einbehaltung trete bei dem Kläger keine Sozialhilfebedürftigkeit ein. Bei im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen entfalle die Prüfung der Hilfebedürftigkeit, weil Personen mit Wohnort im Ausland nicht dem Schutze dieser Regelungen unterliegen würden. Die Entscheidung sei zweck- und sachgerecht. In Ausübung des Ermessens würde die Widerspruchsstelle keine Möglichkeit sehen, von der getroffenen Entscheidung abzuweichen. Bei dieser Erwägung sei berücksichtigt worden, dass die sachgerechte Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft Vorrang vor den persönlichen Interessen habe. Bei dieser Sach- und Rechtslage müssten die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Verhältnisse unberücksichtigt bleiben.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte hat ausgeführt, mit Bescheid vom 29. September 1990 sei eine Überzahlung in Höhe von umgerechnet 1.282,47 EUR festgestellt worden. Diese Überzahlung sei zu erstatten. Eine Aufrechnung dieser Forderung gegen die laufende Rente sei bis zu deren Hälfte zulässig. Mit Gerichtsbescheid des SG vom 29. November 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten Bezug genommen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, mit Bescheid vom 27. Juni 2005 sei ihm mitgeteilt worden, dass durch den Bescheid vom 29. September 1990, den er nicht erhalten habe, der Rentenbescheid vom 15. April 1985 aufgehoben worden sei, und dass er die Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehen sollte. Es sei ihm nach fünfzehnjährigem Rentenbezug mitgeteilt worden, dass bei ihm eine Überzahlung in Höhe von 2.509,30 DM festgestellt worden sei, weil er angeblich eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Die letzte Angabe sei falsch, weil er seit 1984 krank und unfähig zur Ausübung irgendwelcher Tätigkeiten gewesen sei. Im Übrigen hat er im Wesentlichen die Ausführungen im Widerspruchsverfahren erneut vorgetragen.
Auf Anfrage des Senats teilte der Kläger mit, er beziehe keine Sozialhilfe. Er fügte Rechnungen über den Bezug von Windeln, Urinbeuteln und Medikamenten über 138,33 Konvertible Mark (KM), 114,25 KM, 35,00 KM, 125,75 KM und 130,44 KM sowie einen Befundbericht des Krankenhauses M. aufgrund eines stationären Aufenthalts vom 4. März 2005 bis 2. April 2005, einen Befundbericht des Arztes für Familienmedizin Dr. M. vom 26. April 2007 sowie eine Bestätigung der Gemeinde S. vom 27. April 2007 bei. In der Bestätigung der Gemeinde S. heißt es, der Kläger sei schwer krank und nehme Medikamente ein, er beziehe keine Unterhaltsleistungen außer einer Rente aus Bosnien und Herzegowina in Höhe von 175 KM, er benötige Hilfe und Pflege eines Familienmitglieds und habe bis jetzt keine anderen Zuwendungen gemäß dem Sozialhilfegesetz in Anspruch genommen. Das Sozialamt S. teilte dem Senat mit, der Kläger werde nicht als Empfänger der Sozialhilfe oder anderen Hilfeleistungen geführt und gab die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfeleistungen bekannt. Danach könne eine fortdauernde finanzielle Hilfeleistung für Personen gewährt werden, die für eine eigenständige Erwerbstätigkeit nicht in der Lage seien, für Männer nach vollendetem 65. Lebensjahr und Frauen nach vollendetem 60. Lebensjahr, wobei der Anspruch vor dieser Altersgrenze durch ärztliche Befunde nachgewiesen werden müsse, sowie für Pflegebedürftige ohne Familienangehörige, die nach dem Familiengesetz Pflegeleistungen erbringen müssten. Das Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt dürfe den Betrag von 30,00 KM nicht übersteigen, damit jemand für die Hilfeleistung berechtigt sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. November 2006 aufzuheben sowie den Bescheid vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2005 abzuändern und ihm die Rente ohne eine Aufrechnung von monatlich 30,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Akten des SG und des Bayer. Landessozialgerichts sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt. Die Berufungsfrist beträgt bei einer Bekanntgabe im Ausland drei Monate (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Gerichtsbescheid wurde am 16. Januar 2007 zugestellt und die Berufung am 22. Februar 2007, also innerhalb von drei Monaten, eingelegt. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2005, mit dem die Beklagte eine Aufrechnung von monatlich 30,00 EUR vorgenommen hat. Mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2006 hat das SG nach vorheriger Anhörung gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat von der Rente des Klägers mit angefochtenem Bescheid zu Recht ab 1. August 2005 monatlich 30,00 EUR zur Tilgung einer Forderung der Beklagten einbehalten.
Der zuständige Leistungsträger kann mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs.2 SGB I).
Die Voraussetzungen der Aufrechnung liegen hier vor. Die Forderung der Beklagten in Höhe von 2.509,30 DM wurde mit Bescheid vom 29. September 1990 bestandskräftig festgestellt. Den gegen diesen Bescheid am 21. Dezember 1990 fristgerecht innerhalb von drei Monaten (§ 84 Abs.1 Satz 2 SGB X) erhobenen Widerspruch (Widerspruchschreiben vom 15. Dezember 1990) nahm der Kläger mit der schriftlichen Erklärung vom 24. April 1991, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 1991, zurück. Die Rücknahme bewirkte, dass der Widerspruch als nicht eingelegt gilt.
Die Forderung der Beklagten ist auch nicht deshalb nicht durchsetzbar, weil, wie der Kläger meint, zwischen diesem Bescheid und dem angefochtenen Bescheid vom 27. Mai 2005 ein Zeitraum von ca. 15 Jahren liegt. Die Beklagte hatte eine Zahlung zur Begleichung dieser Forderung in diesem Zeitraum nicht durchgesetzt, sondern gemäß § 42 SGB I in Verbindung mit § 76 Abs.3 SGB IV niedergeschlagen. Die Beklagte sah von einer weiteren Einbehaltung von Rentenleistungen ab, weil der Kläger eine Regressforderung mit einer monatlichen Aufrechnung von zuletzt monatlich 35,79 EUR tilgte. Eine Verjährung ist nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist bei einem unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt 30 Jahre beträgt (§ 52 Abs. 2 SGB X). Eine Verjährung ist auch nicht deshalb eingetreten, weil der Bescheid vom 29. September 1990 vor der Neufassung des § 52 SGB X durch Artikel 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2167) erging. Seit dieser Gesetzesänderung ist in § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII neben der Durchsetzung auch die Feststellung des Anspruchs aufgeführt. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine gesetzliche Klarstellung. Auch Festsetzungs- und Leistungsbescheide sowie Feststellungsbescheide, mit denen eine Leistung festgestellt bzw. festgesetzt wird, erfolgen zur Durchsetzung eines Anspruchs und führen zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren (Schroeder-Printzen-Engelmann, SGB X, 3. Aufl. § 52 Rndr.9; Hauck/Noftz-Freischmidt, SGB X, K § 52 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, 4. Aufl. § 53 Rdnr.19; P. Stelkens/Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rndr. 29; von Wulffen/Wiesner, SGB X, 5. Aufl., § 52 Rndr.9). Unerheblich ist hierbei die Antwort auf die Frage, ob der bestandskräftig gewordene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist (KassKomm-Krasney § 52 SGB X Rdnr. 10).
Die Niederschlagung erfolgt, wenn feststeht, dass die Einziehung von Einnahmen keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen (§§ 42 SGB I, § 76 Abs. 3 SGB IV). Eine Niederschlagung ist eine nur verwaltungsinterne Entscheidung, von der weiteren Verfolgung gegenüber dem Schuldner abzusehen, ohne auf den Anspruch als solchen zu verzichten, wobei von dem Schuldner eine Verzinsung oder eine Sicherheitsleistung nicht gefordert wird. Eine Niederschlagung kann hierbei vorübergehend oder auf Dauer erfolgen (KassKomm-Seewald § 42 SGB I Rdnr.31 m.w.N.). Die Beklagte hat durch verwaltungsinterne Entscheidungen die Durchsetzung der mit Bescheid vom 29. September 1990 geltend gemachten Forderung mit Rücksicht auf die zunächst abzugeltende Schadensersatzforderung immer wieder zurückgestellt. Als jeweils interne Entscheidungen bestand auch keine Verpflichtung der Beklagen, diese dem Kläger bekannt zu geben.
Die Behauptung des Klägers, erstmals im Berufungsschriftsatz vom 13. Februar 2007, er habe den Bescheid vom 29. September 1990 nicht erhalten, trifft nach den vorliegenden Unterlagen nicht zu. Im Widerspruchschreiben vom 15. Dezember 1990 wendete er sich ausdrücklich gegen den Bescheid vom 29. September 1990. Auch die Erklärung, diesen Widerspruch zurückzunehmen, bezieht sich ausdrücklich auf den Bescheid vom 29. September 1990.
Durch die monatliche Abzweigung von 30,00 EUR entsteht bei dem Kläger auch keine Sozialhilfebedürftigkeit, welche einer Aufrechnung durch die Beklagte entgegenstehen würde. § 51 Abs. 2 SGB I verweist bezüglich der Feststellung von Hilfebedürftigkeit auf die Vorschriften des SGB XII (Anspruch auf Sozialgeld) und SGB II (Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende). Diese Vorschriften können hier zwar nicht unmittelbar Anwendung finden, weil der Kläger seinen Aufenthaltsort nicht auf bundesdeutschem Gebiet hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat jedoch darauf hingewiesen, dass bei einer Aufrechnung mit einer aus deutschem Recht begründeten Forderung gegen einen Zahlungsanspruch aus deutschem Sozialversicherungsrecht keine Unterscheidung danach zu treffen ist, welcher Nationalität der Sozialleistungsberechtigte ist und ob er seinen Wohnsitz im In- oder Ausland hat. Danach ist ein Ausländer in Bezug auf den Vollstreckungsschutz genauso zu behandeln wie ein deutscher Staatsbürger. Nach Auffassung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, hat folglich der Sozialleistungsträger bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Aufrechnung oder Verrechnung zu prüfen, ob der Kläger dadurch hilfebedürftig wird (BSG SozR 3-1200 § 54 Nr.2). Umstände, die entsprechende Ermittlungen im Ausland oft erschweren, rechtfertigen es grundsätzlich nicht, von solchen Abstand zu nehmen. Anfragen hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch eines Versicherten auf Sozialhilfeleistungen sind an die zuständigen ausländischen Behörden zu richten, sofern sich aus den bekannten finanziellen Umständen und den vom Versicherungsträger zu erfragenden Angaben des Versicherten zum Lebensunterhalt entnehmen lässt, dass durch eine Aufrechnung bzw. Verrechnung eine Sozialhilfebedürftigkeit nach den im Ausland geltenden Vorschriften eingetreten ist oder eintreten könnte.
Hier ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger durch die erfolgte Aufrechnung im angefochtenen Bescheid in seiner Heimat eine Hilfebedürftigkeit droht. Der Kläger bezieht neben dem von der Beklagten gezahlten Rentenbetrag ab 1. August 2005 in Höhe von 46,38 EUR (76,38 EUR abzüglich 30,00 EUR) eine Rente des ausländischen Versicherungsträgers in Höhe von 175 KM. Ein EUR entspricht 1,96 KM (fixer Wechselkurs). Der Kläger verfügt somit über ein Einkommen von insgesamt 265,90 KM (46,38 EUR x 1,96 KM = 90,90 KM + 175 KM). Das für den Kläger zuständige Sozialamt S. teilte mit, unter bestimmten Voraussetzungen würden Sozialhilfeleistungen gewährt, sofern das Einkommen unter dem von der Regierung festgesetzten Grundbetrag in Höhe von 30 KM liegt. Hilfeleistungen werden erst gewährt, wenn das Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt den Betrag von 30 KM nicht übersteigt. Eine Hilfebedürftigkeit nach den hier maßgebenden ausländischen Vorschriften kann somit bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Im Übrigen haben sowohl das zuständige Sozialamt und der Kläger mitgeteilt, dass weder Sozialleistungen bezogen wurden noch beantragt worden sind. Ein Ermessensfehler, der zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten führen könnte, liegt nicht vor. Zwar enthält der Ausgangsbescheid keine Ausführungen zu angestellten Ermessenserwägungen. Der Begründung des Widerspruchsbescheids ist jedoch zu entnehmen, dass die Beklagte Gesichtspunkte erkennen ließ, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass ihr ein Ermessensspielraum zusteht und sie die Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft höher bewertet als die geltend gemachten persönlichem Interessen des Klägers. Im Übrigen hat die Beklagte die Anhörung gemäß § 24 SGB X ordnungsgemäß durchgeführt. Nach dem Vorbringen des Klägers im Zuge dieser Anhörung rechnete die Beklagte nicht mit dem angekündigten Betrag von 38,19 EUR, sondern mit monatlich 30,00 EUR auf.
Die Beklagte hat die Aufrechnung auch zutreffend in Form eines Verwaltungsakts erklärt. Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des 7., 10. und 13. Senats des BSG an (vgl. BSGE 64, 17; BSGE 53, 208 und BSG SozR 3-1200 § 52 Nr.3) und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Urteil vom 21. September 2005, Az.: L 13 R 4215/03). Die Ansicht des 4. Senats des BSG, die Aufrechnung- bzw. Verrechnungserklärung dürfe als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nicht im Wege eines Verwaltungsakts erfolgen (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1) und die in der Literatur unter Bezugnahe auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vertretene Auffassung, eine Aufrechnungserklärung sei als verwaltungsrechtliche Willenserklärung zu qualifizieren (KassKomm-Seewald § 51 SGB I Rdnr. 21; BVerwG 66, 218; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005, Az.: 2 B 2/05, in: Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 58) teilt der Senat nicht. Die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungserklärung greift mit dem kraft Gesetzes eintretenden Erlöschen der wechselseitigen Forderungen unmittelbar in die durch Verwaltungsakt begründete Rechtsstellung des Klägers ein, indem seine aus der Rentenbewilligung ohne weiteren Rechtsakt der Beklagten monatlich erwachsenden Zahlungsansprüche zum Erlöschen gebracht werden. In welchem Umfang die Beklagte eine anspruchsvernichtende Aufrechnung bzw. Verrechnung erklärt, obliegt indessen ihrer in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu treffenden Entscheidung. Der im Verhältnis zum Versicherten als Kann-Vorschrift im Sinne eines "Ermessens-Kann" ausgebildete § 51 SGB I verpflichtet die Beklagte nicht dazu, den gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Einzelfall auszuschöpfen. Soweit Gründe dafür sprechen, den Versicherten nicht bis zur Höchstgrenze (insbesondere bis zur Bedürftigkeit) zu belasten - z.B. weil die Gegenforderung aufgrund einer verzögerten Bearbeitung seitens des ermächtigenden Sozialleistungsträgers entstanden ist -, kann eine Aufrechnung bzw. Verrechnung unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen in Betracht kommen. Auf die danach im Einzelfall erforderliche pflichtgemäße Ausübung des Ermessens hat der Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht nur in Fällen der Leistungsbewilligung einen Rechtsanspruch, sondern auch bei Eingriffen in bestehende Ansprüche auf Leistungen unabhängig davon, ob der Eingriff das Stammrecht oder den Auszahlungsanspruch betrifft. Die Verlautbarung der Ermessensentscheidung stellt sich damit nicht als öffentlich-rechtliche Willenserklärung, sondern als hoheitliche Regelung über einen sozialrechtlichen Anspruch des Versicherten und somit als Verwaltungsakt dar. Diese Auffassung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte im Gegensatz zur rein zivilrechtlichen Aufrechnung bei Anwendung der §§ 51, 52 SGB I dafür Sorge zu tragen hat, die sozialen Rechte des Versicherten gemäß § 2 Abs. 2 SGB I möglichst weitgehend zu verwirklichen. Dieser Auffassung hat sich auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 8. Dezember 2005 (Az.: L 28 AL 209/04) angeschlossen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Frage, ob die Beklagte befugt war, die Aufrechnung im Wege eines Verwaltungsaktes zu erklären, keine einheitliche Rechtsprechung des BSG vorliegt und der Senat von der Rechtsprechung des 4. Senats (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1) abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, von der Regelaltersrente des Klägers einen monatlichen Betrag in Höhe von 30,00 EUR durch Aufrechnung einzubehalten.
Der 1930 geborene Kläger, wohnhaft in der Republik Bosnien-Herzegowina, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 18. August 1966 bis 14. November 1970 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. In seinen Heimatland hat er Versicherungszeiten vom 20. Oktober 1949 bis 20. Januar 1950, 4. Februar 1950 bis 15. August 1950 und 28. November 1970 bis 8. November 1984 zurückgelegt.
Auf den Antrag des Klägers vom 1. Juli 1984 gewährte ihm die Beklagte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis 31. Mai 1985 in Höhe von monatlich 95,50 DM (Bescheid vom 15. April 1985). Aufgrund einer Schadensersatzforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger aus der Versicherung des B. I. teilte die Beklagte dem Kläger mit, von der laufenden Rente monatlich 50,00 DM einbehalten zu wollen. Aus einem Aktenvermerk der Beklagten ergibt sich, dass B. I. von dem Kläger erschossen worden sei und der Kläger eine Gefängnisstrafe zu verbüßen gehabt habe. Die Schadensersatzforderung betrug am 25. September 1989 2.706,70 DM und erhöhte sich monatlich, ab April 1994 um circa 100,00 DM. Auf Anfrage der Beklagten übersandte der Kläger einen Katasterauszug, in dem er als Eigentümer von insgesamt 59.775 m² Grundfläche eingetragen ist. Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit, dieser sei selbständig erwerbstätig. Deshalb sei beabsichtigt, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 1984 in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umzuwandeln.
Mit Bescheid vom 29. September 1990, dem Kläger am 16. Oktober 1990 zugegangen, gewährte die Beklagte ab 1. Dezember 1984 anstelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, zahlte ab 1. Dezember 1990 monatlich 76,60 DM und stellte für den Zeitraum vom 1. Dezember 1984 bis 30. November 1990 einen Überzahlungsbetrag von insgesamt 2.509,30 DM fest, der zu erstatten sei. Alle für den Leistungsanspruch und die Gewährung der Leistung maßgebenden Änderungen der persönlichen Verhältnisse des Rentenberechtigten müssten mitgeteilt werden. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit stehe nicht zu, wenn eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Diese Rechtslage sei dem Kläger bekannt gewesen, dennoch habe er der Beklagten nicht mitgeteilt, dass er seit Rentenbeginn am 1. Dezember 1984 selbstständig erwerbstätig sei. Im Rahmen des zustehenden Ermessens und bei Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei nur die Entziehung der zu Unrecht gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente bei gleichzeitiger Neuanweisung einer Berufsunfähigkeitsrente möglich. Der Rückforderungsbetrag von 2.509,30 DM wurde im Hinblick auf die Schadensersatzforderung aus der Versicherung des B. I. vorläufig niedergeschlagen.
Mit Bescheid vom 29. November 1990 behielt die Beklagte von der Rente des Klägers ab 1. Februar 1991 monatlich 50,00 DM ein. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. Dezember 1990 Widerspruch ein und verwies auf eine Bescheinigung des Grundbuchamtes L. vom 22. November 1990. Er sei erwerbsunfähig und aus der beigelegten Bescheinigung sei ersichtlich, dass er keine Immobilien besitze. Außerdem übersandte er eine Bescheinigung der Gemeinde L. , wonach der Kläger keine selbständige Erwerbstätigkeit ausübe. Am 26. April 1991 nahm der Kläger den Widerspruch zurück und beantragte die Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er legte eine Bestätigung des Grundbuchamts L. vom 26. März 1991 vor, wonach er Grundstücke durch Schenkungsvertrag vom 13. November 1990 seinen Söhnen übertragen habe und er nicht mehr als Eigentümer eingetragen sei. Mit Bescheid vom 15. Juni 1992 gewährte daraufhin die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 21. Dezember 1990 anstelle der bisherigen Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 1990 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und errechnete einen monatlichen Zahlbetrag ab 1. August 1992 von 123,75 DM. Von der laufenden Zahlung behielt die Beklagte monatlich 70,00 DM ein.
Mit Bescheid vom 16. November 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger anstatt der bisherigen Rente ab 1. Januar 1996 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 135,13 DM, von der weiterhin monatlich 70,00 DM abgezweigt wurden. Mit am 30. September 1996 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben bat der Kläger um genaue Angaben, bis wann und um wie viel die Rente gekürzt werde. Laut seinen Unterlagen sei die Schadensersatzforderung in Höhe von 2.706,70 DM längst ausbezahlt. Die Beklagte entgegnete, die Forderung würde sich um monatlich circa 100,00 DM erhöhen. Zum 11. November 1996 hätte sie 4.744,50 DM betragen. Da monatlich von der Rente 70,00 DM einbehalten würden, die Forderung sich jedoch monatlich um 100,00 DM erhöhe, sei mit einer baldigen Tilgung nicht zu rechnen. Den Anpassungsmitteilungen ist jeweils der Verrechnungsbetrag von 70,00 DM bzw. 35,79 EUR zu entnehmen. Auf Anfrage des Klägers teilte ihm die Beklagte mit (Schreiben vom 26. Juni 2003), die Forderung betrage gegenwärtig noch 895,36 Euro und die Tilgung werde noch bis August 2005 andauern. Gleichzeitig wies die Beklagte auf die gemäß dem Bescheid vom 29. September 1990 bestehende Forderung in Höhe von 2.509,30 DM bzw. 1.282,98 EUR hin.
Mit Anhörungsschreiben vom 1. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei berechtigt, die mit Bescheid vom 29. September 1990 festgestellte Überzahlung gegen die laufende Rentenzahlung aufzurechnen. Es sei daher beabsichtigt, vom nächstmöglichen Zeitpunkt an von der laufenden Rente 38,19 EUR monatlich einzubehalten.
Die Ehefrau des Klägers übersandte daraufhin einen Befundbericht des Krankenhauses M. aufgrund eines Aufenthalts des Klägers vom 4. März 2005 bis 2. April 2005. Diesem Befundbericht sei zu entnehmen, dass es keine Grundlage für eine Rentenminderung geben würde. Ihr Ehemann sei bettlägerig, könne überhaupt nicht reden und habe zwei Hirnschläge gehabt.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, für die Zeit ab 1. August 2005 würden laufend monatlich 46,38 EUR bezahlt. Von der monatlichen Rente ab 1. August 2005 in Höhe von 76,38 EUR würden 30,00 EUR einbehalten. Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, er nehme seit längerer Zeit die Hilfe und Pflege seiner Frau und der Kinder in Anspruch, benötige Windeln und viel Geld für Medikamente. Er habe deshalb erwartet, dass die Rente erhöht würde. Er könne nicht glauben, dass jemandem nach 15 Jahren eingefallen sei, ihm sei die Rente überzahlt worden. Er verstehe nicht, dass der Betrag der überzahlten Rente nicht festgelegt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte sei berechtigt, zur Tilgung der noch bestehenden Restschuld aufgrund der mit Bescheid vom 29. September 1990 festgestellten Überzahlung einen Betrag in Höhe von monatlich 30,00 EUR von der Regelaltersrente einzubehalten. Ob und in welchem Umfang ein Rentenversicherungsträger aufrechnen wolle, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Den Leistungsträgern werde eine bevorzugte Stellung eingeräumt, indem der Aufrechnungsbetrag losgelöst von den Pfändungs- bzw. Pfändungsfreigrenzen bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung bestimmt werden könne. Durch die Einbehaltung trete bei dem Kläger keine Sozialhilfebedürftigkeit ein. Bei im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen entfalle die Prüfung der Hilfebedürftigkeit, weil Personen mit Wohnort im Ausland nicht dem Schutze dieser Regelungen unterliegen würden. Die Entscheidung sei zweck- und sachgerecht. In Ausübung des Ermessens würde die Widerspruchsstelle keine Möglichkeit sehen, von der getroffenen Entscheidung abzuweichen. Bei dieser Erwägung sei berücksichtigt worden, dass die sachgerechte Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft Vorrang vor den persönlichen Interessen habe. Bei dieser Sach- und Rechtslage müssten die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Verhältnisse unberücksichtigt bleiben.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte hat ausgeführt, mit Bescheid vom 29. September 1990 sei eine Überzahlung in Höhe von umgerechnet 1.282,47 EUR festgestellt worden. Diese Überzahlung sei zu erstatten. Eine Aufrechnung dieser Forderung gegen die laufende Rente sei bis zu deren Hälfte zulässig. Mit Gerichtsbescheid des SG vom 29. November 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten Bezug genommen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, mit Bescheid vom 27. Juni 2005 sei ihm mitgeteilt worden, dass durch den Bescheid vom 29. September 1990, den er nicht erhalten habe, der Rentenbescheid vom 15. April 1985 aufgehoben worden sei, und dass er die Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehen sollte. Es sei ihm nach fünfzehnjährigem Rentenbezug mitgeteilt worden, dass bei ihm eine Überzahlung in Höhe von 2.509,30 DM festgestellt worden sei, weil er angeblich eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Die letzte Angabe sei falsch, weil er seit 1984 krank und unfähig zur Ausübung irgendwelcher Tätigkeiten gewesen sei. Im Übrigen hat er im Wesentlichen die Ausführungen im Widerspruchsverfahren erneut vorgetragen.
Auf Anfrage des Senats teilte der Kläger mit, er beziehe keine Sozialhilfe. Er fügte Rechnungen über den Bezug von Windeln, Urinbeuteln und Medikamenten über 138,33 Konvertible Mark (KM), 114,25 KM, 35,00 KM, 125,75 KM und 130,44 KM sowie einen Befundbericht des Krankenhauses M. aufgrund eines stationären Aufenthalts vom 4. März 2005 bis 2. April 2005, einen Befundbericht des Arztes für Familienmedizin Dr. M. vom 26. April 2007 sowie eine Bestätigung der Gemeinde S. vom 27. April 2007 bei. In der Bestätigung der Gemeinde S. heißt es, der Kläger sei schwer krank und nehme Medikamente ein, er beziehe keine Unterhaltsleistungen außer einer Rente aus Bosnien und Herzegowina in Höhe von 175 KM, er benötige Hilfe und Pflege eines Familienmitglieds und habe bis jetzt keine anderen Zuwendungen gemäß dem Sozialhilfegesetz in Anspruch genommen. Das Sozialamt S. teilte dem Senat mit, der Kläger werde nicht als Empfänger der Sozialhilfe oder anderen Hilfeleistungen geführt und gab die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfeleistungen bekannt. Danach könne eine fortdauernde finanzielle Hilfeleistung für Personen gewährt werden, die für eine eigenständige Erwerbstätigkeit nicht in der Lage seien, für Männer nach vollendetem 65. Lebensjahr und Frauen nach vollendetem 60. Lebensjahr, wobei der Anspruch vor dieser Altersgrenze durch ärztliche Befunde nachgewiesen werden müsse, sowie für Pflegebedürftige ohne Familienangehörige, die nach dem Familiengesetz Pflegeleistungen erbringen müssten. Das Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt dürfe den Betrag von 30,00 KM nicht übersteigen, damit jemand für die Hilfeleistung berechtigt sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. November 2006 aufzuheben sowie den Bescheid vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2005 abzuändern und ihm die Rente ohne eine Aufrechnung von monatlich 30,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Akten des SG und des Bayer. Landessozialgerichts sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt. Die Berufungsfrist beträgt bei einer Bekanntgabe im Ausland drei Monate (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Gerichtsbescheid wurde am 16. Januar 2007 zugestellt und die Berufung am 22. Februar 2007, also innerhalb von drei Monaten, eingelegt. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2005, mit dem die Beklagte eine Aufrechnung von monatlich 30,00 EUR vorgenommen hat. Mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2006 hat das SG nach vorheriger Anhörung gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat von der Rente des Klägers mit angefochtenem Bescheid zu Recht ab 1. August 2005 monatlich 30,00 EUR zur Tilgung einer Forderung der Beklagten einbehalten.
Der zuständige Leistungsträger kann mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs.2 SGB I).
Die Voraussetzungen der Aufrechnung liegen hier vor. Die Forderung der Beklagten in Höhe von 2.509,30 DM wurde mit Bescheid vom 29. September 1990 bestandskräftig festgestellt. Den gegen diesen Bescheid am 21. Dezember 1990 fristgerecht innerhalb von drei Monaten (§ 84 Abs.1 Satz 2 SGB X) erhobenen Widerspruch (Widerspruchschreiben vom 15. Dezember 1990) nahm der Kläger mit der schriftlichen Erklärung vom 24. April 1991, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 1991, zurück. Die Rücknahme bewirkte, dass der Widerspruch als nicht eingelegt gilt.
Die Forderung der Beklagten ist auch nicht deshalb nicht durchsetzbar, weil, wie der Kläger meint, zwischen diesem Bescheid und dem angefochtenen Bescheid vom 27. Mai 2005 ein Zeitraum von ca. 15 Jahren liegt. Die Beklagte hatte eine Zahlung zur Begleichung dieser Forderung in diesem Zeitraum nicht durchgesetzt, sondern gemäß § 42 SGB I in Verbindung mit § 76 Abs.3 SGB IV niedergeschlagen. Die Beklagte sah von einer weiteren Einbehaltung von Rentenleistungen ab, weil der Kläger eine Regressforderung mit einer monatlichen Aufrechnung von zuletzt monatlich 35,79 EUR tilgte. Eine Verjährung ist nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist bei einem unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt 30 Jahre beträgt (§ 52 Abs. 2 SGB X). Eine Verjährung ist auch nicht deshalb eingetreten, weil der Bescheid vom 29. September 1990 vor der Neufassung des § 52 SGB X durch Artikel 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2167) erging. Seit dieser Gesetzesänderung ist in § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII neben der Durchsetzung auch die Feststellung des Anspruchs aufgeführt. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine gesetzliche Klarstellung. Auch Festsetzungs- und Leistungsbescheide sowie Feststellungsbescheide, mit denen eine Leistung festgestellt bzw. festgesetzt wird, erfolgen zur Durchsetzung eines Anspruchs und führen zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren (Schroeder-Printzen-Engelmann, SGB X, 3. Aufl. § 52 Rndr.9; Hauck/Noftz-Freischmidt, SGB X, K § 52 Rdnr. 6; Kopp, VwVfG, 4. Aufl. § 53 Rdnr.19; P. Stelkens/Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rndr. 29; von Wulffen/Wiesner, SGB X, 5. Aufl., § 52 Rndr.9). Unerheblich ist hierbei die Antwort auf die Frage, ob der bestandskräftig gewordene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist (KassKomm-Krasney § 52 SGB X Rdnr. 10).
Die Niederschlagung erfolgt, wenn feststeht, dass die Einziehung von Einnahmen keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen (§§ 42 SGB I, § 76 Abs. 3 SGB IV). Eine Niederschlagung ist eine nur verwaltungsinterne Entscheidung, von der weiteren Verfolgung gegenüber dem Schuldner abzusehen, ohne auf den Anspruch als solchen zu verzichten, wobei von dem Schuldner eine Verzinsung oder eine Sicherheitsleistung nicht gefordert wird. Eine Niederschlagung kann hierbei vorübergehend oder auf Dauer erfolgen (KassKomm-Seewald § 42 SGB I Rdnr.31 m.w.N.). Die Beklagte hat durch verwaltungsinterne Entscheidungen die Durchsetzung der mit Bescheid vom 29. September 1990 geltend gemachten Forderung mit Rücksicht auf die zunächst abzugeltende Schadensersatzforderung immer wieder zurückgestellt. Als jeweils interne Entscheidungen bestand auch keine Verpflichtung der Beklagen, diese dem Kläger bekannt zu geben.
Die Behauptung des Klägers, erstmals im Berufungsschriftsatz vom 13. Februar 2007, er habe den Bescheid vom 29. September 1990 nicht erhalten, trifft nach den vorliegenden Unterlagen nicht zu. Im Widerspruchschreiben vom 15. Dezember 1990 wendete er sich ausdrücklich gegen den Bescheid vom 29. September 1990. Auch die Erklärung, diesen Widerspruch zurückzunehmen, bezieht sich ausdrücklich auf den Bescheid vom 29. September 1990.
Durch die monatliche Abzweigung von 30,00 EUR entsteht bei dem Kläger auch keine Sozialhilfebedürftigkeit, welche einer Aufrechnung durch die Beklagte entgegenstehen würde. § 51 Abs. 2 SGB I verweist bezüglich der Feststellung von Hilfebedürftigkeit auf die Vorschriften des SGB XII (Anspruch auf Sozialgeld) und SGB II (Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende). Diese Vorschriften können hier zwar nicht unmittelbar Anwendung finden, weil der Kläger seinen Aufenthaltsort nicht auf bundesdeutschem Gebiet hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat jedoch darauf hingewiesen, dass bei einer Aufrechnung mit einer aus deutschem Recht begründeten Forderung gegen einen Zahlungsanspruch aus deutschem Sozialversicherungsrecht keine Unterscheidung danach zu treffen ist, welcher Nationalität der Sozialleistungsberechtigte ist und ob er seinen Wohnsitz im In- oder Ausland hat. Danach ist ein Ausländer in Bezug auf den Vollstreckungsschutz genauso zu behandeln wie ein deutscher Staatsbürger. Nach Auffassung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, hat folglich der Sozialleistungsträger bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Aufrechnung oder Verrechnung zu prüfen, ob der Kläger dadurch hilfebedürftig wird (BSG SozR 3-1200 § 54 Nr.2). Umstände, die entsprechende Ermittlungen im Ausland oft erschweren, rechtfertigen es grundsätzlich nicht, von solchen Abstand zu nehmen. Anfragen hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch eines Versicherten auf Sozialhilfeleistungen sind an die zuständigen ausländischen Behörden zu richten, sofern sich aus den bekannten finanziellen Umständen und den vom Versicherungsträger zu erfragenden Angaben des Versicherten zum Lebensunterhalt entnehmen lässt, dass durch eine Aufrechnung bzw. Verrechnung eine Sozialhilfebedürftigkeit nach den im Ausland geltenden Vorschriften eingetreten ist oder eintreten könnte.
Hier ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger durch die erfolgte Aufrechnung im angefochtenen Bescheid in seiner Heimat eine Hilfebedürftigkeit droht. Der Kläger bezieht neben dem von der Beklagten gezahlten Rentenbetrag ab 1. August 2005 in Höhe von 46,38 EUR (76,38 EUR abzüglich 30,00 EUR) eine Rente des ausländischen Versicherungsträgers in Höhe von 175 KM. Ein EUR entspricht 1,96 KM (fixer Wechselkurs). Der Kläger verfügt somit über ein Einkommen von insgesamt 265,90 KM (46,38 EUR x 1,96 KM = 90,90 KM + 175 KM). Das für den Kläger zuständige Sozialamt S. teilte mit, unter bestimmten Voraussetzungen würden Sozialhilfeleistungen gewährt, sofern das Einkommen unter dem von der Regierung festgesetzten Grundbetrag in Höhe von 30 KM liegt. Hilfeleistungen werden erst gewährt, wenn das Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt den Betrag von 30 KM nicht übersteigt. Eine Hilfebedürftigkeit nach den hier maßgebenden ausländischen Vorschriften kann somit bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Im Übrigen haben sowohl das zuständige Sozialamt und der Kläger mitgeteilt, dass weder Sozialleistungen bezogen wurden noch beantragt worden sind. Ein Ermessensfehler, der zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten führen könnte, liegt nicht vor. Zwar enthält der Ausgangsbescheid keine Ausführungen zu angestellten Ermessenserwägungen. Der Begründung des Widerspruchsbescheids ist jedoch zu entnehmen, dass die Beklagte Gesichtspunkte erkennen ließ, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass ihr ein Ermessensspielraum zusteht und sie die Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft höher bewertet als die geltend gemachten persönlichem Interessen des Klägers. Im Übrigen hat die Beklagte die Anhörung gemäß § 24 SGB X ordnungsgemäß durchgeführt. Nach dem Vorbringen des Klägers im Zuge dieser Anhörung rechnete die Beklagte nicht mit dem angekündigten Betrag von 38,19 EUR, sondern mit monatlich 30,00 EUR auf.
Die Beklagte hat die Aufrechnung auch zutreffend in Form eines Verwaltungsakts erklärt. Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des 7., 10. und 13. Senats des BSG an (vgl. BSGE 64, 17; BSGE 53, 208 und BSG SozR 3-1200 § 52 Nr.3) und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Urteil vom 21. September 2005, Az.: L 13 R 4215/03). Die Ansicht des 4. Senats des BSG, die Aufrechnung- bzw. Verrechnungserklärung dürfe als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nicht im Wege eines Verwaltungsakts erfolgen (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1) und die in der Literatur unter Bezugnahe auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vertretene Auffassung, eine Aufrechnungserklärung sei als verwaltungsrechtliche Willenserklärung zu qualifizieren (KassKomm-Seewald § 51 SGB I Rdnr. 21; BVerwG 66, 218; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005, Az.: 2 B 2/05, in: Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 58) teilt der Senat nicht. Die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungserklärung greift mit dem kraft Gesetzes eintretenden Erlöschen der wechselseitigen Forderungen unmittelbar in die durch Verwaltungsakt begründete Rechtsstellung des Klägers ein, indem seine aus der Rentenbewilligung ohne weiteren Rechtsakt der Beklagten monatlich erwachsenden Zahlungsansprüche zum Erlöschen gebracht werden. In welchem Umfang die Beklagte eine anspruchsvernichtende Aufrechnung bzw. Verrechnung erklärt, obliegt indessen ihrer in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu treffenden Entscheidung. Der im Verhältnis zum Versicherten als Kann-Vorschrift im Sinne eines "Ermessens-Kann" ausgebildete § 51 SGB I verpflichtet die Beklagte nicht dazu, den gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Einzelfall auszuschöpfen. Soweit Gründe dafür sprechen, den Versicherten nicht bis zur Höchstgrenze (insbesondere bis zur Bedürftigkeit) zu belasten - z.B. weil die Gegenforderung aufgrund einer verzögerten Bearbeitung seitens des ermächtigenden Sozialleistungsträgers entstanden ist -, kann eine Aufrechnung bzw. Verrechnung unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen in Betracht kommen. Auf die danach im Einzelfall erforderliche pflichtgemäße Ausübung des Ermessens hat der Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht nur in Fällen der Leistungsbewilligung einen Rechtsanspruch, sondern auch bei Eingriffen in bestehende Ansprüche auf Leistungen unabhängig davon, ob der Eingriff das Stammrecht oder den Auszahlungsanspruch betrifft. Die Verlautbarung der Ermessensentscheidung stellt sich damit nicht als öffentlich-rechtliche Willenserklärung, sondern als hoheitliche Regelung über einen sozialrechtlichen Anspruch des Versicherten und somit als Verwaltungsakt dar. Diese Auffassung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte im Gegensatz zur rein zivilrechtlichen Aufrechnung bei Anwendung der §§ 51, 52 SGB I dafür Sorge zu tragen hat, die sozialen Rechte des Versicherten gemäß § 2 Abs. 2 SGB I möglichst weitgehend zu verwirklichen. Dieser Auffassung hat sich auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 8. Dezember 2005 (Az.: L 28 AL 209/04) angeschlossen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Frage, ob die Beklagte befugt war, die Aufrechnung im Wege eines Verwaltungsaktes zu erklären, keine einheitliche Rechtsprechung des BSG vorliegt und der Senat von der Rechtsprechung des 4. Senats (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1) abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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