L 19 R 1005/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 508/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 1005/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung steht nicht entgegen, dass bereits für diese Zeit Pflichtbeitragszeiten aus einer (nach Verzicht auf die Versicherungsfreiheit) versicherungspflichtigen geringfügigen Beschäftigung entrichtet wurden.
2. Als Übergangszeit und damit anzuerkennende Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung gilt auch die Zeit, um die sich die Aufnahme des Studiums deshalb verzögert, weil von "hoher Hand" aufgrund einer staatlichen Anordnung der Studienbegin nicht früher möglich ist (hier: Wehrdienst).
3. Bei der Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung kann das Ende der Hochschulausbildung frühestens dann angenommen werden, wenn alle Prüfungsabschnitte absolviert sind und der Versicherte weiß, dass er sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist im Zweifel erst mit der Aushändigung des Abschlusszeugnisses der Fall.
I. Auf die Berufung des Klägers hin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger die Zeiten vom 01.07.2000 bis 03.09.2000, vom 01.08.2001 bis 30.09.2001 und vom 09.12.2010 bis 14.03.2011 als Anrechnungszeiten wegen Schulbesuchs festzustellen.

III. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob Zeiten der Schul- bzw. Hochschulausbildung des Klägers als Anrechnungszeiten in seinem Versicherungsverlauf vorzumerken sind.

Der 1980 geborene Kläger wandte sich mit Schreiben vom 15.07.2012, eingegangen bei der Beklagten am 13.08.2012, an die Beklagte mit der Bitte um Feststellung der Zeiten seines Studiums an der F.-Universität A-Stadt. Da sich dadurch Zeiten ergeben würden, in denen nach § 207 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - eine freiwillige Nachversicherung möglich sei, beantrage er diese Zeiten zunächst festzustellen und danach eine Nachversicherung zu ermöglichen, um im Wege der Ratenzahlung die höchsten Beiträge entrichten zu können. Vorgelegt wurde eine Bescheinigung der Universität A-Stadt über ein Hochschulstudium vom 01.10.2001 bis 08.12.2010 ohne Urlaubssemester. In dem Formblatt-Formular "V410" gab der Kläger an, von September 1991 bis August 2000 das Gymnasium absolviert zu haben, das Abitur sei am 30.06.2000 bestanden worden; 01.10.2001 bis 08.12.2010 Informatikstudium; Abschluss am 17.03.2011 als Diplom Informatiker (univ.). Aus dem beigefügten Prüfungszeugnis der Universität A-Stadt vom 17.03.2011 ergab sich, dass der Kläger am 08.12.2010 die Diplomhauptprüfung im Studiengang Informatik abgeschlossen hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.11.2012 (nicht in der Akte) stellte die Beklagte die Ausbildungszeiten und daraus resultierende Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S 1 Nr. 4 SGB VI fest. Mit Schreiben vom 10.12.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er freiwillige Beiträge für die Zeit vom 01.08.1996 bis 31.07.1997 in Höhe von 13.171,20 EUR und vom 01.01.2011 bis 28.02.2011 in Höhe von 2.195,20 EUR, mithin insgesamt von 15.366,40 EUR nachentrichten könnte. Mit Schreiben vom 08.12.2012, eingegangen bei der Beklagten am 11.12.2012, legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.11.2012 ein. Die Zeit vom 01.07.2000 bis 03.09.2000 und vom 01.08.2001 bis 30.09.2001 sei nicht als Anrechnungszeit wegen unvermeidbarer Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sowie die Zeit vom 09.12.2010 bis 14.03.2011 nicht als Anrechnungszeit wegen noch nicht erhaltenen Prüfungszeugnisses vorgemerkt worden.

Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 19.12.2012 darauf hin, dass die Zeiten zwischen den Ausbildungsabschnitten nur dann als Überbrückungs-Anrechnungszeit anerkannt werden könnten, wenn nicht zeitgleich andere rentenrechtlich relevante Zeiten vorlägen. Hierfür würden auch Pflichtbeitragszeiten aus geringfügiger Beschäftigung ausreichen, bei der auf die Versicherungsfreiheit verzichtet worden sei. Es gelte das sog. Monatsprinzip. In den vom Kläger gerügten Zeiten lägen gleichzeitig Beiträge wegen geringfügiger Beschäftigung mit Zuzahlung, also bei Verzicht auf die Versicherungsfreiheit vor. Hinsichtlich der Studienzeit vom 09.12.2010 bis 14.03.2011 sei auf den Zeitpunkt der Prüfungsablegung abzustellen, nicht auf das Datum der Aushändigung des Prüfungszeugnisses.

Mit Schreiben vom 05.02.2013 teilte der Kläger mit, dass er trotz der Mitteilung der Beklagten vom 19.12.2012 an seiner Rechtsauffassung festhalte und die gerügten Zeiten als Anrechnungszeiten festgestellt haben wolle. Am 08.12.2010 habe er lediglich seine Diplomarbeit abgegeben. Die Note habe er erst später im März 2011 erfahren. Die Prüfung sei seiner Meinung nach erst dann bestanden, wenn das Prüfungszeugnis ausgehändigt werde mit der darin enthaltenen Feststellung, das Diplom bestanden zu haben.

Die Beklagte wies sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.11.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2013 als unbegründet zurück. In den beiden Zeiträumen der geltend gemachten Überbrückungs-Anrechnungszeiten seien zeitgleich Pflichtbeiträge aus geringfügiger Beschäftigung entrichtet worden. Hinsichtlich des Studienabschlusses habe die Universität A-Stadt den 08.12.2010 bestätigt. Dieses Datum sei auch aus dem Prüfungszeugnis ersichtlich.

Die am 10.05.2013 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage hat das SG nach Durchführung eines Erörterungstermins am 29.08.2013 mit Gerichtsbescheid vom 29.08.2013 als unbegründet abgewiesen. Zusätzlich wurden dem Kläger Mutwillenskosten in Höhe von 300,00 EUR auferlegt. Die vom Kläger geltend gemachten Zeiten zwischen dem Ende der Schulausbildung und der Aufnahme des Wehrdienstes (01.07.2000 bis 03.09.2000) und die Zeit zwischen Ende des Wehrdienstes am 31.07.2001 und Aufnahme des Studiums an der Universität A-Stadt am 01.10.2001 könnten grundsätzlich als sog. Übergangsanrechnungszeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI anerkannt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG solle jedoch die Anerkennung einer Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI einen rentenrechtlichen Ausgleich dafür darstellen, dass der Versicherte wegen der Ausbildung bzw. in der Übergangszeit ohne Verschulden daran gehindert worden sei, eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben und so Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Lägen jedoch in diesen Übergangszeiten bereits Pflichtbeiträge vor, habe dies die selbstverständliche Folge, dass insoweit keine Anrechnungszeiten zurückgelegt werden könnten (BSG, Urteil vom 31.03.1992, Az. B 4 RA 3/91). § 58 Abs. 4a SGB VI sei nicht anwendbar, da dieser nur relevant sei, wenn neben der schulischen Ausbildung auch gleichzeitig eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt werde. Der Kläger habe aber in den relevanten Zeitabschnitten gerade keine Ausbildung mehr absolviert, sondern nur geringfügig gearbeitet. Hinsichtlich des Studienendes sei auf die Bescheinigung der Universität A-Stadt abzustellen. Das Datum der Aushändigung des Prüfungszeugnisses sei irrelevant.

Zur Begründung der hiergegen am 14.10.2013 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Regelung des seit 01.01.1997 geltenden § 58 Abs. 4a SGB VI hin. Eine Anerkennung von Schulzeiten als Anrechnungszeiten bei gleichzeitiger Ausübung einer Beschäftigung sei nach dieser Vorschrift möglich, wenn der Zeitaufwand für die Schulausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die Beschäftigung letzteren überwiege. So sehe das Formblatt der Beklagten "V 1053 SB" vor, dass für Zeiten von Schulferien oder Semesterferien der wöchentliche Zeitaufwand der vor Ferienbeginn liegenden Ausbildung anzugeben sei. Der Aufwand für die Schulausbildung habe weit über 20 Wochenstunden gelegen, gleichzeitig sei die geringfügige Beschäftigung nahezu nicht ins Gewicht gefallen. Deshalb müssten die Zeiten auf der Grundlage des § 58 Abs. 4a SGB VI anerkannt werden. Der Hinweis des SG auf die "ständige Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 1992" gehe fehl. Seit 2009 würden Ausbildungszeiten nicht mehr als rentensteigernde Anrechnungszeiten gelten. Hinsichtlich des Studienabschlusses habe das BSG mit Urteil vom 10.02.2005 entschieden, dass eine Ausbildung erst nach abgelegter Prüfung mit Aushändigung des Zeugnisses beendet sei. Auf den Besuch von Vorlesungen oder den Zeitpunkt der Exmatrikulation komme es nicht an. Da das Urteil des SG rechtsfehlerhaft sei, könne dem Kläger keine Missbräuchlichkeit mit der entsprechenden Auferlegung von Kosten unterstellt werden.

Die Beklagte weist mit Schriftsatz vom 23.12.2013 darauf hin, dass die Regelung des § 58 Abs. 4a SGB VI nur dann zur Anwendung komme, wenn gleichzeitig eine Schulausbildung und eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt würden. Der Kläger habe aber bereits am 30.06.2000 seine Schulausbildung beendet gehabt.

In einem Erörterungstermin vom 15.06.2015, zu dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen konnte, hatte die Vertreterin der Beklagten mitgeteilt, dass vor dem SG Nürnberg ein Verfahren wegen Nachentrichtung der freiwilligen Beiträge unter dem Az. S 3 R 1002/14 anhängig gewesen sei, das durch Vergleich vom 12.05.2015 beendet worden sei. Die Beklagte habe sich in diesem Vergleich bereit erklärt, dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 sowie vom 01.01.2008 bis 08.12.2010 für 48 Monate die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zu gestatten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte auf Nachfrage des Senats mit, dass dieser Vergleichsabschluss keine Auswirkungen auf das hiesige Verfahren habe, da weder über die Übergangsanrechnungszeiten noch über den Zeitpunkt des Studienendes entschieden worden sei. Im Gegenteil sei bei einer Anerkennung der Übergangsanrechnungszeiten die Höchstdauer der Anrechnungszeiten bereits im Juni 2006 erreicht und nicht erst im Oktober 2006.

Die Beklagte hat auf Anfrage des Senats mit Schriftsatz vom 31.07.2015 bestätigt, dass sie über die Nachzahlung freiwilliger Beiträge mit Bescheid vom 09.05.2014 entschieden gehabt habe. In diesem Bescheid habe sie die Zeiten von 08/1997 bis März 2000 sowie von Oktober 2001 bis Dezember 2010 als Anrechnungszeiten anerkannt. Für den Zeitraum 08/2001 bis 09/2001 läge eine geringfügige Beschäftigung mit Zuzahlung (Pflichtbeiträge) vor, so dass die Nachzahlung insoweit ausgeschlossen sei. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch vom 03.06.2014 sei (mit Widerspruchsbescheid ohne lesbares Datum) zurückgewiesen worden. Der Kläger habe seinen Widerspruch nicht begründet. Die Beklagte übersandte die hierzu gehörenden Aktenbestandteile.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten vom 01.07.2000 bis 03.09.2000, vom 01.08.2001 bis 30.09.2001 sowie vom 09.12.2010 bis 14.03.2011 als Anrechnungszeiten beim Kläger festzustellen sowie

die im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08.2013 auferlegten Kosten in Höhe von 300,00 EUR aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08.2013 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sie ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht mit Gerichtsbescheid vom 29.08.2013 einen Anspruch des Klägers auf Feststellung weiterer Anrechnungszeiten wegen Schulbesuchs abgelehnt.

Anspruchsgrundlage für die Feststellung dieser Anrechnungszeiten ist § 149 Abs 5 i.V.m. § 58 Abs. 1 S 1 Nr. 4 SGB VI. Gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits geklärten Daten durch Bescheid fest. Gemäß § 149 Abs. 5 S. 3 SGB VI wird über die Anrechnung und Bewertung dieser im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung, im Zweifel also erst bei einer Rentengewährung entschieden. Im Vormerkungsverfahren wird deshalb nur geprüft, ob der behauptete Anrechnungszeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Selbst wenn im Einzelfall jegliche leistungsrechtliche Auswirkung einer Ausbildung als Anrechnungszeit verneint werden könnte, kann die Vormerkung einer derartigen Anrechnungszeit nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, zum Zeitpunkt des Leistungsfalls könne sich das bei der Berechnung der Leistung anzuwendende Recht geändert haben. Entscheidend ist, ob nach derzeitigem Recht generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rechtenversicherungsrechtlich relevant werden könnte (BSG, Urteil vom 10.02.2005, Az. B 4 RA 26/04 R unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 13 S. 70 m.w.N.; veröffentlicht bei juris). Eine weitere rentenrechtliche Relevanz dieser Zeiten im Leistungsfall ist gegenwärtig jedenfalls nicht auszuschließen, z. B. im Hinblick auf die Zuordnung rentenrechtlicher Zeiten als beitragsgemindert (§ 54 Abs. 3 SGB VI) oder für eine günstigere Bemessungsgrundlage bei der Rentenberechnung von länger Versicherten (§ 262 und § 70 Abs. 3a SGB VI) (vgl. Dankelmann, in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl., 2013, § 58 Rdnr. 27 m.w.N.). Zudem geht es dem Kläger nach Auskunft seines Prozessbevollmächtigten auch um die Frage, in welchem Umfang freiwillige Beiträge nach § 207 SGB VI für diese Zeiten nachentrichtet werden können. Hierfür ist entscheidend, wann die 8-Jahres-Grenze nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI als Höchstgrenze für Anrechnungszeiten erreicht wird, weil eine Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nur möglich ist für Zeiträume, die grundsätzlich als Anrechnungszeiten anerkennungsfähig sind (§ 207 SGB VI). Die Zeiten vom 01.07.2000 bis 03.09.2000 und vom 01.08.2001 bis 30.09.2001 sind als Übergangs-Anrechnungszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als rentenrechtliche Anrechnungszeiten des Klägers festzustellen.

Gemäß § 58 Abs 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in den Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass die Zeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten - vorliegend zwischen Gymnasium mit dem bestandenen Abitur und dem Informatikstudium - grundsätzlich eine Übergangszeit darstellt, die als Anrechnungszeit wegen Schulbesuchs zu werten ist (BSG, Urteil vom 10.02.2005; Az. B 4 RA 26/04 R, Rdnr 16 ff., veröffentlicht bei juris). Ebenfalls als Übergangszeit und damit anzuerkennende Anrechnungszeit gilt nach der Rechtsprechung des BSG die Zeit, um die sich die Studiumsaufnahme deshalb verzögert, weil "von hoher Hand" aufgrund einer staatlichen Anordnung der Studienbeginn nicht früher möglich ist, d. h. insbesondere bei bestehender Wehrpflicht bzw. bei zu leistendem Zivildienst (BSG vom 10.02.2005, a.a.O., Rdnr. 17; BSG Urteil vom 17.04.2007, Az. B 5 R 62/06 R, Rdnr. 14 ff.; BSG Urteil vom 06.05.2010, Az. B 13 R 118/08 R, Rdnr. 24 ff.; jeweils veröffentlicht bei juris).

Die in diesen Urteilen genannten besonderen Voraussetzungen für die Anerkennung einer solchen Übergangszeit erfüllt der Kläger. Die Unterbrechungszeiten waren generell unvermeidbar, waren (schul-)organisatorisch bedingt typisch. Sie waren von vorneherein auf maximal vier Monate begrenzt und die Ausbildung sollte nach den Ferien auch fortgeführt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG vom 17.04.2007, Rdnr. 15 und 18 m.w.N.). Der Kläger hat sein Abitur am 30.06.2000 bestanden und hat die Schule zu diesem Zeitpunkt mit dem Willen verlassen, ein Hochschulstudium zu absolvieren. Dieses Studium hat er am 01.10.2001 aufgenommen. Die lange Dauer der Unterbrechung ist auf die damals staatlich angeordnete Pflicht zur Absolvierung des Wehr- bzw. Zivildienstes zurückzuführen gewesen. Der Kläger hat diesen staatlich angeordneten Dienst am 04.09.2000 aufgenommen und am 31.07.2001 beendet. Damit sind diese Übergangszeiten als Anrechnungszeiten wegen Schulbesuch im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI zu bewerten, weil es sich um Unterbrechungen zwischen zwei Ausbildungsabschnitten handelt. Die Rechtsprechung begründet diese erweiterte Übergangsanrechnungszeit damit, dass Versicherte, die eine vom Gesetzgeber vorgesehene typisierte Ausbildung aus von ihnen nicht zu vertretenden organisationsbedingten Gründen ungewollt und unvermeidbar nicht zügig fortsetzen und dementsprechend erst später eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen können, in dem entsprechenden zeitlichen Rahmen keinen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden sollen (BSG, B 4 RA 26/04 R, Rdnr. 19 m.w.N.).

Der Anerkennung der vom Kläger gerügten Zeiten als Anrechnungszeiten steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger in diesen beiden Zeiträumen vom 01.07.2000 bis 03.09.2000 und vom 01.08.2001 bis 30.09.2001 eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - ausgeübt hat. Nach dem damals geltenden Recht war die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung eine versicherungsfreie Tätigkeit. Der Eintritt einer Versicherungspflicht nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und die daraus folgende Verpflichtung zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen war damit nicht verbunden. Jedoch konnte auf die Versicherungsfreiheit verzichtet werden. Durch den Verzicht auf die Versicherungsfreiheit wird diese Tätigkeit nicht zu einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Sinne des § 1 SGB VI, sondern führt lediglich zu einer Abführung von pauschalen Beiträgen nach § 172 SGB VI überwiegend durch den Arbeitgeber, teilweise durch den Versicherten in letztlich meist eher unerheblicher Höhe.

Hätte der Kläger nicht auf die Versicherungsfreiheit verzichtet, könnte er unproblematisch die von der Rechtsprechung anerkannten Übergangsanrechnungszeiten für sich beanspruchen, weil diese Zeiten zwischen 2 Ausbildungsabschnitten liegen und ihm für diese Zeiträume aufgrund der Ausbildungssituation nicht zugemutet werden kann, eine versicherungspflichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen.

Entgegen der Auffassung des SG steht der Umstand, dass der Kläger in den ersten beiden streitgegenständlichen Zeiträumen eine geringfügige Beschäftigung unter Verzicht auf die Versicherungsfreiheit ausgeübt hat und insoweit Pflichtbeitragszeiten im Versicherungsverlauf vermerkt sind, der Anerkennung einer Anrechnungszeit nicht entgegen. Zwar ist durch diese Pflichtbeiträge tatsächlich keine Lücke im Versicherungsverlauf ersichtlich, die im Hinblick auf eine rentenrechtlich relevante Wartezeiterfüllung problematisch sein könnte. Hier sind durchgehend alle Zeiten als belegt anzusehen. Gleichwohl ist unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung, insbesondere des BSG entwickelten Schutzgedankens der Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Schulbesuch davon auszugehen, dass sich der Kläger - trotz der geringfügigen Beschäftigung - in einer vergleichbar schutzbedürftigen Situation befunden hat wie ein Schüler bzw. Student und Wehrpflichtiger oder Zivildienstleistender, der in der Zwischenphase zwischen zwei Ausbildungsabschnitten überhaupt keine Beschäftigung oder eine geringfügige Beschäftigung ausüben würde, hierbei aber nicht auf die Versicherungsfreiheit verzichtet hat und infolge dessen keine Abführung von pauschalen (geringen) Beiträgen durch einen Arbeitgeber stattfindet. Der Kläger war ebenso aufgrund seines Ausbildungsstadiums, in dem er sich jeweils befunden hat, an der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des allgemeinen Arbeitsmarktes mit nachfolgender Versicherungspflicht nach § 1 SGB VI ohne sein Verschulden gehindert, so dass er nicht in der Lage war, seine rentenrechtliche Absicherung selbst zu betreiben. Die Ausbildung hat auch keine anderweitige rentenrechtliche Absicherung erfahren wie etwa die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2007, B 5 R 62/06 R, Rdnr 14 ff. m.w.N.; BSG Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 118/08 R jeweils veröffentlicht bei juris).

Dem SG ist des Weiteren nicht zu folgen, soweit es von einer "Denknotwendigkeit" ausgeht, dass keine Anrechnungszeiten festgestellt werden könnten. Die Annahme, dass die Schule mit dem Abitur bzw. dem Aushändigen des Abiturzeugnisses beendet gewesen sei, ist im Hinblick auf die Beendigung der Schule als solche zwar zutreffend. Dieser Umstand der Beendigung der Schule mit Absolvierung der Abschlussprüfung ist aber dann irrelevant, wenn eine weitere Ausbildung bzw. ein weiterer Ausbildungsabschnitt beabsichtigt ist und dieser aus vom Versicherten nicht zu vertretenden organisatorischen Gründen oder kraft staatlicher Anordnung nicht unverzüglich aufgenommen werden kann. Der Kläger befand sich exakt in der Pause zwischen zwei Ausbildungsabschnitten und damit in der "klassischen" Situation eines Abiturienten, der beabsichtigt, ein Hochschulstudium aufzunehmen - verzögert lediglich durch den staatlich angeordneten Wehr- bzw. Zivildienst. Gerade diese Übergangszeit zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten wird von der Rechtsprechung als Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI angesehen und damit als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung.

Auch § 58 Abs. 4a SGB VI, auf den sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers bezogen hat, verdeutlicht bereits nach seinem Wortlaut, dass ein Nebeneinander von Pflichtbeiträgen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und in der gleichen Zeit eine Anrechnungszeit wegen Schulbesuch rentenrechtlich möglich ist, wenn der Schulbesuch die Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt. Zwar ist die Vorschrift des § 58 Abs. 4a SGB VI vorliegend nicht anwendbar insoweit, als sie eine versicherte Beschäftigung begleitend zum Schulbesuch voraussetzt, etwa bei Ausbildungen im zweiten Bildungsweg mit einer dafür reduzierten Arbeitszeit und einem reduzierten Einkommen in der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 1 Nr 1 SGB VI hat der Kläger in der fraglichen Zeit nicht ausgeübt. Für den Senat entscheidend ist aber der aus § 58 Abs. 4a SGB VI folgende Rechtsgedanke, dass ein rentenrechtlicher Ausgleich durch Anrechnungszeiten vorgesehen wird, wenn infolge einer Ausbildung eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für eine begrenzte Zeit nicht aufgenommen werden kann und damit eine eigene ausreichende rentenrechtliche Absicherung durch das Abführen angemessener Pflichtbeiträge nicht möglich ist.

Während des Schulbesuchs des Klägers wurden von der Beklagten zeitgleich Pflichtbeiträge wegen geringfügiger versicherungspflichtiger Beschäftigung und Anrechnungszeiten wegen Schulbesuchs nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI anerkannt. Ein rechtlicher Grund, weshalb dies in der Zwischenphase zwischen zwei Ausbildungsabschnitten rechtlich nicht mehr zulässig sein könnte, ist nicht ersichtlich. Auch die Zeit zwischen dem Ablegen der Diplomprüfung am 08.12.2010 und der Aushändigung des Abschlusszeugnisses am 17.03.2011 ist eine anzuerkennende Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI.

Der Kläger hat in dieser Zeit keine geringfügige Beschäftigung mehr ausgeübt, so dass sich die oben dargelegte Problematik hier nicht stellt. Fraglich ist deshalb allein, ob eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Klägers auch für die Zeit nach Ablegung der Prüfung am 08.12.2010 bis zur Aushändigung des Abschlusszeugnisses gesehen werden kann. Das BSG hat in seinem Urteil vom 10.02.2005 (Az. B 4 RA 26/04 R, a.a.O.) ein Ende der Schulausbildung mit der Aushändigung des Abitur- bzw. Abschlusszeugnisses angenommen. Bei dieser Entscheidung ging es allerdings um die Frage, ob eine Überschreitung des 4-Monats-Zeitraums, der aufgrund der bestehenden Regelungen im Kindergeldrecht und bei Waisenrenten als unschädliche Zwischenzeit angesehen wird, einem weiteren Anspruch entgegenstehen könnte. Ob eine uneingeschränkte Übertragung dieser Entscheidung auf die Frage der Beendigung eines Hochschulstudiums zu erfolgen hat, hat das BSG bisher nicht entschieden. Aufgrund unterschiedlicher Handhabung der Prüfungsmodalitäten in den Universitäten oder Fachhochschulen und je nach Studienfach ist jedenfalls davon auszugehen, dass ein Ende der Hochschulausbildung frühestens dann angenommen werden kann, wenn alle Prüfungsabschnitte absolviert sind und der Versicherte weiß, dass er sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist im Zweifel erst mit der Aushändigung des Abschlusszeugnisses der Fall.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Befragen des Senats mitgeteilt, dass er die Diplomarbeit am 08.12.2010 bei seiner Universität abgegeben hatte, eine Bewertung der Arbeit war damals aber noch nicht erfolgt. Zudem hatte er eine mündliche Prüfung über den Inhalt seiner Diplomarbeit vor einem Prüfungsgremium abzulegen, die in die Gesamtnote miteinging. Diese Prüfung hat der Kläger im Februar 2011absolviert. Erst anschließend hat sich der Kläger auf versicherungspflichtige Tätigkeiten beworben und hat dann nach seinen eigenen Angaben sehr schnell eine Beschäftigung gefunden, die er versicherungspflichtig am 15.03.2011 aufgenommen hat.

Soweit sich das SG in seinen Entscheidungsgründen auf Entscheidungen des BSG vom 15.11.1973 bzw. 16.12.1997 gestützt hat, sind diese durch die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen und vor allem durch die aktuelle Rechtsprechung des BSG seit 2005 unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Anrechnungszeiten wegen Schulbesuchs als überholt anzusehen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach § 207 SGB VI - die hier nicht streitgegenständlich ist - zwar Pflichtbeiträge einer Nachentrichtung entgegenstehen würden (§ 207 Abs. 1 SGB VI). Hierunter sind aber lediglich die Pflichtbeiträge aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 1 S. 1 SGB VI zu verstehen. Pauschale Beiträge nach § 172 Nrn. 3 und 3a SGB VI fallen nicht hierunter. Dies ist rechtlich auch konsequent, weil ein entsprechender Ausgleich rentenrechtlicher Nachteile durch eine lange Ausbildung nicht bereits mit den geringen pauschalen Beiträgen nach § 172 SGB VI erreicht werden kann und ggf. jemand, der geringfügig versicherungsfrei arbeitet, evtl. besser stehen könnte, als der Beschäftigte, der auf die Versicherungsfreiheit selbst verzichtet hat (Finke, in: Hauck/Noftz, SGB VI; § 207 SGB VI Rdnr. 21; Fichte, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 58 Rdnr. 214).

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers hin der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg aufzuheben und die Beklagte zur Feststellung der geltend gemachten Zeiten als Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI zu verurteilen. Mit Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 29.08.2013 ist auch die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Zwar ist über die hier entschiedene Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden. Der Senat sieht gleichwohl in der Entscheidung keine grundlegende Bedeutung, weil zwischenzeitlich rechtliche Änderungen im Hinblick auf die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erfolgt sind und vorliegend zudem besondere persönliche Konstellationen des Klägers eine wesentliche Rolle gespielt haben. Ein Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nicht vor, da der Senat sich der Rechtsprechung des BSG zur Anerkennung von Übergangsanrechnungszeiten wegen Schulbesuchs in vollem Umfang angeschlossen hat.
Rechtskraft
Aus
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