L 11 B 166/08 SO PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 129/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 166/08 SO PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.09.2007 im Verfahren wird aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
II. Dem Kläger wird Rechtsanwalt Dr.B., A-Stadt, beigeordnet.



Gründe:


Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG). Dort wendet er sich gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten einer Erstausstattung nach § 31 SGB XII.
Der Kläger bezog von dem Beklagten Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Grundsicherungsgesetz - (GSiG), zuletzt mit Bescheid vom 18.08.2004. Mit Bescheid vom 13.01.2005 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 01.01.2005 nach dem SGB XII.

Der Kläger bewohnte aufgrund eines Wohnungsmietvertrages mit seiner Schwester E. A.-H. vom 01.12.2003 Räume in D. in S ... Nach dem Mietvertrag wurde die Wohnung nur zum vorübergehenden Gebrauch durch den Mieter gemietet, nämlich bis zum Bezug einer eigenen Wohnung. Mit weiterem Wohnungsmietvertrag vom 21.04.2004 wurde betreffend derselben Räumlichkeiten mit der Schwester des Klägers ein Dauermietvertrag abgeschlossen. Mit Bescheid vom 17.08.2004 erhielt der Kläger für die Wohnung ein monatliches Wohngeld (Mietzuschuss) in Höhe von 78,00 EUR.

Am 17.01.2005 erschien der Kläger bei dem Beklagten und erklärte bei der Sozialhilfeverwaltung, dass er zum 01.02.2005 in die Stadt A-Stadt ziehen und dort neue Leistungen beantragen würde.

Am 15.04.2005 beantragte er bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für die Erstausstattung einer Wohnung in der A-Straße in A-Stadt und legte hierzu Rechnungen vor.

Mit Bescheid vom 19.04.2005 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die Erstausstattung der Wohnung des Klägers ab. Gemäß § 98 SGB XII sei für Leistungen der Grundsicherung derjenige Träger zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers liege. Zwar sei normalerweise für die Übernahme der Erstausstattung der "abgebende" Sozialhilfeträger zuständig. Diese Kosten seien jedoch erst am 15.04.2005 beantragt worden, obwohl der Umzug bereits am 01.02.2005 erfolgt sei. Bei der Antragstellung habe der Kläger also seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Landkreis A-Stadt gehabt, dieser sei somit für die Hilfegewährung nicht zuständig. Bei der Antragstellung am 15.04.2005 habe der Bedarf "Wohnungserstausstattung" nicht mehr bestanden, da der Kläger diesen selbst gedeckt habe. Der Umzug sei aus sozialhilferechtlicher Sicht zudem nicht notwendig gewesen. Der Auszug aus der Wohnung sei vom Kläger erfolgt, da dessen Schwester das Haus verkaufen wolle und der Verkauf lt. persönlicher Aussage der Schwester "mit einem Mieter" schwerer gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 17.05.2005 Widerspruch eingelegt. Er sei davon ausgegangen, dass es genüge, einen entsprechenden Zahlungsnachweis der gekauften Erstausstattung einzureichen. Bei der Abmeldung am 17.01.2005 habe es der Beklagte unterlassen, ihm mitzuteilen, dass er einen Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung habe. Der Umzug nach A-Stadt sei notwendig gewesen. Der Umzug von M. nach D. sollte nur vorübergehend sein, bis eine kostengünstige Wohnung gefunden werden würde. Die Wohnung in D. sei ca. 4 km vom nächsten Ort S. entfernt. Für die Grundversorgung sowie für die ärztliche Behandlung und Überwachung der Zuckerkrankheit des Klägers hätten somit immer Reisen unternommen werden müssen.

Den Widerspruch wies die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2006 zurück. Es könne letztlich dahinstehen, ob der Umzug aus sozialhilferechtlicher Sicht notwendig gewesen sei. Der Kläger, der seit 01.02.2005 in einer Wohnung im Stadtgebiet der Stadt A-Stadt wohnt, hätte zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15.04.2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt A-Stadt gehabt, so dass der Beklagte für die im April beantragte Hilfegewährung nicht mehr zuständig sei. Der Beklagte habe daher zu Recht den Antrag des Klägers bereits wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit abgelehnt. Der Antrag sei auch abzulehnen, da er dem "Bedarfsdeckungsgrundsatz" und dem Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" widerspräche. Der Kläger sei durch das am 29.09.2004 zugesandte Schreiben und dem beigegebenen Merkblatt hinreichend informiert gewesen; bei etwaigen Unklarheiten wäre es Sache des Klägers gewesen, nachzufragen.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 21.09.2006 Klage erhoben und die Übernahme der Kosten für die Erstausstattung beantragt. Darüber hinaus ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden.

Der Kläger sei am 17.01.2005 bei dem Beklagten vorstellig gewesen, ohne dass eine entsprechende Auskunftserteilung durch den Beklagten erfolgt sei. Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei der Beklagte somit verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Der Umzug sei notwendig gewesen, da die Wohnung geräumt werden musste, und zwar sowohl zum Zwecke des Verkaufs (Eigenbedarfskündigung) als auch aus der gesundheitlichen Situation des Klägers heraus, die die weite Entfernung der Wohnung von ärztlicher Versorgung etc. nicht mehr zugelassen hätte. Im Eigentum des Klägers hätten sich nur einige Kleinmöbel befunden, darunter auch ein Schlafzimmer. Weitergehende Wohnungseinrichtung hätte nicht existiert.

Mit Beschluss vom 28.09.2007 hat das SG D-Stadt die Gewährung von PKH sowie die Beiordnung von Dr.B. abgelehnt. Die Klage habe bei summarischer Prüfung wegen fehlender Passivlegitimation keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger habe die Erstausstattung erst nach dem Umzug in den Bereich eines anderen Sozialleistungsträgers beim Beklagten beantragt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte nicht mehr nach § 98 SGB XII für die Gewährung dieser Leistung örtlich zuständig gewesen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, denn eine Verpflichtung einer Behörde, von Amts wegen aus Anlass einer Vorsprache über sämtliche theoretisch möglichen Ansprüche zu informieren, gebe es nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 29.10.2007 Beschwerde eingelegt. Dass er einer Erstausstattung bedurft hätte, läge auf der Hand. Zur Beratungspflicht des Beklagten hätte es auch gehört, den Kläger entsprechend zu informieren, dies gelte insbesondere im Hinblick auf komplizierte Zuständigkeitsregelungen hinsichtlich der Erstausstattung und der Umzugskosten, der Kautionszahlung etc.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Akten des Beklagten, der Stadt A-Stadt sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, § 174 SGG (in der bis 31.03.2008 maßgeblichen Fassung). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Nach § 73a Abs 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH eine Partei (im sozialgerichtlichen Verfahren: Beteiligter), die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussichten aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 73a Rdnr 7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Allerdings müssen dabei letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden (vgl. Düring in Jansen, Kommentar zum SGG, 1.Aufl, § 73a Rdnr 7).

Vorliegend bestehen hinreichende Erfolgsaussichten. Der Kläger macht nach § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII einen einmaligen Bedarf für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten geltend. Die Erfüllung dieses Bedarfs setzt im Gegensatz zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten nach § 29 Abs 1 Satz 7 SGB XII keine vorherige Zustimmung des Beklagten voraus. Es erscheint somit bei summarischer Prüfung nicht zwingend erforderlich, dass der Kläger vor dem Umzug oder dem Ankauf der Möbel einen Antrag bei dem Beklagten stellt.

Wie auch der Beklagte ausführt, ist für die Übernahme der Erstausstattung der "abgebende" Sozialhilfeträger zuständig, da die Kosten der Erstausstattung normalerweise vor dem Einzug in die neue Wohnung anfallen und daher der gewöhnliche Aufenthalt bei Antragstellung auch noch beim abgebenden Sozialhilfeträger ist.

Hieran ändert im vorliegenden Fall nichts, dass der Kläger den Antrag erst am 15.04.2005, somit erst zu einem Zeitpunkt gestellt hat, zu welchem grundsätzlich die Zuständigkeit der Stadt A-Stadt gegeben war.

Der Kläger hat am 17.01.2005 bei seiner persönlicher Vorsprache bei dem Beklagten mitgeteilt, dass er zum 01.02.2005 nach A-Stadt umziehen und dort neue Leistungen beantragen werde.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass sich ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergeben kann. Die in den §§ 14, 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger setzen im Regelfall ein Beratungs- und Auskunftsersuchen des Betroffenen voraus. Dieses ist der Niederschrift nicht zu entnehmen. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass anlässlich dieser konkreten Sachbearbeitung des Mitarbeiters des Beklagten eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit vorlag, die ein verständiger Versicherter wahrgenommen hätte, wenn sie ihm bekannt gewesen wäre (vgl. insoweit BSG SozR 3-2600, § 115 Nr 2,4 mwN). Möglicherweise hätte es sich im Rahmen dieser persönlichen Vorsprache aufgedrängt, den Kläger als Hilfeempfänger hinsichtlich der Erforderlichkeit von Anträgen bzw. der rechtlichen Handhabung bei einem Umzug zu beraten. Ob das im September 2004 ausgehändigte Merkblatt hierzu hinreichende Hinweise enthielt, ist ungeklärt.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es bei den von dem Kläger gekauften Gegenständen um eine Wohnungserstausstattung nach § 31 SGB XII handelt. Die Notwendigkeit einer Erstausstattung kommt immer dann in Betracht, wenn die nachfragende Person aus welchen Gründen auch immer über keine entsprechenden Gegenstände verfügt (vgl. insoweit Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2.Aufl 2008, § 31 Rdnr 6). Der Begriff der Erstausstattung ist nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu sehen, so dass dazu alle auf die Wohnung bezogenen Erstausstattungsgegenstände und Geräte zählen, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind, vgl. Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 8.Aufl 2007, § 31 Rdnr 4.

Auch nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers sind die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH ohne Ratenzahlung gegeben, da der Kläger Leistungen nach dem SGB XII bezieht. Der Kläger verfügt nach seinen Angaben weder über Einkommen noch Vermögen, das er in zumutbarer Weise verwerten könnte, um die Kosten des Prozesses aufzubringen, so dass Ratenzahlungen nicht zu leisten sind.

Ist die Vertretung durch Anwälte, wie im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, so wird dem Beteiligten auf dessen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch ein Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 202 SGG i.V.m. § 121 Abs 2 ZPO.

Der Senat hält im vorliegenden Fall die Beiordnung eines Rechtsanwalts für erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO, weil neben den tatsächlichen Umständen rechtliche Fragen zu klären sein werden, die einen juristischen Laien regelmäßig überfordern können. Insofern erscheint die Beratung durch einen rechtskundigen Vertreter und dessen Beiordnung notwendig, um den Kläger in die Lage zu versetzen, die Möglichkeiten und Chancen des Prozesses, unabhängig von der Beratung durch das Gericht, abzuschätzen.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG, und ergeht kostenfrei.

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Rechtskraft
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