L 14 B 392/08 KG PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 4/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 B 392/08 KG PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 25. März 2008 wird zurückgewiesen.



Gründe:

I.
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Klageverfahren.
Der in Polen wohnhafte Kläger und Beschwerdeführer begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG), Az.: S 9 KG 4/08, die Zahlung von Kindergeld für die Zeit von Januar bis März 2006. Er war in diesem Zeitraum in Deutschland bei der Firma H.-Beton beschäftigt. Nach den vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen (Bescheinigung des Arbeitgebers vom 15. November 2006, Entgeltabrechnungen für Januar bis März 2006) und einem in den Akten der Beklagten befindlichen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2006 unterlag diese Beschäftigung nicht der Versicherungspflicht zur Bundesagentur für Arbeit (BA). Es wurden für den Kläger auch keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (oder einem anderen Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung) entrichtet.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 18. September 2006 auf Zahlung von Kindergeld mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) seien nicht erfüllt. Insbesondere habe im streitigen Zeitraum kein Versicherungsverhältnis zur BA bestanden und keine Versicherungsfreiheit nach § 28 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) vorgelegen (Bescheid vom 23. Januar 2007, Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2007).
Dagegen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. Januar 2008 beim SG Klage erhoben und beantragt, dem Kläger unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Kläger begehre die Gleichstellung mit vergleichbaren oberschlesischen Arbeitnehmern unter Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EGVO 1408/71) in Verbindung mit der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21 März 1972 (EGVO 574/72). Eine nähere Begründung ist nicht erfolgt.
Das SG hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (Beschluss vom 25. März 2008). Zwar habe es die Beklagte versäumt, gegenüber dem Kläger Ausführungen zur EGVO 1408/71 zu machen, doch bestehe auch nach dieser Verordnung kein Anspruch des Klägers, weil sie gemäß Art. 1a in Verbindung mit Anhang I. C. Buchstabe a EGVO 1408/71 im Bereich der Familienleistungen auf den Kläger nur Anwendung finden würde, wenn er im streitigen Zeitraum für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert gewesen wäre. Dies sei nicht der Fall, da für den Kläger keine Beiträge zur deutschen Sozialversicherung entrichtet worden seien. Daher bestehe weder nach innerstaatlichem noch nach zwischenstaatlichem Recht ein Anspruch auf Kindergeld.
Zur Begründung der am 24. April 2008 beim SG erhobenen Beschwerde haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Wesentlichen ausgeführt, die Versagung von Prozesskostenhilfe verletze den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), da der Ausgang des Klageverfahrens offen sei. Für einen Anspruch auf Kindergeld reiche es aus, dass die Beschäftigung des Klägers steuerpflichtig gewesen sei. Er sei ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet worden und habe daher wie seine Arbeitskollegen Anspruch auf Kindergeld. Hierzu werde beantragt, Verfahrensakten des Hessischen Finanzgerichts (Geschäftsnummer 3 K 1719/05) betreffend einen namentlich benannten Arbeitskollegen beizuziehen. Der Begründung waren eine Meldebescheinigung des Arbeitgebers vom 25. April 2006 (Anmeldung einer in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung beitragsfreien Beschäftigung des Klägers ab 23. Januar 2006, angegebene Einzugsstelle: Bundesknappschaft Minijob-Zentrale) und ein Schreiben des Hessischen Finanzgerichts vom 26. September 2006 zum Verfahren 3 K 1719/05 (betreffend den Arbeitnehmerstatus des dortigen Klägers) beigefügt.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 25. März 2008 aufzuheben, dem Kläger für das dortige Klageverfahren S 9 KG 4/08 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt M., B-Stadt, beizuordnen.
Die Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Einer Entscheidung des SG über die Frage der Abhilfe bedurfte es nicht, da aufgrund der Aufhebung des § 174 SGG zum 1. April 2008 bei Eingang der Beschwerde kein Abhilferecht des SG mehr bestand.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 25. März 2008 Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Die Voraussetzungen für den Bezug des beantragten Kindergeldes sind im streitigen Zeitraum bereits nach eigenem Sachvortrag des Klägers nicht erfüllt. Wie das SG zutreffend ausgeführt und der Kläger durch Vorlage eines Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2006 sowie einer Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 15. November 2006 selbst nachgewiesen hat, unterlag seine Beschäftigung bei der Firma H.-Beton (u.a.) nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, die - mangels Erfüllung anderer Tatbestandsalternativen des § 1 Abs. 1 BKGG - sowohl nach innerstaatlichem Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG) als auch nach EU-Recht (Art. 1a EGVO 1408/71 in Verbindung mit Anhang I. C. Buchst. a zur EGVO 1408/71) unverzichtbare Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach dem BKGG ist. Auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Meldung des Arbeitgebers an die Minijob-Zentrale bei der Bundesknappschaft bestätigt, dass die vom Kläger im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung wegen Geringfügigkeit (kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) keiner Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag.

Einer weiteren Beweisaufnahme bedarf es nicht. Insbesondere ist die beantragte Beiziehung von Akten des Hessischen Finanzgerichts, die einen Arbeitskollegen des Klägers betreffen und somit nur mit dessen ausdrücklichen Einverständnis beigezogen werden könnten, nicht erforderlich. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben schon nicht dargelegt, welche Gemeinsamkeiten zwischen diesen Verfahren vorliegen sollen. Dazu hätte jedoch Anlass bestanden, da schon der Rechtsweg zu den Finanzgerichten darauf hinweist, dass im dortigen Verfahren kein Anspruch gegen die C. nach dem BKGG, sondern ein Anspruch nach Abschnitt X Einkommensteuergesetz geltend gemacht wird. Beide Ansprüche unterliegen aber deutlich unterschiedlichen Voraussetzungen. So könnte - neben weiteren Voraussetzungen - eine unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers in Deutschland (vgl. § 62 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1-3 EStG) zwar einen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG begründen. Über einen solchen Anspruch hat die Beklagte aber nicht entschieden, da sich eine Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1-3 EStG nicht bereits aus dem erfolgten Lohnsteuerabzug ergibt und der Kläger trotz einer im Verwaltungsverfahren erfolgten Aufforderung bislang keine Bescheinigung des zuständigen Betriebsstättenfinanzamtes vorgelegt hat. Ein solcher Anspruch ist daher nicht Gegenstand des Klageverfahrens und wäre wegen der Rechtswegzuweisung an die Finanzgerichte auch nicht in einem sozialgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Andererseits würde eine solche Steuerpflicht einen Anspruch auf Kindergeld nach § 1 Abs. 1 BKGG, über den das SG zu entscheiden hat, ausdrücklich ausschließen. Zudem war nach dem vorgelegten Schreiben des Hessischen Finanzgerichts vom 26. September 2006 im dortigen Verfahren offenbar die Frage des Inlandbezuges (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Arbeitnehmereigenschaft) streitig, die beim Kläger nicht umstritten und wegen fehlender weiterer Anspruchsvoraussetzungen (Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung) für einen Anspruch nach § 1 BKGG auch nicht entscheidungserheblich ist.
Dafür, dass die nach Angaben des Klägers in Vollzeit ausgeübte Beschäftigung aufgrund ihres Umfangs und des 400 Euro monatlich überschreitenden Entgelts unter Umständen entgegen der Annahme des Arbeitgebers sozialversicherungspflichtig war, sind derzeit keine Anhaltspunkte ersichtlich. Eine Versicherungsfreiheit nach § 28 Nr. 1 SGB III oder ein anderer Tatbestand nach § 1 Abs. 1 BKGG lag beim Kläger im streitigen Zeitraum ersichtlich nicht vor und ist von ihm auch nicht geltend gemacht worden.
Da die Prüfung der Erfolgsaussichten keine schwierigen Rechtsfragen umfasst und keine durch Beweisaufnahme zu klärenden Tatsachenfragen vorliegen, steht die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozesskostenhilfe der Ablehnung der Prozesskostenhilfe hier nicht entgegen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).




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