Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 31 V 93/93
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 (6) V 250/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
4 RA 52/98 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Weiterzahlung der Dienstbeschädigtenrente nach der VSO-NVA nach Übersiedlung in die BRD.
Die Nationale Volksarmee der DDR hatte dem 1953 geborenen Kläger wegen der Folgen einer in Ausübung seines Dienstes erlittenen Verletzung ab 1976 eine Dienstbeschädigtenvollrente bewilligt. Diese wurde ab August 1981 formlos eingestellt, da der Kläger im Juli 1981 legal in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war. Der 10. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen entschied, daß der Kläger die Rente ab dem Zeitpunkt seines Antrags im Jahre 1993 rückwirkend erhält; denn:
1. Vor der Wiedervereinigung ergangene Verwaltungsakte der DDR-Behörden bleiben grundsätzlich wirksam.
2. Eine 1976 bewilligte Dienstbeschädigten(-voll-)rente ist nach der Wiedervereinigung weiterzuzahlen, solange ihr Wegfall nicht durch Verwaltungsakt (einer DDR-Behörde oder des bundesdeutschen Funktionsnachfolgers) verfügt worden ist.
3. Die schlichte Zahlungseinstellung anläßlich der Ausreise aus der DDR (hier 1981) allein bewirkt auch dann kein Erlöschen des Rentenanspruchs, wenn die Übersiedlung (nach DDR-Recht) legal erfolgte.
In der Revision beim BSG (B 4 RA 52/98 R) hat die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sich bereit erklärt, dem Kläger ab Januar 1993 eine Erwerbsunfähigkeitsrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der Versorgungsordnung für die Angehörigen der Nationalen Volksarmee zu gewähren. Vorausgegangen war der Hinweis des Senats, daß Ansprüche auf Dienstbeschädigungs voll renten zum 31.12.1991 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden sind und demgemäß an Stelle der Beklagten eine Verurteilung der notwendig beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Betracht zu ziehen sei. Im übrigen würden sich gegenüber der Entscheidung des Senats vom 18.07.1996 - s.u. - keine neuen Aspekte aufdrängen.
Die Nationale Volksarmee der DDR hatte dem 1953 geborenen Kläger wegen der Folgen einer in Ausübung seines Dienstes erlittenen Verletzung ab 1976 eine Dienstbeschädigtenvollrente bewilligt. Diese wurde ab August 1981 formlos eingestellt, da der Kläger im Juli 1981 legal in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war. Der 10. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen entschied, daß der Kläger die Rente ab dem Zeitpunkt seines Antrags im Jahre 1993 rückwirkend erhält; denn:
1. Vor der Wiedervereinigung ergangene Verwaltungsakte der DDR-Behörden bleiben grundsätzlich wirksam.
2. Eine 1976 bewilligte Dienstbeschädigten(-voll-)rente ist nach der Wiedervereinigung weiterzuzahlen, solange ihr Wegfall nicht durch Verwaltungsakt (einer DDR-Behörde oder des bundesdeutschen Funktionsnachfolgers) verfügt worden ist.
3. Die schlichte Zahlungseinstellung anläßlich der Ausreise aus der DDR (hier 1981) allein bewirkt auch dann kein Erlöschen des Rentenanspruchs, wenn die Übersiedlung (nach DDR-Recht) legal erfolgte.
In der Revision beim BSG (B 4 RA 52/98 R) hat die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sich bereit erklärt, dem Kläger ab Januar 1993 eine Erwerbsunfähigkeitsrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der Versorgungsordnung für die Angehörigen der Nationalen Volksarmee zu gewähren. Vorausgegangen war der Hinweis des Senats, daß Ansprüche auf Dienstbeschädigungs voll renten zum 31.12.1991 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden sind und demgemäß an Stelle der Beklagten eine Verurteilung der notwendig beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Betracht zu ziehen sei. Im übrigen würden sich gegenüber der Entscheidung des Senats vom 18.07.1996 - s.u. - keine neuen Aspekte aufdrängen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Oktober 1994 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme der Zahlung einer Dienstbeschädigungsvollrente (DBVR), die ihm 1976 von der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bewilligt worden war.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger leistete ab 1972 Grundwehrdienst in der NVA. Ausweislich der Bescheinigungen über Arbeits- und Sozialversicherungsverhältnisse wurde er mit Wirkung zum 20.10.1973 bzw. 01.01.1974 aufgrund seiner Verpflichtung als Soldat auf Zeit übernommen. Im Februar 1974 erlitt er bei einem Unfall während der Ausübung des Dienstes eine Distorsion im rechten Sprunggelenk mit nachfolgender Trombophlebitis. Wegen der Verletzungsfolgen wurde er vorzeitig aus der NVA entlassen und erhielt zunächst Krankengeld. Mit Bescheid des Wehrbereichskommandos Karl-Marx-Stadt vom 02.03.1976 gewährte ihm die NVA ab 01.03.1976 eine DBVR i.H.v. 517,50 Mark monatlich nach der Ordnung über die soziale Versorgung der Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der NVA (Versorgungsordnung der NVA = VSO-NVA, damals in der Fassung vom 31.05.1968), Abschnitt 422. Die DBVR wurde bis einschließlich Juli 1981 an den Kläger gezahlt. Am 03.07.1981 wurde der Wegfall der Rentenzahlung ab August 1981 vermerkt, da der Kläger im Juli 1981 auf seinen Antrag hin in die Bundesrepublik Deutschland legal übergesiedelt ist. Ein Bescheid über die Zahlungseinstellung bzw. Aufhebung der Bewilligung vom 02.03.1976 wurde dem Kläger nicht erteilt.
Am 12.01.1993 bat der Kläger die Beklagte um Prüfung, ob ihm im Hinblick auf die Wiedervereinigung und Übernahme der NVA in die Bundeswehr wegen der Unfallfolgen ein Anspruch zustehe.
Mit Bescheid vom 26.01.1993 und Widerspruchsbescheid vom 13.04.1993 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Dienstbeschädigungsrente nach den Bestimmungen der VSO-NVA ab; Rentenleistungen seien nach Abschnitt 401 Ziffer 1.1 VSO-NVA nur an Personen zu zahlen gewesen, die ihren ständigen Wohnsitz in der DDR hatten. Einer Wiederaufnahme der Versorgungsleistung stehe Art. 10 Abs. 7 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (Staatsvertrag) vom 18.05.1990 (BGBl. II S. 537) entgegen. Danach erhielten nur Personen, die nach dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des Vertragspartners verlegen, weiterhin ihre Rente vom bisherigen Rentenversicherungsträger. Mit der Übersiedlung des Klägers vor dem 18.05.1990 sei sein Anspruch erloschen.
Mit seiner Klage vom 12.05.1993 hat der Kläger u.a. vorgetragen, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Regelungen des Staatsvertrages verstoße gegen die Grundrechte des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie gegen die Menschenwürde. Er sei gezwungen gewesen, die DDR zu verlassen, um die dringend notwendige Verbesserung seines medizinischen Zustandes zu erreichen. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber eine Motivation bei einer Übersiedlung vor dem 18.05.1990 nicht habe berücksichtigen wollen; bei dem vorliegenden Härtefall stehe zumindest das Korrektiv der Auslegung zur Verfügung. Ferner bestehe ein Anspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß Art. 34 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da ihm vorsätzlich truppenärztliche Versorgung versagt worden sei.
Zudem ergebe sich ein Anspruch aus § 82 Abs. 2, § 89 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er noch Grundwehrdienst geleistet. Er habe sich zwar bereits als Soldat auf Zeit verpflichtet gehabt, der gesetzliche Grundwehrdienst habe aber 18 Monate gedauert, die zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgelaufen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1993 und des Widerspruchsescheides vom 13.04.1993 zu verurteilen, ihm ab Januar 1993 erneut eine Dienstbeschädigtenrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der Versorgungsordnung für die Angehörigen der Nationalen Volksarmee zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Wohnsitzverlegung in die Bundesrepublik seien die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der VSO-NVA, nämlich Wohnsitz in der DDR, weggefallen. Mithin sei der Anspruch erloschen. Ein Wiederaufleben des Rechts auf Versorgung sei de lege lata ausgeschlossen; es bestehe insoweit keine Anspruchsgrundlage.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1993 und des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1993 mit Urteil vom 20.10.1994 verurteilt, dem Kläger ab Januar 1993 erneut eine Dienstbeschädigungsrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der VSO-NVA zu gewähren. Das SG hat sinngemäß ausgeführt, daß der mit Bescheid vom 02.03.1976 zuerkannte Anspruch des Klägers auf Gewährung einer DBVR durch die Einstellung der Rentenzahlung lediglich zum Ruhen gekommen sei. Dem Kläger sei kein Bescheid über die Einstellung der Rentenzahlung erteilt worden; damit sei der Bewilligungsbescheid weiterhin existent. Aus der Stichtagsregelung in Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrages vom 18.05.1990 ergebe sich kein Leistungsausschluß für Versorgungsempfänger, die bereits vor dem Stichtag in die Bundesrepublik übergesiedelt seien. Die Regelung habe allen ehemaligen Zeit- und Berufssoldaten der NVA, zu denen auch der Kläger gehöre, und die nach dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik verlegt haben, die Weitergewährung ihrer bisherigen Leistungen nach der VSO-NVA zugesprochen. Damit sei lediglich die Wohnsitzregelung des Abschnitts 401 Ziffer 1.1 der VSO-NVA außer Kraft gesetzt worden.
Gegen das am 07.12.1994 zugestellte Urteil hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 30.12.1994 gewandt und vorgetragen: bei einer Übersiedlung von der DDR in die Bundesrepublik habe es keines Bescheides bedurft, mit dem die zuvor ausgesprochene Leistungsbewilligung aufgehoben wurde. Eine Ausreise aus der DDR sei nämlich für immer erfolgt, so daß weder für eine Einstellung noch für ein Wiederaufleben Regelungsbedarf durch einen Bescheid bestanden habe. Mit der Ausreise hätten die DDR-Bürger bewußt und für alle Zukunft auf ehemals erworbene Ansprüche verzichtet. Durch Art. 20 Abs. 7 Staatsvertrag vom 18.05.1990 sei erstmals der Export von Renten- und Versorgungsleistungen geregelt worden. Aus der positiven Formulierung, daß der Zahlungsanspruch fortbestehe, auch wenn der Rentenempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach dem 18.05.1990 in die Bundesrepublik verlege, sei nur der Umkehrschluß möglich, daß dies für alle anderen Bürger, die vor dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt verlegt hätten, nicht möglich sei. Das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.07.1996 - 4 RA 67/94 - sei auch nicht überzeugend, da der Gesetzgeber nunmehr durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11.11.1996 (BGBl. I, S. 1038) geradezu deutlich mache, daß nach seinem Willen keine Ansprüche für Personen auf DBVR bzw. Dienstbeschädigtenteilrente (DBTR) bestanden, die vor dem 19.05.1990 in die Bundesrepublik eingereist seien. Die Forderung des BSG, es müsse ein Einstellungsbescheid erteilt werden, scheine angesichts der üblichen Praxis und der gegebenen Verhältnisse neben der Sache zu liegen. So habe nunmehr auch das Landessozialgericht (LSG) Rheinland Pfalz entschieden (Urteil vom 09.07.1998, Az. L 4 V 5/98), daß der Anspruch auf DBTR durch Übersiedlung erloschen sei, da Rentenzahlungen nach der VSO-NVA nur an Rentenempfänger zu zahlen gewesen seien, die ihren Wohnsitz in der DDR hatten. Im übrigen müsse das Ausmaß des Körperschadens des Klägers ermittelt werden, um überhaupt einen Anspruch auf DBVR bzw. DBTR begründen zu können. Zudem sei dem Kläger unzulässige Rechtsausübung vorzuhalten, da er sich nicht gegen die Zahlungseinstellung gewehrt und weder in der Zeit nach dem 18.03.1990 noch nach dem 18.05.1990 die Gelegenheit wahrgenommen habe, an seine Rente zu erinnern. Er habe zwei Jahre untätig verstreichen lassen, ehe er einen Antrag gestellt habe.
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.08.1998 ist für die Beigeladenen niemand erschienen. Die Beigeladenen sind ausweislich der Empfangsbekenntnisse vom 21.07.1998 zu dem Termin mit dem Hinweis geladen worden, daß trotz Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.1994 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1), die das Urteil des BSG vom 18.07.1996 für einschlägig hält, hat sich schriftsätzlich sinngemäß dem Antrag des Klägers angeschlossen. Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Sie hält sich für nicht zuständig; bei einer eventuellen Leistungsübernahme mit einem Leistungsbeginn vor 1994 sei nach § 8 Abs. 6 Satz 3 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgesbiets (AAÜG) vom 25.07.1991 die Beigeladene zu 1. der zuständige Rentenversicherungsträger.
Der Kläger tritt insbesondere dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen: schon im November 1989 habe er damit begonnen, Unterlagen aus der Zeit seines Wehrdienstes zu erlangen. Die chaotischen Zustände anläßlich der Wiedervereinigung hätten jedoch zu erheblichen Verzögerungen geführt.
Der Senat hat ergänzend die Entlassungsurkunde des Klägers aus der DDR-Staatsbürgerschaft beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2., die SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Düsseldorf und die Aktenhefte "Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der DDR nach der BRD und Westberlin" und "Ausreisevorgang H T " Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand mündlicher Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Beigeladenen entscheiden können, weil diese von dem Termin zur mündlichen Verhandlung mit entsprechendem Hinweis benachrichtigt worden sind.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG der Klage mit im wesentlichen zutreffender Begründung, auf die der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug nimmt, stattgegeben. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte als zuständigem Versorgungsträger i.S.d. § 8 Abs. 4 Nr. 2 AAÜG Anspruch auf Weiterzahlung bzw. Wiederaufnahme der Zahlung der mit Bescheid vom 02.03.1976 (nicht - wie im Urteilstenor vom 20.10.1994 aufgrund der Entscheidungsgründe offensichtlich unrichtig aufgeführt - vom 01.03.1976) gewährten DBVR. Die Beklagte ist ls Funktionsnachfolgerin Schuldnerin des 1976 zuerkannten Anspruchs geworden. Der Bewilligungsbescheid vom 02.03.1976 ist nicht wirksam aufgehoben bzw. abgeändert worden. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht anderweitig erloschen, so daß die Beklagte verpflichtet ist, - dem Antrag des Klägers entsprechend - ab Januar 1993 DBVR zu zahlen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 27.01.1993 - 4 RA 40/92 - SozR 3-8570 § 10 Nr. 1 = BSGE 72, 50-76 = Breithaupt 1993, 470-494 = BB 1993, 1366-1367 = SGb 1993, 435-445; vom 14.06.1995 - 4 RA 41/94 - SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr. 9 Nr. 1 = BSGE 76, 136-149; vom 18.09.1996 - 5/4 RA 27/94 - ASP 1996, Nr. 11/12, 5; vom 29.04.1997 - 4 RA 98/95 - D-Spezial 1997, Nr. 26, 8; vom 18.07.1996 - 4 RA 67/94 -, SozR 3-8570 § 11 Nr 4 = Breithaupt 1997, 236-240; vom 29.07.1997 - 4 RA 60/96 - = SGb 1997, 519) bleiben gemäß Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) vor dem Wirksamwerden des Beitritts (mit Beginn des 3. Oktober 1990) ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam. Sie sind für die Beteiligten nach Art. 19 Satz 3 EV gemäß § 77 SGG bindend. Für die Beurteilung, ob das Verhalten eines Organs der früheren DDR oder ihrer Untergliederungen ein "Verwaltungsakt" i.S. von Art. 19 Satz 1 EV ist, kommt es ausschließlich auf die Bewertung des Verhaltens anhand der Maßstäbe des Bundesrechts an. Dies gilt auch dafür, ob ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt des Untergangs der DDR mit Ablauf des 2. Oktober 1990 wirksam war und deshalb mit Beginn des 3. Oktober 1990 wirksam bleiben konnte.
Der Bescheid der NVA vom 02.03.1976 über die Gewährung der DBVR stellt einen Verwaltungsakt dar, der der Regelung des Art. 19 Satz 1 EV unterfällt (s. dazu Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Dieser durch Verwaltungsakt begründete Anspruch besteht weiter; denn der Bewilligungsbescheid vom 02.03.1976 ist seither weder wirksam aufgehoben noch abgeändert worden.
Für die Aufhebung von Leistungsbescheiden über eine Dienstbeschädigtenrente finden seit dem 01.01.1991 die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Anwendung. Für den Zeitraum davor gelten die leistungrechtlichen Vorschriften der VSO-NVA - hier in der Fassung vom 31.05.1968 -, die nach dem 03.10.1990 als sekundäres, vorkonstitutionelles Bundesrecht weitergegolten haben, soweit sie mit den Vorschriften des originären Bundesrechts - insbesondere des EV und GG - vereinbar waren (Urteile des BSG vom 14.06.1995 a.a.O.; vom 30.01.1996 - 4 RA 16/95 - SozR 3-8570 § 13 Nr. 1 = BSGE 77, 253-27; vom 05.03.1996 - 4 RA 82/94 - SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr. 9 Nr. 5 = BSGE 78, 41-50 = Breithaupt 1997, 219-228; vom 30.10.1997 - 4 RA 71/96 -). Bei der Auslegung des früheren, weiterhin maßgeblichen Rechts ist an das Rechtsverständnis der früheren Anwender nach der maßgeblichen Rechtslehre der DDR anzuknüpfen (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.06.1997 - VIII R 74/94 -, BFH/NV 1997, 843 ff; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.03.1997 - BVerwG 7 C 23.96 -, BVerwGE 104, S. 186 ff; Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.1995, BGHZ 129, S. 112ff).
Der zuständige Leistungsträger der DDR hat am 03.07.1981 zwar die Einstellung der Rentenzahlung an den Kläger mit Wirkung zum August 1981 vermerkt und vollzogen. Dieses schlichte Verwaltungshandeln stellt aber keine wirksame Aufhebung bzw. Abänderung der Leistungsbewilligung vom 02.03.1976 dar.
Zwar erscheint nach der allgemeinen Verwaltungspraxis der DDR eine Beendigung der Rechtswirksamkeit einer staatlichen Verwaltungsentscheidung auch ohne neue Entscheidung möglich. So heißt es in dem 1988 in 2. Auflage erschienenen Lehrbuch "Verwaltungsrecht" (herausgegeben von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, Potsdam-Babelsberg, Gesamtredaktion: Jochen Bley, Willi Büchner-Uhder, Günther Druckwitz, Heidrun Pohl, Gerhard Schulze), die Rechtswirksamkeit einer staatlichen Verfügung könne sowohl durch "Willenserklärung des zuständigen Organs des Staatsapparates" als auch durch eine "andere rechtserhebliche Tatsache" wegfallen (a.a.O., S. 139). So könne die Rechtswirksamkeit durch "Erlöschen" enden (z.B. bei Tod des Adressaten, Ablauf einer Frist oder Verzicht des Berechtigten); die Entscheidung müsse nicht ausdrücklich aufgehoben werden (vgl. dazu auch Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Auflage 1998, § 43 Rn. 221 m.w.N.). Demgegenüber enthält jedoch die maßgebliche Versorgungsordnung aus dem Jahre 1968 speziellere Vorschriften:
Nach der Nr. 444 Abs. 1.1 VSO-NVA (Einstellung von Rentenzahlungen) war eine Rentenzahlung einzustellen, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Rente nicht mehr vorlagen. Diese Voraussetzungen waren mit Ablauf des Juli 1981 erfüllt; denn der Kläger hat mit Verlassen der DDR dort keinen ständigen Wohnsitz mehr gehabt (Abschnitt 401 Abs. 1.1 VSO-NVA = Allgemeine Bestimmungen). Über die Einstellung der Zahlung wurde dem Kläger jedoch keine Mitteilung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemacht. Nach Nr. 444 Abs. 1.2 VSO-NVA war nämlich - mit der Ausnahme des Todes des Rentenempfängers - zwingend vorgeschrieben, daß dem Rentenempfänger über die Einstellung der Rentenzahlung ein formloser, aber gleichwohl schriftlicher Bescheid zuzustellen war, der den Zeitpunkt der Einstellung und die Gründe der Einstellung zu enthalten hatte. Die damit lediglich vollzogene rein faktische Zahlungseinstellung entsprach somit nicht der VSO-NVA und hat infolgedesssen keine Wirksamkeit entfalten können.
Der Beklagten ist deshalb auch nicht in ihrer Auffassung zu folgen, daß der Anspruch des Klägers durch seine Übersiedlung in die Bundesrepublik erloschen sei (so aber auch LSG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 09.07.1998, L 4 V 5/98). Durch die Verlegung des Wohnsitzes des Klägers waren lediglich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der DBVR entfallen; zur rechtswirksamen Beendigung des Leistungsanspruchs war aber zusätzlich weiterhin erforderlich, daß der Bewilligungsbescheid wirksam aufgehoben wurde. Eine Zahlungseinstellung in Form eines schlichten Verwaltungshandelns, nämlich des gesetzwidrigen Unterlassens der nach dem weiterhin wirksamen Bewilligungsbescheid geschuldeten Zahlung, reicht insoweit nicht aus (Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gemäß § 10 des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der DDR erloschen. Derartige gesetzliche Regelungen sind selbst dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR vom 20.02.1967, der dazu erlassenen Durchführungsverordnung vom 03.08.1967 und dem Änderungsgesetz vom 29.01.1990, dem Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft vom 16.10.1972 oder der dazu erlassenen Verordnung vom 21.06.1982 nicht zu entnehmen. Einen ausdrücklichen oder gar schriftlichen Verzicht auf seine Ansprüche auf DBVR hat der Kläger ebenfalls nicht erklärt, obwohl ausweislich der Unterlagen über seine Ausreise der DDR eine umfassende Klärung der zwischen ihm und den Organen der DDR bestehenden Rechtsverhältnisse erfolgte. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob ein erzwungener Verzicht überhaupt Rechtswirkungen hätte.
Der somit am 02.10.1990 immer noch wirksame Bewilligungsbescheid aus dem Jahre 1976 ist auch nach der Wiedervereinigung am 03.10.1990 wirksam geblieben und besteht bisher unverändert fort. Der Bescheid ist weder durch die Beklagte noch durch gesetzliche Änderungen - quasi im Zuge eines Selbstvollzuges von Gesetzen - abgeändert oder aufgehoben worden. Die Beklagte ist als Funktionsnachfolgerin seit dem 03.10.1990 Schuldnerin des Klägers und verpflichtet, dem Antrag des Klägers entsprechend ab Januar 1993 DBVR zu gewähren (nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deuschland (RAnglG)).
Entgegen der Auffassung des Beklagten stehen ihr keine Rechte zu, diese Leistung - insbesondere ohne vorherige Aufhebung oder Abänderung der Bewilligung vom 02.03.1976 - zu verweigern.
Ein solches Recht ergibt sich weder aus Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrages noch aus § 20 RAnglG; keine dieser Regelungen enthält ein Verbot, Sonderversorgungsrenten an Personen zu zahlen, die vor dem 18.05.1990 ihren ständigen Aufenthalt in den anderen Teil Deutschlands verlegt haben (vgl. dazu Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 2 AAÜG, nach dessen § 4 Abs. 2 Nr. 1 die erworbenen Ansprüche auf DBVR in die Rentenversicherung zu überführen waren. Nach § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AAÜG waren die erforderlichen Feststellungen nämlich ebenfalls durch Bescheid vorzunehmen.
Die Beklagte kann ihre Zahlungsverweigerung auch nicht darauf stützen, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers möglicherweise eine Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten ist. Dies ist zwar nicht auszuschließen; eine entsprechende Aufhebungs- bzw. Änderungsentscheidung der Beklagten liegt aber nicht vor.
Ebensowenig kann der angefochtene Bescheid vom 26.01.1993 in einen die Leistungsbewilligung vom 02.03.1976 aufhebenden Verwaltungsakt umgedeutet werden. Nach der hier für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Umdeutung maßgeblichen Regelung des § 43 Abs. 1 SGB X darf nämlich ein fehlerhafter Verwaltungsakt u.a. nur dann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn dieser auf das gleiche Ziel gerichtet sowie materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig ist. Eine Abänderung des Bescheides vom 02.03.1976 nach § 48 Abs. 1 SGB X war jedoch bereits nicht das Ziel der Beklagten, als sie den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme der Rentenzahlungen ablehnte, so daß eine Umdeutung schon deshalb scheitert. Darüber hinaus war zudem seit dem 03.10.1990 keine für den im Verfügungssatz des früheren Bescheides zuerkannten Anspruch wesentliche rechtliche Änderung eingetreten. Im übrigen und auch ansonsten - Änderung der tatsächlichen, d.h. gesundheitlichen Verhältnisse - scheitert eine Umdeutung auch daran, daß die Beklagte die erforderliche Anhörung - § 43 Abs. 4 i.V.m. § 24 SGB X - nicht durchgeführt hat, also der (Umdeutungs-)Bescheid nicht in der geschehenen Verfahrensweise hätte erlassen werden dürfen, § 43 Abs. 1 SGB X.
Der Leistungsanspruch des Klägers ist auch nicht durch Verwirkung erloschen. Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist auch im Sozialrecht anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, daß das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), daß ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 01.04.1993, - 1 RK 16/92 - , HV-INFO 1993, 1269 m.w.N.; vom 29.01.1997 - 5 RJ 52/94 - BSGE 80, 41-45 = HVBG-INFO 1997, 2424-2428 = MDR 1997, 951-952).
Diese zur Verwirkung führenden Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor; der Kläger macht seinen Rechtsanspruch nicht in zulässiger Weise geltend.
Angesichts der eindeutigen Rechts- und Sachlage selbst bei Durchsetzung berechtigter Ansprüche gegenüber der DDR kann die Beklagte nicht ernsthaft fordern, der Kläger hätte nach Verlassen der DDR noch zu Zeiten deren Bestehens in irgendeiner Weise um die Weiterzahlung seiner DVBR Sorge tragen müssen. Ebenso unschädlich ist, daß der Kläger seinen Anspruch nicht schon 1990, sondern erst 1993 geltend gemacht hat. Dahinstehen kann dabei, ob der Kläger sich nach der Zusammenführung der beiden deutschen Staaten erst zeitaufwendig um die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zum Nachweis seines Anspruchs bemühen mußte - wovon der Senat aufgrund der vorgelegten Bestätigung des H.B., aber auch aufgrund eigener Erfahrungen bei der Heranziehung von Unterlagen aus der ehemaligen DDR überzeugt ist -, und damit begründet die Anmeldung seines Anspruchs zurückgestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß es an einem zu der ggf. allenfalls schlichten Untätigkeit hinzutretenden zusätzlichen Verwirkungsverhalten mangelt, aufgrund dessen die Beklagte darauf hätte vertrauen dürfen, der Kläger werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beklagten ergeben sich hierfür irgendwelche Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil der Senat der Rechtssache - nicht zuletzt wegen der abweichenden Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz - grundsätzliche Bedeutung zumißt, § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme der Zahlung einer Dienstbeschädigungsvollrente (DBVR), die ihm 1976 von der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bewilligt worden war.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger leistete ab 1972 Grundwehrdienst in der NVA. Ausweislich der Bescheinigungen über Arbeits- und Sozialversicherungsverhältnisse wurde er mit Wirkung zum 20.10.1973 bzw. 01.01.1974 aufgrund seiner Verpflichtung als Soldat auf Zeit übernommen. Im Februar 1974 erlitt er bei einem Unfall während der Ausübung des Dienstes eine Distorsion im rechten Sprunggelenk mit nachfolgender Trombophlebitis. Wegen der Verletzungsfolgen wurde er vorzeitig aus der NVA entlassen und erhielt zunächst Krankengeld. Mit Bescheid des Wehrbereichskommandos Karl-Marx-Stadt vom 02.03.1976 gewährte ihm die NVA ab 01.03.1976 eine DBVR i.H.v. 517,50 Mark monatlich nach der Ordnung über die soziale Versorgung der Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der NVA (Versorgungsordnung der NVA = VSO-NVA, damals in der Fassung vom 31.05.1968), Abschnitt 422. Die DBVR wurde bis einschließlich Juli 1981 an den Kläger gezahlt. Am 03.07.1981 wurde der Wegfall der Rentenzahlung ab August 1981 vermerkt, da der Kläger im Juli 1981 auf seinen Antrag hin in die Bundesrepublik Deutschland legal übergesiedelt ist. Ein Bescheid über die Zahlungseinstellung bzw. Aufhebung der Bewilligung vom 02.03.1976 wurde dem Kläger nicht erteilt.
Am 12.01.1993 bat der Kläger die Beklagte um Prüfung, ob ihm im Hinblick auf die Wiedervereinigung und Übernahme der NVA in die Bundeswehr wegen der Unfallfolgen ein Anspruch zustehe.
Mit Bescheid vom 26.01.1993 und Widerspruchsbescheid vom 13.04.1993 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Dienstbeschädigungsrente nach den Bestimmungen der VSO-NVA ab; Rentenleistungen seien nach Abschnitt 401 Ziffer 1.1 VSO-NVA nur an Personen zu zahlen gewesen, die ihren ständigen Wohnsitz in der DDR hatten. Einer Wiederaufnahme der Versorgungsleistung stehe Art. 10 Abs. 7 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (Staatsvertrag) vom 18.05.1990 (BGBl. II S. 537) entgegen. Danach erhielten nur Personen, die nach dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des Vertragspartners verlegen, weiterhin ihre Rente vom bisherigen Rentenversicherungsträger. Mit der Übersiedlung des Klägers vor dem 18.05.1990 sei sein Anspruch erloschen.
Mit seiner Klage vom 12.05.1993 hat der Kläger u.a. vorgetragen, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Regelungen des Staatsvertrages verstoße gegen die Grundrechte des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie gegen die Menschenwürde. Er sei gezwungen gewesen, die DDR zu verlassen, um die dringend notwendige Verbesserung seines medizinischen Zustandes zu erreichen. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber eine Motivation bei einer Übersiedlung vor dem 18.05.1990 nicht habe berücksichtigen wollen; bei dem vorliegenden Härtefall stehe zumindest das Korrektiv der Auslegung zur Verfügung. Ferner bestehe ein Anspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß Art. 34 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da ihm vorsätzlich truppenärztliche Versorgung versagt worden sei.
Zudem ergebe sich ein Anspruch aus § 82 Abs. 2, § 89 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er noch Grundwehrdienst geleistet. Er habe sich zwar bereits als Soldat auf Zeit verpflichtet gehabt, der gesetzliche Grundwehrdienst habe aber 18 Monate gedauert, die zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgelaufen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1993 und des Widerspruchsescheides vom 13.04.1993 zu verurteilen, ihm ab Januar 1993 erneut eine Dienstbeschädigtenrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der Versorgungsordnung für die Angehörigen der Nationalen Volksarmee zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Wohnsitzverlegung in die Bundesrepublik seien die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der VSO-NVA, nämlich Wohnsitz in der DDR, weggefallen. Mithin sei der Anspruch erloschen. Ein Wiederaufleben des Rechts auf Versorgung sei de lege lata ausgeschlossen; es bestehe insoweit keine Anspruchsgrundlage.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1993 und des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1993 mit Urteil vom 20.10.1994 verurteilt, dem Kläger ab Januar 1993 erneut eine Dienstbeschädigungsrente im Anschluß an den Bewilligungsbescheid vom 01.03.1976 nach der VSO-NVA zu gewähren. Das SG hat sinngemäß ausgeführt, daß der mit Bescheid vom 02.03.1976 zuerkannte Anspruch des Klägers auf Gewährung einer DBVR durch die Einstellung der Rentenzahlung lediglich zum Ruhen gekommen sei. Dem Kläger sei kein Bescheid über die Einstellung der Rentenzahlung erteilt worden; damit sei der Bewilligungsbescheid weiterhin existent. Aus der Stichtagsregelung in Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrages vom 18.05.1990 ergebe sich kein Leistungsausschluß für Versorgungsempfänger, die bereits vor dem Stichtag in die Bundesrepublik übergesiedelt seien. Die Regelung habe allen ehemaligen Zeit- und Berufssoldaten der NVA, zu denen auch der Kläger gehöre, und die nach dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik verlegt haben, die Weitergewährung ihrer bisherigen Leistungen nach der VSO-NVA zugesprochen. Damit sei lediglich die Wohnsitzregelung des Abschnitts 401 Ziffer 1.1 der VSO-NVA außer Kraft gesetzt worden.
Gegen das am 07.12.1994 zugestellte Urteil hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 30.12.1994 gewandt und vorgetragen: bei einer Übersiedlung von der DDR in die Bundesrepublik habe es keines Bescheides bedurft, mit dem die zuvor ausgesprochene Leistungsbewilligung aufgehoben wurde. Eine Ausreise aus der DDR sei nämlich für immer erfolgt, so daß weder für eine Einstellung noch für ein Wiederaufleben Regelungsbedarf durch einen Bescheid bestanden habe. Mit der Ausreise hätten die DDR-Bürger bewußt und für alle Zukunft auf ehemals erworbene Ansprüche verzichtet. Durch Art. 20 Abs. 7 Staatsvertrag vom 18.05.1990 sei erstmals der Export von Renten- und Versorgungsleistungen geregelt worden. Aus der positiven Formulierung, daß der Zahlungsanspruch fortbestehe, auch wenn der Rentenempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach dem 18.05.1990 in die Bundesrepublik verlege, sei nur der Umkehrschluß möglich, daß dies für alle anderen Bürger, die vor dem 18.05.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt verlegt hätten, nicht möglich sei. Das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.07.1996 - 4 RA 67/94 - sei auch nicht überzeugend, da der Gesetzgeber nunmehr durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11.11.1996 (BGBl. I, S. 1038) geradezu deutlich mache, daß nach seinem Willen keine Ansprüche für Personen auf DBVR bzw. Dienstbeschädigtenteilrente (DBTR) bestanden, die vor dem 19.05.1990 in die Bundesrepublik eingereist seien. Die Forderung des BSG, es müsse ein Einstellungsbescheid erteilt werden, scheine angesichts der üblichen Praxis und der gegebenen Verhältnisse neben der Sache zu liegen. So habe nunmehr auch das Landessozialgericht (LSG) Rheinland Pfalz entschieden (Urteil vom 09.07.1998, Az. L 4 V 5/98), daß der Anspruch auf DBTR durch Übersiedlung erloschen sei, da Rentenzahlungen nach der VSO-NVA nur an Rentenempfänger zu zahlen gewesen seien, die ihren Wohnsitz in der DDR hatten. Im übrigen müsse das Ausmaß des Körperschadens des Klägers ermittelt werden, um überhaupt einen Anspruch auf DBVR bzw. DBTR begründen zu können. Zudem sei dem Kläger unzulässige Rechtsausübung vorzuhalten, da er sich nicht gegen die Zahlungseinstellung gewehrt und weder in der Zeit nach dem 18.03.1990 noch nach dem 18.05.1990 die Gelegenheit wahrgenommen habe, an seine Rente zu erinnern. Er habe zwei Jahre untätig verstreichen lassen, ehe er einen Antrag gestellt habe.
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.08.1998 ist für die Beigeladenen niemand erschienen. Die Beigeladenen sind ausweislich der Empfangsbekenntnisse vom 21.07.1998 zu dem Termin mit dem Hinweis geladen worden, daß trotz Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.1994 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1), die das Urteil des BSG vom 18.07.1996 für einschlägig hält, hat sich schriftsätzlich sinngemäß dem Antrag des Klägers angeschlossen. Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Sie hält sich für nicht zuständig; bei einer eventuellen Leistungsübernahme mit einem Leistungsbeginn vor 1994 sei nach § 8 Abs. 6 Satz 3 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgesbiets (AAÜG) vom 25.07.1991 die Beigeladene zu 1. der zuständige Rentenversicherungsträger.
Der Kläger tritt insbesondere dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen: schon im November 1989 habe er damit begonnen, Unterlagen aus der Zeit seines Wehrdienstes zu erlangen. Die chaotischen Zustände anläßlich der Wiedervereinigung hätten jedoch zu erheblichen Verzögerungen geführt.
Der Senat hat ergänzend die Entlassungsurkunde des Klägers aus der DDR-Staatsbürgerschaft beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2., die SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Düsseldorf und die Aktenhefte "Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der DDR nach der BRD und Westberlin" und "Ausreisevorgang H T " Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand mündlicher Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Beigeladenen entscheiden können, weil diese von dem Termin zur mündlichen Verhandlung mit entsprechendem Hinweis benachrichtigt worden sind.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG der Klage mit im wesentlichen zutreffender Begründung, auf die der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug nimmt, stattgegeben. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte als zuständigem Versorgungsträger i.S.d. § 8 Abs. 4 Nr. 2 AAÜG Anspruch auf Weiterzahlung bzw. Wiederaufnahme der Zahlung der mit Bescheid vom 02.03.1976 (nicht - wie im Urteilstenor vom 20.10.1994 aufgrund der Entscheidungsgründe offensichtlich unrichtig aufgeführt - vom 01.03.1976) gewährten DBVR. Die Beklagte ist ls Funktionsnachfolgerin Schuldnerin des 1976 zuerkannten Anspruchs geworden. Der Bewilligungsbescheid vom 02.03.1976 ist nicht wirksam aufgehoben bzw. abgeändert worden. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht anderweitig erloschen, so daß die Beklagte verpflichtet ist, - dem Antrag des Klägers entsprechend - ab Januar 1993 DBVR zu zahlen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 27.01.1993 - 4 RA 40/92 - SozR 3-8570 § 10 Nr. 1 = BSGE 72, 50-76 = Breithaupt 1993, 470-494 = BB 1993, 1366-1367 = SGb 1993, 435-445; vom 14.06.1995 - 4 RA 41/94 - SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr. 9 Nr. 1 = BSGE 76, 136-149; vom 18.09.1996 - 5/4 RA 27/94 - ASP 1996, Nr. 11/12, 5; vom 29.04.1997 - 4 RA 98/95 - D-Spezial 1997, Nr. 26, 8; vom 18.07.1996 - 4 RA 67/94 -, SozR 3-8570 § 11 Nr 4 = Breithaupt 1997, 236-240; vom 29.07.1997 - 4 RA 60/96 - = SGb 1997, 519) bleiben gemäß Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) vor dem Wirksamwerden des Beitritts (mit Beginn des 3. Oktober 1990) ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam. Sie sind für die Beteiligten nach Art. 19 Satz 3 EV gemäß § 77 SGG bindend. Für die Beurteilung, ob das Verhalten eines Organs der früheren DDR oder ihrer Untergliederungen ein "Verwaltungsakt" i.S. von Art. 19 Satz 1 EV ist, kommt es ausschließlich auf die Bewertung des Verhaltens anhand der Maßstäbe des Bundesrechts an. Dies gilt auch dafür, ob ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt des Untergangs der DDR mit Ablauf des 2. Oktober 1990 wirksam war und deshalb mit Beginn des 3. Oktober 1990 wirksam bleiben konnte.
Der Bescheid der NVA vom 02.03.1976 über die Gewährung der DBVR stellt einen Verwaltungsakt dar, der der Regelung des Art. 19 Satz 1 EV unterfällt (s. dazu Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Dieser durch Verwaltungsakt begründete Anspruch besteht weiter; denn der Bewilligungsbescheid vom 02.03.1976 ist seither weder wirksam aufgehoben noch abgeändert worden.
Für die Aufhebung von Leistungsbescheiden über eine Dienstbeschädigtenrente finden seit dem 01.01.1991 die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Anwendung. Für den Zeitraum davor gelten die leistungrechtlichen Vorschriften der VSO-NVA - hier in der Fassung vom 31.05.1968 -, die nach dem 03.10.1990 als sekundäres, vorkonstitutionelles Bundesrecht weitergegolten haben, soweit sie mit den Vorschriften des originären Bundesrechts - insbesondere des EV und GG - vereinbar waren (Urteile des BSG vom 14.06.1995 a.a.O.; vom 30.01.1996 - 4 RA 16/95 - SozR 3-8570 § 13 Nr. 1 = BSGE 77, 253-27; vom 05.03.1996 - 4 RA 82/94 - SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr. 9 Nr. 5 = BSGE 78, 41-50 = Breithaupt 1997, 219-228; vom 30.10.1997 - 4 RA 71/96 -). Bei der Auslegung des früheren, weiterhin maßgeblichen Rechts ist an das Rechtsverständnis der früheren Anwender nach der maßgeblichen Rechtslehre der DDR anzuknüpfen (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.06.1997 - VIII R 74/94 -, BFH/NV 1997, 843 ff; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.03.1997 - BVerwG 7 C 23.96 -, BVerwGE 104, S. 186 ff; Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.1995, BGHZ 129, S. 112ff).
Der zuständige Leistungsträger der DDR hat am 03.07.1981 zwar die Einstellung der Rentenzahlung an den Kläger mit Wirkung zum August 1981 vermerkt und vollzogen. Dieses schlichte Verwaltungshandeln stellt aber keine wirksame Aufhebung bzw. Abänderung der Leistungsbewilligung vom 02.03.1976 dar.
Zwar erscheint nach der allgemeinen Verwaltungspraxis der DDR eine Beendigung der Rechtswirksamkeit einer staatlichen Verwaltungsentscheidung auch ohne neue Entscheidung möglich. So heißt es in dem 1988 in 2. Auflage erschienenen Lehrbuch "Verwaltungsrecht" (herausgegeben von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, Potsdam-Babelsberg, Gesamtredaktion: Jochen Bley, Willi Büchner-Uhder, Günther Druckwitz, Heidrun Pohl, Gerhard Schulze), die Rechtswirksamkeit einer staatlichen Verfügung könne sowohl durch "Willenserklärung des zuständigen Organs des Staatsapparates" als auch durch eine "andere rechtserhebliche Tatsache" wegfallen (a.a.O., S. 139). So könne die Rechtswirksamkeit durch "Erlöschen" enden (z.B. bei Tod des Adressaten, Ablauf einer Frist oder Verzicht des Berechtigten); die Entscheidung müsse nicht ausdrücklich aufgehoben werden (vgl. dazu auch Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Auflage 1998, § 43 Rn. 221 m.w.N.). Demgegenüber enthält jedoch die maßgebliche Versorgungsordnung aus dem Jahre 1968 speziellere Vorschriften:
Nach der Nr. 444 Abs. 1.1 VSO-NVA (Einstellung von Rentenzahlungen) war eine Rentenzahlung einzustellen, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Rente nicht mehr vorlagen. Diese Voraussetzungen waren mit Ablauf des Juli 1981 erfüllt; denn der Kläger hat mit Verlassen der DDR dort keinen ständigen Wohnsitz mehr gehabt (Abschnitt 401 Abs. 1.1 VSO-NVA = Allgemeine Bestimmungen). Über die Einstellung der Zahlung wurde dem Kläger jedoch keine Mitteilung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemacht. Nach Nr. 444 Abs. 1.2 VSO-NVA war nämlich - mit der Ausnahme des Todes des Rentenempfängers - zwingend vorgeschrieben, daß dem Rentenempfänger über die Einstellung der Rentenzahlung ein formloser, aber gleichwohl schriftlicher Bescheid zuzustellen war, der den Zeitpunkt der Einstellung und die Gründe der Einstellung zu enthalten hatte. Die damit lediglich vollzogene rein faktische Zahlungseinstellung entsprach somit nicht der VSO-NVA und hat infolgedesssen keine Wirksamkeit entfalten können.
Der Beklagten ist deshalb auch nicht in ihrer Auffassung zu folgen, daß der Anspruch des Klägers durch seine Übersiedlung in die Bundesrepublik erloschen sei (so aber auch LSG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 09.07.1998, L 4 V 5/98). Durch die Verlegung des Wohnsitzes des Klägers waren lediglich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der DBVR entfallen; zur rechtswirksamen Beendigung des Leistungsanspruchs war aber zusätzlich weiterhin erforderlich, daß der Bewilligungsbescheid wirksam aufgehoben wurde. Eine Zahlungseinstellung in Form eines schlichten Verwaltungshandelns, nämlich des gesetzwidrigen Unterlassens der nach dem weiterhin wirksamen Bewilligungsbescheid geschuldeten Zahlung, reicht insoweit nicht aus (Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gemäß § 10 des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der DDR erloschen. Derartige gesetzliche Regelungen sind selbst dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR vom 20.02.1967, der dazu erlassenen Durchführungsverordnung vom 03.08.1967 und dem Änderungsgesetz vom 29.01.1990, dem Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft vom 16.10.1972 oder der dazu erlassenen Verordnung vom 21.06.1982 nicht zu entnehmen. Einen ausdrücklichen oder gar schriftlichen Verzicht auf seine Ansprüche auf DBVR hat der Kläger ebenfalls nicht erklärt, obwohl ausweislich der Unterlagen über seine Ausreise der DDR eine umfassende Klärung der zwischen ihm und den Organen der DDR bestehenden Rechtsverhältnisse erfolgte. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob ein erzwungener Verzicht überhaupt Rechtswirkungen hätte.
Der somit am 02.10.1990 immer noch wirksame Bewilligungsbescheid aus dem Jahre 1976 ist auch nach der Wiedervereinigung am 03.10.1990 wirksam geblieben und besteht bisher unverändert fort. Der Bescheid ist weder durch die Beklagte noch durch gesetzliche Änderungen - quasi im Zuge eines Selbstvollzuges von Gesetzen - abgeändert oder aufgehoben worden. Die Beklagte ist als Funktionsnachfolgerin seit dem 03.10.1990 Schuldnerin des Klägers und verpflichtet, dem Antrag des Klägers entsprechend ab Januar 1993 DBVR zu gewähren (nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deuschland (RAnglG)).
Entgegen der Auffassung des Beklagten stehen ihr keine Rechte zu, diese Leistung - insbesondere ohne vorherige Aufhebung oder Abänderung der Bewilligung vom 02.03.1976 - zu verweigern.
Ein solches Recht ergibt sich weder aus Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrages noch aus § 20 RAnglG; keine dieser Regelungen enthält ein Verbot, Sonderversorgungsrenten an Personen zu zahlen, die vor dem 18.05.1990 ihren ständigen Aufenthalt in den anderen Teil Deutschlands verlegt haben (vgl. dazu Urteil des BSG vom 18.07.1996 a.a.O.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 2 AAÜG, nach dessen § 4 Abs. 2 Nr. 1 die erworbenen Ansprüche auf DBVR in die Rentenversicherung zu überführen waren. Nach § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AAÜG waren die erforderlichen Feststellungen nämlich ebenfalls durch Bescheid vorzunehmen.
Die Beklagte kann ihre Zahlungsverweigerung auch nicht darauf stützen, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers möglicherweise eine Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten ist. Dies ist zwar nicht auszuschließen; eine entsprechende Aufhebungs- bzw. Änderungsentscheidung der Beklagten liegt aber nicht vor.
Ebensowenig kann der angefochtene Bescheid vom 26.01.1993 in einen die Leistungsbewilligung vom 02.03.1976 aufhebenden Verwaltungsakt umgedeutet werden. Nach der hier für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Umdeutung maßgeblichen Regelung des § 43 Abs. 1 SGB X darf nämlich ein fehlerhafter Verwaltungsakt u.a. nur dann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn dieser auf das gleiche Ziel gerichtet sowie materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig ist. Eine Abänderung des Bescheides vom 02.03.1976 nach § 48 Abs. 1 SGB X war jedoch bereits nicht das Ziel der Beklagten, als sie den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme der Rentenzahlungen ablehnte, so daß eine Umdeutung schon deshalb scheitert. Darüber hinaus war zudem seit dem 03.10.1990 keine für den im Verfügungssatz des früheren Bescheides zuerkannten Anspruch wesentliche rechtliche Änderung eingetreten. Im übrigen und auch ansonsten - Änderung der tatsächlichen, d.h. gesundheitlichen Verhältnisse - scheitert eine Umdeutung auch daran, daß die Beklagte die erforderliche Anhörung - § 43 Abs. 4 i.V.m. § 24 SGB X - nicht durchgeführt hat, also der (Umdeutungs-)Bescheid nicht in der geschehenen Verfahrensweise hätte erlassen werden dürfen, § 43 Abs. 1 SGB X.
Der Leistungsanspruch des Klägers ist auch nicht durch Verwirkung erloschen. Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist auch im Sozialrecht anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, daß das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), daß ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 01.04.1993, - 1 RK 16/92 - , HV-INFO 1993, 1269 m.w.N.; vom 29.01.1997 - 5 RJ 52/94 - BSGE 80, 41-45 = HVBG-INFO 1997, 2424-2428 = MDR 1997, 951-952).
Diese zur Verwirkung führenden Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor; der Kläger macht seinen Rechtsanspruch nicht in zulässiger Weise geltend.
Angesichts der eindeutigen Rechts- und Sachlage selbst bei Durchsetzung berechtigter Ansprüche gegenüber der DDR kann die Beklagte nicht ernsthaft fordern, der Kläger hätte nach Verlassen der DDR noch zu Zeiten deren Bestehens in irgendeiner Weise um die Weiterzahlung seiner DVBR Sorge tragen müssen. Ebenso unschädlich ist, daß der Kläger seinen Anspruch nicht schon 1990, sondern erst 1993 geltend gemacht hat. Dahinstehen kann dabei, ob der Kläger sich nach der Zusammenführung der beiden deutschen Staaten erst zeitaufwendig um die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zum Nachweis seines Anspruchs bemühen mußte - wovon der Senat aufgrund der vorgelegten Bestätigung des H.B., aber auch aufgrund eigener Erfahrungen bei der Heranziehung von Unterlagen aus der ehemaligen DDR überzeugt ist -, und damit begründet die Anmeldung seines Anspruchs zurückgestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß es an einem zu der ggf. allenfalls schlichten Untätigkeit hinzutretenden zusätzlichen Verwirkungsverhalten mangelt, aufgrund dessen die Beklagte darauf hätte vertrauen dürfen, der Kläger werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beklagten ergeben sich hierfür irgendwelche Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil der Senat der Rechtssache - nicht zuletzt wegen der abweichenden Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz - grundsätzliche Bedeutung zumißt, § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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