Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SF 160/10 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 69/11 B E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Rechtsanwaltsvergütung gem. § 45 ff. RVG
Im Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV RVG fällt eine Terminsgebühr nicht an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG ist nicht analog anwendbar.
Im Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV RVG fällt eine Terminsgebühr nicht an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG ist nicht analog anwendbar.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth
vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach seiner Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer in entsprechender Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG eine Terminsgebühr zusteht.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth ging es um Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Abweisung der Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2008 ging der Kläger in Berufung. Für das sozialgerichtliche Verfahren wie auch für das Berufungsverfahren wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt samt Beiordnung des Beschwerdeführers (Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.12.2006, S 11 R 316/06; Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 06.04.2009, L 20 R 501/08). Der Rechtsstreit endete durch außergerichtlichen Vergleich. Der Kläger nahm das schriftliche Vergleichsangebot der Beklagten, Rente wegen Erwerbsminderung vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2012 zu gewähren, mit Fax vom 02.09.2010 an. Die Übernahme außergerichtlicher Kosten hatte die Beklagte abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 09.09.2010 stellte der Beschwerdeführer Kostenerstattungsantrag für Prozesskostenhilfe. Er forderte für das Berufungsverfahren die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß Nr. 3204 VV RVG mit 310 Euro, die Terminsgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß Nr. 3205 VV RVG mit 200 Euro und die Erledigungsgebühr gemäß Nrn. 1006, 1005 VV RVG mit 190 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro: netto 720 Euro, zzgl. 19 % MWSt 136,80). In der Summe machte er 865,80 Euro geltend. Erhalten hatte er schon einen Vorschuss in Höhe von 392,70 Euro. Mit Schriftsatz vom 15.10.2010 modifizierte der Beschwerdeführer seinen Kostenerstattungsantrag insoweit, als er für die Einigungsgebühr gemäß Nrn. 1007, 1005 VV RVG 250 Euro forderte.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kostenbeamtin) setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten am 25.10.2010 wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG 310,00 Euro
Einigungsgebühr, Nr. 1007 VV RVG 250,00 Euro
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
580,00 Euro
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 110,20 Euro
690,20 Euro
abzüglich Vorschuss 392,70 Euro
somit verbleibende Prozesskostenhilfe 297,50 Euro
Die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr hätten, so die Kostenbeamtin, jeweils in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt werden können. Die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG müsse allerdings abgelehnt werden. Das Verfahren habe durch schriftlichen Vergleich geendet. Demnach stehe die Terminsgebühr schon dem Grund nach nicht zu, weil durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts keine der in Nr. 3106 VV RVG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt sei.
Zur Begründung der gegen die Kostenfestsetzung am 28.10.2010 eingelegten Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Terminsgebühr angefallen sei. Die Voraussetzungen nach Nr. 3104 VV RVG seien gegeben. Es liege ein schriftlicher Vergleich vor; das ergebe sich aus den Vereinbarungen der Parteien. Gegenseitiges Nachgeben läge sicherlich vor, denn der Kläger habe zum Beispiel auf Kostenerstattungsansprüche verzichtet. Der Vergleich sei auch wirksam geschlossen worden, und zwar in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang der zuständigen Kostenrichterin vorgelegt.
Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 24.02.2011 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Die Tatbestände der Nr. 3106 VV RVG seien nicht gegeben. Weil keine dieser Tatbestandsgruppen vorgelegen hätten, habe das Bayer. Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 22.06.2007 (L 15 B 200/07 P KO) die Festsetzung einer Terminsgebühr abgelehnt und ausgeführt, dass ein (auch schriftlicher) verfahrensbeendender Vergleich eine Terminsgebühr nicht auslöse, sondern eine Einigungsgebühr. Eine Einigungsgebühr sei bei der Kostenfestsetzung des Beschwerdeführers unstreitig berücksichtigt. Für einunddieselbe anwaltliche Tätigkeit könne aber nur jeweils eine Gebühr anfallen. Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 01.03.2011 zugestellt worden.
Der Beschwerdeführer hat am 10.03.2011 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth aufzuheben und die Terminsgebühr wie beantragt zuzuerkennen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Anerkennung der Terminsgebühr im Fall einer schriftlichen Einigung streitig sei. Der Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von Gerold/Schmidt vertrete die Auffassung, dass eine Terminsgebühr auch dann anfalle, wenn eine schriftliche Einigung vorliege (Rn. 8 zu Nr. 3106 VV RVG). Es sei kein Grund ersichtlich, warum im sozialgerichtlichen Verfahren ein schriftlicher Vergleich eine Terminsgebühr auslöst, wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, nicht aber bei Betragsrahmengebühren. Sinn und Zweck dieser Terminsgebühr sei, die Einigung ohne mündliche Verhandlung zu fördern. Es könne bei Betragsrahmengebühren nichts Anderes gelten. Allerdings sei diese Auffassung in der Rechtsprechung nicht unumstritten. Der guten Ordnung halber sei auf die Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts zum Az. L 15 B 200/07 P KO hingewiesen. Er, der Beschwerdeführer, vertrete aber die Meinung, dass eine nachvollziehbare Begründung für die Auffassung, die Terminsgebühr würde nicht anfallen, nicht ersichtlich sei.
Der Beschwerdegegner hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Bei der Festsetzung am 24.02.2011 sei zutreffend davon ausgegangen worden, dass keine Gebühr nach Nr. 3205 i.V.m. Nr. 3106 VV RVG angefallen sei. Wenn wie hier das Verfahren in der Hauptsache durch den Abschluss eines Vergleichs seine Beendigung gefunden habe, falle keine Terminsgebühr an, da keiner der in Nr. 3106 VV RVG aufgeführten Fälle vorliege. Die zum 01.07.2004 eingeführten Neuregelungen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes sollten zwar auch die außergerichtlichen Einigungen fördern, zu bedenken sei aber, dass der Abschluss eines Vergleichs während eines Gerichtsverfahrens mit einer Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG abgegolten werde. Der Gebührentatbestand der Nr. 3104 VV RVG sei in einem Fall wie hier auch nicht analog heranzuziehen. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass ein Versehen des Gesetzgebers vorliege. Der Gesetzgeber sei allerdings mittlerweile mehrfach tätig geworden, ohne dass eine Änderung der Nr. 3106 VV RVG erfolgt wäre. Aus diesem Grunde werde in der Literatur auch die Forderung nach einer Korrektur im Rahmen einer Strukturreform gestellt, zu der es bislang aber nicht gekommen sei. Das Fehlen einer der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG entsprechenden Regelung stelle keine Gesetzeslücke dar. Die analoge Anwendung der Nr. 3104 VV RVG scheide aus. Nr. 3106 VV RVG sei lex specialis zu Nr. 3104 VV RVG. Die derzeitige Rechtslage, die bei der Terminsgebühr den Fall des außergerichtlichen Vergleichs unberücksichtigt lasse, sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 19.12.2006, 1 BvR 2091/06).
II.
Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Nachdem der Beschwerdeführer die Terminsgebühr in Höhe von 200 Euro beantragt hat, beläuft sich der Wert des Beschwerdegegenstands auf 200 Euro zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer. Die Beschwerde ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung.
Die von ihm beantragte Terminsgebühr ist nicht angefallen, wie die Kostenbeamtin und das Sozialgericht Bayreuth zutreffend entschieden haben. Zu Recht wurden auf der Grundlage der §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. dem Vergütungsverzeichnis zum RVG "nur" die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr zuerkannt.
Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung der Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, sind nicht erfüllt. Gemäß Nr. 3205 VV RVG gilt für die Terminsgebühr in Verfahren vor den Landessozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, die Anmerkung zu Nr. 3106 entsprechend.
Wie der Beschwerdeführer einräumt, liegen die Voraussetzungen der Nr. 3106 VV RVG nicht vor. Der Beschwerdeführer hat den Kläger nicht in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vertreten, er hat nicht einen von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin wahrgenommen und er hat nicht an Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet waren (zu diesen Fallkonstellationen der Terminsgebühr vgl. die Legaldefinition in der Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG). Weiter ist keiner der in Nr. 3106 VV RVG geregelten Fälle einer fiktiven Terminsgebühr gegeben. Danach entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, auch, wenn (1.) in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, (2.) nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder (3.) das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Auch die Nr. 3 dieser Regelung ist nicht einschlägig, da das Ausgangsverfahren unstreitig durch Vergleich endete.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht analog Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG Anspruch auf die Terminsgebühr. Diese Gebührenregelung betrifft Verfahren, bei denen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Der Geltungsbereich der Nr. 3104 VV RVG erstreckt sich auf die "Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist". Gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Gebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
Nach erneuter Prüfung der Rechtslage hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass die Terminsgebühr nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen anfällt (vgl. Beschluss des Senats vom 22.06.2007, L 15 B 200/07 P KO). Im Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV RVG (Betragsrahmengebühren) kann eine Terminsgebühr nicht in analoger Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs anerkannt werden. Eine Gesetzeslücke, die zur Analogiebildung berechtigen würde, kann der Senat nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat den Gebührentatbestand gemäß Nr. 3106 VV RVG abweichend vom Gebührentatbestand gemäß Nr. 3104 VV RVG gefasst und mit dem Halbsatz "soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist" deutlich gemacht, dass ihm die Abweichung bewusst ist. Über diese klare Gesetzeslage kann sich der Senat nicht hinwegsetzen und sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 20.04.2011, L 2 SF 31/09 E; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2011, L 19 AS 1522/10 B, Beschluss vom 29.08.2007, L 2 B 13/06 KN, Beschluss vom 15.05.2008, L 7 B 63/08 AS; Sächsisches LSG, Beschluss vom 09.12.2010, L 6 AS 438/10 B KO; LSG Schleswig-Holstein LSG, Beschluss vom 14.11.2007, L 1 B 513/07 R SK; Thüringer LSG, Beschluss vom 19.06.2007, L 6 B 80/07 SF; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.07.2008, L 6 B 93/07; SG Fulda, Beschluss vom 15.04.2011, S 3 SF 21/10 E; SG Stuttgart, Beschluss vom 05.07.2010, S 15 SF 7062/08 E, Beschluss vom 12.06.2008, S 12 KR 945/08 KE, Beschluss vom 24.03.2010, S 21 SF 7175/09 E; VG Bremen, Beschluss vom 08.06.2009, S 4 E 610/09; SG Aachen, Beschluss vom 20.05.2010, S 3 SF 26/10 E; a. A. Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, Rechtsanwaltsvergütung, 19. Auflage 2010, VV 3106 Rn. 8; Guhl, NZS 2005, S. 193, 194; Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht 2009, Rn. 172 ff.; SG Stuttgart, Beschluss vom 23.12.2009, S 6 SB 2031/09 KE).
Der Gegenmeinung ist zuzugeben, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Gebührentatbestände gemäß Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG und gemäß Nr. 3106 VV RVG nicht gerade einleuchtet. Daraus wird aber zu Unrecht der Schluss gezogen, die Nichterwähnung des schriftlichen Vergleichs in der Nr. 3106 VV RVG beruhe auf einem gesetzgeberischen Versehen. Wenn überhaupt ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt, dann wohl insoweit, als gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr anfällt. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum bei Abrechnung nach Wertgebühren der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs zur Entstehung zweier Gebühren führt (Einigungsgebühr und Terminsgebühr). Die Gebührenregelungen für Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, erscheinen demgegenüber stimmiger: Im Fall eines angenommenen Anerkenntnisses erhält der Anwalt neben der Verfahrensgebühr die (fiktive) Terminsgebühr, im Fall eines Vergleichs neben der Verfahrensgebühr die Einigungsgebühr.
Im übrigen reduziert der Anfall der Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs den Wirkungsgrad der "Besprechungs-Terminsgebühr" gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG, die der Gesetzgeber 2004 neu geschaffen hat, um die außergerichtliche Streiterledigung zu fördern (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 148). Die Gebührentatbestände für Verfahren, in denen Betragsrahmen entstehen, harmonieren mit diesem gesetzgeberischen Ziel. Der Rechtsanwalt erhält die "Besprechungs-Terminsgebühr" dann, wenn er sich im Wege der Kontaktaufnahme mit dem Gegner für einen außergerichtlichen Vergleich eingesetzt hat, und außerdem die Einigungsgebühr, wenn seine Bemühungen um eine vergleichsweise Regelung Erfolg hatten (vgl. Beschluss des Senats vom 21.02.2011, L 15 SF 168/10 B E). Der Anreiz für den Rechtsanwalt, aktiv auf eine außergerichtliche und vergleichsweise Streiterledigung durch Besprechung mit dem Gegner hinzuarbeiten, ist demgegenüber geringer, wenn er die Terminsgebühr auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs erhält, den das Gericht oder der Gegner ohne sein Zutun unterbreitet haben. Dies gilt um so mehr, als der Anwalt die Terminsgebühr nach allgemeinen Grundsätzen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 RVG) auch dann nur einmal fordern kann, wenn er sich vor Abschluss des schriftlichen Vergleichs mit dem Gegner mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens in Verbindung gesetzt und damit den Tatbestand der "Besprechungs-Terminsgebühr" gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 3 dritte Alt. VV RVG verwirklicht hat.
Diese Entscheidung trifft der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach seiner Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer in entsprechender Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG eine Terminsgebühr zusteht.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth ging es um Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Abweisung der Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2008 ging der Kläger in Berufung. Für das sozialgerichtliche Verfahren wie auch für das Berufungsverfahren wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt samt Beiordnung des Beschwerdeführers (Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.12.2006, S 11 R 316/06; Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 06.04.2009, L 20 R 501/08). Der Rechtsstreit endete durch außergerichtlichen Vergleich. Der Kläger nahm das schriftliche Vergleichsangebot der Beklagten, Rente wegen Erwerbsminderung vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2012 zu gewähren, mit Fax vom 02.09.2010 an. Die Übernahme außergerichtlicher Kosten hatte die Beklagte abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 09.09.2010 stellte der Beschwerdeführer Kostenerstattungsantrag für Prozesskostenhilfe. Er forderte für das Berufungsverfahren die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß Nr. 3204 VV RVG mit 310 Euro, die Terminsgebühr für Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß Nr. 3205 VV RVG mit 200 Euro und die Erledigungsgebühr gemäß Nrn. 1006, 1005 VV RVG mit 190 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro: netto 720 Euro, zzgl. 19 % MWSt 136,80). In der Summe machte er 865,80 Euro geltend. Erhalten hatte er schon einen Vorschuss in Höhe von 392,70 Euro. Mit Schriftsatz vom 15.10.2010 modifizierte der Beschwerdeführer seinen Kostenerstattungsantrag insoweit, als er für die Einigungsgebühr gemäß Nrn. 1007, 1005 VV RVG 250 Euro forderte.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kostenbeamtin) setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten am 25.10.2010 wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG 310,00 Euro
Einigungsgebühr, Nr. 1007 VV RVG 250,00 Euro
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
580,00 Euro
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 110,20 Euro
690,20 Euro
abzüglich Vorschuss 392,70 Euro
somit verbleibende Prozesskostenhilfe 297,50 Euro
Die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr hätten, so die Kostenbeamtin, jeweils in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt werden können. Die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG müsse allerdings abgelehnt werden. Das Verfahren habe durch schriftlichen Vergleich geendet. Demnach stehe die Terminsgebühr schon dem Grund nach nicht zu, weil durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts keine der in Nr. 3106 VV RVG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt sei.
Zur Begründung der gegen die Kostenfestsetzung am 28.10.2010 eingelegten Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Terminsgebühr angefallen sei. Die Voraussetzungen nach Nr. 3104 VV RVG seien gegeben. Es liege ein schriftlicher Vergleich vor; das ergebe sich aus den Vereinbarungen der Parteien. Gegenseitiges Nachgeben läge sicherlich vor, denn der Kläger habe zum Beispiel auf Kostenerstattungsansprüche verzichtet. Der Vergleich sei auch wirksam geschlossen worden, und zwar in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang der zuständigen Kostenrichterin vorgelegt.
Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 24.02.2011 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Die Tatbestände der Nr. 3106 VV RVG seien nicht gegeben. Weil keine dieser Tatbestandsgruppen vorgelegen hätten, habe das Bayer. Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 22.06.2007 (L 15 B 200/07 P KO) die Festsetzung einer Terminsgebühr abgelehnt und ausgeführt, dass ein (auch schriftlicher) verfahrensbeendender Vergleich eine Terminsgebühr nicht auslöse, sondern eine Einigungsgebühr. Eine Einigungsgebühr sei bei der Kostenfestsetzung des Beschwerdeführers unstreitig berücksichtigt. Für einunddieselbe anwaltliche Tätigkeit könne aber nur jeweils eine Gebühr anfallen. Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 01.03.2011 zugestellt worden.
Der Beschwerdeführer hat am 10.03.2011 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth aufzuheben und die Terminsgebühr wie beantragt zuzuerkennen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Anerkennung der Terminsgebühr im Fall einer schriftlichen Einigung streitig sei. Der Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von Gerold/Schmidt vertrete die Auffassung, dass eine Terminsgebühr auch dann anfalle, wenn eine schriftliche Einigung vorliege (Rn. 8 zu Nr. 3106 VV RVG). Es sei kein Grund ersichtlich, warum im sozialgerichtlichen Verfahren ein schriftlicher Vergleich eine Terminsgebühr auslöst, wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, nicht aber bei Betragsrahmengebühren. Sinn und Zweck dieser Terminsgebühr sei, die Einigung ohne mündliche Verhandlung zu fördern. Es könne bei Betragsrahmengebühren nichts Anderes gelten. Allerdings sei diese Auffassung in der Rechtsprechung nicht unumstritten. Der guten Ordnung halber sei auf die Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts zum Az. L 15 B 200/07 P KO hingewiesen. Er, der Beschwerdeführer, vertrete aber die Meinung, dass eine nachvollziehbare Begründung für die Auffassung, die Terminsgebühr würde nicht anfallen, nicht ersichtlich sei.
Der Beschwerdegegner hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Bei der Festsetzung am 24.02.2011 sei zutreffend davon ausgegangen worden, dass keine Gebühr nach Nr. 3205 i.V.m. Nr. 3106 VV RVG angefallen sei. Wenn wie hier das Verfahren in der Hauptsache durch den Abschluss eines Vergleichs seine Beendigung gefunden habe, falle keine Terminsgebühr an, da keiner der in Nr. 3106 VV RVG aufgeführten Fälle vorliege. Die zum 01.07.2004 eingeführten Neuregelungen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes sollten zwar auch die außergerichtlichen Einigungen fördern, zu bedenken sei aber, dass der Abschluss eines Vergleichs während eines Gerichtsverfahrens mit einer Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG abgegolten werde. Der Gebührentatbestand der Nr. 3104 VV RVG sei in einem Fall wie hier auch nicht analog heranzuziehen. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass ein Versehen des Gesetzgebers vorliege. Der Gesetzgeber sei allerdings mittlerweile mehrfach tätig geworden, ohne dass eine Änderung der Nr. 3106 VV RVG erfolgt wäre. Aus diesem Grunde werde in der Literatur auch die Forderung nach einer Korrektur im Rahmen einer Strukturreform gestellt, zu der es bislang aber nicht gekommen sei. Das Fehlen einer der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG entsprechenden Regelung stelle keine Gesetzeslücke dar. Die analoge Anwendung der Nr. 3104 VV RVG scheide aus. Nr. 3106 VV RVG sei lex specialis zu Nr. 3104 VV RVG. Die derzeitige Rechtslage, die bei der Terminsgebühr den Fall des außergerichtlichen Vergleichs unberücksichtigt lasse, sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 19.12.2006, 1 BvR 2091/06).
II.
Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Nachdem der Beschwerdeführer die Terminsgebühr in Höhe von 200 Euro beantragt hat, beläuft sich der Wert des Beschwerdegegenstands auf 200 Euro zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer. Die Beschwerde ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung.
Die von ihm beantragte Terminsgebühr ist nicht angefallen, wie die Kostenbeamtin und das Sozialgericht Bayreuth zutreffend entschieden haben. Zu Recht wurden auf der Grundlage der §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. dem Vergütungsverzeichnis zum RVG "nur" die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr zuerkannt.
Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung der Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, sind nicht erfüllt. Gemäß Nr. 3205 VV RVG gilt für die Terminsgebühr in Verfahren vor den Landessozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, die Anmerkung zu Nr. 3106 entsprechend.
Wie der Beschwerdeführer einräumt, liegen die Voraussetzungen der Nr. 3106 VV RVG nicht vor. Der Beschwerdeführer hat den Kläger nicht in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vertreten, er hat nicht einen von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin wahrgenommen und er hat nicht an Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet waren (zu diesen Fallkonstellationen der Terminsgebühr vgl. die Legaldefinition in der Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG). Weiter ist keiner der in Nr. 3106 VV RVG geregelten Fälle einer fiktiven Terminsgebühr gegeben. Danach entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, auch, wenn (1.) in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, (2.) nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder (3.) das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Auch die Nr. 3 dieser Regelung ist nicht einschlägig, da das Ausgangsverfahren unstreitig durch Vergleich endete.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht analog Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG Anspruch auf die Terminsgebühr. Diese Gebührenregelung betrifft Verfahren, bei denen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Der Geltungsbereich der Nr. 3104 VV RVG erstreckt sich auf die "Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist". Gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Gebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
Nach erneuter Prüfung der Rechtslage hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass die Terminsgebühr nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen anfällt (vgl. Beschluss des Senats vom 22.06.2007, L 15 B 200/07 P KO). Im Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV RVG (Betragsrahmengebühren) kann eine Terminsgebühr nicht in analoger Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alt. VV RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs anerkannt werden. Eine Gesetzeslücke, die zur Analogiebildung berechtigen würde, kann der Senat nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat den Gebührentatbestand gemäß Nr. 3106 VV RVG abweichend vom Gebührentatbestand gemäß Nr. 3104 VV RVG gefasst und mit dem Halbsatz "soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist" deutlich gemacht, dass ihm die Abweichung bewusst ist. Über diese klare Gesetzeslage kann sich der Senat nicht hinwegsetzen und sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 20.04.2011, L 2 SF 31/09 E; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2011, L 19 AS 1522/10 B, Beschluss vom 29.08.2007, L 2 B 13/06 KN, Beschluss vom 15.05.2008, L 7 B 63/08 AS; Sächsisches LSG, Beschluss vom 09.12.2010, L 6 AS 438/10 B KO; LSG Schleswig-Holstein LSG, Beschluss vom 14.11.2007, L 1 B 513/07 R SK; Thüringer LSG, Beschluss vom 19.06.2007, L 6 B 80/07 SF; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.07.2008, L 6 B 93/07; SG Fulda, Beschluss vom 15.04.2011, S 3 SF 21/10 E; SG Stuttgart, Beschluss vom 05.07.2010, S 15 SF 7062/08 E, Beschluss vom 12.06.2008, S 12 KR 945/08 KE, Beschluss vom 24.03.2010, S 21 SF 7175/09 E; VG Bremen, Beschluss vom 08.06.2009, S 4 E 610/09; SG Aachen, Beschluss vom 20.05.2010, S 3 SF 26/10 E; a. A. Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, Rechtsanwaltsvergütung, 19. Auflage 2010, VV 3106 Rn. 8; Guhl, NZS 2005, S. 193, 194; Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht 2009, Rn. 172 ff.; SG Stuttgart, Beschluss vom 23.12.2009, S 6 SB 2031/09 KE).
Der Gegenmeinung ist zuzugeben, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Gebührentatbestände gemäß Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG und gemäß Nr. 3106 VV RVG nicht gerade einleuchtet. Daraus wird aber zu Unrecht der Schluss gezogen, die Nichterwähnung des schriftlichen Vergleichs in der Nr. 3106 VV RVG beruhe auf einem gesetzgeberischen Versehen. Wenn überhaupt ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt, dann wohl insoweit, als gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr anfällt. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum bei Abrechnung nach Wertgebühren der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs zur Entstehung zweier Gebühren führt (Einigungsgebühr und Terminsgebühr). Die Gebührenregelungen für Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, erscheinen demgegenüber stimmiger: Im Fall eines angenommenen Anerkenntnisses erhält der Anwalt neben der Verfahrensgebühr die (fiktive) Terminsgebühr, im Fall eines Vergleichs neben der Verfahrensgebühr die Einigungsgebühr.
Im übrigen reduziert der Anfall der Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs den Wirkungsgrad der "Besprechungs-Terminsgebühr" gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG, die der Gesetzgeber 2004 neu geschaffen hat, um die außergerichtliche Streiterledigung zu fördern (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 148). Die Gebührentatbestände für Verfahren, in denen Betragsrahmen entstehen, harmonieren mit diesem gesetzgeberischen Ziel. Der Rechtsanwalt erhält die "Besprechungs-Terminsgebühr" dann, wenn er sich im Wege der Kontaktaufnahme mit dem Gegner für einen außergerichtlichen Vergleich eingesetzt hat, und außerdem die Einigungsgebühr, wenn seine Bemühungen um eine vergleichsweise Regelung Erfolg hatten (vgl. Beschluss des Senats vom 21.02.2011, L 15 SF 168/10 B E). Der Anreiz für den Rechtsanwalt, aktiv auf eine außergerichtliche und vergleichsweise Streiterledigung durch Besprechung mit dem Gegner hinzuarbeiten, ist demgegenüber geringer, wenn er die Terminsgebühr auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs erhält, den das Gericht oder der Gegner ohne sein Zutun unterbreitet haben. Dies gilt um so mehr, als der Anwalt die Terminsgebühr nach allgemeinen Grundsätzen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 RVG) auch dann nur einmal fordern kann, wenn er sich vor Abschluss des schriftlichen Vergleichs mit dem Gegner mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens in Verbindung gesetzt und damit den Tatbestand der "Besprechungs-Terminsgebühr" gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 3 dritte Alt. VV RVG verwirklicht hat.
Diese Entscheidung trifft der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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