L 19 R 375/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 793/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 375/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aufgrund ihres Antrags vom 18.02.2010 hat.

Die 1942 in Kroatien geborene Klägerin ist im April 1969 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war nach ihren eigenen Angaben von April 1969 bis Juli 1973 als Montiererin, von März 1981 bis August 1983 als Büglerin und von September 1986 bis Februar 1992 als Montiererin versicherungspflichtig beschäftigt. Der letzte Pflichtbeitrag wurde wegen Leistungsbezugs von Arbeitslosengeld im März 1993 entrichtet, anschließend war die Klägerin noch bis Mai 1994 arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug.

Im Jahr 1995 erfolgte eine Hysterektomie wegen eines Myoms im Klinikum A-Stadt, 06/1996 eine Gastrektomie und Splenektomie wegen Magenfrühkarzinoms ebenfalls im Klinikum A-Stadt.

Am 18.02.2010 beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Sie halte sich seit Juni 1996 für erwerbsgemindert wegen Magenkrebs, anhaltender somatoformer Schmerzstörung, Fibromyalgie, Depressionen, Blasenproblemen. Sie wisse nicht, wie lange sie die Schmerzen noch ertragen könne. Seit der Magen-OP im Juni 1996 sei sie arbeitsunfähig erkrankt und seit 2004 wegen Fibromyalgie. Dem Antrag war ein Vermerk der Stadt A-Stadt vom 05.01.2010 beigefügt, wonach der Ehemann der Klägerin am 30.11.2009 formlos einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt habe, da die Klägerin durchgehend seit 1995 erwerbsunfähig sei. Damals sei die erste Tumoroperation durchgeführt worden. Er habe sich seinerzeit wegen eines Rentenantrags erkundigt, habe aber die mündliche Auskunft erhalten, dass seine Frau dafür zu jung wäre, so dass ein Rentenantrag nicht gestellt worden sei. Beim Arbeitsamt hätte sich die Klägerin nicht weiter melden können, da sie krankheitsbedingt dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung habe stehen können. Sie wollten nun auf jeden Fall einen Rentenantrag stellen mit Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 1995/1996.

Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten von Frau Dr. S. ein, die am 30.03.2010 zu den Diagnosen

1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 2. rezidivierende abdominale Schmerzsymptomatik bei bekannten Verwachsungen nach Gastrektomie und Splenektomie bei Magenfrühkarzinom 1996

gelangte. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden für leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, in Tag-, Früh - und Spätschicht, ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken, ohne besondere Stressbelastung und ohne Arbeiten unter Zeitdruck tätig sein. Die letzte berufliche Tätigkeit als Floristin sei ebenfalls über sechs Stunden möglich. Im Rahmen der Berufs- und Arbeitsanamnese hatte die Klägerin angegeben, zuletzt in Teilzeit in einem Blumenladen gearbeitet zu arbeiten. Seit 1996 sei sie Hausfrau.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.04.2010 den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Unter Annahme eines Leistungsfalles vom 18.02.2010 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. In der relevanten 5-Jahres-Frist seien keine Pflichtbeiträge entrichtet worden.

Hiergegen legte die Klägerin bei der Stadt A-Stadt am 22.04.2010 Widerspruch ein. Im Ablehnungsbescheid vom 08.04.2010 sei die Beklagte nicht darauf eingegangen, dass sie bereits seit 1995 erkrankt sei und seitdem Erwerbsminderung vorliege. Sie werde ein aktuelles Attest vorlegen, aus dem hervorgehe, dass bereits seit 1995 Erwerbsminderung vorliege. Vorgelegt wurde sodann ein Attest des Praktischen Arztes B. vom 28.04.2010, ein Attest des behandelnden Internisten W. vom 26.04.2010, der Bericht des Klinikums A-Stadt vom 12.04.2006 sowie ein Operationsbericht des Klinikums A-Stadt vom 06.08.1996 über die Magenoperation.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2010 als unbegründet zurück. Nach den vorhandenen Befundunterlagen und dem Ergebnis der im Rentenverfahren durchgeführten allgemeinärztlichen Untersuchung am 30.03.2010 sei die Klägerin noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Da nach den ärztlichen Feststellungen derzeit keine rentenrelevante Erwerbsminderung vorliege, sei auch eine durchgehende Erwerbsminderung seit 1995 oder 1996 medizinisch nicht begründet. Zudem sei auch im vorliegenden ärztlichen Entlassungsbericht der K.-Klinik W-Stadt über die stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 16.08.2007 bis 13.09.2007 ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen bestätigt worden. Von einem Leistungsfall im Jahr 1995 oder 1996 und einer durchgehenden Erwerbsminderung könne deshalb nicht ausgegangen werden.

Zur Begründung der hiergegen am 29.06.2010 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin seit 1996 Erwerbsminderung vorliege. Sie sei in diesem Jahr wegen eines Magenfrühkarzinoms mit Pleuraempyem operiert worden. Sie leide unter einer gravierenden Schmerzsymptomatik und sei nicht in der Lage, eine Arbeitsleistung zu erbringen. Übergeben wurde der Arztbericht der B.-Klinik Bad F. vom 21.08.1996 sowie der Arztbericht des Klinikums A-Stadt vom 25.09.1995. Bei der Klägerin sei eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt laut Bescheid des Versorgungsamtes vom 14.01.2002. Laut Bescheid des Versorgungsamtes vom 10.12.1996 habe bei der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 70 bestanden. Aufgrund dieser Tatsache bestehe bei der Klägerin bereits seit 1995 und 1996 Erwerbsminderung, weshalb die Klägerin Anspruch auf Erwerbsminderungsrente habe.

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und Klinikberichte ab 1995 von der Klägerin angefordert. Es hat Befundberichte vom Hausarzt der Klägerin, S. B., vom Facharzt für Neurologie und Anästhesiologie sowie spezielle Schmerztherapie Prof. Dr. L., vom Allgemeinmediziner Dr. D., vom Internisten R. W. und vom Hausarzt der Klägerin in der Zeit von 1995 - 1998 Dr. W. beigezogen, in dessen ärztlichen Unterlagen u.a. der Entlassungsbericht der B.-Klinik über den stationären Aufenthalt vom 21.08.1996 bis 18.09.1996 enthalten war sowie der Reha-Bericht der Klinik B. S-Stadt über den stationären Aufenthalt vom 28.11.1995 bis 09.01.1996 und der Bericht der H-Klinik B-Stadt über den stationären Aufenthalt vom 28.10.1997 bis 02.12.1997. Des Weiteren hat das SG einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. M. N. beigezogen, der die Klägerin von Oktober 2000 bis März 2004 ambulant behandelt hat, ferner die Karteikarten der Praxisinhaberin zuvor Frau Dr. H., bei der die Klägerin bis 30.04.1996 in Behandlung war.

Auf nochmalige Nachfrage teilte die Beklagte mit Schreiben vom 21.06.2011 mit, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals bei einem Leistungsfall im Juni 1996 erfüllt seien.

Das SG hat des Weiteren Befundberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., des Facharztes für Orthopädie Dr. K. sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. S. N. beigezogen.

Sodann hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. O. eingeholt, die am 27.01.2012 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung 2. Rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig

Übernommene Diagnosen: 3. Zustand nach Operation eines Magen-Frühkarzinoms und Splenektomie 1996 4. Bekannte Narbenverwachsungen

Es handle sich um echte psychische Krankheitsbilder, die allerdings die Willensbildung nicht beeinträchtigten und somit unter eigener zumutbarer Willensanstrengung von der Klägerin überwunden werden könnten. Eine Verbesserung sei außerdem durch intensivierte psychiatrische und psychotherapeutische Interventionen zu erwarten. Bisher nicht bekannte oder nicht beachtete Gesundheitsstörungen hätten sich nicht feststellen lassen. Die Klägerin könne noch leichte, zeitweise auch mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten. Die Arbeiten sollten im Wechselrhythmus oder überwiegend im Sitzen, in geschlossenen Räumen, ohne häufiges Bücken, Überkopfarbeiten oder Steigen und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne Hilfsmittel ausgeübt werden. Nachtschichtarbeit, Akkordarbeiten, sonstige Arbeiten unter Zeitdruck und Arbeiten mit besonderer Anforderung an das Konzentrationsvermögen seien nicht mehr leidensgerecht. Die Klägerin könne mindestens sechs Stunden täglich tätig sein. Unübliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Der beschriebene Zustand bestehe seit Antragstellung, eine Veränderung der Leistungsfähigkeit habe sich im Verlauf des Verfahrens nicht ergeben. Ein unter 8-stündiges Leistungsvermögen spätestens seit 30.06.1996 lasse sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also ohne vernünftige Zweifel, keinesfalls nachweisen. Hierbei werde besonders Bezug genommen auf die Rehabilitations-Entlassungsberichte aus dem Jahr 1995 bis 2007, in denen jeweils übereinstimmend ein vollschichtiges Leistungsvermögen beschrieben worden sei, wobei den Berichten aufgrund der im Rahmen der Rehabilitation möglichen längerdauernden Verhaltensbeobachtung besondere Bedeutung zukomme. Durch die jetzige Untersuchung habe weder aktuell seit Antragstellung eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit bestätigt werden können, noch liege eine durchgehende Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht seit Juni 1996 vor.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG sodann ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom behandelnden Internisten R. W. eingeholt, der am 28.11.2012 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Fortgeschrittenes schweres Fibromyalgiesyndrom bei somatoformer Schmerzstörung 2. Chron. rez. Subileussituation 3. Polytopes Schmerzsyndrom 4. Subarchromiales Impingementsyndrom der linken Schulter mit chron. Tendopathie der Supraspinatussehne 5. Mäßiggradige AC Gelenkarthrose links 6. Beg. Omarthrose links 7. Chron. degeneratives HWS-Syndrom 8. Chron. degeneratives BWS-Syndrom 9. Chron. degeneratives LWS-Syndrom 10. Gonarthrose bds. 11. Z. n. Magencarcinom mit Operation 1996 12. Coxarthrose Grad II bds. 13. Chron. venöse Insuffizienz rechts bei Z.n. Phlebothrombose 1980 14. Großzehengrundgelenksarthrose rechts 15. Beg. Fingerpolyarthrose 16. Knick/Senk/Spreizfuß bds. 17. Urge-Inkontinenz

Es bestehe ein Mischbild aus einer schweren Polymyalgie sowie deutlichen degenerativen Veränderungen im Bereich des gesamten knöchernen Apparates. Des Weiteren eine chronische Schmerzsituation im Bereich des Abdomens, die zum Teil durch das schwere Schmerzsyndrom der Klägerin sowie durch Bridenbildung mit rezidivierenden Subileussituationen zu erklären sei. Die Schmerzen der Klägerin erschienen durchaus glaubhaft. Eine Aggravierung sei zu keinem Zeitpunkt seiner Behandlung, die seit Oktober 2006 bestehe, festzustellen. Aus diesen Gründen bestehe zurzeit Arbeitsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten unter zwei Stunden täglich. Die Arbeit sollte vor allen Dingen im Sitzen ohne vollen Gebrauch der Hände, ohne Zwangshaltung, ohne Stressbelastung durchgeführt werden. Zusätzlich sollten deutlich vermehrte Pausen über das normale Maß hinaus gewährt werden, sowohl bezüglich der Länge der Pausen als auch hinsichtlich deren Anzahl. Die Erkrankungen der Klägerin seien chronischer Art und hätten sich seit Rentenantragstellung nicht verändert. Lediglich das Schmerzausmaß habe zugenommen. Hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet könne er lediglich feststellen, dass die Klägerin bei mehreren Neurologen/Psychiatern/Schmerz-therapeuten in Behandlung gewesen sei und die Erkrankungen am ehesten um echte Versagenszustände mit Krankheitswert zu werten seien. So sei die anfänglich doch deutliche Depression z. B. nach der Magenoperation im Verlauf bis 2010 rückläufig. Eigenständige Überwindung der Symptome sei der Klägerin nicht möglich. Eine Überwindung durch Fremdeinwirkung erscheine nicht wahrscheinlich. Im Grunde genommen seien keine neuen Gesundheitsstörungen hinzugekommen. Allerdings sei die Wertung der Gesundheitsstörung Polymyalgie und der damit verbundenen Schmerzsymptomatik bislang nur unzureichend vorgenommen worden. Der beschriebene Zustand bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit diesem Jahr. Über die Zeit vor 2012 bleibe festzustellen: Die Fibromyalgie sei schon vor 2000 von Dr. W. als Verdachtsdiagnose geäußert worden. Abdominelle Schmerzen und Wirbelsäulengelenkbeschwerden habe die Klägerin schon weit vorher geäußert. Dies sei insbesondere im Gutachten von Dr. O. gut dargestellt. Bezüglich der Arbeitsfähigkeit der Klägerin vor 2012 sei festzustellen, dass die Klägerin nach der Operation 1996 wegen des Magenkarzinoms mit stark kompliziertem Verlauf unter erheblich depressiver Reaktion sicherlich für ein bis zwei Jahre arbeitsunfähig gewesen sei, für körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig. Dies lasse sich aus seiner Erfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen. Wahrscheinlich habe sich die Arbeitsfähigkeit danach wieder etwas gebessert. Es sei anhand der Aktenlage allerdings nicht festzustellen, in welchem Maße. Auch sei anhand der Aktenlage trotz der mehrfachen Vorgutachten nicht genau festzustellen, wann die Arbeitsfähigkeit der Klägerin unter die Belastungsgrenze von sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten gesunken sei. Es sei anzunehmen, dass zwischen 2003 und 2012 dieses geschehen sei, allerdings sei ein genauer Zeitpunkt, wie schon dargestellt, nicht festzustellen. Vor allen Dingen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Zwischen seiner Beurteilung und dem Gutachten von Dr. O. bestehe eine Diskrepanz, weil Dr. O. seines Erachtens die körperlichen Beschwerden der Patientin in dem Gesamtbild der Erkrankungen, die sich nicht nur auf dem psychiatrischen Bereich, sondern auch auf den internistisch/orthopädischen Bereich beziehen würden, unvollständig bewertet habe. Außerdem fehle Frau Dr. O. die Erfahrung, die er als behandelnder Arzt der Klägerin von ihr habe. Die Klägerin sei seit 2006/2007 in seiner regelmäßigen internistischen Behandlung. Damit falle das Bild, das er von der Klägerin habe, automatisch anders aus, als dieses in einem Gutachten, wo man den Patienten nur für kurze Zeit behandle, möglich sei.

Das SG hat sodann mit Urteil vom 28.02.2013 die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente stehe der Klägerin nicht zu. Da der vorliegende Leistungsfall spätestens am 30.06.1996 eingetreten sein müsste, wäre zu fordern, dass die Klägerin bereits nach dem bis 31.12.2000 geltenden Rentenrecht erwerbsunfähig gewesen sei, dass sie zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung immer noch erwerbsgemindert gewesen sei und seit 30.06.1996 bis 31.12.2000 ein durchgehend unter 8-stündiges und seit dem 01.01.2001 ein durchgehendes unter 6-stündiges Leistungsvermögen vorgelegen hätte. Dies könne nicht festgestellt werden. Dabei könne dahinstehen, ob die Klägerin derzeit noch 6-stündig leistungsfähig sei, wie dies von Dr. O. bejaht worden sei, hingegen von Dr. W. verneint worden sei. Denn jedenfalls sei das Vorliegen einer quantitativen Leistungseinschränkung nicht bereits seit spätestens 30.06.1996 und seitdem durchgehend feststellbar. Dies habe die umfangreiche Beweisaufnahme ergeben. Trotz mühevoller Beiziehung sämtlicher noch vorhandener ärztlicher Unterlagen über den Behandlungszeitraum seit 1995 sei es weder der Sachverständigen Dr. O. noch dem Sachverständigen Dr. W. möglich gewesen, den Eintritt eines Leistungsfalles eines unter 8-stündigen Leistungsvermögens in das Jahr 1996 zurückzudatieren.

Zur Begründung der hiergegen am 11.04.2013 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass die Ermittlungen des SG unvollständig gewesen seien. So sei insbesondere keine weitere Stellungnahme des zum maßgeblichen Zeitpunkt behandelnden Arztes Dr. W. eingeholt worden. Es sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass dieser noch praktiziere bzw. greifbar sei. Die Klägerin habe jedoch dann erfahren, dass Dr. W. noch vor Ort sei und Angaben machen könne. Das Erstgericht sei diesem Antrag jedoch nicht nachgekommen. Durch die Gutachten seien außerdem die bereits vorhandenen umfänglichen Arztberichte und Atteste nicht ausreichend zur Kenntnis genommen worden. Dies gelte insbesondere bei Dr. O., die die Einschätzung des behandelnden Arztes B. aus dem Jahr 2010 nicht aufgegriffen habe. Auch der Internist W. habe bestätigt, dass die Klägerin seit ihren Operationen 1995 und 1996 nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer regelmäßigen vollschichtigen Arbeit nachzugehen. Zwar habe Dr. W. in seinen Angaben geäußert, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin in den vergangenen Jahren gebessert haben könnte. Er habe dies jedoch nicht spezifizieren oder anhand besonderer Umstände festmachen können. Diese Bestätigungen seien nicht entsprechend zur Kenntnis genommen worden. Es habe auch keine umfassende ärztliche Begutachtung stattgefunden. Dr. O. habe sich auf das psychosomatische Krankheitsbild der Klägerin beschränkt. Dr. W. stelle eher auf sein Fachgebiet als Internist ab. Eine Gesamtschau und Bewertung der Beschwerden der Klägerin habe aber im gesamten Verfahren nicht stattgefunden. Zu beachten sei, dass auch die orthopädischen und internistischen Beschwerden erheblich seien. So sei der Klägerin bereits ein GdB von 70 gewährt worden, nach dem Verlust des Magens, der Milz und des Netzes. Der Reha-Entlassungsbericht der Klinik B-Stadt vom 10.12.1997 habe die Klägerin als formal vollschichtig arbeitsfähig für leichte körperliche Arbeiten entlassen. Die Formulierung "formal" bedeute, dass keine tatsächliche Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Die B.-Klinik Bad F. habe die Klägerin in weiterhin reduziertem Allgemeinzustand arbeitsunfähig entlassen und sei von einer erfolgreichen Rekonvaleszenz der Klägerin ausgegangen, die jedoch nie stattgefunden habe (Schriftsatz vom 07.10.2013). Mit Schriftsatz vom 21.11.2013 hat die Bevollmächtigte der Klägerin die Einvernahme von Prof. Dr. R. sowie Stationsarzt Dr. S., H-Klinik B-Stadt, als sachverständigen Zeugen angeboten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 18.02.2010 hin unter Annahme eines Leistungsfalles spätestens am 30.06.1996 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2013 zurückzuweisen.

Die Beklagte weist mit Schriftsatz vom 17.07.2013 darauf hin, dass Dr. O. in ihrem Gutachten vom 27.01.2012 ein täglich mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festgestellt habe, der Internist W. sei in seinem Gutachten vom 28.11.2013 davon ausgegangen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin erst zwischen 2003 und 2012 in den unter 6-stündigen Bereich abgesunken sei. Ob und wie lang in der Zeit ab 1995 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen haben könnte, sei nicht von Bedeutung. Die Entlassung aus der Klinik B. am 09.01.1996 sei jedenfalls arbeitsfähig erfolgt, gleiches gelte für die Reha-Maßnahme im Oktober 1997 aus der H-Klinik B-Stadt. Mit Schriftsatz vom 16.10.2013 weist die Beklagte darauf hin, dass das SG nachdrücklich versucht habe, alle Unterlagen von Dr. W. zu erlangen. Laut Aktenvermerk von der Vorsitzenden Richterin vom 20.12.2010 habe die Arzthelferin der Praxis Dr. W. mitgeteilt, dass eine Patientenkartei mit Aufzeichnungen über die Behandlung der Klägerin durch Herrn Dr. W. dort nicht mehr vorhanden sei. Es sei für die Beklagte daher nicht ersichtlich, inwiefern eine erneute Anfrage an den damals behandelnden Hausarzt Herrn Dr. W. zielführend sein solle.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 28.02.2013 einen Rentenanspruch der Klägerin abgelehnt. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass spätestens im Juni 1996 eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens in rentenberechtigendem Ausmaß eingetreten war und dieses auch dauerhaft durchgehend bis zur Rentenantragstellung im Januar 2012 vorgelegen hat.

Das SG hat sich in seinen Entscheidungsgründen ausführlich mit der vorhandenen Befundlage, den vorliegenden Reha-Entlassungsberichten und den eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. O. und des Internisten W. auseinandergesetzt. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer Begründung ab und verweist insoweit in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des SG.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin die objektive Beweislast dafür trägt, dass ein quantitatives Absinken des Leistungsvermögens bereits im Juni 1996 vorgelegen hat. Dieser Nachweis konnte nicht geführt werden. Weder aus den beiden im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten noch aus den Reha- Entlassungsberichten oder den ärztlichen Befundberichten ergibt sich eine quantitative Leistungsminderung der Klägerin auf Dauer seit Juni 1996 durchgehend bis zur Antragstellung.

Aus dem vorliegenden Reha-Entlassungsbericht der Klinik B., S-Stadt, in der sich die Klägerin nach der Unterleibsoperation im Jahr 1995 befunden hat, ergibt sich, dass die Klägerin dort wegen rezidivierender Kreuzschmerzen behandelt wurde, nicht wegen der Unterleibsoperation. Festgehalten ist in diesem Reha-Entlassungsbericht, dass die Klägerin arbeitsfähig auf eigene Veranlassung zur Reha erschienen ist. Die Klägerin hat während dieser Zeit - wohl geringfügig- als Floristin ("auf 580,00 DM-Basis") gearbeitet. In den letzten 12 Monaten vor Antritt der Reha wurde eine Arbeitsunfähigkeit von gerade mal zwei Wochen festgestellt. Der Klägerin wurde ein guter Allgemein- und adipöser Ernährungszustand bescheinigt. Sie wurde als vollschichtig für die Tätigkeit als Floristin sowie arbeitsfähig entlassen. Als Behandlungsmaßnahmen wurden im Hinblick auf die Kreuzschmerzen Krankengymnastik und physikalische Therapie empfohlen.

Die Klägerin befand sich dann in der Zeit vom 21.08.1996 bis 18.09.1996 in der B.-Klinik Bad F., aus der sie nach der erfolgten Magenoperation mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen wurde, zugegebenermaßen nach einer noch abzuwartenden Rekonvaleszenz. Die Krebserkrankung des Magens befand sich in einem Frühstadium, nach der Operation stellten sich Komplikationen ein, die aber durch mehrere Operationen und eine Anschluss-Rehabehandlung in der H-Klinik B-Stadt deutlich gebessert werden konnten. In dieser Zeit zwischen der Magenoperation und dem Aufenthalt in der H-Klinik B-Stadt kann durchaus zugunsten der Klägerin von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden. Allerdings wurde die Klägerin aus der Rehaklinik B-Stadt als vollschichtig arbeitsfähig unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen und eine deutliche Besserung der gesundheitlichen Beschwerden festgehalten.

Berücksichtigt man die weiteren vom SG eingeholten Befunde der behandelnden Ärzte der Klägerin, wird deutlich, dass sich daraus eine Zunahme der Behandlungsintervalle und der Anzahl der Ärzte im Jahr 2003/2004 feststellen lässt. Zu beachten ist auch der Reha-Entlassungsbericht der K.- Klinik W-Stadt, in der sich die Klägerin vom 16.08.2007 bis 13.09.2007 befand. Hier ist die Klägerin als leistungsfähig sowohl für die letzte Tätigkeit als Floristin als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen worden. Festgehalten ist, dass die Klägerin im Jahr 2006 psychisch einer stationären Behandlung bedurft habe. Sie selber hat dort angegeben, seit ungefähr vier Jahren, d.h. also seit dem Jahr 2003, eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bemerkt zu haben. Die Schmerzen hätten sich seit ca. vier Jahren verschlimmert. Der Rheumatologe Dr. L. habe im März 2007 die Diagnose Fibromyalgie gestellt. Angegeben wurde im Rahmen dieser Reha-Maßnahme, dass die Klägerin sich gegenwärtig eine Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen durchaus zutraue, sie glaube aber, wegen ihrer geringen Qualifikation und ihres Alters keinen Arbeitsplatz mehr zu finden. Die K.- Klinik diagnostizierte eine ausgeprägte Erschöpfungsreaktion bei ausschließlich somatischem Krankheitsverständnis. Eine neurologisch-psychiatrische Behandlung fand bis zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht statt. Die Klägerin sei in der Lage, die Tätigkeit als Floristin vollschichtig auszuüben. Auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich. Empfohlen wurde die Fortführung der in der stationären Behandlung begonnenen ambulanten Psychotherapie und eine Fortsetzung der fachärztlichen Behandlung durch den Nervenarzt Prof. Dr. L ...

Gemessen an diesen Reha-Entlassungsberichten, die sich sehr ausführlich mit der Situation der Klägerin auseinandersetzen, erscheint das Gutachten von Frau Dr. O. in sich schlüssig und nachvollziehbar. Dabei kann es - wie dies auch das SG getan hat - dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aktuell im Zeitpunkt der Rentenantragstellung ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen hatte oder nicht, jedenfalls ist davon auszugehen, dass zumindest durchgehend seit 1996 kein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen durchgehend vorgelegen hat. Damit scheidet aber aufgrund des Antrags vom 18.02.2010 eine Rentengewährung aus.

Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerügte mangelnde Sachaufklärung des SG kann der Senat nicht erkennen. Das SG hat alle denkbaren behandelnden Ärzte der Klägerin angeschrieben und um Befunde nachgefragt, dies teilweise auch mehrfach. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Befragung des früheren behandelnden Hausarztes Dr. W., der die Klägerin lediglich von 1995 - 1998 behandelt hat und die ihm noch vorliegenden Befunde vollständig dem SG übersandt hat, eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts begründen könnte und insbesondere das Gutachten von Frau Dr. O. und die Reha-Berichte über die Behandlung der Klägerin in den Jahren zwischen 1995 und 2007 entkräften könnte.

Dem Gutachten des behandelnden Internisten W. folgt der Senat aus den gleichen Gründen nicht, die vom SG bereits zutreffend in seinen Entscheidungsgründen herausgearbeitet hat. Ein Nachweis einer durchgehenden Erwerbsminderung oder zumindest Arbeitsunfähigkeit der Klägerin kann daraus sowieso nicht abgeleitet werden. Herr W. kommt zum Nachweis einer quantitativen Leistungsminderung erst im Zeitpunkt seiner Untersuchung und kann ein Absinken des quantitativen Leistungsvermögens irgendwann zwischen 2003 und 2012 vermuten, dies aber zeitlich nicht fixieren. Selbst wenn man dem Gutachten des Herrn W. folgen wollte, kann damit ein Nachweis eines untervollschichtigen Leistungsvermögens auf Dauer ab Juni 1996 nicht geführt werden. Allerdings hat sich Herr W. nicht mit der Leistungseinschätzung der K.- Klinik im Jahr 2007 auseinandergesetzt.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2013 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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