Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 27 R 1942/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 413/08 R PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. März 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitgegenstand des beim Sozialgericht München anhängigen Rechtsstreits ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 107.973,27 EUR zuzüglich 38.134,69 EUR Säumniszuschläge für Arbeitnehmer, die im Zeitraum von August 2000 bis Dezember 2002 für die Firma A. I. in der Bundesrepublik beschäftigt waren. Die Zahl der Arbeitnehmer lag zwischen 3 und 32. Nach den Ermittlungen des Amtsgerichts A-Stadt im Urteil vom 24.11.2003 hatte der Vater des Klägers unter der Bezeichnung A. I. in der Türkei eine Firma gegründet. Gleichzeitig wurde unter dem gleichen Namen eine Zweigniederlassung in Deutschland mit Sitz in A-Stadt gegründet und ins Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt eingetragen. Für diesen Betrieb hatte der Kläger Einzelprokura. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts R. und dem darauf folgenden Strafurteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 24.11.2003 gegen den Kläger wurde dieser verurteilt, in 26 Fällen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung vorenthalten zu haben. Er wurde deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht A-Stadt I das Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei nahm das Landgericht A-Stadt I darauf Bezug, dass der dortige Angeklagte und nunmehrige Kläger ein Geständnis abgelegt hat.
Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München greift der Kläger nun die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge an und trägt vor, die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer seien entweder Arbeitnehmer der Fa.M. Bau-GmbH oder entsandte Arbeitnehmer der Fa.A. I./Türkei gewesen. Hilfsweise werde auch die Höhe der Forderung angegriffen. Die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.03.2008 abgelehnt mit der Begründung, es fehle der Klage an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. In der Türkei habe nach den Feststellungen kein entsendefähiger Betrieb existiert, da die wirtschaftlich inaktive Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllt habe und die beschäftigten Arbeitnehmer im deutschen Betrieb eingegliedert waren, den dortigen deutschen Weisungen unterworfen waren und lediglich projektbezogen in Deutschland eingestellt wurden. Dabei nahm das Sozialgericht auf den sehr ausführlichen Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes R. Bezug, ebenso wie auf die Gründe des Urteils des Amtsgerichts. Es führte weiter aus, dass zwar die strafrechtliche Verurteilung weder eine Beweislastumkehr noch Bindungswirkung entfalte, aber die Tatbestandsvoraussetzungen seien vom Kläger eingestanden, sodass die Kammer keine Veranlassung sehe, die umfangreichen Erkenntnisse und Unterlagen der Ermittlungsbehörde und Strafgerichte nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Da der Kläger als weisungsbefugter Einzelprokurist der Firma rechtskräftig verurteilt sei wegen des Verstoßes gegen eine Schutzvorschrift i.S. des § 823 Abs.2 BGB hafte er im Wege der Durchgriffshaftung für die Verbindlichkeiten der Firma, wobei bedingter Vorsatz genüge.
Mit der Beschwerde vom 24.04.2008 rügt der Klägerbevollmächtigte die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und trägt vor, dass der Kläger im Strafverfahren nur auf Anraten seines Verteidigers das Geständnis abgelegt habe. Da er erst seit 1993 in Deutschland lebe und nur unzureichende Deutschkenntnisse habe, seien ihm die Konsequenzen der vorzunehmenden Beschränkung nicht bewusst gewesen. An der Rechtmäßigkeit seines Handelns als Prokurist der Fa.A. I. habe er zu keinem Zeitpunkt Zweifel gehabt. Im Übrigen trägt der Klägerbevollmächtigte vor, das Sozialgericht habe zu prüfen inwieweit internationales Recht einer Inanspruchnahme des Klägers entgegenstehe.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 172 SGG), erweist sich jedoch als unbegründet. Nach § 73 a Abs.1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen zur Gewährung der Prozesskostenhilfe liegen, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, nicht vor, da die hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage nicht erkennbar ist. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Türkei kein entsendefähiger Betrieb existiert hat, da die inaktive Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die auch im Strafverfahren vom Kläger weder angegriffenen noch widerlegten Ermittlungen des Hauptzollamtes haben ergeben, dass die Weisungen der Arbeitnehmer ausschließlich im Inland erfolgten und die Arbeitnehmer in den deutschen Betrieb eingegliedert waren. Alle nötigen Verwaltungstätigkeiten der Fa.A. I. wurden von A-Stadt aus gesteuert und zwar vom Kläger. Damit lag der Mittelpunkt des Geschäftes in A-Stadt, sodass auf die Beschäftigungsverhältnisse deutsches Recht anzuwenden ist und die Voraussetzungen für eine Einstrahlung des türkischen Rechts nicht gegeben sind (§ 5 SGB IV sowie Art.5, Art.6 Abs.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit). Falls Beiträge nach türkischem Recht abgeführt wurden, bleibt dies für die Sozialversicherungspflicht der im Inland Beschäftigten nach deutschem Recht ohne Belang. Auch europäische Rechtsvorschriften stehen im Hinblick auf die Nichtmitgliedschaft der Türkei der Anwendung deutschen Rechts nicht entgegen (§ 6 SGB IV). Somit verbleibt es bei der Anwendung deutschen Rechts nach den Vorschriften über den Beschäftigungsort (§ 9 SGB IV).
Soweit hilfsweise vorgetragen wird, im Hauptsacheverfahren werde die Höhe der Forderung bestritten, so ist das unsubstantiiert, sodass nicht absehbar ist, ob das Sozialgericht diesbezüglich eine Beweiserhebung durchzuführen haben wird. Damit ist aber zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Gewährung der Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht zu bejahen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitgegenstand des beim Sozialgericht München anhängigen Rechtsstreits ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 107.973,27 EUR zuzüglich 38.134,69 EUR Säumniszuschläge für Arbeitnehmer, die im Zeitraum von August 2000 bis Dezember 2002 für die Firma A. I. in der Bundesrepublik beschäftigt waren. Die Zahl der Arbeitnehmer lag zwischen 3 und 32. Nach den Ermittlungen des Amtsgerichts A-Stadt im Urteil vom 24.11.2003 hatte der Vater des Klägers unter der Bezeichnung A. I. in der Türkei eine Firma gegründet. Gleichzeitig wurde unter dem gleichen Namen eine Zweigniederlassung in Deutschland mit Sitz in A-Stadt gegründet und ins Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt eingetragen. Für diesen Betrieb hatte der Kläger Einzelprokura. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts R. und dem darauf folgenden Strafurteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 24.11.2003 gegen den Kläger wurde dieser verurteilt, in 26 Fällen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung vorenthalten zu haben. Er wurde deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht A-Stadt I das Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei nahm das Landgericht A-Stadt I darauf Bezug, dass der dortige Angeklagte und nunmehrige Kläger ein Geständnis abgelegt hat.
Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München greift der Kläger nun die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge an und trägt vor, die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer seien entweder Arbeitnehmer der Fa.M. Bau-GmbH oder entsandte Arbeitnehmer der Fa.A. I./Türkei gewesen. Hilfsweise werde auch die Höhe der Forderung angegriffen. Die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.03.2008 abgelehnt mit der Begründung, es fehle der Klage an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. In der Türkei habe nach den Feststellungen kein entsendefähiger Betrieb existiert, da die wirtschaftlich inaktive Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllt habe und die beschäftigten Arbeitnehmer im deutschen Betrieb eingegliedert waren, den dortigen deutschen Weisungen unterworfen waren und lediglich projektbezogen in Deutschland eingestellt wurden. Dabei nahm das Sozialgericht auf den sehr ausführlichen Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes R. Bezug, ebenso wie auf die Gründe des Urteils des Amtsgerichts. Es führte weiter aus, dass zwar die strafrechtliche Verurteilung weder eine Beweislastumkehr noch Bindungswirkung entfalte, aber die Tatbestandsvoraussetzungen seien vom Kläger eingestanden, sodass die Kammer keine Veranlassung sehe, die umfangreichen Erkenntnisse und Unterlagen der Ermittlungsbehörde und Strafgerichte nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Da der Kläger als weisungsbefugter Einzelprokurist der Firma rechtskräftig verurteilt sei wegen des Verstoßes gegen eine Schutzvorschrift i.S. des § 823 Abs.2 BGB hafte er im Wege der Durchgriffshaftung für die Verbindlichkeiten der Firma, wobei bedingter Vorsatz genüge.
Mit der Beschwerde vom 24.04.2008 rügt der Klägerbevollmächtigte die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und trägt vor, dass der Kläger im Strafverfahren nur auf Anraten seines Verteidigers das Geständnis abgelegt habe. Da er erst seit 1993 in Deutschland lebe und nur unzureichende Deutschkenntnisse habe, seien ihm die Konsequenzen der vorzunehmenden Beschränkung nicht bewusst gewesen. An der Rechtmäßigkeit seines Handelns als Prokurist der Fa.A. I. habe er zu keinem Zeitpunkt Zweifel gehabt. Im Übrigen trägt der Klägerbevollmächtigte vor, das Sozialgericht habe zu prüfen inwieweit internationales Recht einer Inanspruchnahme des Klägers entgegenstehe.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 172 SGG), erweist sich jedoch als unbegründet. Nach § 73 a Abs.1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen zur Gewährung der Prozesskostenhilfe liegen, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, nicht vor, da die hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage nicht erkennbar ist. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Türkei kein entsendefähiger Betrieb existiert hat, da die inaktive Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die auch im Strafverfahren vom Kläger weder angegriffenen noch widerlegten Ermittlungen des Hauptzollamtes haben ergeben, dass die Weisungen der Arbeitnehmer ausschließlich im Inland erfolgten und die Arbeitnehmer in den deutschen Betrieb eingegliedert waren. Alle nötigen Verwaltungstätigkeiten der Fa.A. I. wurden von A-Stadt aus gesteuert und zwar vom Kläger. Damit lag der Mittelpunkt des Geschäftes in A-Stadt, sodass auf die Beschäftigungsverhältnisse deutsches Recht anzuwenden ist und die Voraussetzungen für eine Einstrahlung des türkischen Rechts nicht gegeben sind (§ 5 SGB IV sowie Art.5, Art.6 Abs.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit). Falls Beiträge nach türkischem Recht abgeführt wurden, bleibt dies für die Sozialversicherungspflicht der im Inland Beschäftigten nach deutschem Recht ohne Belang. Auch europäische Rechtsvorschriften stehen im Hinblick auf die Nichtmitgliedschaft der Türkei der Anwendung deutschen Rechts nicht entgegen (§ 6 SGB IV). Somit verbleibt es bei der Anwendung deutschen Rechts nach den Vorschriften über den Beschäftigungsort (§ 9 SGB IV).
Soweit hilfsweise vorgetragen wird, im Hauptsacheverfahren werde die Höhe der Forderung bestritten, so ist das unsubstantiiert, sodass nicht absehbar ist, ob das Sozialgericht diesbezüglich eine Beweiserhebung durchzuführen haben wird. Damit ist aber zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Gewährung der Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht zu bejahen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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