L 19 R 153/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 R 4095/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 153/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI).
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2002 abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, in welcher Höhe Regelaltersrente ab dem 01.05.1996 bis zum Tod der Versicherten am 31.01.2012 zu gewähren war, mithin die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002.

Der Kläger ist der Ehemann der am 31.01.2012 verstorbenen Versicherten S. A., die 1931 in T. im Sudetenland geboren wurde und 1977 aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Die Versicherte war im Besitz eines Vertriebenenausweises A.

Mit Vormerkungsbescheid vom 03.08.1981 und Teilabhilfebescheiden vom 15.10.1982 und 15.12.1982 hatte die Beklagte rentenrechtliche Zeiten der Versicherten vorgemerkt. Der gegen den Bescheid vom 03.08.1981 eingelegte Widerspruch wurde im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.1985 zurückgewiesen. Die hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage (Az S 6 An 245/85) wurde mit Urteil vom 22.06.1988 als unbegründet abgewiesen. Auf die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung hin wurde unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide der Beklagten die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 01.02.1961 - 31.12.1962 der Leistungsgruppe 2 weibliche Arbeiter der Anlage 1 A zu § 22 Fremdrentengesetz - FRG - zuzuordnen. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen (Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 14.11.1990, Az L 13 An 179/88).

Zuvor war der Versicherten auf ihren Antrag vom 02.11.1982 mit Bescheid vom 26.01.1984 rückwirkend Erwerbsunfähigkeitsrente unter Annahme eines Versicherungsfalls bei Antragstellung gewährt worden, zunächst befristet bis 30.06.1986. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.1984 als unbegründet zurückgewiesen. Aufgrund des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 14.11.1990 wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin mit Bescheid vom 19.03.1991 neu festgestellt. Hingewiesen wurde darauf, dass sich infolge der Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts ein niedriger Rentenbetrag ergebe. Die Rente werde nach § 48 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - aber in der bisherigen Höhe weitergezahlt.

Mit weiteren Bescheiden der Beklagten vom 15.04.1992, 22.04.1992 und 29.12.1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.06.1993 wurden weitere Korrekturen der Erwerbsunfähigkeitsrente vorgenommen. Die hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage wurde mit Urteil vom 31.10.1995 als unbegründet abgewiesen (Az S 3 An 169/93). Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung, die unter dem Aktenzeichen L 13 RA 17/96 geführt wurde, wurde von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.1999 für erledigt erklärt. Die Versicherte hatte zwischenzeitlich bei der Beklagten am 14.06.1995 die Gewährung von Regelaltersrente beantragt, gleichzeitig aber ein Ruhen des Verfahrens gewünscht, bis weitere rentenrechtliche Sachverhalte geklärt seien, so dass bis zur Verhandlung vor dem Bayer. Landessozialgericht im Februar 1999 noch keine Entscheidung der Beklagten über die Regelaltersrente ergangen war.

Mit Bescheid des Landesamtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung Thüringen vom 18.05.1998 wurde der Versicherten eine Verfolgungszeit nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz für die Zeit vom 01.05.1977 - 02.12.1977 zuerkannt, was zu einer Neuberechnung der Erwerbsminderungsrente mit Bescheid vom 07.08.1998 führte. Nachdem zwischen den Beteiligten streitig war, ob dieser Bescheid Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens L 13 RA 17/96 geworden war und ob die Beklagte diesen Bescheid wirksam aufgehoben hatte oder nicht, legte der Kläger mit Schreiben vom 27.02.1999 vorsorglich Widerspruch gegen diesen Bescheid ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.1999 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Bescheid vom 07.08.1998 sei bereits wirksam von der Beklagten zurückgenommen worden, weil fehlerhaft ab dem 01.01.1987 aufgrund der Neubewertung der Kindererziehungszeiten und unter Zugrundelegung von Zeiten nach dem BerRehaG (2. SED-Unrechtsbereinigungs-gesetz) die Erwerbsunfähigkeitsrente neu berechnet worden sei. Eine Neufeststellung für Zeiten der beruflichen Rehabilitation sei frühestens ab dem 01.07.1990 möglich.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Versicherte erneut durch den Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 14 RA 248/99 geführt wurde. Während dieses Verfahrens erging ein Rentenbescheid vom 20.07.2000, mit dem für die Erwerbsunfähigkeitsrente der Versicherten die Rentenanpassungen zum 01.07.1999 und 01.07.2000 nachgeholt wurden. Der Bescheid wurde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zum Gegenstand des Klageverfahrens erklärt. Im Hinblick auf das noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Rehabilitierungsverfahren erklärten die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens, das mit Beschluss des Sozialgerichts vom 12.02.2001 bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens angeordnet wurde. Nachdem das Verfahren infolge des Ruhens aktenordnungsmäßig erledigt und dies den Beteiligten mitgeteilt worden war, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 05.10.2001, dass er mit dem Abschluss des Verfahrens nicht einverstanden sei. Das Verfahren wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen S 14 RA 491/01 WA fortgeführt. Mit Schreiben vom 09.11.2001 übersandte der Kläger weitere Unterlagen bezüglich rentenrechtlicher Zeiten. Mit Schreiben des Sozialgerichts vom 11.12.2001 wurde darauf hingewiesen, dass das Ende des Rehabilitierungsverfahrens noch nicht abzusehen sei und "ein Ende des Ruhens des Verfahrens noch nicht gegeben" sei. Mit Schreiben vom 12.12.2001 erklärte der Kläger daraufhin "seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 09.11.2001 für erledigt". Daraufhin wurde vom Sozialgericht eine Abschlussverfügung erstellt, wonach der Kläger die Klage am 19.12.2001 zurückgenommen habe. Die Beklagte erhielt vom Sozialgericht eine entsprechende Mitteilung, dass das Verfahren infolge der Klagerücknahme durch den Kläger beendet sei. Infolgedessen bewilligte die Beklagte der Versicherten mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14.03.2002 rückwirkend ab dem 01.05.1996 Regelaltersrente. Hiergegen legte der Kläger für die Versicherte mit Schreiben vom 22.03.2002 Widerspruch ein, u.a. bereits deshalb, weil die Beklagte den Bescheid durch ihre Behörde in Stralsund erlassen hatte. Mit weiterem Schreiben vom 05.04.2002 wurde der Widerspruch auch hinsichtlich verschiedener rentenrechtlicher Zeiten und Entgelte begründet.

Mit Schreiben vom 10.07.2002 nahm die Beklagte zur Widerspruchsbegründung des Klägers vom 05.04.2002 Stellung und wies schließlich den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2002 als unbegründet zurück. Mit Schreiben vom 02.11.2002, eingegangen beim Sozialgericht Nürnberg am 09.11.2002, dem der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 05.11.2002 bereits beigefügt war, wandte sich der Kläger erneut an das Sozialgericht mit der Bitte um Wiederaufnahme des Verfahrens, weil die Beklagte nunmehr mit Rentenbescheid vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002 entschieden und damit die Rechte der Versicherten unzulässig eingeschränkt habe. Gegen diesen Widerspruchsbescheid vom 05.11.2002 sei hiermit Klage zu erheben. Eine Reaktion des Sozialgerichts auf dieses Schreiben des Klägers ist zunächst nicht erfolgt. Erst im Februar 2005 wurde festgestellt, dass im Schreiben des Klägers vom 02.11.2002 eine neue Klage enthalten war, die nun unter dem Aktenzeichen S 16 R 4095/05 erfasst wurde. Aktenvorgänge seit Dezember 2002, die in dem Verfahren S 14 RA 491/01 WA lediglich abgelegt worden waren, wurden nun in die neue Akte übernommen und der Beklagten zur Stellungnahme übersandt, u. a. die Begründung des Klägers vom 30.01.2003.

Im Wesentlichen hat der Kläger Einwendungen zu folgenden Zeiten und Punkten geltend gemacht:

1) Die Aufhebung der Bescheide vom 03.08.1981, 15.10.1982 und 15.12.1982 im Rentenbescheid sei unzulässig

2) Entgelthöhe für die Zeit vom 01.01.1980 - 31.12.1980 von 23.225,- DM und daraus folgende Entgeltpunkte von 0,7580

3) Pflichtbeiträge für Zeiten der medizinischen Rehabilitation in der Zeit vom 23.03.1982 - 01.05.1982 für 3 Monate mit einem Entgelt von 5.400,- DM

4) 6/6 - Anrechnung der Zeiten vom 1.1.1947 - 31.12.1947 mit 12 Monaten Pflichtbeiträgen und vom 01.01.1948 - 30.04.1948 mit 4 Monaten Pflichtbeiträgen

5) Gesundheitsmaßnahme während der Lehrzeit vom 13.05.1951 - 14.09.1951 sei nicht im Versicherungsverlauf vom 14.03.2002 enthalten (4 Monate krank/Reha)

6) Entgelt von 519,33 DM für die Zeit vom 15.09.1951 - 30.11.1951 sei falsch, es müssten weiterhin 615,- DM angesetzt werden

7) Zeitraum 01.01.1952 - 04.10.1952 mit einem Entgelt von 2.210,- DM

8) Pflichtbeiträge für Kindererziehung für die Zeit vom 01.09.1952 - 31.10.1952

9) Pflichtbeiträge für die ersten beiden Jahre der Pflichtversicherung bis Vollendung des 25. Lebensjahres

10) Zeit vom 01.01.1971 - 31.12.1971 mit einem Entgelt von 12.200,- DM

11) Zeitraum vom 01.01.1969 - 27.11.1969 mit einem Entgelt von 7.931,- DM

12) Berücksichtigung der Zeit vom 01.12.1951 bis 31.12.1951 als Anrechnungszeit wegen Ausbildung

13) Änderung aller Zeiten in den Zugangsfaktor 1,0 (Hinweis auf § 44 SGB X und Verzinsungspflicht)

14) Entgeltpunkt für Vertreibung und Flucht für die Zeiträume

a) 24.04.1945 - 31.12.1946 21 Monate

b) 01.01.1978 - 30.06.1978 6 Monate

c) Es fehle Zeit vom 02.12.1977 - 31.12.1977 mit 2 Monaten

d) Zeit vom 01.05.1977 - 02.12.1977 zu korrigieren auf 30.11.1977 mit 8 Monaten Pflichtbeiträgen und 7 Monaten Versicherungszeit

Mit Schreiben vom 08.02.2011 hat der Kläger umfangreichen Schriftverkehr mit der Beklagten übersandt und mitgeteilt, dass seine Ehefrau sich in einer absoluten Notlage wegen einer palliativen chemotherapeutischen Behandlung befinde. Obwohl die Rehabilitierungsverfahren auf EU-Ebene noch nicht abgeschlossen seien, müsse eine Entscheidung auf nationaler Basis gefunden werden. In diesen Unterlagen befand sich ein Schreiben der Beklagten vom 14.12.2010, mit dem die Beklagte zu den vom Kläger benannten Fragen Stellung genommen hatte.

Ab 01.11.2011 war die 18. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg zuständig geworden.

Mit Schreiben vom 05.02.2012 teilte der Kläger mit, dass die Versicherte am 31.01.2012 verstorben sei und er als Vorsorgebevollmächtigter und Erbe die Pflicht habe, das Verfahren antragsgemäß fortzuführen. Das Sozialgericht forderte vom Kläger den Nachweis seiner Erbenstellung. Ein Nachweis der Erbenstellung ist jedoch nicht erfolgt.

Das Sozialgericht hat sodann mit Zustimmung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 28.11.2012 entschieden und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002 verurteilt, bei der Altersrente der Versicherten für die Zeit vom 15.09. - 30.11.1951 ein Entgelt von 615 DM, für die Zeit vom 01.01. - 31.08.1952 ein Entgelt von 2.210 DM, für die Zeit vom 01.01. - 31.12.1971 ein Entgelt von 12.200 DM zu berücksichtigen sowie für die Zeit vom 01.01. - 27.11.1969 ein Entgelt in Höhe von 7.931 DM. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen und der Beklagten ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klage nur teilweise erfolgreich sei.

Keinen Erfolg habe die Klage in folgenden Punkten:

1. Der Zeitraum vom 13.05.1951 - 14.09.1951 könne nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit angerechnet werden, da hierfür kein Nachweis der Arbeitsunfähigkeit der Versicherten vorliege. Dieser Nachweis könne nicht durch eine eidesstaatliche Versicherung ersetzt werden. Insoweit müsse es diesbezüglich bei der Lücke im Versicherungsverlauf verbleiben.

2. Die Entgeltpunkte für den Zeitraum 01.01.1947 bis 30.04.1948 könnten nicht zu 6/6 anerkannt werden, da hierfür der notwendige Nachweis nach § 22 Abs 3 FRG nicht geführt worden sei. Eintragungen über diesen Zeitraum seien weder im Arbeitsbuch der Versicherten enthalten noch reiche hierfür eine eidesstattliche Versicherung aus.

3. Die Zeit vom 01.05.1977 - 02.12.1977 habe die Beklagte zu Recht als Beitragszeit berücksichtigt. Grundlage hierfür sei die für die Beklagte bindende Rehabilitierungsbescheinigung des Landesamtes für Rehabilitation und Wiedergutmachung. Die Bindungswirkung erstrecke sich neben der Feststellung der Verfolgteneigenschaft und der Verfolgungszeit insbesondere auch auf die Angaben über die Beschäftigung, die ohne die Verfolgung ausgeübt worden wäre einschließlich der Angaben über die Qualifikationsgruppe nach Anlage 13 und den Bereich der Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Folglich habe die Beklagte erst ab dem 03.12.1977 eine Ersatzzeit wegen Vertreibung anerkennen können. Es sei rechtlich nicht zulässig, gleichzeitig neben der Beitragszeit bis 02.12.1977 eine Ersatzzeit ab dem 02.12.1977 anzuerkennen (§ 250 Abs 1 SGB VI).

4. Die Zeit vom 01.12.1951 - 31.12.1951 könne nicht als Anrechnungszeit wegen Ausbildung anerkannt werden, weil hierzu keine Nachweise vorlägen. Die Ausbildung der Versicherten habe bereits im Mai 1951 geendet. Es erschließe sich nicht, weshalb im Dezember 1951, also Monate nach dem Abschluss der Ausbildung, noch eine Anrechnungszeit wegen Ausbildung vorliegen solle.

5. Für den Zeitraum vom 01.01.1980 - 31.12.1980 könne nicht das gewünschte Entgelt von 23.225 DM zugrunde gelegt werden, sondern nur das durch den Arbeitgeber korrigierte Entgelt in Höhe von 22.350 DM (Korrekturmeldung des Arbeitgebers vom 07.04.1982) Der streitige Rentenbescheid sei jedoch insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die von der Versicherten während des vorangegangenen Zeitraums festgestellten Entgelte in den Zeiträumen

15.09.1951 - 30.11.1951

01.01.1952 - 31.08.1952 7.931,- DM

01.01.1969 - 27.11.1969

01.01.1971 - 31.12.1971

gekürzt und damit nicht im gebotenen Umfang berücksichtigt habe. Die Beklagte sei bei der Feststellung der Entgeltpunkte an die in den vorherigen Bescheiden festgestellten Arbeitsentgelte gebunden gewesen. Mit Vormerkungsbescheid vom 15.10.1982 habe die Beklagte erstmals auch die Höhe der streitigen Pflichtbeiträge festgestellt, in den folgenden Zeiträumen hätten alle Bescheide die vom Kläger begehrten Entgelte von

615,- DM für die Zeit vom 15.09.1951 - 30.11.1951,

2.210,- DM für die Zeit vom 01.01.1952 - 31.08.1952,

7.931,-DM für die Zeit vom 01.01. 1969 - 27.11.1969 und

12.220,- DM für die Zeit vom 01.01.1971 - 31.12.1971

enthalten. An diese Feststellungen sei die Beklagte gebunden. Der Vormerkungsbescheid sei ein Dauerverwaltungsakt, mit dem sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang bestimmt werde und der damit die Feststellung treffe, ob ein behaupteter Anrechnungstatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sei. Zwar sei die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten nicht Gegenstand des Vormerkungsbescheids. Jedoch gehöre nach Ansicht des Gerichts die Höhe des zu berücksichtigenden Entgelts zu den rentenversicherungsrechtlichen Vorleistungen, die bindend würden. Die Versicherte bzw. der Kläger hätten somit davon ausgehen können, dass diese Verwaltungsakte Bestand hätten, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hätten (§ 39 Abs 2 SGB X). An einem die Vormerkung der Entgelte insoweit aufhebenden Verwaltungsakt fehle es jedoch.

Gegen dieses Urteil des Sozialgerichts haben sowohl der Kläger am 11.02.2013 als auch die Beklagte am 08.03.2013 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger trägt vor, dass die Anerkennung und Berücksichtigung von Versicherungszeiten der Versicherten bei der ihr einst gewährten Rente erneut zu bestimmen sei. Nach einem Urteil des LSG Thüringen (Az L 2 RA 440/99) dürfe bei einer Neuberechnung dem Versicherten kein Nachteil entstehen. Das Sozialgericht habe zudem die geltenden Regelungen für Flüchtlinge und Vertriebene mit dem Ausweis A und in der Folge der weiteren politischen Verfolgung in der DDR mit dem Ausweis C übersehen. Hier hätten insbesondere für den Nachweis bestimmter Anrechnungszeiten sehr wohl Zeugenaussagen ausgereicht, wenn keine schriftlichen Nachweise hätten erbracht werden können. Die Versicherte habe ein betriebliches Fernstudium zum Industriekaufmann absolviert und diese Ausbildung durch eine Anerkennungsurkunde der IHK Nürnberg bestätigt bekommen. Damit seien anerkennungspflichtige Dokumente der Behörden des Freistaats Thüringen vorgelegt worden zur Beweisführung für den Einsatz der Versicherten als "Sekretärin" und damit müsse die Einordnung in die Leistungsstufe 3 für Angestellte Gültigkeit haben. Die Beklagte und das Sozialgericht hätten dies nicht anerkannt und deshalb die Persönlichkeitsrechte der Versicherten verletzt. Der Beklagten seien hierfür umfangreiche Unterlagen vorgelegt worden. Bezüglich der weiteren Begründung des Klägers wird auf Bl 2 - 3 und Bl 10 - 12 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Beklagte weist mit Schriftsatz vom 08.04.2013 darauf hin, dass der Kläger ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts S-Stadt vom 15.03.2012 nicht Erbe der Versicherten geworden sei, sondern der Sohn A. kraft testamentarischer Verfügung der Versicherten Alleinerbe sei. Der Kläger sei auch nicht Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Denn die Beklagte könne entweder nur verpflichtet werden, auf Grundlage der Vormerkungsbescheide eine Rente zu gewähren, was sie getan habe oder unzutreffende Vormerkungsbescheide nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Ein Anspruch auf Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X sei jedoch kein fälliger Anspruch auf eine laufende Geldleistung im Sinne des § 56 Abs 1 SGB I und stehe deshalb dem Ehegatten nicht zu. Das Verfahren sei deshalb auszusetzen bis zur Fortführung durch den Rechtsnachfolger.

Ungeachtet dessen habe die verstorbene Versicherte auch keinen Anspruch auf Korrektur der dem Rentenbescheid zugrunde liegenden Zeiten. Denn anders als das Sozialgericht ermittelt habe, spiele für die hier streitige Höhe der Regelaltersrente der Vormerkungsbescheid vom 15.10.1982 keine Rolle. Der Vormerkungsbescheid vom 15.10.1982 sei der Erwerbsunfähigkeitsrente zugrunde gelegt worden. Bei der Regelaltersrente sei dieser aber nicht mehr zugrunde zu legen. Dieser Bescheid sei in der Folge mehrmals geändert worden, so bereits durch den Bescheid vom 16.08.1995 und vom 17.07.1997. Grund für die Abänderung der Vormerkungsbescheide sei § 256b Abs 1 S 1 SGB VI gewesen, wonach nach der Regelung des § 256b Abs 1 S 1 2. Hs SGB VI für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde zu legen sei. Seit Juli 1990 habe eine entsprechende Regelung im Fremdrentengesetz gegolten. Würden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, würden nach § 26 S 1 FRG bei Anwendung des § 22 Abs 1 FRG die Entgeltpunkte nur anteilsmäßig berücksichtigt. Somit seien nach der Rechtsänderung nicht mehr bei Teilmonaten die vollen Monatsbeträge zugrunde zu legen, sondern die entsprechenden Entgelte taggenau zu bestimmen. Beispielhaft sei dies für den Zeitraum 15.09.1951 - 30.11.1951 dargestellt. Dieser umfasse 76 Tage. Insofern seien für diesen Zeitraum 76/90 des Wertes von 615,- DM in Ansatz zu bringen. Dies seien 519,33 DM. Im Übrigen hätte das Sozialgericht zutreffend die weitergehenden Anträge des Klägers abgewiesen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 19.04.2013 auf seine bestehende Vorsorgevollmacht hingewiesen, die von der Versicherten ausgestellt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002 aufzuheben und für die Zeit vom 01.05.1996 bis 31.01.2012 eine höhere Altersrente für die verstorbene Versicherte festzustellen, nachzuzahlen und zu verzinsen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, bei der Altersrente der Versicherten für die Zeit vom 15.09.1951 bis 30.11.1951 ein Entgelt von 615,- DM, für die Zeit vom 01.01.1952 bis 31.08.1952 ein Entgelt von 2.210,- DM, für die Zeit vom 01.01.1969 bis 27.11.1969 ein Entgelt in Höhe von 7.931,- DM sowie für die Zeit vom 01.01.1971 bis 31.12.1971 ein Entgelt von 12.220,- DM zu berücksichtigen, und damit die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Gerichtsakten des Sozialgerichts Nürnberg mit den Aktenzeichen S 6 An 245/85, S 5 An 30/89, S 5 An 97/92, S 3 An 169/93 und S 14 RA 248/99, fortgeführt unter dem Aktenzeichen S 14 RA 491/01 WA, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 SGG). Ebenso ist die selbständige Anschlussberufung der Beklagten zulässig.

Eine Unterbrechung des Verfahrens ist durch den Tod der Versicherten entgegen der Auffassung der Beklagten nicht eingetreten. Insoweit ist auch eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Fortsetzung durch den Rechtsnachfolger nicht notwendig:

Der Kläger hat die Versicherte im Verfahren nach § 73 Abs 2 S 2 Nr 2 iVm Abs 6 S 3 SGG vertreten. Eine Unterbrechung durch den Tod der Partei tritt nur dann ein, wenn diese keinen Prozessbevollmächtigten hat. Im sozialgerichtlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Landessozialgericht kann aber ein volljähriger Familienangehöriger Prozessbevollmächtigter sein.

Der Kläger ist - wie aus dem Erbschein des Amtsgerichts S-Stadt eindeutig hervorgeht - zwar nicht Erbe der Versicherten im Sinne der §§ 1922 ff. Bürgerliches Gesetzbuch geworden. Er ist aber als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 Nr 1 SGB I anzusehen. § 56 Abs 1 SGB I sieht vor, dass fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Versicherten dem Ehegatten zustehen, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Da hier die erstmalige Bewilligung der Regelaltersrente mit Bescheid vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002 streitgegenständlich ist und der Kläger eine höhere Regelaltersrente ab Beginn dieser Rente am 01.05.1996 bis zum Tod der Versicherten am 31.01.2012 geltend macht, geht es um im Zeitpunkt des Todes der Versicherten gegebenenfalls zustehende, fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen. Es ist deshalb ausreichend, dass der Kläger als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 Nr 1 SGB I die Fortführung des Rechtsstreits gegenüber dem Sozialgericht erklärt hat. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Berücksichtigung höherer Entgelte entsprechend dem Vormerkungsbescheid vom 15.10.1982 für die angefochtenen Zeiträume verurteilt. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil vom 28.11.2012 selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Vormerkungsbescheid über rentenrechtlich relevante Zeiten im Sinne des § 149 Abs 5 SGB VI eine Bindungswirkung hinsichtlich des Umfang und der rentenrechtlichen Qualität der zurückgelegten Zeiten entfaltet. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Entgelthöhe. Gemäß § 149 Abs 5 S 3 SGB VI wird aber über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden.

Das Sozialgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 14.03.2002 ausdrücklich die Bescheide vom 03.08.1981, 15.10.1982 und 15.12.1982 aufgehoben hat, soweit diese nicht mehr dem geltenden Recht entsprechen, nachdem die Vorschriften über rentenrechtliche Zeiten zum Teil aufgehoben bzw. abgeändert worden sind. Insbesondere sei die Bewertung der Zeiten neu geregelt worden. Die Aufhebung dieser Bescheide erfolgte nach § 149 Abs 5 S 2 SGB VI. Der streitgegenständliche Bescheid vom 14.03.2002, aus dem sich die Aufhebung dieser Bescheide eindeutig ergibt, hat dem Sozialgericht offensichtlich im Wortlaut nicht vorgelegen.

Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung zutreffend auf die ab 01.01.1992 geltende geänderte Regelung des § 256b Abs 1 S 1, 2. Hs. SGB VI hingewiesen, wonach nicht mehr volle Monate und entsprechend das volle Entgelt für diese Zeit zu berücksichtigen ist, sondern für jeden Teilzeitraum nur noch der entsprechende Anteil zugrunde zu legen ist. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 26 FRG, wonach dann, wenn Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres zu berücksichtigen wären, bei Anwendung des § 22 Abs 1 FRG die Entgeltpunkte nur anteilsmäßig zu berücksichtigen sind. Sämtliche Zeiten, die das Sozialgericht beanstandet hat, sind Zeiten, in denen nicht volle Monate belegt waren, sondern nur Zeitabschnitte, so dass das Entgelt entsprechend zu kürzen war.

Zudem hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Änderungen bereits in den Vormerkungsbescheiden vom 16.08.1995 und 17.07.1997 korrigiert und die bis dahin bestehenden Vormerkungsbescheide abgeändert wurden.

Da es sich bei der - hier streitigen - Festsetzung der Regelaltersrente um die erstmalige Festsetzung dieser Altersrente handelt, ist gemäß § 300 Abs 1 SGB VI auch das im Zeitpunkt der Entstehung des Leistungsanspruchs geltende Recht anzuwenden. Ein Fall des § 300 Abs 3 SGB VI liegt gerade nicht vor, da hier nicht die Neufeststellung der zuvor bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgt ist. Ein entsprechend daraus resultierender Vertrauensschutz der Versicherten auf Übernahme der Entgelte aus der Erwerbsunfähigkeitsrente besteht deshalb nicht. Auch ein Vertrauensschutz der Versicherten über § 88 SGB VI ist nicht möglich, weil die Rechtsänderung bereits noch während des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem Bescheid vom 24.03.1992 umgesetzt wurde, ohne dass dies zu nachteiligen Änderungen beim laufenden Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente der Versicherten führte. Die Umsetzung des ab dem 01.01.1992 geltenden Rechts der Rentenberechnung unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (64 ff. SGB VI) ist bei der Neufeststellung der Altersrente unter Aufhebung entgegenstehender Vormerkungsbescheide, die auch ausdrücklich genannt wurden, rechtlich deshalb nicht zu beanstanden. Die weiteren vom Kläger gewünschten und vom Sozialgericht abgelehnten Korrekturen rentenrechtlicher Zeiten sind nicht zu beanstanden. Entsprechende Nachweise dieser Zeiten sind von der Versicherten nicht erbracht worden. Insoweit wird von einer Begründung der Entscheidung nach § 153 Abs 2 SGG abgesehen und auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Nürnberg in seinem Urteil vom 28.11.2012 verwiesen. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Wie oben bereits ausgeführt, hat das Sozialgericht die weiteren vom Kläger angefochtenen Zeiten zutreffend nicht anerkannt, soweit sich diese auf den Altersrentenbescheid, der hier streitgegenständlich ist, bezogen haben. Im Hinblick auf die Fremdrentenzeiten der Versicherten ist zwischen glaubhaft gemachten und nachgewiesenen Zeiten im Sinne des § 22 Abs 3 FRG zu differenzieren. Ein Nachweis der streitigen Zeiten ist nicht erfolgt und kann durch eine eidesstattliche Versicherung des Versicherten selbst nicht ersetzt werden. Unwesentlich ist auch, ob bei Bekannten der Versicherten eine andere Bewertung von Zeiten vorgenommen worden sein könnte, die sich gegebenenfalls aus Besonderheiten in deren Versicherungsverlauf ergeben könnte.

Soweit der Kläger eine Abänderung der Festsetzungen und der Berechnung der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente möchte und auf § 44 SGB X hinweist, ist dies hier nicht streitgegenständlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Antrag nach § 44 SGB X überhaupt dem Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 SGB I zustehen könnte (so etwa Wagner, in: juris PK SGB I, § 56 Rdnr 32), jedenfalls hat die Beklagte bislang nicht über einen Antrag nach § 44 SGB X entschieden. Eine solche Entscheidung würde nach § 96 SGG auch nicht zum Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 aufzuheben, soweit darin eine Verurteilung der Beklagten erfolgt ist und die Klage gegen den Bescheid vom 14.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2002 abzuweisen. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.11.2012 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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