Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
31
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 31 AS 995/14
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28 März 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die für das Widerspruchsverfahren W 10335/13 zu erstattenden Kosten auf insgesamt 154,70 EUR festgesetzt werden. 2) Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten. Der Kläger bezieht mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern seit geraumer Zeit Leis-tungen zur Grundsicherung. Auf der Grundlage eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des für den Kläger zuständigen Jobcenters U.-H.-K. forderte die Beklagte im Rahmen der Einziehung dieses Betrages den Kläger mit Schreiben vom 30. Juli 2013 zur Zahlung des Betrages in Höhe von 170,91 EUR auf und erhob zugleich eine Mahngebühr in Höhe von 1,10 EUR. Hiergegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 14. August 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, die Festsetzung von Mahngebühren sei rechtswidrig, weil die zugrundeliegende Forderung aktuell noch in einem gerichtlichen Verfahren geprüft werde (S 31 AS 3321/12). Mit Schreiben vom 5. November 2013 hob die Beklagte die Festsetzung der Mahngebühr auf und stornierte diese. Sie erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei notwendig. Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf 154,70 EUR festzusetzen. Dabei ging er von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 110,00 EUR aus. Die Beklagte setzte die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 142,80 EUR fest, hierbei ging sie von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 100,00 EUR aus (Bescheid vom 9. Januar 2014). Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Beklagte die Toleranzgrenze nicht beachtet habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. März 2014). Mit der im April 2014 erhobenen Klage hat der Kläger die Festsetzung der beantragten Gebühr begehrt. Die Beklagte habe die Toleranzgrenze von 20 % zu beachten.
Der Kläger beantragt,
den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 9. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2014 dahingehend abzuändern, dass die für die Widerspruchsverfahren W 10335/13 zu erstattenden Kosten auf insgesamt 154,70 EUR festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen und hält die Absenkung der zu erstattenden Gebühren und Auslagen für rechtmäßig. Der Klägervertreter habe bewusst die anerkannte und als billig angesehene Gebühr überschritten. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in Form der Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und zulässig und im Ergebnis auch begründet. Die Kostenfestsetzung der Beklagten war fehlerhaft und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes-SGG). Nach § 63 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen in diesem Sinne sind nur die ge-setzlichen Gebühren und Auslagen. Sie sind nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl. Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X § 63 Rdnr. 29). Der Kläger hatte grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten, weil die Beklagte dies im Bescheid vom 5. November 2013 anerkannte. Die in sozialrechtlichen Angelegenheiten entstehenden Betragsrahmengebühr (§ 3 Abs. 1 RVG) bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Ist diese Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbilligkeit im Sinne der Vorschrift wird angenommen, wenn der Rechtsanwalt seine sog. Toleranzgrenze von 20 % der als angemessen anzusehenden Gebühr überschreitet (vgl. Urteil des BGH vom 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05, recherchiert bei Juris). Die vom Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr ist billig und war daher nicht herabzusetzen. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr. 2302 des seit dem 1. August 2013 geltenden Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG). Die Regelung ist in Anbetracht des Zeitpunkts der Einlegung des Widerspruchs (14. August 2013) im vorliegenden Fall anzuwenden. Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG ist die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, dass nach Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen. Darüber hinaus gilt nach Satz eins, dass sich das Gebührenrecht nach dem Zeitpunkt des unbedingten Auftrags zu Erledigung der Angelegenheit richtet. Im vorliegenden Fall dürfte zweifelsohne auch in Anbetracht des Zeitpunkts der Mahnung (30. Juli 2013) der Auftrag zu Einlegung des Widerspruchs erst nach dem 1. August 2013 erteilt worden sein. Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information eine Geschäftsgebühr. Der Gebührenrahmen liegt hierbei zwischen 50,00 bis 640,00 Euro. Eingeschränkt wird der Rahmen über Satz 2, wonach eine Gebühr von mehr als 300,00 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit um-fangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr). Streitig ist im vorliegenden Fall die Problematik, inwieweit eine Kürzung der vom Bevollmächtigten geforderten Gebühren und Auslagen erfolgen kann, wenn sich der Kürzungsbetrag innerhalb einer Grenze von 20 % bewegt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte vom Kostenantrag des Bevollmächtigten in Höhe von 110,00 EUR für die Geschäftsgebühr auf einem Betrag von 100,00 EUR abgewichen. Dies bedeutet eine Kürzung um weniger als 20 %. Die Beklagte bezieht sich vor allem darauf, dass zwischen den Beteiligten Konsens dahingehend besteht, dass für vergleichbare Fälle wie dem vorliegenden (Widerspruch gegen die Festsetzung einer Mahngebühr) eine Geschäftsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr angemessen sei. Dies entspricht auch grundsätzlich der Auffassung der erkennenden Kammer. Gleichwohl sieht das Gericht in dieser Übung kein dem von der Beklagten zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vergleichbaren Sachverhalt. Dort fand ausdrücklich eine Auseinandersetzung mit einer Überschreitung der Mittelgebühr um bis zu 20 % statt. Es wurde der Rechtssatz aufgestellt, dass die Mittelgebühr ein fester Anhaltspunkt für die Festsetzung in einem Durchschnittsfall ist. Eine Kombination von Mittelgebühr und Toleranzrahmen sei aber nicht dahingehend möglich, dass jede bis zu 20-prozentige Überschreitung der Mittelgebühr im Rahmen der Billigkeit bliebe. Der Gedanke des Spielraums sei nicht geeignet, dieses Ergebnis in dem Sinne zu korrigieren, dass die Rechtsanwälte in Durchschnittsfällen immer bis 20 % über die Mittelgebühr hinausgehen dürften. Der Gedanke des Spielraums sei nur für die Fälle hilfreich, in denen mit der Mittelgebühr-Methode kein fester Betrag ermittelt werden kann (vgl. Urteil vom 26. Februar 1992, 9a RVs 3/90, recherchiert bei Juris). Auch in der weiteren zitierten Entscheidung hat das BSG den Rechtssatz aufgestellt, dass der Rechtsanwalt den hinter der Mittelgebühr stehenden Wert nicht ohne weitere Begründung um bis zu 20 % erhöhen darf (Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/9 R, recherchiert bei Juris). Die Beklagte geht somit davon aus, dass die von der erkennenden Kammer und einigen anderen Kammern des Gerichts praktizierte einheitliche Handhabung mit der von der Rechtsprechung seit langem anerkannten Konstellation der Mittelgebühr identisch ist. Dem folgt das erkennende Gericht nicht. Für die Bestimmung eines Durchschnittsfalls, der die Anwendung der Mittelgebühr rechtfertigt, hat das BSG unter anderem in der zitierten Entscheidung vom 1. Juli 2009 umfangreiche Vorgaben und Anhaltspunkte festgelegt. Die Einordnung des hier streitigen Falles lässt sich in diesem Rahmen nicht einordnen. Konsequenterweise ist regelmäßig auf die doppelte Mindestgebühr abgestellt worden. Diese Auffassung ist aber nicht flächendeckend in gleicher Weise praktiziert worden (vgl. etwa Beschluss des SG Aachen vom 1. April 2014, S 8 SF 11/14 E; Gerichtsbescheid des SG Potsdam vom 5. Oktober 2012, S 40 AS 291/12 - jeweils 240,00 EUR). Selbst im Rahmen der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten sind sehr unterschiedliche Werte angesetzt worden. Am Gericht ist nicht von einer absolut einheitlichen Rechtsprechung auszugehen. Selbst die Beklagte hat in verschiedenen Verfahren unterschiedlich argumentiert. Allerdings verkennt das Gericht nicht, dass sich zwischenzeitlich mehrere Kammern von verschiedenen Sozialgerichten und teilweise auch Landessozialgerichten identisch zur hier vertretenen Auffassung entschieden haben (vgl. etwa Urteil des Bayerischen LSG vom 29. Januar 2015, L 7 AS 833/14, recherchiert bei Juris). Gleichwohl stellt auch ein solcher sich andeutender Gleichklang von Entscheidungen keine derart feste Größe dar, dass jegliche Abweichung nach oben innerhalb des Toleranzrahmens unzulässig ist. Der Bevollmächtigte des Klägers war vielmehr nach Auffassung des Gerichts befugt, seinen Toleranzrahmen ohne weitergehende Begründung auszuschöpfen. Die Bedenken, die die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Gotha vom 17. Juni 2014 geäußert hat, überzeugen nicht. Dort heißt es: "Ließe man in dem Verfahren wegen Anfechtung von Mahngebührenbescheiden immer die Ausschöpfung der 20-prozentigen Toleranzgrenze regelmäßig zu, käme es zu einer ständigen Erhöhung der als billig erachteten Gebühr und damit auch zu einer Aushöhlung der diesbezüglich entwickelten Rechtsprechung". Genau dies kann nach Auffassung des Gerichts in den vergleichbaren Fällen eben nicht geschehen. Der vom Gericht als billig angesehene Betrag wird für diese Fälle gleich bleiben, im konkreten Fall bei der doppelten Mindestgebühr. Es kommt allenfalls die Ausdehnung der festzusetzenden Gebühr auf einen um maximal 20 % erhöhten Betrag in Betracht. Überschreitet der Rechtsanwalt diesen Betrag um mehr als 20 %, erfolgt eine Kürzung auf das als angemessen angesehene Maß (eben die doppelte Mindestgebühr). Eine gravierende Aushöhlung ist dabei nicht zu befürchten. Für den konkreten Fall und die Abwägung zur angemessenen und billigen Gebühr greift das Gericht auf seine ständige Rechtsprechung zurück. Wegen der weit unterdurchschnittlichen Bedeutung (1,10 EUR), des deutlich unterdurchschnittlichen Umfangs (nur ein Widerspruchs-schreiben) und der geringen Schwierigkeit (allein eine Rechtsfrage und Prüfung des anhängigen Verfahrens, das der Bevollmächtigte auch führte) sowie der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Haftungsrisikos ist auf die doppelte Mindestgebühr abzustellen. Der vom Bevollmächtigten gewählte Kostenansatz hält sich unter Berücksichtigung des Toleranzrahmens in diesem Bereich. Zuletzt teilt das Gericht auch nicht die von der Beklagten vertretene Auffassung, dass die Rechtsverfolgung mutwillig sei, weil der Korrekturbetrag, den der Kläger anstrebt, so gering ist. Hierzu erlaubt sich das Gericht folgende Bemerkungen: die Beklagte hat über einen langen Zeitraum die Auffassung vertreten, dass dem Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren lediglich die Mindestgebühr zusteht. Es erforderte einige Zeit und verschiedene Entscheidungen sowohl der erkennenden als auch weiterer Kammern des hiesigen Sozialgerichts und entsprechend der obigen Zitate auch einiger Landessozialgerichte, bis eine Anhebung der als billig anzusehenden Gebühr auf die doppelte Mindestgebühr akzeptiert wurde. Auch hier ist im Ergebnis keine erhebliche Korrektur vorgenommen worden. In Anbetracht der noch immer in einer großen Vielzahl am hiesigen Sozialgericht anhängigen Erinnerungsverfahren mit genau demselben Streitgegenstand ist ersichtlich, dass die Beklagte sich selbst noch nicht hinreichend an diese von ihr hier als fest zu akzeptierende Rechtsprechung gebunden fühlt. Die Tatsache, dass mehrere Verfahren zwischenzeitlich auch für die geringfügige Überschreitung der doppelten Mindestgebühr anhängig geworden sind zeigt, dass es sich um eine grundsätzliche Einstellung der Beklagten handelt. Insoweit hält es das Gericht für legitim, dass der betroffene Rechtsanwalt gerichtlich klären lässt, ob die von der Beklagten in einer erheblichen Anzahl von Verfahren vertretene Auffassung zutreffend ist oder nicht.
Die zu erstattenden Gebühren waren daher antragsgemäß festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Gründe für die Zulassung der Berufung sieht das Gericht nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten. Der Kläger bezieht mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern seit geraumer Zeit Leis-tungen zur Grundsicherung. Auf der Grundlage eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des für den Kläger zuständigen Jobcenters U.-H.-K. forderte die Beklagte im Rahmen der Einziehung dieses Betrages den Kläger mit Schreiben vom 30. Juli 2013 zur Zahlung des Betrages in Höhe von 170,91 EUR auf und erhob zugleich eine Mahngebühr in Höhe von 1,10 EUR. Hiergegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 14. August 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, die Festsetzung von Mahngebühren sei rechtswidrig, weil die zugrundeliegende Forderung aktuell noch in einem gerichtlichen Verfahren geprüft werde (S 31 AS 3321/12). Mit Schreiben vom 5. November 2013 hob die Beklagte die Festsetzung der Mahngebühr auf und stornierte diese. Sie erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei notwendig. Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf 154,70 EUR festzusetzen. Dabei ging er von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 110,00 EUR aus. Die Beklagte setzte die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 142,80 EUR fest, hierbei ging sie von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 100,00 EUR aus (Bescheid vom 9. Januar 2014). Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Beklagte die Toleranzgrenze nicht beachtet habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. März 2014). Mit der im April 2014 erhobenen Klage hat der Kläger die Festsetzung der beantragten Gebühr begehrt. Die Beklagte habe die Toleranzgrenze von 20 % zu beachten.
Der Kläger beantragt,
den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 9. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2014 dahingehend abzuändern, dass die für die Widerspruchsverfahren W 10335/13 zu erstattenden Kosten auf insgesamt 154,70 EUR festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen und hält die Absenkung der zu erstattenden Gebühren und Auslagen für rechtmäßig. Der Klägervertreter habe bewusst die anerkannte und als billig angesehene Gebühr überschritten. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in Form der Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und zulässig und im Ergebnis auch begründet. Die Kostenfestsetzung der Beklagten war fehlerhaft und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes-SGG). Nach § 63 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen in diesem Sinne sind nur die ge-setzlichen Gebühren und Auslagen. Sie sind nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl. Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X § 63 Rdnr. 29). Der Kläger hatte grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten, weil die Beklagte dies im Bescheid vom 5. November 2013 anerkannte. Die in sozialrechtlichen Angelegenheiten entstehenden Betragsrahmengebühr (§ 3 Abs. 1 RVG) bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Ist diese Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbilligkeit im Sinne der Vorschrift wird angenommen, wenn der Rechtsanwalt seine sog. Toleranzgrenze von 20 % der als angemessen anzusehenden Gebühr überschreitet (vgl. Urteil des BGH vom 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05, recherchiert bei Juris). Die vom Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr ist billig und war daher nicht herabzusetzen. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr. 2302 des seit dem 1. August 2013 geltenden Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG). Die Regelung ist in Anbetracht des Zeitpunkts der Einlegung des Widerspruchs (14. August 2013) im vorliegenden Fall anzuwenden. Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG ist die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, dass nach Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen. Darüber hinaus gilt nach Satz eins, dass sich das Gebührenrecht nach dem Zeitpunkt des unbedingten Auftrags zu Erledigung der Angelegenheit richtet. Im vorliegenden Fall dürfte zweifelsohne auch in Anbetracht des Zeitpunkts der Mahnung (30. Juli 2013) der Auftrag zu Einlegung des Widerspruchs erst nach dem 1. August 2013 erteilt worden sein. Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information eine Geschäftsgebühr. Der Gebührenrahmen liegt hierbei zwischen 50,00 bis 640,00 Euro. Eingeschränkt wird der Rahmen über Satz 2, wonach eine Gebühr von mehr als 300,00 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit um-fangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr). Streitig ist im vorliegenden Fall die Problematik, inwieweit eine Kürzung der vom Bevollmächtigten geforderten Gebühren und Auslagen erfolgen kann, wenn sich der Kürzungsbetrag innerhalb einer Grenze von 20 % bewegt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte vom Kostenantrag des Bevollmächtigten in Höhe von 110,00 EUR für die Geschäftsgebühr auf einem Betrag von 100,00 EUR abgewichen. Dies bedeutet eine Kürzung um weniger als 20 %. Die Beklagte bezieht sich vor allem darauf, dass zwischen den Beteiligten Konsens dahingehend besteht, dass für vergleichbare Fälle wie dem vorliegenden (Widerspruch gegen die Festsetzung einer Mahngebühr) eine Geschäftsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr angemessen sei. Dies entspricht auch grundsätzlich der Auffassung der erkennenden Kammer. Gleichwohl sieht das Gericht in dieser Übung kein dem von der Beklagten zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vergleichbaren Sachverhalt. Dort fand ausdrücklich eine Auseinandersetzung mit einer Überschreitung der Mittelgebühr um bis zu 20 % statt. Es wurde der Rechtssatz aufgestellt, dass die Mittelgebühr ein fester Anhaltspunkt für die Festsetzung in einem Durchschnittsfall ist. Eine Kombination von Mittelgebühr und Toleranzrahmen sei aber nicht dahingehend möglich, dass jede bis zu 20-prozentige Überschreitung der Mittelgebühr im Rahmen der Billigkeit bliebe. Der Gedanke des Spielraums sei nicht geeignet, dieses Ergebnis in dem Sinne zu korrigieren, dass die Rechtsanwälte in Durchschnittsfällen immer bis 20 % über die Mittelgebühr hinausgehen dürften. Der Gedanke des Spielraums sei nur für die Fälle hilfreich, in denen mit der Mittelgebühr-Methode kein fester Betrag ermittelt werden kann (vgl. Urteil vom 26. Februar 1992, 9a RVs 3/90, recherchiert bei Juris). Auch in der weiteren zitierten Entscheidung hat das BSG den Rechtssatz aufgestellt, dass der Rechtsanwalt den hinter der Mittelgebühr stehenden Wert nicht ohne weitere Begründung um bis zu 20 % erhöhen darf (Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/9 R, recherchiert bei Juris). Die Beklagte geht somit davon aus, dass die von der erkennenden Kammer und einigen anderen Kammern des Gerichts praktizierte einheitliche Handhabung mit der von der Rechtsprechung seit langem anerkannten Konstellation der Mittelgebühr identisch ist. Dem folgt das erkennende Gericht nicht. Für die Bestimmung eines Durchschnittsfalls, der die Anwendung der Mittelgebühr rechtfertigt, hat das BSG unter anderem in der zitierten Entscheidung vom 1. Juli 2009 umfangreiche Vorgaben und Anhaltspunkte festgelegt. Die Einordnung des hier streitigen Falles lässt sich in diesem Rahmen nicht einordnen. Konsequenterweise ist regelmäßig auf die doppelte Mindestgebühr abgestellt worden. Diese Auffassung ist aber nicht flächendeckend in gleicher Weise praktiziert worden (vgl. etwa Beschluss des SG Aachen vom 1. April 2014, S 8 SF 11/14 E; Gerichtsbescheid des SG Potsdam vom 5. Oktober 2012, S 40 AS 291/12 - jeweils 240,00 EUR). Selbst im Rahmen der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten sind sehr unterschiedliche Werte angesetzt worden. Am Gericht ist nicht von einer absolut einheitlichen Rechtsprechung auszugehen. Selbst die Beklagte hat in verschiedenen Verfahren unterschiedlich argumentiert. Allerdings verkennt das Gericht nicht, dass sich zwischenzeitlich mehrere Kammern von verschiedenen Sozialgerichten und teilweise auch Landessozialgerichten identisch zur hier vertretenen Auffassung entschieden haben (vgl. etwa Urteil des Bayerischen LSG vom 29. Januar 2015, L 7 AS 833/14, recherchiert bei Juris). Gleichwohl stellt auch ein solcher sich andeutender Gleichklang von Entscheidungen keine derart feste Größe dar, dass jegliche Abweichung nach oben innerhalb des Toleranzrahmens unzulässig ist. Der Bevollmächtigte des Klägers war vielmehr nach Auffassung des Gerichts befugt, seinen Toleranzrahmen ohne weitergehende Begründung auszuschöpfen. Die Bedenken, die die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Gotha vom 17. Juni 2014 geäußert hat, überzeugen nicht. Dort heißt es: "Ließe man in dem Verfahren wegen Anfechtung von Mahngebührenbescheiden immer die Ausschöpfung der 20-prozentigen Toleranzgrenze regelmäßig zu, käme es zu einer ständigen Erhöhung der als billig erachteten Gebühr und damit auch zu einer Aushöhlung der diesbezüglich entwickelten Rechtsprechung". Genau dies kann nach Auffassung des Gerichts in den vergleichbaren Fällen eben nicht geschehen. Der vom Gericht als billig angesehene Betrag wird für diese Fälle gleich bleiben, im konkreten Fall bei der doppelten Mindestgebühr. Es kommt allenfalls die Ausdehnung der festzusetzenden Gebühr auf einen um maximal 20 % erhöhten Betrag in Betracht. Überschreitet der Rechtsanwalt diesen Betrag um mehr als 20 %, erfolgt eine Kürzung auf das als angemessen angesehene Maß (eben die doppelte Mindestgebühr). Eine gravierende Aushöhlung ist dabei nicht zu befürchten. Für den konkreten Fall und die Abwägung zur angemessenen und billigen Gebühr greift das Gericht auf seine ständige Rechtsprechung zurück. Wegen der weit unterdurchschnittlichen Bedeutung (1,10 EUR), des deutlich unterdurchschnittlichen Umfangs (nur ein Widerspruchs-schreiben) und der geringen Schwierigkeit (allein eine Rechtsfrage und Prüfung des anhängigen Verfahrens, das der Bevollmächtigte auch führte) sowie der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Haftungsrisikos ist auf die doppelte Mindestgebühr abzustellen. Der vom Bevollmächtigten gewählte Kostenansatz hält sich unter Berücksichtigung des Toleranzrahmens in diesem Bereich. Zuletzt teilt das Gericht auch nicht die von der Beklagten vertretene Auffassung, dass die Rechtsverfolgung mutwillig sei, weil der Korrekturbetrag, den der Kläger anstrebt, so gering ist. Hierzu erlaubt sich das Gericht folgende Bemerkungen: die Beklagte hat über einen langen Zeitraum die Auffassung vertreten, dass dem Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren lediglich die Mindestgebühr zusteht. Es erforderte einige Zeit und verschiedene Entscheidungen sowohl der erkennenden als auch weiterer Kammern des hiesigen Sozialgerichts und entsprechend der obigen Zitate auch einiger Landessozialgerichte, bis eine Anhebung der als billig anzusehenden Gebühr auf die doppelte Mindestgebühr akzeptiert wurde. Auch hier ist im Ergebnis keine erhebliche Korrektur vorgenommen worden. In Anbetracht der noch immer in einer großen Vielzahl am hiesigen Sozialgericht anhängigen Erinnerungsverfahren mit genau demselben Streitgegenstand ist ersichtlich, dass die Beklagte sich selbst noch nicht hinreichend an diese von ihr hier als fest zu akzeptierende Rechtsprechung gebunden fühlt. Die Tatsache, dass mehrere Verfahren zwischenzeitlich auch für die geringfügige Überschreitung der doppelten Mindestgebühr anhängig geworden sind zeigt, dass es sich um eine grundsätzliche Einstellung der Beklagten handelt. Insoweit hält es das Gericht für legitim, dass der betroffene Rechtsanwalt gerichtlich klären lässt, ob die von der Beklagten in einer erheblichen Anzahl von Verfahren vertretene Auffassung zutreffend ist oder nicht.
Die zu erstattenden Gebühren waren daher antragsgemäß festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Gründe für die Zulassung der Berufung sieht das Gericht nicht.
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