Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4214/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 738/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine psychische Störung ist nur dann von erwerbsmindernder Bedeutung, wenn sie weder aus eigenen Kräften noch unter ärztlicher Hilfe überwunden werden kann.
2. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast.
3. Bei Schmerzgeschehen sind wegen der weitgehend auf subjektiven Angaben beruhenden Beschwerden insbesondere die Beeinträchtigung des Tagesablaufs durch die Schmerzen wie auch Leidensdruck und Behandlungsintensität in die sozialmedizinische Beurteilung einzustellen
2. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast.
3. Bei Schmerzgeschehen sind wegen der weitgehend auf subjektiven Angaben beruhenden Beschwerden insbesondere die Beeinträchtigung des Tagesablaufs durch die Schmerzen wie auch Leidensdruck und Behandlungsintensität in die sozialmedizinische Beurteilung einzustellen
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie übte von 1976 bis 1997 eine Tätigkeit als Näherin aus, seit 1997 war sie zuletzt bis 31.07.2004 als Kassiererin bei einem Einzelhandel-Discounter versicherungspflichtig beschäftigt, danach folgten Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitszeiten.
Die Klägerin absolvierte vom 06.11.2003 bis 04.12.2003 eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 11.1.2.2003 erfolgte die Rehabilitation aufgrund Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4 rechts 8/03, Cervicobrachialgie mit funktionellen Störungen der HWS und Mißempfindungen beider Hände. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Ihr wurde ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert.
Am 25.07.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2005 ab. Mit Widerspruch vom 12.12.2005 machte die Klägerin geltend, sie sei nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, sie verwies dabei auf zwei Gutachten nach Aktenlage von Dr. P. im Auftrag der Agentur für Arbeit vom 15.12.2005 und 19.07.2005, in denen ein unter dreistündiges Leistungsvermögen festgestellt worden sei.
Die Beklagte beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser diagnostizierte auf seinem Fachgebiet keine wesentliche erwerbsmindernde Erkrankung und kam am 31.01.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Funktionseinschränkungen tätig sein. Der von der Beklagten ebenfalls beauftragte Orthopäde und Rheumatologe Dr. S. diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom, Impingement- Syndrom beider Schultern mit funktionellen Ausfällen, Meniskopathie, Osteopenie und Zustand nach Nucleotomie C3/4 mit Restbeschwerden. Er kam am 14.04.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne die Tätigkeit als Kassiererin nur noch unter drei Stunden täglich wegen der damit verbundenen hohen Belastung der Schulter- und Kniegelenke verrichten. Ohne weitere Begründung gab er an, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus unter Vermeidung von Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Wirbelsäule und der Knie verrichten. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme nahm die Beratungsärztin der Beklagten, Dr. N., am 28.04.2006 dazu Stellung und kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Daraufhin hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG), eingegangen am 17.07.2006 erhoben. Im Wesentlichen hat sie auf ein im Auftrag der Arbeitsagentur von Dr. P. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 06.09.2006 verwiesen, wonach die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.
Das SG hat die medizinischen Unterlagen beigezogen und den Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat folgende wesentliche Gesundheitsstörungen beschrieben: Fibromyalgiesyndrom, zum Teil nachvollziehbare Schmerzsymptomatik der Halswirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4, Schmerzsymptomatik der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche funktionellen Einbußen sowie Schmerzsymptomatik beider Schultergelenke und Kniegelenke ohne wesentliche Funktionseinbußen. Er ist am 03.04.2007 zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus oder überwiegend im Sitzen verrichten. Vermieden werden müssten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, unter ungünstigen äußeren Bedingungen, Überkopfarbeiten sowie Heben und Tragen von Lasten mehr als 5 kg.
Das SG hat weiter die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. W. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, die am 13.08.2007 bei den Diagnosen eines chronischen HWS- und BWS-Syndroms, einer mittelgradigen depressiven Episode und einer Migräne ohne Aura zu der gleichen sozialmedizinischen Einschätzung wie Dr. B. gelangt ist.
Auf Antrag der Klägerin hat Prof. Dr. J. ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Er hat auf psychiatrischem Gebiet ein atypische somatisierte Depression und eine dependente Persönlichkeit beschrieben und ist am 01.03.2008 zu der sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, die Klägerin könne lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 05.06.2008 hat Dr. W. an ihrer bisherigen sozialmedizinischen Stellungnahme festgehalten.
Mit Urteil vom 25.08.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. W. könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen verrichten.
Dem Gutachten des Prof. Dr. J. vom 29.05.2007 werde nicht gefolgt. Die von Prof. Dr. J. festgestellte verminderte Erwerbsfähigkeit der Klägerin gründe sich im Ergebnis auf einen gegenüber dem Gutachten des Dr. B. und der Frau Dr. W. nahezu unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin. Entsprechend habe die ärztliche Sachverständige Dr. W. in ihrer ergänzenden Stellungnahme an dem Gutachten des Prof. Dr. J. beanstandet, dass dessen sozialmedizinische Wertung der Gesundheitseinschränkungen - bei im Ergebnis vergleichbaren Befunden wie den von Dr. B. und ihr erhobenen Befunden - nicht nachvollziehbar erscheine. Prof. Dr. J. habe seine Annahme der quantitativen Leistungseinschränkung auf die psychiatrischen Gesundheitsstörungen der Klägerin gestützt. Auch diese Leiden seien, genau wie Schmerzen, nicht durch herkömmliche Messungen objektivierbar. Entscheidendes Kriterium der Einschätzung der Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet sei aber gewiss die durch die psychiatrischen Gesundheitsstörungen ausgelöste Behandlungsintensität. Dr. W. hat überzeugend ausgeführt, dass zum einen der Leidensdruck der Klägerin offensichtlich nicht so groß sei, dass die psychiatrische Behandlung sowohl von der Frequenz der Arztbesuche her als auch von der Medikation her im Vergleich zum Zeitpunkt der Vorgutachten intensiviert worden wäre. Auch die mehrfach angeregte ambulante Psychotherapie werde von der Klägerin nicht wahrgenommen. Des Weiteren habe Prof. Dr. J. die dependente Persönlichkeitsakzentuierung der Klägerin als die Erwerbsfähigkeit mindernd betrachtet. Diesbezüglich habe Dr. W. darauf hingewiesen, dass eine Persönlichkeitsakzentuierung nicht automatisch eine die Erwerbsfähigkeit limitierende Persönlichkeitsstörung darstelle. So sei die bei der Klägerin vorliegende Persönlichkeitsakzentuierung nicht von sozialmedizinischer Bedeutung, da die Dependenz der Klägerin nur einen Charakteraspekt, nicht aber eine Persönlichkeitsstörung darstelle.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung der von den Sachverständigen aufgeführten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Bisheriger Beruf der Klägerin sei der einer Kassiererin in einem Lebensmittelmarkt. Diese Tätigkeit entspreche bestenfalls einer angelernten, eher noch einer ungelernten Tätigkeit, so dass die Klägerin auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar verweisbar wäre.
Gegen das am 03.09.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht, eingegangen am 29.09.2008, erhoben. Im Wesentlichen hat der Bevollmächtigte vorgetragen, dem Gutachten von Prof. Dr. J. sei zu folgen, die Klägerin könne nur noch unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Insbesondere hat der Klägerbevollmächtigte auf ein im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit von Dr. K. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 03.03.2009 verwiesen, wonach die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich tätig sein könne. Ebenso ist vorgelegt worden ein Gutachten von der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. S. vom 21.09.2009, das im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens erstellt worden ist. Danach ist bei der Klägerin eine atypische somatisierte Depression im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, dependente Persönlichkeit, generalisiertes Fibromyalgiesyndrom, Impingementsyndrom beider Schultern rechts und links mit funktionellen Ausfällen und Zustand nach Nukleotomie C 3/4, Implantation eines Spacers diagnostiziert worden. Die Klägerin sei weiterhin arbeitsunfähig erkrankt, durch entsprechende Therapien sei eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erwarten.
Nach Einholung von Befundberichten des Allgemeinarztes Dr. D. vom 02.11.2009, des Orthopäden Dr. E. vom 11.11.2009 und des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 05.10.2009 hat der Senat den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat am 14.04.2010 bei der Klägerin im Wesentlichen eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig ausgeprägt sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, unter ungünstigen äußeren Bedingungen sowie mit besonderen Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit und die Umstellungsfähigkeit.
Der Klägervertreter hat zu dem Gutachten Stellung genommen und eine fehlende fachliche Kompetenz des Sachverständigen auf psychiatrischem Gebiet gerügt, weiterhin sei das Gutachten widersprüchlich und nicht verwertbar, denn der Sachverständige habe der Klägerin eine Blutprobe entnommen und nicht darauf hingewiesen, dass diese dazu diene, den Medikamentenpegel im Blut festzustellen.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.06.2010 hat Prof. Dr. G. dargetan, als Facharzt für Neurologie sowie als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei er sehr wohl auf psychiatrischem Fachgebiet zu einer fachlichen Stellungnahme geeignet. Die Klägerin sei vor der Blutabnahme zum Zweck einer Medikamentenbestimmung im Blut informiert worden und sie habe sich zur Blutabnahme bereit erklärt. Dies habe sich im Rahmen des Gutachtensauftrags bewegt, denn die Höhe des im Blut gemessenen Wertes bezüglich der Einnahme von Medikamenten sei aufschlussreich.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat den Facharzt für Anästhesiologie und Spezielle Schmerztherapie Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in dem am 12.01.2011 eingegangenen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, bei Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms könne die Klägerin noch unter drei Stunden täglich tätig sein.
Die Beklagte hat dazu Stellung genommen und auf der Grundlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. H. angegeben, bei gleicher Diagnose des Fibromyalgiesyndroms sei eine abweichende quantitative Leistungsbeurteilung zu Prof. Dr. G. nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei keine adäquate leitliniengerichtete Therapie des chronischen Schmerzsyndroms erfolgt. Eine Verschlechterung der Befunde sei nicht ersichtlich. Insbesondere kognitive Einschränkungen bezüglich des genannten Fatiguesyndroms seien im Gutachten durch Funktionsprüfungen nicht verifiziert worden.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 28.02.2011 hat Prof. Dr. G. Stellung zu dem Gutachten von Dr. C. genommen und ist bei seiner bisherigen sozialmedizinischen Stellungnahme verblieben.
Der Klägervertreter hat im Schriftsatz vom 26.09.2011 ausgeführt, Prof. Dr. G. habe nicht das Fibromyalgiesyndrom der Klägerin beurteilt, obwohl dies diagnostiziert worden sei. Dr. C. habe dies getan. Die Klägerin habe sich um eine Aufnahme in einer Schmerzklinik bemüht. Dort habe man sie jedoch auf die Ausschöpfung der ambulanten Möglichkeiten verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 25.07.2005 hin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein internistisches und ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung hat, denn sie kann noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.
Gemäß § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist noch in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechselrhythmus oder vorwiegend im Sitzen zu verrichten. Zu vermeiden sind Arbeitsplätze mit erhöhter Unfallgefahr sowie Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, unter ungünstigen äußeren Bedingungen und mit Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm.
Zur Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf die Feststellungen des im Verfahren gehörten Prof. Dr. G. sowie der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. B. und Dr. W ... Hinsichtlich dieser Feststellungen wird in vollem Umfang auf die Ausführungen des SG gemäß § 153 SGG verwiesen.
Prof. Dr. G. hat auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine rezidivierende depressive Störung, derzeitig leichtgradig ausgeprägt, sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert.
Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung eine psychische Störung nur dann von erwerbsmindernder Bedeutung ist, wenn sie weder aus eigenen Kräften noch unter ärztlicher Hilfe überwunden werden kann (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89, zit. nach juris). Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft aber den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG SozR Nr 39 zu § 1246 RVO und BSG SozR Nr 76 zu § 1246 RVO). Bei Schmerzgeschehen sind wegen der weitgehend auf subjektiven Angaben beruhenden Beschwerden insbesondere Beeinträchtigung des Tagesablaufs durch die Schmerzen wie auch Leidensdruck und Behandlungsintensität in die sozialmedizinische Beurteilung einzustellen.
Vorliegend hat Prof. Dr. G. nachvollziehbar dargelegt, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und der körperlichen Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation besteht. Dabei wird zwar durchaus ein beeinträchtigender Schmerzzustand gesehen, allerdings ist die Schmerzbewältigung nicht gänzlich dem Willen der Klägerin entzogen. Dies ist insbesondere im Hinblick darauf zu sehen, dass die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind. Prof. Dr. G. beschreibt zwar, dass über die Jahre hinweg therapeutische Maßnahmen unternommen worden seien, allerdings vorrangig körperbezogen, und erst im Lauf des Rentenverfahrens mit nachhaltigen neurologisch-psychiatrischen und inzwischen auch psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen, auch mit einer schmerzdistanzierenden Medikation begonnen worden sei. Allerdings wurde in der Blutabnahme vom 09.03.2010 Citalopram unter der Nachweisgrenze bestimmt, bei ausdrücklicher Angabe einer regelmäßigen Einnahme, auch bei einer Einnahme am Untersuchungstag auf die Frage des Sachverständigen. Insofern kann für den Untersuchungszeitpunkt nicht von einer Einnahme in einer therapeutischen Dosierung ausgegangen werden.
Nach alledem hat Prof. Dr. G. nachvollziehbar dargelegt, dass zwar von einem echten psychischen Krankheitsbild mit Krankheitswert auszugehen ist, wobei die Klägerin aber unter eigener zumutbarer Willensanstrengung und mit ärztlicher Hilfe diese Gesundheitsstörungen in absehbarer Zeit zumindest teilweise überwinden kann und sie lediglich in ihrer qualitativen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, jedoch nicht quantitativ.
Soweit der Klägerbevollmächtigte bemängelt, Prof. Dr. G. habe nicht die Diagnose der Fibromyalgie miteinbezogen, weist Prof. Dr. G. darauf hin, dass schon der Begriff der Fibromyalgie umstritten ist. Im Übrigen kommt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Wesentlichen nicht auf eine gestellte Diagnose, sondern auf die festgestellten Funktionseinschränkungen an. Das Gutachten von Prof. Dr. G. ist auch verwertbar, insbesondere im Hinblick auf die Blutentnahme. Prof. Dr. G. hat die Klägerin auf den Zweck der Entnahme hingewiesen, ebenso hat diese der Blutentnahme zugestimmt. Sollte - was der Klägerbevollmächtigte wohl bestreitet - die Klägerin nicht gewusst haben, dass diese zur Medikamentenbestimmung im Blut dient, so wäre dies ebenfalls unerheblich. Die Untersuchung war objektiv geeignet, Aufschlüsse über die Frage der Erwerbsminderung zu geben, die Klägerin hat auch ihre Zustimmung - dies bestreitet der Klägerbevollmächtigte auch nicht - erteilt.
Eine andere Leistungsbeurteilung ergibt sich auch nicht durch die im Auftrag der Arbeitsagentur erstellten Gutachten von Dr. K. und Dr. P ... Diese Gutachten sind lediglich nach Aktenlage erstellt worden und können eine Untersuchung nicht ersetzen. Auch dem Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. S. vom 21.09.2009 in einem zivilrechtlichen Verfahren lässt sch lediglich entnehmen, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ist. Da der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht identisch ist mit dem der Erwerbsminderung, lässt sich daraus kein eindeutiger Schluss ziehen und kann jedenfalls das Gutachten von Prof. Dr. G. nicht erschüttern.
Gleiches gilt für das Gutachten des Anästhesiologen Dr. C ... Dr. C. ist auf der Grundlage eines diagnostizierten Fibromyalgiesyndroms zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne nur noch unter drei Stunden täglich tätig sein. Begründet hat er dies mit dem hochgradigen Dauerschmerz und den langfristigen schwerwiegenden Störungen der nächtlichen Schlafdauer und Schlafqualität und der dadurch begründeten Einschränkung in der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit. Diese Einschränkung der Leistungsfähigkeit hat er seit 2004 angegeben. Gleichzeitig hat er angegeben, eine Erwerbsminderung werde auf Dauer angenommen, der Grad könne jedoch erst nach erfolgter längerer multimodaler Therapie beurteilt werden. Dem Gutachten ist nicht zu folgen. Eine Verschlechterung der Befunde ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt. Nicht erläutert wird, wieso eine abweichende Beurteilung zu den bisherigen Gutachten erfolgt. Die Einschätzung ist lediglich aufgrund des klinischen Befundes erfolgt, ohne dies in Übereinstimmung mit objektivierbaren Faktoren - den Tagesablauf, den Leidensdruck und die Behandlungsintensität - zu bringen.
Den hilfsweise gestellten Beweisanträgen war nicht nachzukommen. Auf rheumatologisch-orthopädischem Gebiet liegt das Gutachten von Dr. B. vom 04.04.2007 vor. Der im Verfahren eingeholte Befundbericht des die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. E. vom 10.11.2009 listet im Wesentlichen die gleichen Diagnosen auf und verweist sogar auf eine Besserung im Beschwerdebild der Halswirbelsäule. Ein internistisches Gutachten ist ebenfalls nicht von Amts wegen einzuholen. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Prof. Dr. G. hat in Beantwortung der Beweisfrage, ob noch weitere fachärztliche Gutachten erforderlich seien, dies verneint.
Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1, 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie übte von 1976 bis 1997 eine Tätigkeit als Näherin aus, seit 1997 war sie zuletzt bis 31.07.2004 als Kassiererin bei einem Einzelhandel-Discounter versicherungspflichtig beschäftigt, danach folgten Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitszeiten.
Die Klägerin absolvierte vom 06.11.2003 bis 04.12.2003 eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 11.1.2.2003 erfolgte die Rehabilitation aufgrund Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4 rechts 8/03, Cervicobrachialgie mit funktionellen Störungen der HWS und Mißempfindungen beider Hände. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Ihr wurde ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert.
Am 25.07.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2005 ab. Mit Widerspruch vom 12.12.2005 machte die Klägerin geltend, sie sei nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, sie verwies dabei auf zwei Gutachten nach Aktenlage von Dr. P. im Auftrag der Agentur für Arbeit vom 15.12.2005 und 19.07.2005, in denen ein unter dreistündiges Leistungsvermögen festgestellt worden sei.
Die Beklagte beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser diagnostizierte auf seinem Fachgebiet keine wesentliche erwerbsmindernde Erkrankung und kam am 31.01.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Funktionseinschränkungen tätig sein. Der von der Beklagten ebenfalls beauftragte Orthopäde und Rheumatologe Dr. S. diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom, Impingement- Syndrom beider Schultern mit funktionellen Ausfällen, Meniskopathie, Osteopenie und Zustand nach Nucleotomie C3/4 mit Restbeschwerden. Er kam am 14.04.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne die Tätigkeit als Kassiererin nur noch unter drei Stunden täglich wegen der damit verbundenen hohen Belastung der Schulter- und Kniegelenke verrichten. Ohne weitere Begründung gab er an, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus unter Vermeidung von Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Wirbelsäule und der Knie verrichten. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme nahm die Beratungsärztin der Beklagten, Dr. N., am 28.04.2006 dazu Stellung und kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Daraufhin hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG), eingegangen am 17.07.2006 erhoben. Im Wesentlichen hat sie auf ein im Auftrag der Arbeitsagentur von Dr. P. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 06.09.2006 verwiesen, wonach die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.
Das SG hat die medizinischen Unterlagen beigezogen und den Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat folgende wesentliche Gesundheitsstörungen beschrieben: Fibromyalgiesyndrom, zum Teil nachvollziehbare Schmerzsymptomatik der Halswirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4, Schmerzsymptomatik der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche funktionellen Einbußen sowie Schmerzsymptomatik beider Schultergelenke und Kniegelenke ohne wesentliche Funktionseinbußen. Er ist am 03.04.2007 zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus oder überwiegend im Sitzen verrichten. Vermieden werden müssten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, unter ungünstigen äußeren Bedingungen, Überkopfarbeiten sowie Heben und Tragen von Lasten mehr als 5 kg.
Das SG hat weiter die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. W. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, die am 13.08.2007 bei den Diagnosen eines chronischen HWS- und BWS-Syndroms, einer mittelgradigen depressiven Episode und einer Migräne ohne Aura zu der gleichen sozialmedizinischen Einschätzung wie Dr. B. gelangt ist.
Auf Antrag der Klägerin hat Prof. Dr. J. ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Er hat auf psychiatrischem Gebiet ein atypische somatisierte Depression und eine dependente Persönlichkeit beschrieben und ist am 01.03.2008 zu der sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, die Klägerin könne lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 05.06.2008 hat Dr. W. an ihrer bisherigen sozialmedizinischen Stellungnahme festgehalten.
Mit Urteil vom 25.08.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. W. könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen verrichten.
Dem Gutachten des Prof. Dr. J. vom 29.05.2007 werde nicht gefolgt. Die von Prof. Dr. J. festgestellte verminderte Erwerbsfähigkeit der Klägerin gründe sich im Ergebnis auf einen gegenüber dem Gutachten des Dr. B. und der Frau Dr. W. nahezu unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin. Entsprechend habe die ärztliche Sachverständige Dr. W. in ihrer ergänzenden Stellungnahme an dem Gutachten des Prof. Dr. J. beanstandet, dass dessen sozialmedizinische Wertung der Gesundheitseinschränkungen - bei im Ergebnis vergleichbaren Befunden wie den von Dr. B. und ihr erhobenen Befunden - nicht nachvollziehbar erscheine. Prof. Dr. J. habe seine Annahme der quantitativen Leistungseinschränkung auf die psychiatrischen Gesundheitsstörungen der Klägerin gestützt. Auch diese Leiden seien, genau wie Schmerzen, nicht durch herkömmliche Messungen objektivierbar. Entscheidendes Kriterium der Einschätzung der Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet sei aber gewiss die durch die psychiatrischen Gesundheitsstörungen ausgelöste Behandlungsintensität. Dr. W. hat überzeugend ausgeführt, dass zum einen der Leidensdruck der Klägerin offensichtlich nicht so groß sei, dass die psychiatrische Behandlung sowohl von der Frequenz der Arztbesuche her als auch von der Medikation her im Vergleich zum Zeitpunkt der Vorgutachten intensiviert worden wäre. Auch die mehrfach angeregte ambulante Psychotherapie werde von der Klägerin nicht wahrgenommen. Des Weiteren habe Prof. Dr. J. die dependente Persönlichkeitsakzentuierung der Klägerin als die Erwerbsfähigkeit mindernd betrachtet. Diesbezüglich habe Dr. W. darauf hingewiesen, dass eine Persönlichkeitsakzentuierung nicht automatisch eine die Erwerbsfähigkeit limitierende Persönlichkeitsstörung darstelle. So sei die bei der Klägerin vorliegende Persönlichkeitsakzentuierung nicht von sozialmedizinischer Bedeutung, da die Dependenz der Klägerin nur einen Charakteraspekt, nicht aber eine Persönlichkeitsstörung darstelle.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung der von den Sachverständigen aufgeführten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Bisheriger Beruf der Klägerin sei der einer Kassiererin in einem Lebensmittelmarkt. Diese Tätigkeit entspreche bestenfalls einer angelernten, eher noch einer ungelernten Tätigkeit, so dass die Klägerin auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar verweisbar wäre.
Gegen das am 03.09.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht, eingegangen am 29.09.2008, erhoben. Im Wesentlichen hat der Bevollmächtigte vorgetragen, dem Gutachten von Prof. Dr. J. sei zu folgen, die Klägerin könne nur noch unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Insbesondere hat der Klägerbevollmächtigte auf ein im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit von Dr. K. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 03.03.2009 verwiesen, wonach die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich tätig sein könne. Ebenso ist vorgelegt worden ein Gutachten von der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. S. vom 21.09.2009, das im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens erstellt worden ist. Danach ist bei der Klägerin eine atypische somatisierte Depression im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, dependente Persönlichkeit, generalisiertes Fibromyalgiesyndrom, Impingementsyndrom beider Schultern rechts und links mit funktionellen Ausfällen und Zustand nach Nukleotomie C 3/4, Implantation eines Spacers diagnostiziert worden. Die Klägerin sei weiterhin arbeitsunfähig erkrankt, durch entsprechende Therapien sei eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erwarten.
Nach Einholung von Befundberichten des Allgemeinarztes Dr. D. vom 02.11.2009, des Orthopäden Dr. E. vom 11.11.2009 und des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 05.10.2009 hat der Senat den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat am 14.04.2010 bei der Klägerin im Wesentlichen eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig ausgeprägt sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, unter ungünstigen äußeren Bedingungen sowie mit besonderen Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit und die Umstellungsfähigkeit.
Der Klägervertreter hat zu dem Gutachten Stellung genommen und eine fehlende fachliche Kompetenz des Sachverständigen auf psychiatrischem Gebiet gerügt, weiterhin sei das Gutachten widersprüchlich und nicht verwertbar, denn der Sachverständige habe der Klägerin eine Blutprobe entnommen und nicht darauf hingewiesen, dass diese dazu diene, den Medikamentenpegel im Blut festzustellen.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.06.2010 hat Prof. Dr. G. dargetan, als Facharzt für Neurologie sowie als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei er sehr wohl auf psychiatrischem Fachgebiet zu einer fachlichen Stellungnahme geeignet. Die Klägerin sei vor der Blutabnahme zum Zweck einer Medikamentenbestimmung im Blut informiert worden und sie habe sich zur Blutabnahme bereit erklärt. Dies habe sich im Rahmen des Gutachtensauftrags bewegt, denn die Höhe des im Blut gemessenen Wertes bezüglich der Einnahme von Medikamenten sei aufschlussreich.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat den Facharzt für Anästhesiologie und Spezielle Schmerztherapie Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in dem am 12.01.2011 eingegangenen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, bei Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms könne die Klägerin noch unter drei Stunden täglich tätig sein.
Die Beklagte hat dazu Stellung genommen und auf der Grundlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. H. angegeben, bei gleicher Diagnose des Fibromyalgiesyndroms sei eine abweichende quantitative Leistungsbeurteilung zu Prof. Dr. G. nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei keine adäquate leitliniengerichtete Therapie des chronischen Schmerzsyndroms erfolgt. Eine Verschlechterung der Befunde sei nicht ersichtlich. Insbesondere kognitive Einschränkungen bezüglich des genannten Fatiguesyndroms seien im Gutachten durch Funktionsprüfungen nicht verifiziert worden.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 28.02.2011 hat Prof. Dr. G. Stellung zu dem Gutachten von Dr. C. genommen und ist bei seiner bisherigen sozialmedizinischen Stellungnahme verblieben.
Der Klägervertreter hat im Schriftsatz vom 26.09.2011 ausgeführt, Prof. Dr. G. habe nicht das Fibromyalgiesyndrom der Klägerin beurteilt, obwohl dies diagnostiziert worden sei. Dr. C. habe dies getan. Die Klägerin habe sich um eine Aufnahme in einer Schmerzklinik bemüht. Dort habe man sie jedoch auf die Ausschöpfung der ambulanten Möglichkeiten verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 25.07.2005 hin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein internistisches und ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung hat, denn sie kann noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.
Gemäß § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist noch in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechselrhythmus oder vorwiegend im Sitzen zu verrichten. Zu vermeiden sind Arbeitsplätze mit erhöhter Unfallgefahr sowie Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, unter ungünstigen äußeren Bedingungen und mit Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm.
Zur Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf die Feststellungen des im Verfahren gehörten Prof. Dr. G. sowie der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. B. und Dr. W ... Hinsichtlich dieser Feststellungen wird in vollem Umfang auf die Ausführungen des SG gemäß § 153 SGG verwiesen.
Prof. Dr. G. hat auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine rezidivierende depressive Störung, derzeitig leichtgradig ausgeprägt, sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert.
Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung eine psychische Störung nur dann von erwerbsmindernder Bedeutung ist, wenn sie weder aus eigenen Kräften noch unter ärztlicher Hilfe überwunden werden kann (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89, zit. nach juris). Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft aber den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG SozR Nr 39 zu § 1246 RVO und BSG SozR Nr 76 zu § 1246 RVO). Bei Schmerzgeschehen sind wegen der weitgehend auf subjektiven Angaben beruhenden Beschwerden insbesondere Beeinträchtigung des Tagesablaufs durch die Schmerzen wie auch Leidensdruck und Behandlungsintensität in die sozialmedizinische Beurteilung einzustellen.
Vorliegend hat Prof. Dr. G. nachvollziehbar dargelegt, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und der körperlichen Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation besteht. Dabei wird zwar durchaus ein beeinträchtigender Schmerzzustand gesehen, allerdings ist die Schmerzbewältigung nicht gänzlich dem Willen der Klägerin entzogen. Dies ist insbesondere im Hinblick darauf zu sehen, dass die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind. Prof. Dr. G. beschreibt zwar, dass über die Jahre hinweg therapeutische Maßnahmen unternommen worden seien, allerdings vorrangig körperbezogen, und erst im Lauf des Rentenverfahrens mit nachhaltigen neurologisch-psychiatrischen und inzwischen auch psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen, auch mit einer schmerzdistanzierenden Medikation begonnen worden sei. Allerdings wurde in der Blutabnahme vom 09.03.2010 Citalopram unter der Nachweisgrenze bestimmt, bei ausdrücklicher Angabe einer regelmäßigen Einnahme, auch bei einer Einnahme am Untersuchungstag auf die Frage des Sachverständigen. Insofern kann für den Untersuchungszeitpunkt nicht von einer Einnahme in einer therapeutischen Dosierung ausgegangen werden.
Nach alledem hat Prof. Dr. G. nachvollziehbar dargelegt, dass zwar von einem echten psychischen Krankheitsbild mit Krankheitswert auszugehen ist, wobei die Klägerin aber unter eigener zumutbarer Willensanstrengung und mit ärztlicher Hilfe diese Gesundheitsstörungen in absehbarer Zeit zumindest teilweise überwinden kann und sie lediglich in ihrer qualitativen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, jedoch nicht quantitativ.
Soweit der Klägerbevollmächtigte bemängelt, Prof. Dr. G. habe nicht die Diagnose der Fibromyalgie miteinbezogen, weist Prof. Dr. G. darauf hin, dass schon der Begriff der Fibromyalgie umstritten ist. Im Übrigen kommt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Wesentlichen nicht auf eine gestellte Diagnose, sondern auf die festgestellten Funktionseinschränkungen an. Das Gutachten von Prof. Dr. G. ist auch verwertbar, insbesondere im Hinblick auf die Blutentnahme. Prof. Dr. G. hat die Klägerin auf den Zweck der Entnahme hingewiesen, ebenso hat diese der Blutentnahme zugestimmt. Sollte - was der Klägerbevollmächtigte wohl bestreitet - die Klägerin nicht gewusst haben, dass diese zur Medikamentenbestimmung im Blut dient, so wäre dies ebenfalls unerheblich. Die Untersuchung war objektiv geeignet, Aufschlüsse über die Frage der Erwerbsminderung zu geben, die Klägerin hat auch ihre Zustimmung - dies bestreitet der Klägerbevollmächtigte auch nicht - erteilt.
Eine andere Leistungsbeurteilung ergibt sich auch nicht durch die im Auftrag der Arbeitsagentur erstellten Gutachten von Dr. K. und Dr. P ... Diese Gutachten sind lediglich nach Aktenlage erstellt worden und können eine Untersuchung nicht ersetzen. Auch dem Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. S. vom 21.09.2009 in einem zivilrechtlichen Verfahren lässt sch lediglich entnehmen, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ist. Da der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht identisch ist mit dem der Erwerbsminderung, lässt sich daraus kein eindeutiger Schluss ziehen und kann jedenfalls das Gutachten von Prof. Dr. G. nicht erschüttern.
Gleiches gilt für das Gutachten des Anästhesiologen Dr. C ... Dr. C. ist auf der Grundlage eines diagnostizierten Fibromyalgiesyndroms zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne nur noch unter drei Stunden täglich tätig sein. Begründet hat er dies mit dem hochgradigen Dauerschmerz und den langfristigen schwerwiegenden Störungen der nächtlichen Schlafdauer und Schlafqualität und der dadurch begründeten Einschränkung in der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit. Diese Einschränkung der Leistungsfähigkeit hat er seit 2004 angegeben. Gleichzeitig hat er angegeben, eine Erwerbsminderung werde auf Dauer angenommen, der Grad könne jedoch erst nach erfolgter längerer multimodaler Therapie beurteilt werden. Dem Gutachten ist nicht zu folgen. Eine Verschlechterung der Befunde ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt. Nicht erläutert wird, wieso eine abweichende Beurteilung zu den bisherigen Gutachten erfolgt. Die Einschätzung ist lediglich aufgrund des klinischen Befundes erfolgt, ohne dies in Übereinstimmung mit objektivierbaren Faktoren - den Tagesablauf, den Leidensdruck und die Behandlungsintensität - zu bringen.
Den hilfsweise gestellten Beweisanträgen war nicht nachzukommen. Auf rheumatologisch-orthopädischem Gebiet liegt das Gutachten von Dr. B. vom 04.04.2007 vor. Der im Verfahren eingeholte Befundbericht des die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. E. vom 10.11.2009 listet im Wesentlichen die gleichen Diagnosen auf und verweist sogar auf eine Besserung im Beschwerdebild der Halswirbelsäule. Ein internistisches Gutachten ist ebenfalls nicht von Amts wegen einzuholen. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Prof. Dr. G. hat in Beantwortung der Beweisfrage, ob noch weitere fachärztliche Gutachten erforderlich seien, dies verneint.
Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1, 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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