L 3 U 444/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 146/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 444/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine (möglicherweise) quarzstaubbedingte Perforation der Nasenscheidewand bei einem Steinmetz stellt keine Berufskrankheit im Sinn der Nr. 4101 oder 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) dar, weil diese Erkrankung nicht zu dem klinischen Bild der genannten Berufskrankheiten gehört.

Auch eine Anerkennung "wie" eine Berufskrankheit scheidet aus, weil die Frage, ob eine Quarzstaubbelastung bei Steinmetzen zu einer Perforation der Nasenscheidewand führen kann, bereits seit langem in der medizinischen Literatur bekannt ist, und es insoweit an "neuen" Erkenntnissen im Sinne des Rechtes der gesetzlichen Unfallversicherung fehlt.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1960 geborene Kläger begehrt die Anerkennung einer Nasenscheidewandperforation als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 4101 bzw. Nr. 4301 sowie alternativ nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), hilfsweise wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII).

Der Kläger, von Beruf Steinmetzmeister, zeigte der Beklagten mit Nachricht vom 22.01.2013 an, dass auf Grund der Belastung mit Quarzstaub seine Nasenschleimhaut zerstört worden sei.

Die behandelnden HNO-Ärzte Dres. F. übermittelten mit Befundbericht vom 18.03.2013 den Arztbrief des Prof. Dr. G./Universitätsklinikum G-Stadt vom 12.03.2012. Dort war die Diagnose einer Septumperforation mit Teflonfolienknopfverschluss gestellt worden. Anamnestisch war vermerkt worden, dass der Kläger sich mit einer seit 14 Jahren bestehenden, initial insuffizient operativ verschlossenen Septumperforation vorgestellt habe. Gegenwärtig werde die Perforation mittels Teflonscheibenknopf gedeckt, der Kläger verneine eine Nasenatmungsbehinderung, Blutungen, Rhinorrhoe und rezidivierende Infekte. Beruflicherseits bestehe durch die Tätigkeit als Steinmetz seit vielen Jahren die Exposition gegenüber Steinstäuben. Eine konsequente Nasenpflege sei nicht durchgeführt worden. Der Kläger leide unter wiederholtem Verrutschen der Folien mit konsekutiver Druckschmerzhaftigkeit des Septums sowie gelegentlichen Problemen beim Reinigen der Nase. Die klinische Untersuchung ergab endonasal eine Septumperforation im vorderen Drittel. Die Schleimhaut war unter den Teflonfolien vital und rosig. Kein Anhalt für eine Polyposis nasi, kein pathologisches Sekret, keine Ulzerationen. Der übrige HNO-ärztliche Untersuchungsbefund sei altersentsprechend regelgerecht. Zum Procedere empfahl Prof. Dr. G. die Durchführung einer konsequenten Nasenpflege in ambulanter Weiterbehandlung des Klägers.

Die staatliche Gewerbeärztin Dr. H. führte mit Stellungnahme vom 21.05.2013 aus, dass der Kläger seit 1976 als Steinmetz zunächst in einem Granitwerk und seit 1986 in einem Betrieb gearbeitet habe, der Grabsteine bearbeite. (Zuvor hat der Kläger knapp ein Jahr in einer Gerberei eine Lehre absolviert und war dort Chromsalzen ausgesetzt.) Seit 15 Jahren sei bei ihm eine Nasenscheidewandperforation bekannt. Die berufliche Verursachung der Septumperforation durch Quarzfeinstaub sei nicht wahrscheinlich zu machen. Eine Septumperforation gehöre nicht zum klinischen Bild einer BK nach der Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV. Es lägen zudem keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, dass Steinmetze vermehrt gefährdet seien, eine Septumperforation zu erleiden.

Nachfolgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2013 die Anerkennung einer Nasenscheidewandperforation als Berufskrankheit im Sinne der Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung) sowie der Nr. 4301 (durch allergisierende oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung) der Anlage 1 der BKV ab. Die Septumperforation sei auch nicht wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Hierbei stützte sich die Beklagte auf die ergänzende Stellungnahme der Dr. H. vom 11.06.2013.

Zur Begründung des Widerspruchs legte der Kläger die HNO-ärztliche Bescheinigung des Dr. C. vom 14.08.2013 vor. Danach leide der Kläger an einer großen Nasenseptumperforation. Die Perforation sei mit einem Obturator (Silikonscheibe) beidseits verschlossen. Es entstehe durch die Nasenseptumperforation und die Fremdkörpereinlage endonasal das Bild einer chronischen, trockenen Schleimhautsituation mit Krusten- und Borkenbildung. Der Kläger sei seit 1975 (richtig: 1976) ununterbrochen als Steinmetz tätig. In seiner Tätigkeit als Steinmetz habe er Quarzstäube, Flusssäuredämpfe, Benzol, Natronlauge und Steinreinigungsmittel einatmen müssen. Diese ätzenden Stoffe seien mit Wahrscheinlichkeit geeignet, eine Nasenseptumperforation zu verursachen. Die Septumperforation sei anamnestisch zum ersten Mal im Jahr 2000 entdeckt worden, also ca. 25 Jahre nach beruflicher Steinmetzexposition. Insofern sei es gerechtfertigt, die Septumperforation als einen beruflichen Schaden anzuerkennen und auch zu entschädigen.

Dr. L. / Präventionsdienst der Beklagten bestätigte mit Stellungnahme vom 03.01.2014, dass der Kläger als Steinmetz gegenüber Quarzfeinstaub exponiert gewesen sei. Ferner habe der Kläger Benzol als Lösungsmittel und Reinigungsmittel eingesetzt; er habe Kontakt zu Natronlauge (nur als Flüssigkeit, nicht als Aerosol und auch nicht als Staub von Natriumhydroxid), zu Flusssäure bzw. zu Reinigungsmitteln auf der Basis von Flusssäure und Orthophosphorsäure, Kaliumhydrogenoxalat (Kleesalz), Alkylalkoxysiloxanen, aromatischen und aliphatischen Kohlenwasserstoffen sowie zu Mixtion (Klebstoff für Blattgold) gehabt.

Hierzu führte Dr. S. mit beratungsärztlicher Stellungnahme aus, eine Quarzstaubbelastung könne zu einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) führen. Diese liege bei dem Kläger allerdings nicht vor. Auch sei eine begleitende Nasenscheidewandperforation bei diesem arbeitsmedizinischen Krankheitsbild nicht beschrieben. Eine berufliche Verursachung der Nasenseptumperforation müsse mangels ausreichender und erklärender beruflicher Exposition verneint werden. Jedoch könnten Chrom-IV-Verbindungen an der Nasenschleimhaut Entzündungen, Geschwürbildung bis hin zur Perforation der Nasenscheidewand auslösen; allerdings träten derartige Schädigungen bereits im Frühstadium der Exposition auf und würden sich dann durch eine entsprechende Symptomatik bemerkbar machen.

Dementsprechend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 zurück. Die bei dem Kläger bestehende Erkrankung im Bereich der Nase gehöre nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen. Neue Erkenntnisse, dass Steinmetze vermehrt gefährdet seien, lägen nicht vor. Eine Anerkennung nach § 9 Abs. 1 SGB VII scheide deshalb genauso aus wie eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben hiergegen mit Schriftsatz vom 03.06.2014 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und zur Klagebegründung nochmals die HNO-ärztliche Bescheinigung des Dr. C. vom 14.08.2013 vorgelegt.

Das SG hat die Akten der Beklagten beigezogen und nach Anhörung vom 11.09.2014 die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2014 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachte Nasenscheidewandperforation sei nicht in der Anlage zur BKV enthalten und stelle daher keine Berufskrankheit dar. Auch eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII "wie" eine Berufskrankheit komme nicht in Betracht, da es an "neuen Erkenntnissen" im Sinne dieser Vorschrift gegenwärtig fehle.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 30.10.2014 geht am selben Tag beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Der Senat hat die Akten der Beklagten, die erstinstanzlichen Streitakten und die Behindertenakten des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) beigezogen. Dort ist zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2011 das Vorliegen eines Grades der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt worden. Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet hat das ZBFS zwar eine Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, nicht jedoch eine Septumperforation.

Der Kläger hat ältere Unterlagen des HNO-Arztes Dr. B. vom 04.03.1997 und des Klinikums St. M. in E-Stadt vom 01.02.1999 vorgelegt. Aus diesen ergibt sich, dass der Kläger bereits damals an einer Septumperforation gelitten hat. Ergänzend haben die HNO-Ärzte Dres. S. und Kollegen mit Arztbrief vom 28.08.2015 bestätigt, es habe sich erstmals bei der Wiedervorstellung am 03.02.1997 eine Septumperforation mit Pfeifgeräusch gezeigt.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. J. hat mit arbeitsmedizinischem Gutachten vom 09.05.2016 zusammenfassend festgestellt, dass die bei dem Kläger bestehende Nasenscheidewandperforation nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die berufliche Tätigkeit als Steinmetz zurückzuführen sei. Granitstäube seien wegen ihres Quarzgehalts grundsätzlich geeignet, eine Silikose zu verursachen. Für ein solches Leiden ergäben sich bei dem Kläger aber weder radiologisch noch lungenfunktionsanalytisch Hinweise. Theoretisch wären auch eine Granulombildung in der Nasenscheidewand und nachfolgend möglicherweise auch eine Nasenscheidewandperforation bei Quarzstaubbelastung möglich; es seien aber keine entsprechenden Fälle bekannt geworden. Auch aus der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur würden sich keine ausreichenden Hinweise für eine Korrelation der Häufigkeit von Silikosen und Nasenscheidewandperforationen ergeben. Zu einem geringen Teil seiner Arbeitszeit habe der Kläger auch Kontakt zu chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden und ätzenden Substanzen wie Flusssäure oder Orthophosphorsäure gehabt. Diese Säuren seien ohne Zweifel in der Lage, Hautulzerationen und grundsätzlich wohl auch eine Nasenscheidewandperforation zu verursachen. Allerdings seien die Dämpfe dieser Säuren im Bereich der Haut, der Augenbindehäute und der Schleimhäute der oberen und unteren Atemwege ausgeprägt reizend, so dass eine relevante nasale Exposition ohne Betroffenheit der weiteren Atemwege schwer vorstellbar sei. In Abwägung aller arbeitstechnischen Umstände (Arbeiten weitgehend im Freien) und in Kenntnis der gesundheitlichen Wirkungen der genannten Säuren sei es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Nasenscheidewandperforation auf eine solche Belastung zurückzuführen sei. Ausreichende Hinweise für sonstige Ursachen (zum Beispiel TBC oder Lupus) hätten sich bei dem Kläger nicht ergeben; außerdem lasse sich etwa jede zweite der feststellbaren Nasenscheidewandperforationen ursächlich nicht hinreichend abklären und werde deshalb als idiopathisch bezeichnet. Davon sei bei dem Kläger am ehesten auszugehen.

Die auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gehörte Sachverständige Prof. Dr. K. hat sich mit HNO-ärztlichem Gutachten vom 24.10.2016 hierzu differenziert geäußert: Auch wenn mehr dafür als dagegen spreche, dass die Septumperforation des Klägers durch das Einatmen von Quarzfeinstaub entstanden ist, möglicherweise bei Vorschädigung durch Chromate, könne kein sicherer Beweis erbracht werden. Es sei auch nicht bekannt, wann die Perforation genau aufgetreten sei. Der Autor W. Schwab habe allerdings auch erwähnt (1965), dass die Beschwerden auffallend gering seien und die klinischen Erscheinungen von dem Betroffenen subjektiv gar nicht bemerkt und schon gar nicht angezeigt würden. Abschließend solle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die einzige umfassende Literatur, die sich mit Septumperforationen durch ätzende Stäube beschäftige, der Handbuchartikel von Schwab sei und dass der Autor speziell auf die Risikogruppe Steinmetz hingewiesen habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Septumperforation, die gut verschlossen sei, jedoch zur Pflegebedürftigkeit und ab und zu zu auftretenden leichten Schmerzen führe, schätzt Prof. Dr. K. auf 10 v.H. Im Übrigen geht Prof. Dr. K. davon aus, dass die beginnende Innenohrhochtonschwerhörigkeit und der permanente Tinnitus ebenfalls berufsbedingt seien, und schätzt die Gesamt-MdE deswegen auf 20 v.H.

Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 15.11.2016 ausgeführt, auch Prof. Dr. K. komme in ihrem Gutachten vom 24.10.2016 zu der Auffassung, dass kein sicherer Beweis für die Entstehung der Septumperforation durch das Einatmen von Quarzfeinstaub oder durch Chromate (BK Nr. 1103) erbracht werden kann. Eine berufliche Verursachung der Nasenseptumperforation könne weder medizinisch noch arbeitstechnisch (mangelnde ausreichende und erklärende berufliche Exposition) im Sinne des § 9 Abs. 1 und / oder Abs. 2 SGB VII wahrscheinlich gemacht werden. Dies habe auch Prof. Dr. J. ausgeführt.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schreiben vom 25.11.2016 entgegnet, ein Vollbeweis, wie ihn die Beklagte offensichtlich fordere, sei nicht erforderlich. Dass die Sachverständige das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII bejahe, werde auch daraus deutlich, dass sie für die Septumperforation eine MdE festgelegt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2017 stellt die Bevollmächtigte des Klägers den Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 02.10.2014 sowie den Bescheid vom 18.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei dem Kläger bestehende Nasenscheidewandperforation als Berufskrankheit nach der Nr. 4101 bzw. nach der Nr. 4301 oder nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen, hilfsweise wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Bevollmächtigte der Beklagten stellt den Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten der Beklagten sowie des ZBFS G-Stadt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.

Streitgegenständlich ist hier nur die Anerkennung einer Nasenscheidewandperforation als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 4101 bzw. nach der Nr. 4301 oder nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), hilfsweise die Anerkennung wie eine Berufskrankheit. Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R -, juris Rdnr. 15) werden die übrigen Begehren des Klägers in den Verfahren L 3 U 443/14, L 3 U 280/15 und L 3 U 82/16 gesondert geführt.

Hier hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R -, juris Rdnr. 10 m.w.N.), aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Allerdings ist der Bescheid vom 18.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2014 auslegungsbedürftig, wenn dort ausdrücklich entschieden worden ist, dass die bei dem Kläger bestehende Nasenscheidewandperforation keine Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB VII ist und auch nicht wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden kann. Denn in den Gründen des Bescheides vom 18.07.2013 hat die Beklagte insbesondere nur das Vorliegen einer quarzstaubverursachten Erkrankung nach Nr. 4101 (Quarzstaublungeerkrankung) oder nach Nr. 4301 (durch allergisierende oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung) abgelehnt, nicht jedoch eine Erkrankung durch Chrom oder seine Verbindungen (BK nach der Nr. 1103). Der Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 geht jedoch auch darauf ein, dass eine Gefährdungsanalyse durch den Präventionsdienst durchgeführt worden ist. Dort wurde auch bestätigt, dass der Kläger Kontakt zu Lösungs- und Reinigungsmittel hatte. Der Beratungsarzt Dr. S. sei in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Kenntnis des Kontaktes zu den genannten Stoffen eine berufliche Verursachung der Nasenseptumperforation mangels ausreichender und erklärender beruflicher Exposition nicht wahrscheinlich gemacht werden kann. Diese Ausführungen der Beklagten beinhalten sinngemäß, dass auch eine BK nach der Nr. 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) streitgegenständlich ist.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog. Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R -, BSGE 114, 90 und juris Rdnr. 12 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich der Senat vollinhaltlich anschließt, hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK nach der Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV.

Die BK nach der Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV ist wie folgt bezeichnet: "Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)". Das Vorliegen einer solchen Erkrankung haben weder der Kläger noch seine ihn behandelnden Ärzte vorgetragen. Auch aus den Behindertenakten des Zentrums Bayern Familie und Soziales G-Stadt ergibt sich kein Hinweis auf eine wie auch immer geartete Funktionsstörung der Lunge. Vielmehr hat Prof. Dr. J. mit arbeitsmedizinischem Fachgutachten vom 09.05.2016 ausgeführt, dass für das Vorliegen einer Silikose sich weder radiologisch noch lungenfunktionsanalytisch Hinweise finden. Im Übrigen gehört eine Septumperforation auch nicht zum klinischen Bild einer BK nach der Nr. 4101, so zutreffend Dr. H. mit gewerbeärztlicher Stellungnahme vom 21.05.2013.

Die bei dem Kläger bestehende Nasenscheidewandperforation kann auch nicht als BK nach der Nr. 4301 anerkannt werden. Die BK nach der Nr. 4301 ist wie folgt beschrieben: "Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Retinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."

Auch hierzu hat Dr. H. mit weiterer gewerbeärztlicher Stellungnahme vom 11.06.2013 schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass eine Nasenseptumperforation nicht zum klinischen Bild einer obstruktiven Atemwegserkrankung gehört. Auch von den Sachverständigen Prof. Dr. J. und Prof. Dr. K. werden mit arbeitsmedizinischem Fachgutachten vom 09.05.2016 bzw. HNO-ärztlichem Fachgutachten vom 24.10.2016 die entsprechenden Voraussetzungen für eine Anerkennung der bei dem Kläger bestehenden Nasenscheidenperforation als BK nach den Nrn. 4101 und 4301 übereinstimmend verneint.

Vielmehr diskutieren die zweitinstanzlich gehörten Sachverständigen auch insoweit noch übereinstimmend vor allem das Vorliegen einer BK nach der Nr. 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen). Die Sachverständige Prof. Dr. K. bestätigt die Ausführungen des Prof. Dr. J., wenn sie darauf hinweist, dass es nur eine gelistete Berufskrankheit gibt, die für eine Septumperforation in Frage kommt, und das ist die Inhalation von Chrom oder Chromaten (BK Nr. 1103). Darauf hat nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. bereits W. Schwab in seinem Handbuchartikel "Die Berufsschäden der oberen Luftwege und des oberen Speiseweges (Nase, Nasennebenhöhlen, Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre)" 1965 hingewiesen. Prof. Dr. J. hat in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, dass die Anzahl neuerer arbeitsmedizinischer Veröffentlichungen über berufliche Ursachen von Nasenscheidewandveränderungen aber nach wie vor begrenzt ist. Auch diese betreffen vorwiegend Belastungen in der Chromatindustrie, vor allem Beschäftigte mit inhalativem Kontakt zu Chromsäure.

Beide Sachverständige (Prof. Dr. J. und Prof. Dr. K.) kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass eine Berufskrankheit nach der BK Nr. 1103 als Folge von eingeatmeten Chrom-IV-Verbindungen auf Grund der kurzen Einwirkungsdauer und der erst Jahre bzw. Jahrzehnte später aufgetretenen Perforation nicht anerkannt werden kann. Es fehlt bereits an einem zeitlichen Zusammenhang, weil isolierte Belastungen durch Chrom bzw. Chromsalzen oder entsprechende Säuren sich zeitnah nicht nur im Bereich der Nasenscheidewand bemerkbar gemacht hätten, sondern auch im Bereich der Atemwege zumindest zu spürbaren Irritationen geführt hätten.

Auch der Präventionsdienst der Beklagten (Dr. L.) hat bereits unter dem 03.01.2014 hierzu ausgeführt, dass der Kläger als Steinmetz keinen Kontakt zu Chromat gehabt hat. Eine etwaige Vorbelastung des Klägers während seiner (abgebrochenen) Ausbildung vom 01.09.1975 bis 31.07.1976 bei der Gerberei O. in W-Stadt kann der Senat dahingestellt sein lassen, weil entsprechend den Ausführungen der Prof. Dr. K. hieraus kein Ursachenzusammenhang mit der erst Jahrzehnte später aufgetretenen Nasenscheidewandperforation hergeleitet werden kann.

Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII die bei dem Kläger bestehende Nasenscheidewandperforation nicht als ("Listen"-)BK nach den Nrn. 4101, 4301 oder 1103 anerkannt werden kann.

Auch eine Anerkennung als "Wie-BK" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII ist nicht möglich. Dort ist normiert: Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind.

Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft weiter entwickeln können, ohne dass zeitnah eine Änderung der Anlage 1 zur BKV nachfolgt. § 9 Abs. 2 ist weder eine General- noch eine individuelle Härteklausel, sondern eine Öffnungsklausel im sog. Mischsystem (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom 23.06.1977 - 2 RU 53/76 in SozR 2200 § 551 Nr. 9 = BSGE 44, S. 90; vgl. auch Römer in Hauck/Noftz Sozialgesetzbuch SGB VII, K 9 Rdz. 38 m.w.N.).

Eine Anerkennung als "Wie-BK" setzt voraus (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 18): 1. Es handelt sich um eine Erkrankung, die nicht in der BK-Liste verzeichnet ist oder nach den dort genannten Bedingungen nicht anerkannt werden kann. 2. Die Erkrankung erfüllt die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten. Das heißt: Es liegen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Erkenntnisse vor, dass diese Erkrankung durch besondere berufliche Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist, verursacht bzw. verschlimmert wird (genereller Ursachenzusammenhang). 3. Die Erkenntnisse sind "neu". 4. Die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit sind auch in dem konkreten Einzelfall erfüllt, das heißt die Erkrankung wurde durch die besonderen beruflichen Einwirkungen bei der versicherten Tätigkeit verursacht.

In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. J. vom 09.05.2016 nur mittelbar, dass er auch eine Anerkennung als "Wie-BK" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII verneint, wenn er sowohl auf die ältere Literatur (Flury und Zernik 1931; Polson und Tattersall 1969) verweist und sich auch mit neueren arbeitsmedizinischen Veröffentlichungen über berufliche Ursachen von Nasenscheidewandschädigungen auseinandersetzt (Kim 1989; Williams 1998; Aiyer und Kumar 2003).

Wenn entgegen Prof. Dr. J. die auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gehörte Sachverständige Prof. Dr. K. mit HNO-ärztlichem Fachgutachten vom 24.10.2016 zusammenfassend ausführt, auch wenn mehr dafür als dagegen spricht, dass die Septumperforation des Klägers durch das Einatmen von Quarzfeinstaub entstanden ist, möglicherweise bei Vorschädigung durch Chromate, kann kein sicherer Beweis erbracht werden, stützt sie sich hierbei auf die Ausführungen von W. Schwab in seinem Handbuchartikel "Die Berufsschäden der oberen Luftwege und des oberen Speiseweges (Nase, Nasennebenhöhlen, Mundhöhle, Rachen Speiseröhre)" aus dem Jahr 1965.

Hierbei handelt es sich jedoch nicht um "neue" Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII. Denn die Sachverständige Prof. Dr. K. hat weiterhin ausgeführt, Schwab weise in seinem Handbuchartikel darauf hin, dass besonders Quarzstaub zu Schädigungen der Nasenschleimhaut führt. Er beziehe sich auch auf Winckler 1896 und Roepke 1902, die bereits nach einjähriger Beschäftigungsdauer mit Quarzstaub eine Trockenheit der Nasenschleimhaut mit Borkenbildungen und Blutungen hätten feststellen können und es nach längeren Arbeiten zu Ulzera und Erosionen am Septum und an den unteren Muscheln geführt hätte. Auch Sommerfeld 1911 habe bei der Untersuchung von Steinmetzen Epitelmetaplasien und Veränderungen des submukösen Gewebes mit atrophischen Katarren der Nase beobachtete, was auch von Carnevale-Ricci 1952 bei Tierversuchen habe beobachtet werden können. Zu diesen "alten" Erkenntnissen zeigt die Sachverständige aber auch keine neue wissenschaftliche Diskussion auf.

Unabhängig davon, dass diese Erkenntnisse nicht "neu" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII sind, führt Prof. Dr. K. nachfolgend aus, wenn man die Literatur von W. Schwab und anderen Autoren lese, sei mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es bei dem Kläger durch das ständige Einatmen von Staub zu einer chronisch-atrophischen Entzündung der Nasenschleimhaut gekommen ist, die wiederum häufig zu umschriebenen Ulzerationen der Schleimhaut und des Knorpels führten und im weiteren Verlauf es zu einer Perforation des Septums kommen könne. Schwab oder spätere Autoren hätten nicht beschrieben, wie häufig dies bei Steinmetzen vorkomme. Schwab habe nur darauf hingewiesen, dass die rundlichen Ulzerationen und Perforationen im Allgemeinen 1,5 bis 2 cm hinter dem Naseneingang im knorpeligen Septumanteil sitzen und die Größe bis zu 2 cm im Durchmesser erreichen würden, ein Befund, wie er bei dem Kläger vorliege.

Diese Möglichkeit hat auch Prof. Dr. J. mit arbeitsmedizinischem Fachgutachten vom 09.05.2016 gesehen, wenn er ausgeführt hat: Theoretisch wären auch eine Granulombildung in der Nasenscheidewand und nachfolgend möglicherweise auch eine Nasenscheidewandperforation bei Quarzstaubbelastung möglich, uns sind aber keine entsprechenden Fälle bekannt geworden. Auch ergeben sich aus der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur keine ausreichenden Hinweise für eine Korrelation der Häufigkeit von Silikosen und Nasenscheidewandperforationen.

Dementsprechend leidet das Gutachten der Prof. Dr. K. auch daran, dass sie von einem theoretisch möglichen (von ihr als wahrscheinlich erachteten) Einzelfall auf einen generellen Ursachenzusammenhang schließt und sich hierbei auf wissenschaftliche Ausführungen stützt, die einen solchen Ursachenzusammenhang allenfalls als möglich beschreiben und zum dritten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse teilweise mehr als ein Jahrhundert alt sind. Somit scheidet eine Anerkennung der bei dem Kläger bestehenden Nasenseptumperforation auch als "Wie-BK" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII aus. Denn die Feststellung einer "Wie-BK" setzt auch bei sehr kleinen Berufsgruppen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über den generellen Ursachenzusammenhang zwischen besonderer Einwirkung und Erkrankung voraus, selbst wenn epidemiologische Studien wegen der geringen Zahl der betroffenen Personen wie zum Beispiel Schäden im Bereich der Halswirbelsäule bei Berufsgeigern unter Umständen nicht möglich sind (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22 Rdz. 19 ff; juris).

Nachdem die bei dem Kläger bestehende Problematik bereits seit langem in der älteren medizinisch-wissenschaftlichen Literatur bekannt ist, wäre es vielmehr Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers gewesen, sich dieser relativ seltenen Komplikation anzunehmen und diese gegebenenfalls in Ergänzung zu den "Listen"-BKen nach den Nr. 4101 und 4301 der Anlage 1 zur BKV als eigenständige entschädigungspflichtige Berufskrankheit aufzunehmen. Eine Anerkennung als "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist der Rechtsprechung jedoch in Fällen wie dem vorliegenden verwehrt.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 02.10.2014 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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